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XII ZR 115/92

Tatbestand

Die 1949 geschlossene Ehe der Parteien, aus der drei in den Jahren 1949, 1953 und 1961 geborene Kinder stammen, wurde durch Urteil des Kreisgerichts H. vom 18. Januar 1974 unter Anwendung von DDR-Recht und ohne Schuldfeststellung geschieden. Der Beklagte ging 1975 eine neue Ehe ein. Im Oktober 1987 übersiedelte die Klägerin aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik; dasselbe tat der Beklagte im April 1989 mit seiner zweiten Ehefrau.

Die 1928 geborene Klägerin, die zunächst von Arbeitslosengeld lebte und seit 1. Juni 1990 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich rund 1.050 DM (später steigend) erhielt, verlangte von dem 1929 geborenen Beklagten, der seit 1. Mai 1989 Renteneinkünfte bezieht (bis Februar 1990 rund 1.650 DM im Monat, später steigend), nachehelichen Unterhalt ab 1. Juni 1989.

Das Amtsgericht - Familiengericht - verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer laufenden Unterhaltsrente von monatlich 374 DM ab 1. Juli 1990 sowie zur Zahlung von insgesamt 3.305,71 DM für die Zeit vom 1. Juni 1989 bis 30. Juni 1990. Es stützte die Verurteilung auf § 58 EheG, der nach innerdeutschem Kollisionsrecht anwendbar sei. Der Beklagte habe die Klägerin während der Ehe häufig beschimpft und geschlagen, so daß er zumindest als überwiegend schuldig an der Scheidung zu betrachten sei.

Das Oberlandesgericht wies die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten durch Teilurteil, das den Zeitraum bis einschließlich Dezember 1991 umfaßt, mit der Maßgabe zurück, daß der Unterhalt für die Zeit vom 1. Juni 1989 bis 30. Juni 1990 insgesamt lediglich 3.105,71 DM beträgt.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Standpunkt weiter, daß DDR-Recht gelte und der Klägerin infolgedessen kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zustehe.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht, zu Recht nicht nach dem Recht der DDR beurteilt.

a) Art. 234 § 5 Satz 1 EGBGB i.d.F. des Einigungsvertrages bestimmt unter Einschränkung des § 1 der Regelung, daß für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Aus dieser intertemporalen Übergangsvorschrift ergibt sich nicht, in welchen Fällen das Recht der DDR „bisheriges Recht“ war. Diese Frage ist vielmehr nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht zu beantworten (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1992 - XII ZR 157/91 - FamRZ 1993, 43, 44).

b) Wie der Senat in seinem Urteil vom 10. November 1993 (XII ZR 127/92 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) im einzelnen dargelegt hat, ist seit dem Inkrafttreten des IPR-Neuregelungsgesetzes 1986 im innerdeutschen Kollisionsrecht der alten Bundesländer die Bestimmung des Art. 18 Abs. 5 EGBGB entsprechend heranzuziehen. Danach ist für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt das bundesdeutsche Recht maßgebend, wenn zumindest der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt ist. Das ist hier der Fall. Soweit die Klägerin danach einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt erworben hat, ist diese Rechtsposition nach dem Wirksamwerden des Beitritts erhalten geblieben (Senatsurteil vom 10. November 1993 a.a.O.). Ihr Anspruch richtet sich somit nicht nach § 29 DDR-FGB, sondern nach dem einschlägigen Recht der Bundesrepublik.

2. Rechtlich bedenkenfrei hat das Oberlandesgericht einen Anspruch nach § 58 EheG angenommen.

Da die Ehe der Parteien vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, verweist die bundesdeutsche Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auf die §§ 58 ff. EheG. Der Verschuldensfrage kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Fehlt es, wie hier, an einem Schuldausspruch im Scheidungsurteil, muß diese Frage im Rahmen der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch geklärt werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 85, 16, 31 f). Davon ist das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen und hat das für § 58 EheG erforderliche Verschulden des Beklagten wie folgt begründet: Hinweise zur Beurteilung der Schuldfrage ergäben sich bereits aus dem Scheidungsverfahren. In dem Scheidungsurteil sei ausgeführt, daß ehewidrige Beziehungen der Klägerin nicht hätten festgestellt werden können, daß andererseits aber der Beklagte ihr gegenüber tätlich geworden sei und seine Unbeherrschtheit auch dadurch gezeigt habe, daß er sie mit ehrverletzenden Äußerungen belegt habe. Wenn diese Ausführungen auch nicht zur Begründung des Scheidungsausspruchs notwendig gewesen seien, so hätten sie doch Rechtsfolgen für die Regelung der elterlichen Sorge, für die Zuweisung der Ehewohnung und für die Kostenentscheidung gehabt. Der zeitnahen Sicht des Scheidungsverfahrens komme zumindest ein erheblicher Indizcharakter zu. Die vorliegend in erster Instanz zur Verschuldensfrage durchgeführte Beweisnahme habe ergeben, daß der Beklagte als allein schuldig an der Scheidung zu betrachten sei. Die Kinder der Parteien hätten als Zeugen übereinstimmend und glaubhaft bekundet, daß der Beklagte die Klägerin während der Ehe häufig beschimpft und geschlagen habe. Dies habe sich noch verstärkt, als der Sohn B. mehrfach versucht habe, in die Bundesrepublik zu fliehen, und die Klägerin sich über das Verbot des Beklagten hinweggesetzt habe, den Sohn in der Haft zu besuchen. Es sei sogar dazu gekommen, daß der Beklagte sie mit einem Küchenmesser bedroht habe. Begründeten Anlaß zu seinem Verhalten habe die Klägerin dem Beklagten nicht gegeben. Ein Fehlverhalten könne nicht darin gesehen werden, daß sie sich in jenem Vater-Sohn-Konflikt nicht voll auf die Seite des Beklagten gestellt habe. Ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern seien nicht erwiesen. Den Vorwurf, einige Male in ein fremdes Auto eingestiegen zu sein, habe sie glaubhaft damit entkräftet, daß sie gelegentlich von einem Mitglied ihres Kegelclubs zum Kegeln mitgenommen worden sei.

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und werden von der Revision auch nicht angegriffen.

3. Der Höhe nach hat das Oberlandesgericht der Klägerin für die entschiedene Zeit die Hälfte der Differenz der beiderseitigen Einkünfte zugesprochen, soweit dadurch der mit monatlich 1.400 DM angesetzte Selbstbehalt des Beklagten nicht unterschritten wird (§ 59 EheG). Diese Bemessungsweise, gegen die die Revision nichts erinnert, steht im Einklang mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1979 - IV ZR 189/77 - FamRZ 1979, 692, 693 f sowie Senatsurteil vom 7. Juli 1982 - IVb ZR 726/80 - FamRZ 1982, 894, 895).

4. Die Revision beanstandet, daß das Oberlandesgericht bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten eine Kreditverbindlichkeit unberücksichtigt gelassen hat, die dieser am 7. März 1990 für die Anschaffung eines Pkw „Opel Ascona“ in Form von 36 Monatsraten zu 272,70 DM eingegangen ist. Sie macht geltend, daß der Beklagte wegen einer Gehbehinderung auf die Benutzung eines Pkw angewiesen sei, was er durch amtsärztliches Gutachten und ärztliche Bescheinigung unter Beweis gestellt habe. Soweit das Oberlandesgericht ausgeführt habe, der persönliche Eindruck des Beklagten in der mündlichen Verhandlung habe keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Pkw-Benutzung ergeben, habe es ohne sachverständige Beratung diese Frage nicht beurteilen können. Soweit das Gericht auf die Finanzierung von Fahrtkosten durch die Krankenkasse hingewiesen habe, habe es übersehen, daß solche Kosten gemäß § 194 RVO nur dann erstattet würden, wenn im Falle der Erkrankung ein Transport erforderlich sei.

Dieses Vorbringen vermag den Bestand des angefochtenen Urteils nicht zu gefährden. Den fraglichen Kredit hat der Beklagte aufgenommen, nachdem er zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt aufgefordert worden war. Die Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung verwehrt es dem Pflichtigen in der Regel, sich auf eine infolge von Schulden eingetretene Verminderung der Leistungsfähigkeit zu berufen, es sei denn, deren Eingehung ist notwendig und unausweichlich gewesen (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 283, 287, insoweit in BGHZ 109, 211 nicht abgedruckt). Hier kommt hinzu, daß bei einer Berücksichtigung der Kreditraten ein so großer Teil des unterhaltspflichtigen Einkommens des Beklagten aufgezehrt würde, daß für die in beengten Verhältnissen lebende Klägerin kaum noch Unterhalt verbliebe (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Dezember 1988 - IVb ZR 23/88 - FamRZ 1989, 483, 484). Da der Beklagte Rentner ist und infolgedessen einen Pkw für Fahrten zur Arbeitsstelle nicht mehr benötigt, hätten schon außerordentlich schwerwiegende Umstände vorliegen müssen, um die Berücksichtigung der Anschaffungskosten für den Pkw zu rechtfertigen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 7. April 1982 - IVb ZR 673/80 - FamRZ 1982, 579, 580 f: Beinamputation). Daß derartige Umstände gegeben seien, war aber dem Vortrag des Beklagten nicht zu entnehmen. Er hat weder Konkretes zu den Auswirkungen seiner Gehbehinderung dargelegt noch insbesondere dazu, inwieweit er als Rentner gewöhnlich Fahrten mit dem Pkw unternehmen muß, ohne öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen zu können. Soweit er ärztliche Hilfe benötigt, hat bereits das Oberlandesgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß ihm zuzumuten ist, die Möglichkeit wahrzunehmen, Fahrtkosten durch die gesetzliche Krankenkasse erstattet zu erhalten (vgl. früher § 194 RVO, heute § 60 SGB V). Insgesamt ist die Entscheidung zu diesem Punkt nicht zu beanstanden. In Anbetracht des unzureichenden Sachvortrags brauchte Beweis durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht erhoben zu werden.

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