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§ 243 SGB VI: Witwen- und Witwerrenten - an vor dem 01.07.77 geschiedene Ehegatten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

24.04.2023

Änderung

Das Beispiel 1 wurden redaktionell überarbeitet.

Dokumentdaten
Stand13.04.2023
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.04.2007 in Kraft getreten am 01.01.2008
Rechtsgrundlage

§ 243 SGB VI

Version005.00

Inhalt der Regelung

Die Absätze 1 bis 3 beinhalten die Anspruchsvoraussetzungen für die kleine und große Witwen- beziehungsweise Witwerrente an den - nach dem bis zum 30.06.1977 geltenden Eherecht - geschiedenen Ehegatten. Sie wurden mit Wirkung vom 01.01.2005 durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts angepasst.

Absatz 4 enthält die Voraussetzungen für eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem vorletzten - geschiedenen - Ehegatten. Danach entsteht der Anspruch unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3, wenn die erneute Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft aufgelöst oder aufgehoben wurde.

Absatz 5 stellt Ehegatten, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, den geschiedenen Ehegatten gleich.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die folgenden Vorschriften sind bei einem Anspruch nach § 243 SGB VI besonders zu beachten:

  • § 90 SGB VI
    Ist eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem vorletzten - geschiedenen - Ehegatten zu leisten, regelt § 90 SGB VI die Anrechnung von Ansprüchen aus der letzten Ehe.
  • § 91 SGB VI
    Sind mehrere Rentenberechtigte - zum Beispiel Witwe und früherer Ehegatte - vorhanden, ist die Rente auf die Berechtigten entsprechend der Ehedauer aufzuteilen (vergleiche § 91 SGB VI), soweit dies dem Anspruch dem Grunde nach nicht entgegen steht (vergleiche § 243 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).
  • § 97 SGB VI
    Auf die Witwen- beziehungsweise Witwerrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten ist nach § 97 SGB VI das eigene Einkommen des hinterbliebenen früheren Ehegatten anzurechnen. Hinsichtlich einiger Ausnahmen vergleiche § 314 SGB VI.
  • §§ 101, 102 SGB VI
    Ist eine große Witwen- oder Witwerrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 SGB VI zeitlich befristet, kann die Rente nach § 101 Abs. 2 SGB VI nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung beginnen.
  • § 243a SGB VI
    Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist nach § 243a SGB VI ein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten ausgeschlossen.
  • § 268 SGB VI
    Hinterbliebenenrenten nach § 243 SGB VI werden vom Ersten des Kalendermonats an geleistet, der dem Kalendermonat der Antragstellung folgt.
  • § 303 SGB VI
    Ist die geschiedene Ehefrau vor dem 01.01.1986 verstorben oder haben die früheren Ehegatten eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben, können Witwerrenten nur bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzung, des überwiegenden Unterhalts durch die Verstorbene im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod, geleistet werden.
  • § 303a SGB VI
    Ist eine große Witwen- oder Witwerrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden, ist der Anspruch ungeachtet der Neuregelungen durch das EM-Reform-Gesetz zum 01.01.2001 weiter zu leisten, solange sich mit Blick auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Leistung keine andere Einschätzung der Erwerbsfähigkeit ergibt. Das bis zum 31.12.2000 geltende Recht ist insoweit auch dann noch anzuwenden, wenn eine zunächst nur befristet festgestellte Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach Ablauf der Frist zu überprüfen ist.
  • § 314 SGB VI
    § 314 SGB VI legt fest, in welchen Fällen die Anrechnung des eigenen Einkommens des hinterbliebenen früheren Ehegatten entfällt.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem geschiedenen oder dem vorletzten geschiedenen Ehegatten nach § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI liegen vor, wenn

Zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vergleiche die Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen zu den oben angeführten Vorschriften.

Geschiedener Ehegatte

Geschiedener Ehegatte ist derjenige, dessen Ehe mit dem Versicherten nach dem bis zum 30.06.1977 geltenden Recht geschieden wurde (§§ 41 ff. EheG 1946 in der Fassung vor dem 1. EheRG). Den geschiedenen Ehegatten sind nach § 243 Abs. 5 SGB VI Ehegatten gleichgestellt, deren Ehe für nichtig erklärt (§§ 16 ff. EheG) oder aufgehoben (§§ 28 ff. EheG) ist.

Geschiedener - oder über Absatz 5 gleichgestellter - Ehegatte im Sinne des § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI ist nicht mehr, wer sich zu Lebzeiten des Versicherten wieder verheiratet oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat (Beschluss des BVerfG vom 08.07.1987, AZ: 1 BvR 568/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 85). Das gilt selbst dann, wenn die neue Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft noch vor dem Tod des Versicherten wieder aufgelöst oder für nichtig erklärt wurde (vergleiche auch BSG vom 09.09.1986, AZ: 5b RJ 68/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 81).

Wurde die erneute Ehe oder die Eingetragene Lebenspartnerschaft erst nach dem Tod des Versicherten eingegangen und später aufgelöst, kommt gegebenenfalls ein Anspruch auf Rente nach dem vorletzten geschiedenen Ehegatten nach § 243 Abs. 4 SGB VI in Betracht (siehe Abschnitt 10). Die Differenzierung zwischen geschiedenen Ehegatten, die erst nach dem Tod des vorletzten Ehegatten wieder geheiratet oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben, und solchen Ehegatten, die zu dessen Lebzeiten wieder geheiratet oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vergleiche auch BSG vom 20.10.2004, AZ: B 5 RJ 39/03 R, SozR 4-2600 § 243 Nr. 2).

Über die Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe muss ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil vorliegen. Die Rechtskraft des Urteils ergibt sich aus dem Rechtskraftzeugnis (§ 706 ZPO), das nach § 7 Abs. 1 AktenO am Urteilskopf vermerkt ist. Handelt es sich um Urteile, die keine Rechtsmittel zulassen (zum Beispiel Endurteile des BGH), fehlt der Vermerk. Diese Urteile werden mit Verkündung wirksam. Ein gerichtliches Urteil, das keine Rechtskraft erlangt hat, führt nicht zur Nichtigerklärung oder Auflösung der Ehe. Eine Ehescheidung liegt zum Beispiel nicht vor, wenn einer der Ehegatten vor Rechtskraft des Scheidungsurteils gestorben ist (§ 619 ZPO), mit der Folge, dass sich für den überlebenden Ehegatten ein Witwen- beziehungsweise Witwerrentenanspruch aus § 46 SGB VI ergeben kann.

Urteile der Gerichte der DDR über die Auflösung einer Ehe sind grundsätzlich wirksam (Art. 18 Abs. 1 S. 1 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 - BGBl. II, S. 889 -). Ausnahmsweise kann ihnen die Anerkennung verweigert werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sind (Art. 18 Abs. 1 S. 2 des Einigungsvertrages). Über die Nichtanerkennung solcher Eheauflösungen entscheiden die Zivilgerichte im Verfahren nach den §§ 121 ff. FamFG.

Urteile von ausländischen Gerichten über die Auflösung einer Ehe bedürfen für ihre Wirksamkeit grundsätzlich der Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung (§ 107 FamFG, bis 31.08.2009: Art. 7 § 1 Abs. 1 FamRÄndG). Die Befugnis kann von den Landesregierungen auch auf einen oder mehrere Präsidenten des Oberlandesgerichtes übertragen werden (§ 107 Abs. 3 FamFG, bis 31.08.2009: Art. 7 § 1 Abs. 2a FamRÄndG). Die Anerkennung erfolgt auf Antrag, den auch der Rentenversicherungsträger stellen kann (§ 107 Abs. 4 FamFG, bis 31.08.2009: Art. 7 § 1 Abs. 3 FamRÄndG). Bis zur Entscheidung der Landesjustizverwaltung/des Oberlandesgerichtes ist das Rentenverfahren auszusetzen.

Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung/des Oberlandesgerichtes ist für alle Gerichte und Behörden bindend (§ 107 Abs. 9 FamFG bis 31.08.2009: Art. 7 § 1 Abs. 8 FamRÄndG). Das gilt auch für den Fall, dass der Antrag auf Anerkennung als unbegründet zurückgewiesen wird; es wird dadurch also verbindlich festgestellt, dass die ausländische Entscheidung nicht wirksam ist. Entsprechend bindet auch die Entscheidung über einen Antrag auf Nichtanerkennung.

Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung/des Oberlandesgerichts wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, rechtskräftig geworden ist. Die Wirksamkeit der Eheschließung wird im Anerkennungsverfahren regelmäßig nicht geprüft. In Zweifelsfällen ist daher durch Rückfrage zu klären, ob die Landesjustizverwaltung/das Oberlandesgericht diese Prüfung vorgenommen hat.

Eine Antragstellung entsprechend § 107 FamFG (bis 31.08.2009 Art. 7 § 1 FamRÄndG) kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Trennung im Ausland tatsächlich eine Scheidung im Sinne des deutschen Rechts darstellt. Handelt es sich lediglich um eine Trennung ohne endgültige Auflösung des Ehebandes, liegt eine Scheidung im Sinne des § 243 SGB VI nicht vor.

Ohne die Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung/das Oberlandesgericht ist das ausländische Urteil für die Beurteilung des Hinterbliebenenrentenanspruchs wirksam, wenn beide Ehegatten im Zeitpunkt der Scheidung die Staatsangehörigkeit des Staates hatten, dessen Gericht die Scheidung ausgesprochen hat.

Wird dem Urteil eines Gerichts der DDR ausnahmsweise die Anerkennung versagt oder wird ein anerkennungsbedürftiges ausländisches Urteil von der zuständigen Landesjustizverwaltung/dem zuständigen Oberlandesgericht nicht anerkannt, liegt keine wirksame Eheauflösung vor. In diesem Fall hat der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente unter den in § 46 SGB VI genannten Voraussetzungen.

Auflösung der Ehe vor dem 01.07.1977

§ 243 SGB VI gilt nur für Eheauflösungen vor dem 01.07.1977. Eine Ehe ist vor dem 01.07.1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben, wenn dem entsprechenden Urteil noch das bis zum 30.06.1977 geltende Recht zugrunde liegt. Entscheidend ist damit nicht der Zeitpunkt, zu dem das Urteil über die Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe rechtskräftig wurde, sondern sein Verkündungsdatum. Eine Ehe ist daher vor dem 01.07.1977 geschieden worden, wenn das Scheidungsurteil zwar erst nach dem 30.06.1977 rechtskräftig, aber bereits vor dem 01.07.1977 verkündet wurde (Beschluss des BGH vom 27.06.1979, AZ: IV ZB 116/78, FamRZ 1979, 906).

Für Fälle der Eheauflösung nach dem 30.06.1977 ist eine Hinterbliebenenrente an den geschiedenen Ehegatten nicht mehr vorgesehen. Das gilt selbst dann, wenn kein Versorgungsausgleich durchzuführen war (zum Beispiel wenn die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten, keine ausgleichsfähigen Versorgungsansprüche vorhanden waren oder die Ehe im Ausland geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben wurde). Die Begrenzung der Regelung des § 243 SGB VI auf Fälle der Eheauflösung vor dem 01.07.1977 ist mit dem Grundgesetz vereinbar (Beschluss des BVerfG vom 13.05.1986, AZ: 1 BvL 55/83, FamRZ 1986, 875).

Sollten Anträge auf Zahlung einer Geschiedenenrente bei Ehe-/Lebenspartnerschaftsauflösung nach dem 30.06.1977 gestellt werden, gilt der Antrag bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als Antrag auf Erziehungsrente.

Keine „Wiederheirat“

Der Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente an geschiedene Ehegatten ist davon abhängig, dass der geschiedene Ehegatte weder wieder geheiratet (zur Wiederheirat vor dem Tod des Versicherten vergleiche Abschnitt 3) noch eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat.

Die Wiederheirat oder die Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist Ausschluss- oder Wegfallgrund für die Witwen- beziehungsweise Witwerrente, denn mit einer erneuten Eheschließung oder Eingehung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 243 SGB VI nicht mehr vor (zur Rentenabfindung vergleiche GRA zu § 107 SGB VI).

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten - geschiedenen - Ehegatten können Abschnitt 10 entnommen werden.

Unterhalt

Die Rente nach § 243 SGB VI hat Unterhaltsersatzfunktion; sie soll die durch den Tod des Versicherten weggefallene Unterhaltszahlung oder Unterhaltsverpflichtung ersetzen. Voraussetzung für die Zahlung der Witwen- beziehungsweise Witwerrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten ist folglich, dass der geschiedene Ehegatte

  • entweder im letzten Jahr vor dem Tod tatsächlich Unterhalt vom verstorbenen Versicherten erhalten hat (vergleiche Abschnitt 6.2) oder
  • im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten einen Anspruch auf Unterhalt hatte (vergleiche Abschnitt 6.3).

Die Unterhaltszahlung beziehungsweise der Unterhaltsanspruch müssen mindestens 25 % des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs zum Lebensunterhalt erreichen (vergleiche Abschnitt 6.1).

Unterhalt im Rahmen des § 243 SGB VI stellen neben Barleistungen auch Naturalleistungen sowie Arbeitsverrichtungen (so zum Beispiel Hausarbeiten) dar (BSG vom 06.12.1996, AZ: 13 RJ 85/95). Hierunter fällt auch das - gegebenenfalls über den Tod des Unterhaltspflichtigen hinaus - gewährte Nießbrauchsrecht (BSG vom 29.04.1997, AZ: 5 RJ 40/95, SozR 3-2600 § 243 Nr. 5). Allerdings ist unter Beachtung des BSG vom 29.10.1963, AZ: 12/3 RJ 176/59, SozR Nr. 19 zu § 1265 RVO zwischen zwei Arten des Nießbrauchs zu unterscheiden:

1.Der Eigentümer des Nießbrauchs an der Sache (zum Beispiel Wohnung, Grundstück) ist der Unterhaltspflichtige. Er überlässt nur dieses Nutzungsrecht dem Unterhaltsberechtigten, bleibt aber selbst Eigentümer.
2.Eigentümer des Nießbrauchs ist allein der Unterhaltsberechtigte, der Unterhaltspflichtige erlangt das Recht erst nach dem Tod oder der Wiederheirat wieder oder verliert es gänzlich. Ein derartiger Fall liegt regelmäßig vor, wenn der Nießbrauch im Grundbuch auf den Unterhaltsberechtigten eingetragen wird.

Eine Unterhaltsleistung im Sinne des § 243 SGB VI stellt nur ein Nießbrauch im Sinne der Ziffer 1 dar. Ein Nießbrauch im Sinne der Ziffer 2 ist als Vermögensübertragung zu werten, die nach ständiger Rechtsprechung keine Unterhaltsleistung gemäß § 243 SGB VI ist (so unter anderem BSG vom 05.11.1980, AZ: 11 RA 92/79, SozR 2200 § 1265 Nr. 52).

Zum Unterhaltsverzicht vergleiche Abschnitt 6.3.1.

Mindestbedarf

Da die Rente den durch den Tod weggefallenen Unterhalt ersetzen soll, ist im Rahmen des § 243 SGB VI nur die Unterhaltszahlung beziehungsweise Unterhaltsverpflichtung anspruchsbegründend, die für den geschiedenen Ehegatten eine wirtschaftliche Bedeutung gehabt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist das dann der Fall, wenn die Unterhaltszahlung beziehungsweise der Unterhaltsanspruch mindestens 25 % des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs zum Lebensunterhalt erreichte.

Für die Bestimmung des örtlich notwendigen Mindestbedarfs ist der Wohnsitz des unterhaltsberechtigten früheren Ehegatten maßgebend. Der Mindestbedarf errechnet sich allein aus den jeweils dem Grunde nach geltenden Regelbedarfen nach § 28 SGB XII in Verbindung mit § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) für Haushaltsvorstände und Alleinstehende (unter anderem BSG vom 12.05.1982, AZ: 5b/5 RJ 30/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 63). Ein Unterhalt, der diesen Wert nicht erreichte, kann - auch wenn die Unterschreitung nur geringfügig war - keinen Rentenanspruch auslösen (BSG vom 07.09.1982, AZ: 1 RA 87/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 65, und BSG vom 31.08.2000, AZ: B 4 RA 44/99 R, ZfS 2000, 346).

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG) zum 01.01.2011 gelten bundeseinheitliche Regelbedarfe. Diese Regelbedarfe ergeben sich gemäß § 8 RBEG aus der Anlage zu § 28 SGB XII (siehe hierzu Aktuelle Werte "Regelbedarfe nach § 8 RBEG i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII (Regelsätze bis 31.12.2010: § 28 SGB XII, bis 31.12.2004: § 22 BSHG) - Regelbedarf/Eckregelsatz für § 243 SGB VI "). Solange die Länder oder die zugelassenen Träger der Sozialhilfe keine abweichenden Festsetzungen der Regelbedarfe vornehmen, haben die bundeseinheitlichen Regelbedarfe Gültigkeit. Soweit bekannt, haben bisher nur einige Städte und Landkreise in Bayern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, abweichende (höhere) Regelbedarfe festzusetzen, die erforderlichenfalls im Einzelfall vom SGB-XII-Träger mitgeteilt werden können.

  • Mindestbedarf bei Unterhaltszahlungen beziehungsweise -ansprüchen aus dem Ausland
    Entscheidend ist, welchen Wert die Unterhaltszahlungen aus dem Ausland für den in der Bundesrepublik lebenden Ehegatten haben (BSG vom 02.11.1988, AZ: 8/5a RKn 6/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 88). Unterhaltszahlungen aus dem Ausland sind daher für die Bestimmung des Mindestbedarfs mit dem Betrag zu berücksichtigen, den der geschiedene Ehegatte in Euro jeweils erhalten hat. Bestand ein Unterhaltsanspruch aus dem Ausland, ohne dass es zu tatsächlichen Zahlungen kam oder erfolgte die Auszahlung in ausländischer Währung, ist für die Umrechnung des Anspruchs in Euro ein monatlicher Durchschnittskurs zugrunde zu legen.
  • Mindestbedarf bei Aufenthalt des geschiedenen Ehegatten im Ausland
    Hatte der geschiedene Ehegatte zur Zeit des Todes des Versicherten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, sind für die Bestimmung des Mindestbedarfs die Verhältnisse in dem jeweiligen Land zugrunde zu legen; die Regelsätze nach dem SGB XII/BSHG gelten dann nicht. Unterhaltszahlungen beziehungsweise Unterhaltsansprüche sind in der jeweiligen Landeswährung zu berücksichtigen. Sind dem geschiedenen Ehegatten Unterhaltszahlungen aus anderen Ländern zugeflossen (zum Beispiel Unterhalt vom geschiedenen Ehemann aus der Bundesrepublik Deutschland), dann sind die Beträge maßgebend, die in der Landeswährung zur Auszahlung gelangt sind.
    Kann der geschiedene Ehegatte keine Nachweise darüber erbringen, welche Beträge ihm ausgezahlt worden sind oder bestand ein Unterhaltsanspruch, ohne dass es zu tatsächlichen Zahlungen kam, erfolgt eine Umrechnung der Unterhaltsansprüche anhand eines monatlichen Durchschnittskurses.
  • Mindestbedarf bei Aufenthalt des geschiedenen Ehegatten im Beitrittsgebiet
    Hatte der frühere Ehegatte zur Zeit des Todes des Versicherten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet, sind für die Bestimmung des Mindestbedarfs die Verhältnisse im Beitrittsgebiet zugrunde zu legen. Die Regelsätze nach dem SGB XII/BSHG gelten nicht. Bei Aufenthalt in der ehemaligen DDR richtet sich der Mindestbedarf nach dem Sozial-Fürsorgeunterstützungssatz der ehemaligen DDR für Alleinstehende. Dieser betrug
    • ab 01.01.1980 monatlich 230,00 M,
    • ab 01.12.1984 monatlich 260,00 M,
    • ab 01.12.1989 monatlich 290,00 M,
    • ab 01.03.1990 monatlich 300,00 M,
    • ab 01.07.1990 monatlich 400,00 M.

Tatsächliche Unterhaltszahlung

Die unterhaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Witwen-/Witwerrente sind erfüllt, wenn der geschiedene Ehegatte im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von diesem tatsächlich Unterhalt erhalten hat. Auf die rechtliche Grundlage der Unterhaltszahlung kommt es nicht an, die Leistungen (Geld- oder Sachmittel) müssen aber tatsächlich für den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten bestimmt gewesen sein.

Die Zahlungen müssen sich auf den vollen Jahreszeitraum vor dem Tod des Versicherten erstrecken; „nur Leistungen, die regelmäßig über die ganze Dauer des im Gesetz genannten Jahreszeitraums erbracht worden sind, rechtfertigen objektiv die Annahme, der Versicherte hätte auch weiterhin Unterhalt geleistet, der frühere Ehegatte habe sich daher für die Zukunft auf diesen Unterhalt einstellen dürfen“ (BSG vom 28.06.1966, AZ: 11 RA 288/64, BSGE 25, 86).

Die Unterhaltszahlungen müssen während der gesamten 12 Monate vor dem Tod des Versicherten mindestens 25 % des Mindestbedarfs (vergleiche Abschnitt 6.1) erreichen. Leistete der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod Zahlungen, die teils über, teils unter der 25%-Grenze lagen, ist auf das „Gesamtbild“ der Zahlungen abzustellen. Lässt sich hieraus nicht die Feststellung treffen, dass der Versicherte die Absicht hatte, künftig Unterhalt im erforderlichen Mindestumfang zu leisten, liegt keine tatsächliche Unterhaltsleistung im Sinne des § 243 SGB VI vor (BSG vom 04.06.1975, AZ: 11 RA 76/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 4).

Wird der 25 %-Wert zum Beispiel im letzten Monat des maßgebenden Zeitraums aufgrund der Erhöhung der Regelsätze nach dem SGB XII/BSHG nicht mehr erreicht, liegt eine tatsächliche Unterhaltszahlung im Sinne des § 243 SGB VI nicht vor, zumal der geschiedene Ehegatte auch für die Zukunft nicht mit einer Unterhaltszahlung im Sinne des § 243 SGB VI rechnen konnte.

Von diesem Grundsatz darf ausnahmsweise abgewichen werden, wenn

Die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, wenn die Zahlung erst wenige Monate vor dem Tod rückwirkend für ein Jahr aufgenommen wird (BSG vom 21.01.1987, AZ: 1 RA 3/86, Breith. 1988, 128).

Die Jahresfrist gilt daher nicht, wenn außergewöhnliche Umstände, die weder beeinflussbar noch behebbar waren, eine laufende Unterhaltszahlung verhindert haben, sofern aus den geleisteten Zahlungen die Absicht regelmäßiger Unterhaltsgewährung erkennbar war.

Wurde ausreichend Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten gezahlt, ist nicht mehr zu prüfen, ob auch ein Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand bestanden hat.

Beachte:

Bei Geltung des § 243a SGB VI ist auch bei einer tatsächlichen Unterhaltszahlung ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente ausgeschlossen (vergleiche GRA zu § 243a SGB VI, Abschnitt 2).

Nicht berücksichtigungsfähig als Unterhaltsleistungen sind Zahlungen des Versicherten aus Erträgen einer strafbaren Handlung (BSG vom 09.09.1982, AZ: 11 RA 52/81, SozR 2200 § 1265 Nr. 68) beziehungsweise aus Schwarzarbeit.

Ferner gehören nicht zum Unterhalt:

Haben die Ehegatten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand wieder in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt, gelten folgende Besonderheiten:

  • Wird die Zahlung von Beträgen an den geschiedenen Ehegatten nachgewiesen, ist bei einer gemeinsamen Haushaltsführung vorab zu prüfen, ob für die geleisteten Beträge eine Gegenleistung erbracht wurde. Die vom geschiedenen Ehegatten geleisteten Beträge sind nach Abzug der Anteile für Wohnen, für Verpflegung, Kleidung usw. höchstens insoweit Unterhalt, als sie den Wert einer vom anderen Ehegatten gegebenenfalls erbrachten Haushaltsführung überschritten haben (BSG vom 21.06.1963, AZ: 12/4 RJ 170/60, BSG 19, 185, und vom 25.06.1986, AZ: 4a RJ 23/85).
  • In Fällen, in denen auch die frühere Ehefrau als Unterhaltsberechtigte Beiträge zum gemeinsamen Haushalt geleistet hat, liegt generell dann bereits keine Unterhaltszahlung vor, wenn der Wert des Beitrags des Versicherten nicht höher war, als der Wert des Beitrags der Frau zum gemeinsamen Haushalt (BSG vom 28.11.1963, AZ: 12 RJ 98/62, SozR RVO § 1265 Nr. 16).

Unterhaltsabfindungen und Unterhaltsvorauszahlungen

Eine Unterhaltsabfindung soll regelmäßig weitere Unterhaltszahlungen ausschließen. Sie beseitigt damit auch den Unterhaltsanspruch zur Zeit des Todes des Versicherten. Etwas Anderes gilt aber dann, wenn es sich um eine Vorauszahlung des Unterhaltsanspruchs mit bestimmten oder bestimmbaren Beträgen für das letzte Jahr vor dem Tod des Versicherten handelt. Der Betrag muss dann zum Verbrauch (als Unterhalt) in diesem Zeitraum bestimmt gewesen sein, den gesamten Zeitraum abdecken und wenigstens 25 % des Mindestbedarfs (vergleiche Abschnitt 6.1) erreichen (BSG vom 24.11.1978, AZ: 11 RA 2/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 36).

Wird eine Unterhaltsabfindung in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt, liegt aufgrund dieser Beträge solange eine Unterhaltszahlung vor, bis die Gesamtsumme der Abfindung erreicht ist (BSG vom 16.03.1977, AZ: 1 RA 93/76, SozR 2200 § 1265 Nr. 26). Die Zahlungen müssen auch hier wenigstens 25 % des Mindestbedarfs betragen.

Als Anlagekapital zur Verfügung gestellte Beträge sind keine Unterhaltszahlung, selbst wenn aus den Erträgen der Unterhalt bestritten wird.

Zahlungen durch Dritte

Für einen Rentenanspruch nach § 243 SGB VI kommt es allein auf die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherten und dem geschiedenen Ehegatten an. Unterhaltszahlungen von einem Dritten werden von § 243 SGB VI nicht erfasst (BSG vom 05.11.1980, AZ: 11 RA 92/79, SozR 2200 § 1265 Nr. 52, und BSG vom 29.01.1981, AZ: 11 RA 18/80, SozSich 1981, 319), es sei denn, der Dritte handelt als Vertreter oder Beauftragter des Versicherten zu dessen Lasten.

Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand

Der Unterhaltsanspruch muss im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand bestanden haben. Für die zeitliche Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ist grundsätzlich - ohne Rücksicht auf ihre Dauer - die Zeitspanne von der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit Dauerwirkung bei einem der geschiedenen Ehegatten bis zum Tod des Versicherten maßgebend.

Vorübergehende Besonderheiten in den wirtschaftlichen Verhältnissen der geschiedenen Ehegatten werden dabei ausgeklammert (BSG vom 10.07.1986, AZ: 11a RA 6/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 8 und BSG vom 11.11.1986, AZ: 4a RJ 61/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 82). Auch die zum Tod führende Krankheit kann unberücksichtigt bleiben, wenn es sich nur um eine „verhältnismäßig kurze“ Krankheitszeit handelt (BSG vom 31.10.1978, AZ: 4/5 RJ 22/77, SozR 2200 § 1265 Nr. 35, und BSG vom 23.05.2006, AZ: B 13 RJ 4/05). Bei einer längeren Krankheitszeit ist diese selbst zum Dauerzustand geworden, auch wenn sie zum Tod des Versicherten geführt hat.

Arbeitslosigkeit ist ihrer Art nach grundsätzlich ein vorübergehender Zustand, weil in der Regel damit kein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden ist. In diesem Fall kann die Arbeitslosigkeit bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer Betracht bleiben (BSG SozR RVO § 1266 Nr. 2, Urteil des LSG Niedersachsen vom 14.04.1972, AZ: L 1 An 29/71). Wenn jedoch die durch die Arbeitslosigkeit entstandenen finanziellen Verhältnisse dauerhaft gewesen sind, so dass damit eine wesentliche und nicht nur vorübergehende Änderung in den finanziellen Verhältnissen verbunden gewesen ist, kann sie selbst letzter wirtschaftlicher Dauerzustand sein (Urteil des LSG Berlin vom 28.06.2002, AZ: L 5 RA 35/00).

Folgende Unterhaltsansprüche können relevant sein:

  • Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz (Abschnitt 6.3.1),
  • Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen (Abschnitt 6.3.2),
  • Unterhaltsanspruch bei Scheidung im Beitrittsgebiet (Abschnitt 6.3.3).

Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz

Das Ehegesetz vom 20.02.1946 (EheG) kann Grundlage für einen Unterhaltsanspruch sein, sofern der Versicherte nach dem 28.02.1946 verstorben ist. Für Todesfälle in der Zeit vom 01.05.1942 bis 28.02.1946 gilt das EheG von 1938. Die unterhaltsrechtlichen Regelungen des EheG gelten regelmäßig auch dann, wenn der Versicherte nach dem 30.06.1977 verstirbt (Art. 12 Nr. 3 des 1. EheRG vom 14.07.1976). Unterhaltsansprüche nach §§ 1569 ff. BGB, die sich nur bei Eheauflösungen ab 01.07.1977 ergeben können, haben im Rahmen des § 243 SGB VI keine Bedeutung, weil § 243 SGB VI allein Nichtigerklärungen und Auflösungen der Ehe vor dem 01.07.1977 erfasst.

Die Unterhaltsansprüche sind in den §§ 58 bis 61 EheG geregelt (vergleiche Abschnitte 6.3.1.1, 6.3.1.2 und 6.3.1.3). Diese Vorschriften gelten unmittelbar bei Scheidung der Ehe, aber auch entsprechend bei Nichtigerklärung (§ 26 EheG) oder Aufhebung der Ehe (§ 37 EheG). Für einen Unterhaltsanspruch nach dem EheG kommt es vor allem auf die Gründe der Eheauflösung an; des Weiteren sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der früheren Ehegatten entscheidend.

Die §§ 58 ff. EheG sind für Mann und Frau einheitlich anzuwenden, weil die einer Gleichbehandlung entgegenstehenden Regelungen (so § 58 Abs. 2 EheG) nicht mit Art. 3 Abs. 2 GG zu vereinbaren sind.

Es genügt, wenn der geschiedene Ehegatte im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand den ehegesetzlichen Unterhaltsanspruch gehabt hat. Eines besonderen Unterhaltsurteils bedarf es nicht. Unbeachtlich ist darüber hinaus, ob der Versicherte seiner Unterhaltsverpflichtung tatsächlich auch nachgekommen ist.

Bestehende Unterhaltsansprüche nach dem EheG können erlöschen, wenn Berechtigung und Verpflichtung entfallen. Sie können andererseits wieder aufleben, wenn diese Merkmale erneut vorliegen. Ein endgültiges Erlöschen wird daher nur bei der Verwirkung, Wiederverheiratung und dem Tod des Berechtigten oder Verpflichteten in Betracht kommen (§§ 66, 67, 69, 70 Abs. 3 EheG). Verwirkt wird der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG von dem Berechtigten, der sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt.

Ein Unterhaltsanspruch nach dem EheG besteht nicht mehr, wenn der geschiedene Ehegatte gegenüber dem Versicherten auf Unterhalt uneingeschränkt verzichtet hatte (BSG vom 19.01.1989, AZ: 4/11a RA 72/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 93, mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BSG). Ein ausgesprochener Verzicht ist allerdings unter den Voraussetzungen des § 779 Abs. 1 BGB unwirksam (vergleiche hierzu Urteil des BSG vom 28.06.1987, AZ: 5/4a RJ 77/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 97). Erfolgt eine Anfechtung der Verzichtserklärung im Rahmen der §§ 119, 123 BGB, ist zu beachten, dass die erfolgreiche Anfechtung das Rechtsgeschäft (hier: den Verzicht) zwar von Anfang an nichtig macht. Bis zur Anfechtung bleibt es aber für und gegen jedermann bestehen. Dies hat zur Folge, dass im Falle einer erfolgreichen Anfechtung nach dem Tod des Versicherten im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Anspruch auf Unterhalt nicht bestand (BSG vom 28.03.1979, AZ: 4 RJ 3/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 40).

Ein Verzicht auf Unterhalt kann aber nicht darin gesehen werden, dass der frühere Ehegatte einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht geltend gemacht beziehungsweise keine Schritte zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs unternommen hat (BSG vom 09.02.1984, AZ: 11 RA 84/82); die Vermutung eines Erlasses des Unterhaltsanspruchs ist nicht zulässig. Hat der frühere Ehegatte Unterhalt nicht geltend gemacht, ist zu prüfen, ob und inwieweit ein Unterhaltsanspruch nach dem EheG bestanden hat.

Ein ehegesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht nicht mehr, wenn die früheren Ehegatten eine vom EheG abweichende Unterhaltsvereinbarung getroffen haben. Wird in einer Unterhaltsvereinbarung hingegen nur der bestehende Unterhaltsanspruch nach dem EheG konkretisiert, liegt keine vom EheG abweichende Vereinbarung vor.

§§ 58, 59 Ehegesetz

Nach §§ 58, 59 EheG hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Ehegatte dem anderen Ehegatten den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dessen Vermögen und die Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen (§ 58 Abs. 1 EheG). Würde der Ehegatte seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, so ist er dann von einer Unterhaltspflicht ganz frei, wenn sein geschiedener Ehegatte den Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens bestreiten kann (§ 59 Abs. 2 EheG); kann der geschiedene Ehegatte das nicht, so braucht er nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 59 Abs. 1 Satz 1 EheG). Verpflichtungen gegenüber sonstigen unterhaltsberechtigten Personen (minderjährige unverheiratete Kinder, neue Ehegatten) sind dabei zu berücksichtigen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 EheG).

Danach muss sowohl

  • Unterhaltsfähigkeit auf Seiten des verstorbenen Versicherten (vergleiche Abschnitt 6.3.1.4) als auch
  • Unterhaltsbedürftigkeit auf Seiten des überlebenden geschiedenen Ehegatten (vergleiche Abschnitt 6.3.1.5)

vorliegen.

Bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit und der Unterhaltsbedürftigkeit ist gegebenenfalls auch das Einkommen zu berücksichtigen, das einer der früheren Ehegatten zwar nicht tatsächlich erzielt hat, aber zumutbar hätte erzielen können (vergleiche BSG vom 11.11.1986, AZ: 4a RJ 61/85, SozR 2200 § 1265 Nr. 82). Andererseits darf Einkommen nicht berücksichtigt werden, das einer der früheren Ehegatten in unzumutbarer Weise erzielt hat (BSG vom 01.06.1982, AZ: 1 RA 53/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 64).

Soweit es bei der Prüfung des Unterhaltsanspruchs auf die „Lebensverhältnisse der Ehegatten“ ankommt, sind die Lebensverhältnisse der Ehegatten zur Zeit der Scheidung - also noch während der Ehe - gemeint (BSG vom 13.08.1981, AZ: 11 RA 48/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 56). Sie bestimmen sich nach Beruf, Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Parteien. Hier ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Übertriebene Spar- oder Konsumneigungen sind außer Betracht zu lassen. Spätere Änderungen in den Lebensverhältnissen sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie zur Zeit der Scheidung mit berechenbarer Sicherheit vorherzusehen waren (zum Beispiel gesetzlich oder vertraglich festgelegte Gehaltserhöhungen).

Als angemessener Unterhalt nach den §§ 58, 59 EheG ist nach übereinstimmender Auffassung aller Rentenversicherungsträger regelmäßig ein Betrag in Höhe von 3/7 des Nettogesamteinkommens zum Zeitpunkt der Scheidung anzusetzen (sogenannte Anrechnungsmethode, siehe auch verbindliche Entscheidung in RVaktuell 2007, 332 zu FAVR 2/2007, TOP 4). Die Unterscheidung zwischen sogenannten Allein- und Doppelverdienerehen wurde von den Rentenversicherungsträgern inzwischen aufgegeben. Wurde in der Vergangenheit auf der Grundlage der bisherigen Rechtsauffassung ein Rentenanspruch abgelehnt, weil von einem zu geringen Unterhaltsanspruch ausgegangen wurde, ist der Ablehnungsbescheid grundsätzlich nur auf Antrag zu überprüfen. Eine Überprüfung von Amts wegen ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn der entsprechende Vorgang aus anderen Gründen (weil zum Beispiel ein Rentenanspruch für eine Witwe besteht und hier die Einkommensanrechnung zu überprüfen ist) der Sachbearbeitung vorliegt. Für mögliche Bescheidaufhebungen gilt die Korrekturvorschrift des § 44 SGB X.

Der angemessene Unterhalt kann nicht unter dem Mindestbedarf nach dem SGB XII liegen (siehe Abschnitt 6.1; BSG vom 14.07.1982, AZ: 5a/5 RKn 12/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 66).

Im Rahmen des § 243 SGB VI kommt es auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand an (vergleiche Abschnitt 6.3). Der im Zeitpunkt der Scheidung ermittelte angemessene Unterhalt ist daher auf die Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes zu projizieren (BSG vom 28.11.1963, AZ: 12 RJ 98/62 und vom 29.10.1968, AZ: 4 RJ 421/67), um die seit der Scheidung gestiegenen Lebenshaltungskosten entsprechend zu berücksichtigen. Anschließend ist von dem sich nach der Projektion ergebenden Betrag (der nicht unter dem Mindestbedarf - einschließlich Zulagen - im Sinne des Sozialhilferechts liegen darf) das eigene Nettoeinkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten abzuziehen.

Wurde im Zeitpunkt der Scheidung von einem der Ehegatten aufgrund von Kindererziehung und/oder Haushaltsführung kein oder ein verringertes Einkommen erzielt, ist vor der Projektion zunächst für die Kindererziehung und/oder Haushaltsführung ein fiktiver Geldwert zu ermitteln. Nur so ist es möglich, den angemessenen Unterhalt nach der Anrechnungsmethode bestimmen zu können. Für die Zuordnung eines fiktiven Geldwertes bietet es sich an, die Berechnungsgrundlagen des § 303 SGB VI für die Bewertung von Dienstleistungen in den alten Bundesländern für Todesfälle vor dem 01.01.1992 heranzuziehen. Die Bewertung erfolgt danach mit den Tabellenwerten der Leistungsgruppe 5 der Anlage 11 zu § 22 FRG (Hauswirtschaftsangestellte). Als Wert der Kindererziehung ist der Erhöhungsbetrag zu einer Vollwaisenrente nach § 46 AVG beziehungsweise § 1269 RVO, also jährlich 1/10 der allgemeinen Bemessungsgrundlage nach § 32 AVG beziehungsweise § 1255 RVO, zugrunde zu legen. Diese Verfahrensweise trägt dem Urteil des BGH vom 23.11.2005 (AZ: XII ZR 73/03, FamRZ 2006, S. 317) Rechnung, nach dem ein später erzieltes Einkommen als Surrogat an die Stelle der Kindererziehung und/oder Haushaltsführung tritt.

Für die Projektion sind maßgebend

  • die Entwicklung der festgestellten Einkommen der ehemaligen Ehegatten seit Scheidung und
  • die Veränderungen, die sich zwischenzeitlich in den allgemeinen Lohn- und Preisverhältnissen ergeben haben.

Lohnerhöhungen, soweit sie nicht Spiegelbild der allgemeinen Lohnerhöhung sind, können jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie im Zeitpunkt der Scheidung nicht mit Sicherheit vorauszusehen waren (BSG vom 13.08.1981, AZ: 11 RA 48/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 56 m.w.N.).

Die Projektion kann mit den vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Werten zum Preisindex beziehungsweise zum Verbraucherpreisindex vorgenommen werden (BSG vom 28.11.1963, AZ: 12 RJ 98/62 und BSG vom 29.10.1968, AZ: 4 RJ 421/67). Die dafür erforderliche prozentuale Veränderung des Indexstandes kann mit der „Rechenhilfe zur Anpassung von Verträgen“ auf der Internet-Seite des Statistischen Bundesamtes www.destatis.de/wsk bestimmt werden.

Siehe Beispiel 1

Eine Projektion entfällt, wenn die Einkommensentwicklung bei den geschiedenen Ehegatten in dieser Zeit im Wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen hat, das spätere Einkommen mithin im Großen und Ganzen noch das eheliche Lebensniveau widerspiegelt (BSG vom 13.08.1981, AZ: 11 RA 48/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 56, und vom 09.02.1984, AZ: 11 RA 84/82). In diesen Fällen kann der angemessene Unterhalt allein anhand der Nettoeinkünfte zur Zeit des Todes festgestellt werden. Für die Feststellung, ob eine unterschiedliche Entwicklung vorliegt, sind keine fiktiven Werte für die Kindererziehung und/oder Haushaltsführung anzusetzen.

Siehe Beispiele 2 und 3

Da sich der Unterhaltsanspruch bei einer Scheidung vor dem 01.07.1977 weiterhin nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden rechtlichen Regelungen der §§ 58 ff. EheG bestimmt (Art. 12 Nr. 3 des 1. EheRG vom 14.07.1976), hat dessen Feststellung auch ausschließlich nach diesem Recht sowie den damaligen Auslegungen zu erfolgen (vergleiche BSGe vom 11.09.1991, AZ: 5 RJ 75/90, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 7, und BSG vom 17.07.1996, AZ: 5 RJ 50/95, SozR 3-2600 § 243 Nr. 3). Dies hat zur Folge, dass weder

  • die zwischenzeitlich geänderte Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit im Rahmen der Unterhaltsansprüche nach §§ 1569 ff. BGB zugunsten der sogenannten Differenzmethode (anstelle der Anrechnungsmethode),
  • die sich hierauf beziehende Rechtsprechung in den Urteilen des BSG vom 29.04.1997, AZ: 4 RA 38/96, Breith. 1998, 110, und BSG vom 12.10.1993, AZ: 13 RJ 55/92, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 11, welche bei Doppelverdienerehen von einem Unterhaltsanspruch in Höhe der Hälfte ausgeht, noch
  • die Entscheidung des BGH in seinem Urteil (BGH vom 23.11.2005, AZ: XII ZR 73/03, FamRZ 2006, S. 317) zur Anwendung der Differenzmethode auch auf Unterhaltsansprüche nach §§ 58, 59 EheG,

aus Sicht der Rentenversicherungsträger überzeugen.

Nach Feststellung des Unterhaltsbedarfs (vergleiche auch Abschnitt 6.3.1.4) ist die Unterhaltsfähigkeit (vergleiche auch Abschnitt 6.3.1.5) des unterhaltspflichtigen Ehegatten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand zu prüfen.

Der unter Beachtung der Unterhaltsbedürftigkeit und der Unterhaltsfähigkeit des früheren Ehegatten festgestellte Betrag ist der maßgebende ehegesetzliche Unterhaltsanspruch.

§ 60 Ehegesetz

Sind beide Ehegatten schuld an der Scheidung, trägt aber keiner die überwiegende Schuld, kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspricht (§ 60 EheG). Ein Anspruch nach § 60 EheG kann im Rahmen des § 243 SGB VI auch schon dann berücksichtigt werden, wenn er noch nicht durch ein Unterhaltsurteil festgelegt worden ist. Sein Grund und seine Höhe sind gegebenenfalls vom Rentenversicherungsträger zu prüfen und festzustellen. Bei der Prüfung seiner Voraussetzungen sind, wenn kein Unterhaltsurteil vorliegt, strenge Maßstäbe anzulegen. Der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG beträgt etwa die Hälfte des Unterhalts nach §§ 58, 59 EheG (BSG vom 26.11.1981, AZ: 5b/5 RJ 86/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 59).

§ 61 Ehegesetz

Bei Anwendung des § 61 EheG wird unterschieden, ob das Scheidungsurteil einen Schuldausspruch enthält oder nicht:

Enthält das Urteil einen Schuldausspruch, finden nach § 61 Abs. 1 EheG die §§ 58, 59 EheG entsprechende Anwendung.

Enthält das Scheidungsurteil keinen Schuldausspruch, hat der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht (§ 61 Abs. 2 EheG).

Bei den Billigkeitserwägungen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie Bedürfnisse der geschiedenen Ehegatten, gegebenenfalls auch die des zweiten Ehegatten und der minderjährigen Kinder des Verpflichteten zu berücksichtigen. Dem Bedürftigen darf nicht mehr zugesprochen werden als ein schuldiger Ehegatte nach § 58 EheG zu leisten verpflichtet wäre. Hinsichtlich einer Erwerbsobliegenheit des Berechtigten ist ein strenger Maßstab anzulegen (Palandt, BGB, 35. Auflage 1976, § 61 EheG Anm. 3).

Unterhaltsfähigkeit

Unterhaltsfähigkeit lag vor, wenn der verstorbene Versicherte in der Lage war, mit den tatsächlich verfügbaren oder zumutbar erzielbaren Geldmitteln neben seinen eigenen Bedürfnissen auch den Bedarf des Unterhaltsberechtigten zu befriedigen.

Der verstorbene Versicherte war verpflichtet, seine Arbeitskraft unter Berücksichtigung von Vorbildung, Fähigkeiten und Arbeitsmarktlage so gut wie möglich einzusetzen. Er musste sich in diesem Zusammenhang auch Einkünfte anrechnen lassen, die er zwar nicht hatte, die er aber bei gutem Willen in zumutbarer Weise hätte erlangen können (BSG vom 31.05.1967, AZ: 12 RJ 420/65, SozR Nr. 38 zu § 1265 RVO). Er wurde dann so behandelt, als verfügte er tatsächlich über die erzielbaren Einkünfte, die gegebenenfalls zu schätzen waren. Gab er zum Beispiel seinen Arbeitsplatz grundlos auf und fand keine seinen Fähigkeiten entsprechende neue Stelle, war er weiterhin als leistungsfähig anzusehen. Unter Umständen war von einem Selbständigen die Rückkehr in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verlangen (BSG-Urteil a.a.O.).

Zu den finanziellen Mitteln, die bei der Unterhaltsfähigkeit Berücksichtigung finden, zählen neben den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit oder nichtselbständiger Beschäftigung auch die Ersatzeinkommen, insbesondere Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Krankenhaustagegeld aus eigener Versicherung (BSG vom 04.02.1988, AZ: 5/5b RJ 14/87, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 87).

Einkünfte, die der verstorbene Versicherte in nicht zumutbarer Weise erzielte, waren dagegen nicht zu berücksichtigen. Hierzu zählen Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit, die er auf Kosten seiner Gesundheit ausübte. Infolge der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit kann jedoch zunächst vermutet werden, dass der Pflichtige hierzu gesundheitlich auch in der Lage war (BSG vom 14.12.1978, AZ: 1 RA 5/78, FamRZ 1979, S. 498).

Die mögliche Inanspruchnahme einer Sozialleistung, die das Ausscheiden aus dem normalen Erwerbsleben voraussetzt, muss unberücksichtigt bleiben; hierdurch kann eine Unterhaltspflicht nicht begründet werden. Die insoweit zu treffende Entscheidung greift so tief in das persönliche Leben ein, dass sie allein dem Versicherten überlassen bleiben muss (BSG vom 31.10.1978, AZ: 4/5 RJ 22/77, SozR 2200 § 1265 Nr. 35).

Einkünfte, die rückwirkend - erst nach dem Tod des Pflichtigen - zufließen und deren Anspruch im Zeitpunkt des Todes noch nicht definitiv feststand, sind für die Frage der Unterhaltsfähigkeit im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand unbeachtlich (so Urteile des BSG vom 15.12.1966, AZ: 5 RKn 84/64, SozR Nr. 36 zu § 1265 RVO und BSG vom 04.02.1988, AZ: 5/5b RJ 14/87, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 87).

Das ermittelte Einkommen des Versicherten stand zur Beseitigung der Bedürftigkeit des Berechtigten nicht unbegrenzt zur Verfügung. In jedem Fall musste der eigene notwendige Unterhalt (Selbstbehalt) des Verpflichteten gewährleistet sein. Hinsichtlich des Selbstbehalts kann auf die vom OLG Düsseldorf entwickelte Tabelle (sogenannte Düsseldorfer Tabelle) zurückgegriffen werden.

Unterhaltsbedürftigkeit

Die Unterhaltspflicht des Versicherten setzt weiter eine Unterhaltsbedürftigkeit des Antragstellers voraus. Unterhaltsbedürftigkeit bestand nur insoweit, als die Einkünfte des Antragstellers aus Vermögen oder aus Erwerbstätigkeit nicht ausreichten, um den Lebensbedarf zu decken (BSG vom 18.09.1975, AZ: 5 RJ 98/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 8). Der Antragsteller musste sich auf seinen Unterhaltsanspruch auch die Einkünfte anrechnen lassen, die er durch eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit hätte erlangen können.

Einkünfte aus einer nicht zumutbaren Tätigkeit sowie Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die während des Bezugs von Altersrente wegen Vollendung der Regelaltersgrenze (bis 31.12.2011 des 65. Lebensjahres) erzielt wurden, bleiben unberücksichtigt (BSG vom 14.01.1986, AZ: 5a RKn 2/85).

Zu den zu berücksichtigenden Einkommen gehören auch die Erwerbsersatzeinkommen (BSG vom 25.09.1975, AZ: 12 RJ 316/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 9). In Betracht kommen:

  • Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (aus Pflicht- und freiwilligen Beiträgen),
  • Versorgungsbezug, Ruhegehalt und ähnliche Bezüge aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen,
  • Betriebsrente und berufsständische Alters- und Zusatzversorgung,
  • Übergangs- und Schonungsgeld der Rentenversicherungen,
  • Arbeitslosengeld,
  • Unterhaltsgeld
  • Krankengeld,
  • Unfallrente der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit sie Ausfluss einer echten Erwerbstätigkeit sind,
  • Renten nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BSG vom 07.09.1982, AZ: 1 RA 21/81, SozR 2200 § 1265 Nr. 67).

Einkünfte, die wegen ihres subsidiären Charakters ohnehin auf die Unterhaltsfrage keine Auswirkungen haben, sind hingegen außer Acht zu lassen (BSG vom 12.12.1974, AZ: 1 RA 125/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 2 m.w.N.). Hierzu gehören insbesondere das Arbeitslosengeld II/die Arbeitslosenhilfe (BSG vom 31.05.1967, AZ: 12 RJ 406/62, SozR Nr. 39 zu § 1265 RVO), die Sozialhilfe, die Unterhaltshilfe wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem LAG sowie die Renten nach dem vorletzten Ehegatten (§ 46 Abs. 3 SGB VI, § 44 Abs. 2 BVG, § 61 Abs. 3 BeamtVG, § 65 Abs. 5 SGB VII).

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine Erwerbstätigkeit zumutbar war, sind die gesamten Lebensverhältnisse, in denen die Ehegatten während der Ehe und nach der Scheidung gelebt haben. Insbesondere kommt es darauf an, ob der Berechtigte eine Berufsausbildung absolviert hat, ob er bereits vor der Scheidung berufstätig war, ob Kinder vorhanden sind und in welchem Alter und Gesundheitszustand sich der Berechtigte befindet.

Die maßgebende Altersgrenze des § 46 Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 242a Abs. 4 und 5 SGB VI (45 Jahre bis 31.12.2011 mit schrittweiser Anhebung auf 47 Jahre bis zum 01.01.2029) spielt für die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit keine Rolle.

Beim Vorhandensein von Kindern ist Folgendes zu beachten:

  • Bei Betreuung auch nur eines noch nicht schulpflichtigen Kindes ist eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar (Urteil des BGH vom 07.10.1981, AZ: IVb ZR 610/80, NJW 1982, 175; Urteil des BGH vom 23.02.1983, AZ: IVb ZR 363/81, NJW 1983, 1427). Eine Verweisung darauf, dass das Kind anderweitig untergebracht werden könnte, ist nicht zulässig. Es besteht ein Recht zur persönlichen Betreuung. Auch der tatsächliche Kindergartenbesuch oder die Mitbetreuung durch Großeltern ist außer Betracht zu lassen (Urteil des BGH vom 23.02.1983, AZ: IVb ZR 363/81, NJW 1983, 1427)
    Hat die Mutter allerdings bereits während der Ehe gearbeitet und insoweit für eine anderweitige Unterbringung des Kindes gesorgt, so ist ihr in der Regel eine Pflicht zur Erwerbstätigkeit entgegenzuhalten, soweit sie auch weiterhin das Kind unterbringen kann (BSG vom 31.05.1967, AZ: 12 RJ 406/62).
  • Bei Betreuung eines schulpflichtigen Kindes ist zu differenzieren: Etwa bis zum Alter von acht Jahren ist eine Erwerbsobliegenheit zu verneinen (Urteil des BGH vom 25.01.1984, AZ: IVb ZR 51/82, NJW 1984, 1537). Bis zum 15. Lebensjahr wird eine Teilzeitarbeit für zumutbar angesehen, die aber nicht den Umfang einer Halbtagstätigkeit zu erreichen braucht (Urteile des BGH vom 20.05.1981, AZ: IVb ZR 556/80, NJW 1981, 1782; BGH vom 18.04.1984, AZ: IVb ZR 80/82, NJW 1984, 2355). Nach dem Urteil des BSG vom 28.11.1963, AZ: 12 RJ 98/62, SozR Nr. 16 § 1265 RVO muss sich der Unterhaltsberechtigte die Erträgnisse einer tatsächlich bei der Betreuung eines 13-jährigen Kindes ausgeübten Erwerbstätigkeit anrechnen lassen. Eine solche Betreuung steht der Annahme der Zumutbarkeit einer Halbtagsbeschäftigung nicht entgegen.
    Bei Kindern ab dem 16. Lebensjahr wird auch eine volle Berufstätigkeit des Berechtigten erwartet werden können (BSG vom 26.06.1973, AZ: 4 RJ 131/72).
  • Bei Betreuung von zwei schulpflichtigen Kindern ist eine Teilzeitarbeit im allgemeinen erst zumutbar, wenn beide Kinder das 12. Lebensjahr vollendet haben (BGH, FamRZ 1981, 541).
    Nach BGH, FamRZ 1981, 1159 ist eine Fortsetzung der Arbeit bei zwei Kindern von 8 und 12 Jahren zumutbar.
    Bei der Betreuung von drei und mehr Kindern kann eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden.
    Besondere Bedeutung kann die Betreuung eines behinderten Kindes oder eines Problemkindes haben (vergleiche hierzu BGH, NJW 1984, 769). Im Kern wird unabhängig vom Alter des Kindes im Einzelfall zu prüfen sein, ob die Betreuungsnotwendigkeit ähnlich intensiv ist wie bei einem Kind bis zu acht Jahren. Dann ist eine Erwerbstätigkeit auszuschließen.

Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen

Neben der Unterhaltspflicht nach dem EheG kann ein Unterhaltsanspruch auch aus anderen Gründen bestehen. Der Unterhaltsanspruch kann sich

  • aus einem vollstreckbaren Titel, zum Beispiel Urteil, gerichtlicher Vergleich, notarielle Urkunde (vergleiche Abschnitt 6.3.2.1),
  • aus einer privatrechtlichen Vereinbarung (BSG vom 19.06.1962, AZ: 1 RA 234/60; vergleiche Abschnitt 6.3.2.2) oder auch
  • aus ausländischem Unterhaltsrecht (vergleiche Abschnitt 6.3.2.3)

ergeben.

Zu den Unterhaltsansprüchen gehören aber nicht Ansprüche gegen Dritte (zum Beispiel gegen einen Bürgen oder gegen eine Gesellschaft), selbst wenn die Verpflichtung des Dritten unter Mitwirkung des Versicherten begründet worden ist (BSG vom 19.03.1980, AZ: 11 RA 30/79, SozR 2200 § 1265 Nr. 49).

Vollstreckbarer Unterhaltstitel

Auf einen vollstreckbaren Unterhaltstitel kann ein Unterhaltsanspruch nicht mehr gestützt werden, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes die Wirkung des Titels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 ZPO hätte beseitigen können (Beschluss des Großen Senats des BSG vom 27.06.1963, AZ: GS 5/61, BSGE 20, 1). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die dem Titel zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten in der Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Urteil beziehungsweise nach Abschluss des Vergleichs oder Aufnahme der vollstreckbaren Urkunde so wesentlich geändert haben, dass eine Unterhaltspflicht nicht mehr bejaht werden kann.

Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherte eine Klage nach §§ 323, 767 ZPO, § 242 BGB bis zu seinem Tod mit Erfolg durchgeführt oder eine solche Klage auch nur erhoben hat. Entscheidend ist, ob für ihn zur Zeit seines Todes die Voraussetzungen für eine solche Klage vorgelegen haben (BSG vom 26.08.1987, AZ: 11a RA 54/86, SozR 2200 § 1265 Nr. 86). Dass der Versicherte an der Beseitigung des Titels nicht interessiert war, ist nicht maßgebend. Der Rentenversicherungsträger hat vielmehr selbständig zu prüfen, ob trotz des Titels die Voraussetzungen der §§ 323, 767 ZPO, § 242 BGB vorliegen. Der Versicherte kann diese Rechtswirkung allenfalls durch die gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger abgegebene Willenserklärung verhindern, dass er auf die Möglichkeit, den Titel zu beseitigen, verzichtet (BSG vom 26.08.1987, AZ: 11a RA 54/86, a.a.O.).

Die Unterhaltspflicht kraft Titels erlischt auch dann, wenn sich die früheren Ehegatten dahin geeinigt haben, dass der Berechtigte seine Unterhaltsforderung nicht geltend macht und nicht aus dem Titel vollstreckt (BSG vom 10.05.1977, AZ: 11 RA 18/76, SozR 2200 § 1265 Nr. 28).

Hat der Unterhaltsschuldner auf die Möglichkeit der Abänderung in Bezug auf §§ 323, 767 ZPO verzichtet, besteht weiterhin die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Dies gilt, sofern sich die Verhältnisse des Verpflichteten in solchem Umfang geändert haben, dass die Berufung auf die getroffene Abrede gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Dies ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung die wirtschaftliche Existenz des Schuldners gefährdet (BSG vom 23.06.1964, AZ: 12 RJ 424/62, SozR Nr. 27 zu § 1265 RVO).

Ein Unterhaltsurteil, das vor der Ehescheidung gegen einen Ehegatten erwirkt worden ist und auf die Verhältnisse während der Ehe abstellt, begründet keinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 243 SGB VI (BSG vom 06.09.1962, AZ: 1 RA 50/62, in SozR RVO § 1265 Nr. 11).

Privatrechtlicher Unterhaltsvertrag

Die in Abschnitt 6.3.2.1 beschriebenen Grundsätze gelten entsprechend für einen privatrechtlichen Unterhaltsvertrag, der auch formlos abgeschlossen sein kann.

Die Unterhaltsvereinbarungen bedürfen keiner Form. Lediglich wenn eine Unterhaltsrente unter Verzicht auf die Möglichkeit einer Abänderungsklage (§ 323 ZPO) versprochen wird, ist die Schriftform des § 761 BGB notwendig (Palandt, BGB, 35. Auflage 1976, Anmerkung 2 zu § 72 EheG).

Derartige Verträge sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Danach entfällt - auch bei Fehlen einer entsprechenden Klausel - die Leistungspflicht des geschiedenen Ehegatten insbesondere dann, wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verschlechtert haben oder wenn er zu leisten völlig unvermögend ist. Die Unterhaltspflicht aufgrund einer Vereinbarung kann somit zum Zeitpunkt des Todes bereits entfallen sein. Unterhaltsverträge können im Übrigen formlos durch entsprechende Willenserklärungen wieder aufgehoben worden sein. Entfällt die Leistungspflicht des geschiedenen Ehegatten, ist der Unterhaltsvertrag nicht mehr Grundlage für einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 243 SGB VI.

Ausländische Unterhaltsansprüche

Ein Unterhaltsanspruch kann auch auf ausländischem materiellen Eherecht oder auf einem ausländischen vollstreckbaren Unterhaltstitel beruhen (BSG vom 31.01.1979, AZ: 11 RA 22/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 38); dabei genügt es, wenn der Unterhaltstitel zur Zeit des Todes des Versicherten im Ausland vollstreckbar war, es sei denn, dass der Versicherte dort zur Zeit des Todes die Wirkungen des Titels hätte beseitigen können.

Unterhaltsanspruch bei Scheidung im Beitrittsgebiet

Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Unterhaltspflicht bei Scheidung, Auflösung oder Nichtigkeit einer Ehe war im Beitrittsgebiet

  • bis zum 28.11.1955 (in Berlin [Ost] bis zum 07.12.1955)
    das Ehegesetz vom 20.02.1946,
  • vom 29.11.1955 (in Berlin [Ost] vom 08.12.1955) bis zum 31.03.1966
    die Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung (EheVO) vom 24.11.1955 (GBl. I, S. 849),
  • vom 01.04.1966 bis zum 30.09.1990
    das Familiengesetzbuch der DDR (FGB) vom 20.12.1965,
  • ab 01.10.1990
    das Familiengesetzbuch der DDR (FGB) in der Fassung des 1. Familienrechtsänderungsgesetzes vom 20.07.1990 (für die Zeit ab 03.10.1990 in Verbindung mit Art. 234 § 5 EGBGB).

Für die Bestimmung des anzuwendenden Unterhaltsrechts gelten folgende Grundsätze für Todesfälle

a)

bis einschließlich 28.11.1955 (in Berlin [Ost] bis 07.12.1955)

Der Unterhaltsanspruch ist nach dem EheG 1946 zu beurteilen.

b)

vom 29.11.1955 (in Berlin[Ost] vom 08.12.1955) bis 02.10.1990

  • Das besondere Unterhaltsrecht der früheren DDR (EheVO beziehungsweise FGB) ist anzuwenden, wenn beide Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten
    Rechtsfolge: Anspruchsausschluss nach § 243a SGB VI
  • Das Ehegesetz 1946 ist anzuwenden, wenn beide Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten ihren Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 02.10.1990 hatten.
  • Unterlagen die früheren Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten den unterschiedlichen Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der früheren DDR (Fälle der interlokalen Rechtskollision), so ist für die Frage, nach welchem Recht der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zu beurteilen ist, an das letzte gemeinsame Personalstatut der geschiedenen Ehegatten anzuknüpfen (vergleiche BSG vom 29.07.1971, AZ: 5 RJ 21/70, BSGE 33, 89 ff.). Das Personalstatut ist die durch Wohnsitz (hauptsächlicher Lebensmittelpunkt) oder gewöhnlichen Aufenthalt begründete Zugehörigkeit zu einem Rechtskreis.
    War das letzte gemeinsame Personalstatut das Ehegesetz 1946, so ist der Unterhaltsanspruch nach diesem Gesetz zu prüfen.
    Siehe Beispiel 4
    War es die EheVO 1955 beziehungsweise das FGB 1965, ist ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten nach § 243a SGB VI ausgeschlossen.
    Siehe Beispiel 5
    Ausnahme:
    Waren beide Ehegatten Deutsche und ist der Versicherte nach dem 31.08.1986 in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 02.10.1990 verstorben (wobei zu beachten ist, dass nach dem 02.10.1990 ein Wechsel des Personalstatuts nicht mehr eintreten kann, vergleiche nachfolgende Ziffer c), beurteilt sich der Unterhaltsanspruch unabhängig vom letzten gemeinsamen Personalstatut nach dem Ehegesetz 1946 (entsprechend Art. 18 Abs. 5 EGBGB in der Fassung vom 01.09.1986 bis 17.06.2011, vergleiche Urteile des BGH vom 10.11.1993, AZ: XII ZR 127/92, NJW 1994, 382, BGH vom 08.12.1993, AZ: XII ZR 115/92, FamRZ 1994, 824 und BGH vom 02.02.1994, AZ: XII ZR 191/92, FamRZ 1994, 562, BSG vom 10.12.2003, AZ: B 5 RJ 50/02 R).
    Siehe Beispiele 6 und 7
c)

ab 03.10.1990

Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Todesfällen vom 29.11.1955 bis 02.10.1990. Zusätzlich ist zu beachten, dass für geschiedene Ehegatten, die am 02.10.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, ein Wandel ihres maßgebenden Personalstatuts auch bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in die alten Bundesländer nicht mehr eintritt (Art. 234 § 5 EGBGB). Damit kann nach dem 02.10.1990 nicht mehr ein neues gemeinsames Personalstatut entstehen. Auch Art. 18 Abs. 5 EGBGB in der Fassung vom 01.09.1986 bis 17.06.2011 findet keine entsprechende Anwendung, wenn der Versicherte erst nach dem 02.10.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in die alten Bundesländer verlegt hat.

Siehe Beispiel 8

Ist für die Prüfung des Unterhaltsanspruchs das Ehegesetz 1946 zu beachten, kommt es grundsätzlich auf den Schuldausspruch des die Ehe auflösenden Urteils an.

Enthält das Urteil keinen Schuldausspruch (zum Beispiel bei Scheidung nach der EheVO 1955 beziehungsweise nach dem FGB 1965), so kommt es bei der Beurteilung der Unterhaltsfrage nach dem Ehegesetz 1946 darauf an, wer die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trägt. Hat der geschiedene Ehegatte von der sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 606 ff. ZPO ergebenden Möglichkeit einer Schuldfeststellungsklage vor einem ordentlichen Gericht der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) Gebrauch gemacht, so liegt ein Urteil über die Schuldfeststellung vor. Ein solches Urteil ist für den Rentenversicherungsträger verbindlich. Es ist maßgebend für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs.

Nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten ist eine Schuldfeststellungsklage nicht mehr zulässig. Der Rentenantragsteller kann damit im Rentenverfahren nicht mehr zur Erhebung einer Schuldfeststellungsklage aufgefordert werden.

Liegt ein Urteil über die Schuldfeststellung nicht vor, ist der Rentenversicherungsträger insoweit berechtigt festzustellen, wen die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trifft, da der Rentenanspruch nach § 243 SGB VI von dem Unterhaltsanspruch nach den §§ 58 ff. EheG und damit von der Schuldfrage abhängt (BSG vom 15.12.1970, AZ: 10 RV 843/68, SGb 1971, S. 92 ff.). Bei der Feststellung der Schuldfrage durch den Rentenversicherungsträger ist der in dem Scheidungsurteil festgestellte Sachverhalt zugrunde zu legen.

Kleine Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem geschiedenen Ehegatten (Absatz 1)

Der Anspruch auf die kleine Witwen- beziehungsweise Witwerrente an geschiedene Ehegatten setzt neben der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abschnitt 3) voraus, dass

  • die Ehe mit dem Versicherten vor dem 01.07.1977 geschieden worden ist (Abschnitt 4),
  • der die Rente begehrende geschiedene Ehegatte weder wieder geheiratet noch eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hat (Abschnitt 5) und
  • im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von diesem Unterhalt geleistet worden ist oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand ein Unterhaltsanspruch bestanden hat (Abschnitt 6).

Eine zeitliche Begrenzung der kleinen Witwen- beziehungsweise Witwerrente (vergleichbar dem § 46 Abs. 1 SGB VI) ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 243 Abs. 1 SGB VI ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist auch folgerichtig. Ehegatten, die vor dem 01.07.1977 geschieden wurden, würden ansonsten stets unter die Übergangsregelung des § 242a Abs. 1 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2002 fallen, da nach dem Ehegesetz eine Eheschließung frühestens ab dem 16. Lebensjahr zulässig war, sofern einer der Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet hatte, also volljährig war (§ 1 EheG). Ehegatten, die vor dem 01.07.1977 geschieden wurden, sind damit immer vor dem 02.01.1962 geboren.

Eine kleine Witwen- beziehungsweise Witwerrente an geschiedene Ehegatten kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte nach dem 30.04.1942 gestorben ist.

Große Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem geschiedenen Ehegatten (Absatz 2)

Nach § 243 Abs. 2 SGB VI kann sich ein Anspruch auf große Witwen- beziehungsweise Witwerrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten ergeben.

Da ein Anspruch nach Absatz 2 „gleichberechtigt“ neben einem Anspruch nach § 243 Abs. 3 SGB VI (vergleiche Abschnitt 9) bestehen kann, bietet es sich - insbesondere in den Fällen, in denen die Antragstellerin/der Antragsteller aufgrund von Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen oder entsprechender Ersatzleistungen keinen Unterhalt vom Versicherten erhielt - an, vorrangig den Anspruch nach § 243 Abs. 3 SGB VI zu prüfen (vergleiche Abschnitt 9).

Der Anspruch auf eine große Witwen- beziehungsweise Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten nach Absatz 2 verlangt zunächst die gleichen Voraussetzungen, die für eine kleine Witwen- beziehungsweise Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten erforderlich sind (vergleiche Abschnitt 7). Zusätzlich muss eine weitere der nachfolgend aufgeführten persönlichen Voraussetzungen durch den überlebenden geschiedenen Ehegatten erfüllt sein. Der überlebende geschiedene Ehegatte muss danach

  • entweder ein eigenes Kind beziehungsweise ein Kind des Versicherten erziehen oder
  • das 45. Lebensjahres vollendet haben oder
  • erwerbsgemindert sein oder
  • vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sein oder
  • am 31.12.2000 berufs- beziehungsweise erwerbsunfähig gewesen und dies seitdem ununterbrochen sein.

Diese zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen sind identisch mit denen, die für eine große Witwen- beziehungsweise Witwerrente an den im Zeitpunkt des Todes mit dem Versicherten verheirateten Ehegatten nach § 46 Abs. 2 in Verbindung mit § 242a Abs. 2 SGB VI zu erfüllen sind mit Ausnahme der Anhebung der maßgebenden Altersgrenze von 45 auf 47 Jahre (siehe GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitt 8 und GRA zu § 242a SGB VI, Abschnitt 3).

Große Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem geschiedenen Ehegatten (Absatz 3)

Der geschiedene Ehegatte kann auch ohne die im Absatz 2 Nummer 3 genannten Unterhaltsvoraussetzungen einen Anspruch auf große Witwen- beziehungsweise Witwerrente erwerben. An Stelle dieser müssen dann die Voraussetzungen

  • des Absatzes 3 Nummer 1
    fehlender Unterhaltsanspruch (vergleiche Abschnitt 9.1),
  • des Absatzes 3 Nummer 2
    Voraussetzungen im Zeitpunkt der Scheidung (vergleiche Abschnitt 9.2) und
  • des Absatzes 3 Nummer 3
    Voraussetzungen für die Dauer des Anspruchs (vergleiche Abschnitt 9.3)

nebeneinander vorliegen (BSG vom 12.12.1974, AZ: 1 RA 125/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 2).

Grundvoraussetzung ist, dass aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten kein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente besteht.

Ein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente besteht nicht, wenn - vor Prüfung der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI - ein Renten- oder Zahlungsanspruch auf eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach § 46 SGB VI beziehungsweise Art. 2 §§ 11 bis 13 RÜG nicht besteht oder wenn die Witwen- beziehungsweise Witwerrente nicht beansprucht wird.

Dabei kommt es auf den Zeitpunkt an, für den die Rente nach Absatz 3 geleistet werden soll, nicht dagegen auf den Zeitpunkt des Todes des Versicherten (BSG vom 28.05.1968, AZ: 11/12 RJ 234/67 in BSGE 28, 88).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

  • Tod der Witwe/des Witwers/Tod eines eingetragenen Lebenspartners
    Stirbt die Witwe/der Witwer oder ein eingetragener Lebenspartner und entfällt damit der Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente, können die Anspruchsvoraussetzungen des Absatzes 3 frühestens vom Todestag der Witwe/des Witwers/des eingetragenen Lebenspartners an vorliegen.
  • Wiederheirat der Witwe/des Witwers oder (Neu-)Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft
    Bei einem Wegfall der Witwen- beziehungsweise Witwerrente aufgrund der Wiederheirat der Witwe/des Witwers oder der (Neu-)Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist ein Anspruch nach Absatz 3 erst nach Ablauf von 24 Kalendermonaten (beziehungsweise bei einer geminderten Abfindung einer kleinen Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem entsprechend kürzeren Zeitraum) nach Ablauf des Monats der Wiederheirat möglich. Für diese 24 Kalendermonate (beziehungsweise für den entsprechend gekürzten Zeitraum) besteht der Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente noch fiktiv nach § 107 Abs. 1 S. 2 und 4 SGB VI
  • Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach § 46 Abs. 3 SGB VI
    Wird über § 46 Abs. 3 SGB VI ein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente begründet, fällt der Anspruch nach § 243 Abs. 3 SGB VI weg, da von diesem Zeitpunkt an die Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht mehr vorliegen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 100 Abs. 3 SGB VI).
    Ein Witwen- beziehungsweise Witwerrentenanspruch liegt dann nicht vor, wenn es wegen Anrechnung der Versorgungs-, Unterhalts- und Rentenansprüche aus der zweiten Ehe nach § 90 SGB VI nicht zur Leistung der Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach § 46 Abs. 3 SGB VI kommt oder die Witwen- beziehungsweise Witwerrente aufgrund eines Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung wegen § 93 SGB VI ruht. Wird die Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten dagegen wegen der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI nicht gezahlt, besteht ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe/einen Witwer.
    Ein Witwen- oder Witwerrentenanspruch im Sinne des § 243 SGB VI ist auch dann nicht gegeben, wenn er wegen § 105 SGB VI ausgeschlossen ist.
  • Aufenthalt der Witwe/des Witwers/des überlebenden Lebenspartners im Ausland
    Die Voraussetzung des Absatzes 3 „kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe, einen Witwer oder einen Lebenspartner“ ist auch erfüllt, wenn die Witwe/der Witwer/der überlebende Lebenspartner bei einem Auslandsaufenthalt nach den Auslandsrentenvorschriften keinen Zahlungsanspruch hat, weil keine anrechnungsfähigen Versicherungsjahre für die Berechnung der Auslandsrente zu berücksichtigten sind.
    Zieht die Witwe/der Witwer/der überlebende Lebenspartner in den Geltungsbereich des SGB zu und entsteht ein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente, fällt der Anspruch nach Absatz 3 weg, weil die Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht mehr vorliegen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 100 Abs. 3 SGB VI).
  • Zusammentreffen mehrerer früherer Ehegatten
    Wird bereits für einen weiteren früheren Ehegatten eine Rente nach § 243 SGB VI gezahlt, so schließt das für andere frühere Ehegatten die Anwendung des § 243 Abs. 3 SGB VI nicht aus. Die Rente an den geschiedenen Ehegatten steht einer Hinterbliebenenrente an eine Witwe, einen Witwer beziehungsweise überlebenden Lebenspartner nicht gleich (BSG vom 12.12.1969, AZ: 11 RA 52/67, SozR RVO § 1265 Nr. 53). Dabei ist es unbeachtlich, nach welcher Regelung des § 243 SGB VI der parallele Rentenanspruch an den anderen geschiedenen Ehegatten besteht.

Unterhaltsanspruch im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1

Von einem Unterhaltsanspruch im Sinne von § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI ist auszugehen, wenn die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Parteien im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten so ausgestaltet waren, dass sie bei

  • dem Fehlen von Erwerbseinkommen beim früheren Ehegatten (vergleiche Abschnitt 9.1.1) einerseits und
  • hinreichenden Vermögens- oder Erwerbsverhältnissen des Versicherten (volle Leistungsfähigkeit) andererseits (vergleiche Abschnitt 9.1.2)

zu einer konkreten Unterhaltsverpflichtung des Versicherten geführt hätten. Erfasst werden unterhaltsrechtliche Beziehungen nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) und aus anderen Gründen (vergleiche Abschnitt 6.3).

Zu den Auswirkungen eines Unterhaltsverzichts vergleiche Abschnitt 9.1.3.

Richten sich die unterhaltsrechtlichen Beziehungen im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand nach den §§ 58, 59, 61 Abs. 2 EheG, ist der „angemessene“ Unterhalt im Zeitpunkt der Scheidung festzustellen und auf die Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands zu projizieren (BSG vom 31.05.1979, AZ: 11 RA 62/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 42). Abzusetzen sind dann diejenigen Beträge, die nicht Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit oder denen gleichgestellte Einkünfte sind (vergleiche Abschnitt 9.1.1).

Entsprechend ist bei unterhaltsrechtlichen Beziehungen nach § 60 EheG zu verfahren, wobei der Unterhaltsbeitrag nur die Hälfte des „angemessenen“ Unterhalts beträgt. Eine Verringerung des festgestellten Betrages um evtl. - fiktive - Unterhaltsleistungen vorrangig verpflichteter Verwandter des früheren Ehegatten ist nicht vorzunehmen (BSG vom 26.11.1981, AZ: 5b/5 RJ 86/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 59).

Beachte:

Hat der geschiedene Ehegatte des Versicherten keine Einkünfte oder nur Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise denen gleichgestellte Einkünfte, ist eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne des Absatzes 3 Nummer 1 zu unterstellen, weil der gesetzliche Unterhaltsanspruch nach §§ 58, 59, 61 Abs. 2 EheG den notwendigsten Lebensbedarf (BSG vom 14.07.1982, AZ: 5a/5 RKn 12/80, SozR 2200 § 1265 Nr. 66) und der Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG zumindest die Hälfte des notwendigsten Lebensbedarfs des früheren Ehegatten deckt und damit stets 25 % des Mindestbedarfs erreicht (BSG vom 26.11.1981, AZ: 5b/5 RJ 86/80, SozR § 1265 Nr. 59).

Ergeben sich die unterhaltsrechtlichen Beziehungen aus „anderen Gründen“, ist für den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand derjenige Unterhalt zu errechnen, der sich nach Maßgabe dieser „anderen Gründe“ (Unterhaltsvereinbarung, Unterhaltsvergleich oder Ähnliches) ergeben hätte, wenn der Versicherte voll leistungsfähig gewesen wäre und der frühere Ehegatte keine Erwerbseinkünfte und ihnen gleichgestellte Erträge gehabt hätte. Eine Unterhaltsverpflichtung nur für den Fall des Notbedarfs ist bereits ausreichend (BSG vom 05.11.1980, AZ: 11 RA 126/79, SozR 2200 § 1265 Nr. 53).

Soweit Unterhaltsansprüche auf der Grundlage von ausländischen Rechtsnormen davon abhängig sind, dass eine gerichtliche Feststellung vorliegt, sind sie nur dann zu beachten, wenn eine entsprechende Entscheidung auch ergangen ist (BSG vom 30.05.1984, AZ: 5a RKn 17/83, SozR 2200 § 1265 Nr. 71).

Wurden die unterhaltsrechtlichen Beziehungen im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vom besonderen nachehelichen Unterhaltsrecht der DDR (Eheverordnung 1955 beziehungsweise Familiengesetzbuch 1965, vergleiche Abschnitt 6.3.3) bestimmt, ist ein Anspruch nach § 243a SGB VI ausgeschlossen.

Absatz 3 findet keine Anwendung, wenn die Unterhaltsverpflichtung aufgrund anderer als der in Nummer 1 der Vorschrift genannten Tatbestände nicht bestanden hat. Wurden Unterhaltsansprüche vollständig abgefunden, scheidet ein Anspruch nach Absatz 3 aus.

Unterhaltsbedürftigkeit des früheren Ehegatten

Keine Unterhaltsverpflichtung wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen hat bestanden, wenn der geschiedene Ehegatte allein mit diesen Erträgnissen seine Unterhaltsbedürftigkeit beseitigt hat, seinen Unterhalt also hiermit bestreiten konnte. Unschädlich für den Anspruch auf die Witwen- beziehungsweise Witwerrente nach Absatz 3 sind damit insbesondere:

  • Gegenleistungen aus abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit wie Lohn, Gehalt, Erwerbseinkommen,
  • Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (aus Pflicht- und freiwilligen Beiträgen),
  • Versorgungsbezug, Ruhegehalt und ähnliche Bezüge aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen,
  • Betriebsrente und berufsständische Alters- und Zusatzversorgung,
  • Übergangs- und Schonungsgeld der Rentenversicherungen,
  • Arbeitslosengeld,
  • Unterhaltsgeld,
  • Krankengeld,
  • Unfallrente der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit sie Ausfluss einer echten Erwerbstätigkeit sind,
  • Renten nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BSG vom 07.09.1982, AZ: 1 RA 21/81, SozR 2200 § 1265 Nr. 67).

Ferner sind diejenigen Einkünfte außer Acht zu lassen, die wegen ihres subsidiären Charakters ohnehin auf die Unterhaltsfrage keine Auswirkungen haben (BSG vom 12.12.1974, AZ: 1 RA 125/74, SozR 2200 § 1265 Nr. 2 m.w.N.). Hierzu gehören insbesondere die Leistungen der Sozialhilfe, die Unterhaltshilfe wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem LAG sowie die Renten nach dem vorletzten Ehegatten (§ 46 Abs. 3 SGB VI, § 44 Abs. 2 BVG, § 61 Abs. 3 BeamtVG, § 65 Abs. 5 SGB VII).

Zum Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen und den entsprechenden Ersatzleistungen gehören dagegen nicht:

  • Einkünfte aus Vermögen und Grundbesitz,
  • Hinterbliebenenrente/-versorgung,
  • Unfallrenten der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit sie nicht auf einer Verknüpfung mit einer Erwerbstätigkeit beruhen (zum Beispiel bei Unglücksfällen von Lebensrettern, Blutspendern, Kindergartenkindern, Schülern, Studenten und Verfolgern von Unrechtstätern),
  • Leistungen aus der Kriegsopferversorgung,
  • Leistungen nach dem Lastenausgleich.

Diese Einkünfte sind bei der Prüfung der Unterhaltsverpflichtung im Sinne von Absatz 3 mit zu berücksichtigen; dies gilt nicht, wenn ihre Berücksichtigung wegen ihres subsidiären Charakters ausgeschlossen ist.

Leistungsfähigkeit des Versicherten

Keine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten wegen seines Gesamteinkommens hat bestanden, wenn er nicht unterhaltsfähig (leistungsfähig) war. Für den Begriff der Unterhaltsfähigkeit gelten die Grundsätze über den nachehelichen Unterhalt (vergleiche Abschnitt 6). Unterhaltsfähigkeit hat im Allgemeinen nicht vorgelegen, wenn der Versicherte durch eine Unterhaltsleistung seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährdet hätte. Ob und wann das der Fall war, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Für die Frage des eigenen notwendigen Selbstbehalts kann auf die vom OLG Düsseldorf entwickelte Tabelle (sogenannte Düsseldorfer Tabelle) zurückgegriffen werden.

Auswirkungen eines Unterhaltsverzichts

Bei einem Unterhaltsverzicht besteht grundsätzlich kein Rentenanspruch nach Absatz 3 (BSG vom 28.03.1979, AZ: 4 RJ 3/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 40). Etwas Anderes gilt allerdings, wenn vom Verzicht der Notbedarf ausdrücklich ausgenommen wurde. Die Prüfungen nach den Abschnitten 9.1.1 und 9.1.2 beziehen sich dann auch auf den Unterhaltsanspruch für den Notbedarf.

Abweichend vom oben angeführten Grundsatz ist ein umfassender Unterhaltsverzicht im Rahmen des Absatzes 3 rentenunschädlich, wenn nachgewiesen ist, dass

  • der Unterhaltsverzicht keine materiell-rechtliche Bedeutung erlangt und sich letztlich als „leere Hülse“ erwiesen hat, weil aus den in Absatz 3 Nummer 1 genannten Gründen ein Unterhaltsanspruch weder zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Verzichts noch zur Zeit des Todes bestanden hätte und
  • die geschiedenen Ehegatten bei Abschluss des Erlassvertrages vernünftigerweise davon ausgehen konnten, dass die in Absatz 3 Nummer 1 genannten Hinderungsgründe bis zum Tod des Versicherten Bestand haben würden (unter anderem Urteile des BSG vom 23.11.1988, AZ: 5/5b RJ 100/86, SozR 2200 § 1265 Nr. 90, und BSG vom 15.12.1988, AZ: 4/11a RA 42/86, SozR 2200 § 1265 Nr. 92).

Damit kommt es im Ergebnis darauf an, dass zum Zeitpunkt des Verzichts und noch zum Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehegatten (also während des gesamten Zeitraumes) auch ohne den Verzicht eine Unterhaltsverpflichtung nicht bestanden hat, weil

a)der eine geschiedene Ehegatte wegen seines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen nicht unterhaltsbedürftig war (vergleiche Abschnitt 9.1.1) oder
b)der Versicherte aufgrund seines Gesamteinkommens nicht unterhaltsfähig war (vergleiche Abschnitt 9.1.2).

Ergeben die durchzuführenden Ermittlungen, dass der eine geschiedene Ehegatte nicht unterhaltsbedürftig beziehungsweise der Versicherte nicht unterhaltsfähig war, liegen trotz des Unterhaltsverzichts die Voraussetzungen des § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI vor. Bei dieser Sachlage wird auch regelmäßig zu unterstellen sein, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erlassvertrages von dem Fortbestehen der in § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI genannten Hinderungsgründe bis zum Tod des Versicherten ausgehen konnten. Dabei ist es unerheblich, ob zwischen Verzicht und Tod ein Wechsel in den Hinderungsgründen auftritt, der Versicherte zum Beispiel beim Verzichtsvertrag nicht unterhaltsfähig war, die Unterhaltsfähigkeit zum Todeszeitpunkt zwar besteht, der Anspruch auf Unterhalt aber mangels Bedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten entfällt.

Typischerweise ist ein „leeres“ Verfügungsgeschäft im Sinne einer „leeren Hülse“ dann nicht gegeben, wenn der Verzicht Teil einer Scheidungsvereinbarung war und nach den zur Zeit der Scheidung objektiv gegebenen Umständen festzustellen ist, dass der Verzicht eine Gegenleistung für ein prozessuales Entgegenkommen des Versicherten zur Erleichterung des gerichtlichen Ausspruchs über die Schuldfrage war - sogenannte Konventionalscheidung (BSG vom 15.12.1988, AZ: 4/11a RA 42/86, SozR 2200 § 1265 Nr. 92).

Es ergeben sich danach folgende Grundsätze:

  • Hat zum Zeitpunkt der Erklärung des Verzichts beziehungsweise im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten ein relevanter Unterhaltsanspruch bestanden, so ist der Unterhaltsverzicht beachtlich und ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 243 SGB VI nicht gegeben.
  • Hat dagegen der Rentenantragsteller in der gesamten Zeit zwischen Scheidung und Tod des Versicherten aufgrund eigener Einkünfte niemals einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten gehabt, so ist der Unterhaltsverzicht unbeachtlich und schließt einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 243 SGB VI nicht aus.
  • War der Rentenantragsteller in dem Zeitraum zwischen Scheidung und Tod des Versicherten (wenn auch nur vorübergehend) nicht erwerbstätig und verfügte er während dieser Zeit auch nicht über ausreichendes Erwerbsersatzeinkommen, so ist ein Unterhaltsanspruch entstanden, wenn der Versicherte zur selben Zeit unterhaltsfähig war, und der Verzicht auf Unterhalt deshalb rentenanspruchsschädlich.

Voraussetzungen im Zeitpunkt der Scheidung (Absatz 3 Nummer 2)

Es genügt, wenn eine der beiden Alternativen des Absatzes 3 Nummer 2 (Kindererziehung, 45. Lebensjahr) im Zeitpunkt der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung vorlag.

Hatte der geschiedene Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet, kommt es also darauf an, dass er im Zeitpunkt der Scheidung mindestens ein Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, erzogen hat. Zur Kindererziehung (einschließlich der gleichgestellten Sorge für ein behindertes Kind) gilt § 46 Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB VI entsprechend (vergleiche GRA zu § 46 SGB VI).

Bei Ehescheidungen bis zum 31.12.1974 ist auf der Grundlage des bis zum 31.12.1991 geltenden § 42 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AVG beziehungsweise § 1265 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVO in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters für die Prüfung der Voraussetzung des Absatzes 3 Nummer 2 Buchstabe a auf die seinerzeit geltende gesetzliche Volljährigkeitsgrenze (Vollendung des 21. Lebensjahres) abzustellen (vergleiche BSG vom 16.05.2001, AZ: B 5 RJ 26/00 R). Das BSG hat in seiner oben angeführten Entscheidung unter anderem ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit § 243 SGB VI eine Rechtsänderung in diesem Bereich gegenüber dem bis 31.12.1991 geltenden § 42 AVG beziehungsweise § 1265 RVO nicht herbeiführen wollte. Nach § 42 AVG beziehungsweise § 1265 RVO war aufgrund der Regelung in Art. 10 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters aber auf das Volljährigkeitsalter im Zeitpunkt der Scheidung abzustellen.

Allerdings forderte § 42 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AVG beziehungsweise § 1265 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVO neben der Erziehung auch die grundsätzliche Waisenrentenberechtigung des Kindes. Die Voraussetzung „Erziehung eines Kindes“ ist nach übereinstimmender Auffassung aller Rentenversicherungsträger bei Scheidungen vor dem 01.01.1975 damit auch erfüllt, wenn ein Kind im Alter von 18 bis 21 Jahren erzogen wurde, welches waisenrentenberechtigt war.

Die Begriffe „waisenrentenberechtigt“ und „Waisenrente erhielt“ in § 42 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AVG beziehungsweise § 1265 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVO verlangten nicht, dass den betreffenden Kindern tatsächlich eine Waisenrente gezahlt wurde (BSG vom 19.08.1976, AZ: 11 RA 110/75, SozR 2200 § 1265 Nr. 22). Entscheidend war allein, dass es sich um ein Kind des früheren Ehegatten handelte. Zu dem Versicherten mussten dagegen keine familienrechtlichen Beziehungen bestanden haben. Zu den Kindern gehörten auch die in § 46 Abs. 2 S. 2 SGB VI genannten Kinder. Näheres zu den anspruchsberechtigten Kindern ist der GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitt 8.3, zu entnehmen (AGFAVR 1/2002, TOP 12).

Voraussetzungen für die Dauer des Rentenanspruchs (Absatz 3 Nummer 3)

Absatz 3 Nummer 3 bezeichnet alternativ drei anspruchserhaltende Voraussetzungen, von denen eine für die Dauer des Anspruchs stets vorhanden sein muss:

  • Die Voraussetzung des Absatzes 3 Nummer 3 ist erfüllt, wenn der frühere Ehegatte das 60. Lebensjahr (bei Tod des Versicherten nach dem 31.12.2011 das nach der Anhebung maßgebende Lebensjahr) vollendet hat.
  • Ist dies nicht der Fall, reicht es aus, wenn der frühere Ehegatte
    • erwerbsgemindert ist oder
    • vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (§ 240 Abs. 2 SGB VI) oder
    • am 31.12.2000 berufsunfähig beziehungsweise erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 war, und dies seitdem ununterbrochen ist (siehe GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitt 8.2, und GRA zu § 242a SGB VI, Abschnitt 4).
  • Absatz 3 Nummer 3 ist auch erfüllt, solange der frühere Ehegatte ein Kind im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB VI erzieht oder für ein behindertes Kind sorgt (siehe GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitte 8.3 bis 8.6).

Nur solange eine dieser Voraussetzungen vorliegt, kann die Rente nach Absatz 3 gezahlt werden. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Voraussetzung bereits im Zeitpunkt des Todes des Versicherten vorgelegen hat. Auch eine später eintretende Voraussetzung kann zum Rentenanspruch führen; dann allerdings erst vom Ablauf des Monats an, in dem die entsprechende Voraussetzung eingetreten ist.

Fällt die anspruchsauslösende Voraussetzung des Absatzes 3 Nummer 3 weg - entfällt zum Beispiel die Erziehung des Kindes oder ist der frühere Ehegatte nicht mehr vermindert erwerbsfähig -, endet der Anspruch auf Hinterbliebenenrente an den früheren Ehegatten nach § 243 Abs. 3 SGB VI. Er entsteht jedoch neu, wenn eine der Voraussetzungen wieder eintritt; spätestens also, wenn der frühere Ehegatte das 60. Lebensjahr (bei Tod des Versicherten nach dem 31.12.2011 das nach der Anhebung maßgebende Lebensjahr) vollendet hat.

Die Anhebung der Altersgrenze für Todesfälle ab dem 01.01.2012 erfolgt nach Satz 2 des § 243 Abs. 3 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2008 stufenweise vom 60. auf das 62. Lebensjahr. Zwischen dem 60. und 61. Lebensjahr erfolgt die Anhebung zunächst um einen Monat pro Jahr, ab 2024 dann zwischen dem 61. und 62. Lebensjahr um zwei Monate pro Jahr. Für Todesfälle ab dem 01.01.2029 ist damit die in Absatz 3 Nummer 3 geforderte Altersgrenze erst mit Vollendung des 62. Lebensjahres erreicht.

Für Todesfälle bis zum 31.12.2011 gilt weiterhin die Altersgrenze von 60 Jahren.

Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten - geschiedenen - Ehegatten (Absatz 4)

Nach Absatz 4 ist ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 für geschiedene Ehegatten möglich, die wieder geheiratet haben oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, sofern diese Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft aufgelöst oder aufgehoben ist (vergleiche hierzu GRA zu § 46 SGB VI, Abschnitt 11.2).

Ausgeschlossen bleibt der Anspruch, wenn die neue - jetzt aufgelöste - Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft noch zu Lebzeiten des Versicherten geschlossen worden ist. Mit der Wiederheirat oder Eingehung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu Lebzeiten des Versicherten (vergleiche auch Abschnitt 5) endet der Status „geschiedener Ehegatte“ im Sinne des § 243 SGB VI (Beschluss des BVerfG vom 08.07.1987, AZ: 1 BvR 568/87, SozR 2200 § 1265 Nr. 85 - vergleiche auch Abschnitt 3). Die Witwen-/Witwerrente nach § 243 SGB VI hat Unterhaltsersatzfunktion, sie tritt an die Stelle des durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhaltsanspruchs beziehungsweise der Unterhaltszahlung. Bei einer Wiederheirat/Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft zu Lebzeiten des Versicherten enden die unterhaltsrechtlichen Beziehungen aber nicht durch den Tod des Versicherten, sondern entfallen endgültig durch die vorherige Wiederheirat/Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft des geschiedenen Ehegatten. Damit entfällt aber auch jegliche Grundlage für eine Rente, die den aufgrund des Todes des Versicherten wegfallenden Unterhalt ersetzen soll.

Absatz 4 fordert - anders als im früheren Recht - nicht mehr, dass im Zeitpunkt der Wiederheirat/Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem geschiedenen Ehegatten bestanden haben muss. Eine Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten geschiedenen Ehegatten kann folglich auch geleistet werden, wenn

  • die letzte Ehe vor 1957 aufgelöst worden ist,
  • bei einer Wiederheirat vor 1957 die besonderen Voraussetzungen nach dem Recht der Arbeiterrentenversicherung nicht vorlagen oder
  • bei einer Wiederheirat im Beitrittsgebiet vor 1959 kein Anspruch bestanden hat (Beschluss des BVerfG vom 19.04.1991, AZ: 1 BvR 375/91, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 5).

Auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten geschiedenen Ehegatten sind nach § 90 SGB VI die für denselben Zeitraum bestehenden Ansprüche auf Witwenrente oder Witwerrente, auf Versorgung, auf Unterhalt oder auf sonstige Renten nach dem letzten Ehegatten/Lebenspartner anzurechnen. Zur Anrechnung dieser Ansprüche aus der letzten Ehe vergleiche GRA zu § 90 SGB VI.

Beginn, Befristung, Ende

Der Beginn der Witwen- oder Witwerrente eines geschiedenen Ehegatten nach § 243 SGB VI richtet sich nach § 268 SGB VI. Danach ist die Rente vom Ablauf des Kalendermonats an zu leisten, in dem die Rente beantragt wird (siehe GRA zu § 268 SGB VI).
Die große Witwen- oder Witwerrente eines geschiedenen Ehegatten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit und die große Witwen- oder Witwerrente eines geschiedenen Ehegatten wegen Kindererziehung sind nach § 102 Abs. 2, 2a und 3 SGB VI zu befristen (siehe GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitte 3 und 5).
Ergibt sich nach der Rentenfeststellung, dass eine Anspruchsvoraussetzung nicht (mehr) erfüllt ist, zum Beispiel

  • die Erwerbsminderung,
  • die Kindererziehung,
  • keine Wiederheirat,
  • bei Renten nach § 243 Abs. 3 SGB VI kein Witwen- oder Witwerrentenanspruch einer „echten” Witwe beziehungsweise eines ”echten” Witwers nach § 46 Abs. 3 SGB VI (siehe auch Abschnitt 9),

richtet sich das Ende der Rentenzahlung nach § 100 Abs. 3 SGB VI (siehe GRA zu § 100 SGB VI, Abschnitt 5). Die Bescheidaufhebung richtet sich nach § 48 SGB X, gegebenenfalls nach § 45 SGB X, dabei ist § 24 SGB X zu beachten (siehe GRA zu § 48 SGB X, Abschnitt 2.2 und GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 3.1)

Bei Tod richtet sich das Ende der Rentenzahlung nach § 102 Abs. 5 SGB VI (siehe GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitt 9 und GRA zu § 39 SGB X, Abschnitt 2.2).

Beispiel 1: Projektion des angemessenen Unterhalts zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.1.1)
Unterhaltsrechtlich relevantes Bareinkommen der Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung 1966   300,00 DM
Unterhaltsrechtlich relevantes (fiktives) Einkommen der Ehefrau für Haushaltsführung und Kindererziehung im Zeitpunkt der Scheidung 1966   600,00 DM
Unterhaltsrechtlich relevantes Bareinkommen des Ehemannes im Zeitpunkt der Scheidung 19661.200,00 DM
Unterhaltsrechtlich relevantes Bareinkommen der geschiedenen Ehefrau im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des geschiedenen Ehemannes 2015   750,00 EUR
Unterhaltsrechtlich relevantes Bareinkommen des geschiedenen Ehemannes im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod 20151.600,00 EUR
Lösung:
Berechnung des Unterhaltsanspruchs im Zeitpunkt der Scheidung
1. Addition der Einkommen: 900,00 DM plus 1.200,00 DM2.100,00 DM
2. angemessener Unterhalt nach Anwendung der Quote: 2.100,00 mal 3/7   900,00 DM
3. Abzug des Bareinkommens der Ehefrau: 900,00 DM minus 300,00 DM   600,00 DM
Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung   600,00 DM
Projektion auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand
Die prozentuale Veränderung des Indexstandes beträgt von 1966 bis 2015 ca. 300 %, das ergibt 900,00 DM mal 300 %2.700,00 DM
Angemessener Unterhalt, umgerechnet in Euro1.380,00 EUR
Nach Abzug des eigenen Bareinkommens ergibt sich für die geschiedene Ehefrau ein Unterhaltsanspruch von (1.380,00 EUR minus 750,00 EUR)630,00 EUR

Beispiel 2: Berechnung des Unterhaltsanspruch - Alleinverdienerehe

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.1.1)
Einkommen der Antragstellerin im Zeitpunkt der Scheidung      0,00 DM
Einkommen des Versicherten im Zeitpunkt der Scheidung1.000,00 DM
Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt der Scheidung gleich 428,57 DM (1.000,00 mal 3/7)
Einkommen der Antragstellerin im Zeitpunkt des Todes1.000,00 EUR
Einkommen des Versicherten im Zeitpunkt des Todes2.000,00 EUR
Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes gleich 285,71 EUR (3.000,00 mal 3/7 gleich 1.285,71 minus 1.000,00)
Lösung:
Im Zeitpunkt des Todes besteht für die Antragstellerin ein Anspruch auf Unterhalt.

Beispiel 3: Berechnung des Unterhaltsanspruchs - Doppelverdienerehe

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.1.1)
Einkommen der Antragstellerin im Zeitpunkt der Scheidung   750,00 DM
Einkommen des Versicherten im Zeitpunkt der Scheidung1.000,00 DM
Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt der Scheidung  gleich 0,00 DM
(1.750,00 mal 3/7 gleich 750,00 minus 750,00)
Einkommen der Antragstellerin im Zeitpunkt des Todes1.500,00 EUR
Einkommen des Versicherten im Zeitpunkt des Todes2.500,00 EUR
Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes gleich 214,29 EUR (4.000,00 mal 3/7 gleich 1.714,29 minus 1.500,00)
Lösung:
Im Zeitpunkt des Todes besteht für die Antragstellerin ein Anspruch auf Unterhalt.

Beispiel 4: Anwendung des EheG 1946

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.3)
Scheidung im Beitrittsgebiet1953
Zuzug der geschiedenen Ehefrau in das frühere Bundesgebiet1954
Tod des Versicherten im Beitrittsgebiet1985
Lösung:
Letztes gemeinsames Personalstatut ist das EheG 1946.

Beispiel 5: Anwendung der EheVO 1955

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.3)
Scheidung im Beitrittsgebiet1953
Zuzug der geschiedenen Ehefrau in das frühere Bundesgebiet1960
Tod des Versicherten im Beitrittsgebiet1985
Lösung:
Letztes gemeinsames Personalstatut ist die EheVO 1955. Ein Anspruch auf Witwenrente für die geschiedene Ehefrau ist damit nach § 243a SGB VI ausgeschlossen.

Beispiel 6: Tod vor dem 01.09.1986 in der Bundesrepublik Deutschland

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.3)
Scheidung im Beitrittsgebiet1965
Zuzug des Versicherten in das frühere Bundesgebiet1970
Tod des Versicherten im früheren Bundesgebiet1985
Beide Ehegatten waren Deutsche.
Lösung:
Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau beurteilt sich allein nach dem Recht des Beitrittsgebietes - FGB 1965 -, denn der Versicherte ist bereits vor Inkrafttreten des Art. 18 Abs. 5 EGBGB in der Fassung des IPR-Neuregelungsgesetzes (01.09.1986) verstorben.

Beispiel 7: Tod nach dem 31.08.1986 in der Bundesrepublik Deutschland

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.3)
Scheidung im Beitrittsgebiet1965
Zuzug des Versicherten in das frühere Bundesgebiet1970
Tod des Versicherten im früheren Bundesgebiet1988
Beide Ehegatten waren Deutsche.
Lösung:
In entsprechender Anwendung des Art. 18 Abs. 5 EGBGB in der vom 01.09.1986 bis 17.06.2011 geltenden Fassung beurteilt sich der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau nach dem Ehegesetz 1946.

Beispiel 8 : Verzug in die alten Bundesländer nach dem 02.10.1990

(Beispiel zu Abschnitt 6.3.3)
Scheidung im Beitrittsgebiet1953
Umzug eines Ehegatten in die alten Bundesländer1991
Tod des Versicherten1993
Lösung:
Letztes gemeinsames Personalstatut ist das FGB 1965. Ein Anspruch auf Witwenrente für die geschiedene Ehefrau ist damit nach § 243a SGB VI ausgeschlossen.
RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554)

Inkrafttreten: 01.01.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/3794

Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 wurde dem Absatz 3 ein neuer Satz angefügt.

Dieser regelt die schrittweise Anhebung der Altersgrenze des geschiedenen Ehegatten vom 60. auf das 62. Lebensjahr für Todesfälle nach dem 31.12.2011.

LPartRÜbG vom 15.12.2004 (BGBl. I, S. 3396)

Inkrafttreten: 01.01.2005

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 15/3445 und 15/4052

§ 243 SGB VI erfuhr durch das „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“ vom 15.12.2004 folgende drei Änderungen:

  • Zunächst wurde in den Absätzen 1 und 2 als Voraussetzung für einen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente neben der bestehenden Voraussetzung „nicht wieder geheiratet“ das Erfordernis aufgenommen, dass auch keine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet worden sein darf. Dies hat zur Folge, dass die Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft nunmehr zum Wegfall des Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten führt, wobei gegebenenfalls ein Anspruch auf eine (anteilige) Abfindung nach § 107 SGB VI entsteht (vergleiche GRA zu § 107 SGB VI).
  • Für einen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente an den geschiedenen Ehegatten nach Absatz 3 wurde die Bedingung, dass (auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung) kein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente an eine Witwe oder einen Witwer des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften bestehen darf, dahingehend erweitert, dass auch ein solcher an einen überlebenden eingetragenen Lebenspartner nicht bestehen darf.
  • Mit der Ergänzung in Absatz 4 wird schließlich die „Wiederauflebensrente“ auch geschiedenen Ehegatten ermöglicht, die eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben, wenn diese aufgehoben oder aufgelöst ist.

Bei den Änderungen handelt es sich um redaktionelle Folgeänderungen infolge der Einbeziehung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung.

AVmEG vom 21.03.2001 (BGBl. I S. 403)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4595 und 14/5146

In Abgrenzung zu § 46 Abs. 1 S. 2 SGB VI ist in § 243 Abs. 1 SGB VI die zeitliche Beschränkung der kleinen Witwen- beziehungsweise Witwerrente auf 24 Kalendermonate ausdrücklich verneint worden.

EM-ReformG vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827)

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4230

Soweit für den Anspruch auf große Witwen- oder Witwerrente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten die verminderte Erwerbsfähigkeit maßgeblich ist, wird im § 243 SGB VI seit 01.01.2001 - analog zu § 43 SGB VI - die Erwerbsminderung als Voraussetzung genannt. Darüber hinaus ist das Vorliegen von Berufsunfähigkeit - in Anlehnung an § 240 SGB VI - lediglich noch für vor dem 02.01.1961 geborene geschiedene Ehegatten für einen Anspruch auf die große Witwen- oder Witwerrente ausreichend. Aus Gründen des Besitzschutzes ist die Begründung des großen Anspruchs ungeachtet der Neuregelung möglich, wenn bereits vor deren Inkrafttreten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorlag und dies über den 31.12.2000 hinaus ununterbrochen der Fall ist.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1991 geltenden § 42 AVG beziehungsweise § 1265 RVO. Allerdings wird für die Rente nach dem vorletzten - geschiedenen - Ehegatten - anders als im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht - nicht mehr gefordert, dass auch zum Zeitpunkt der Wiederheirat ein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente bestanden haben muss.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 243 SGB VI