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1 RA 50/62

Tatbestand

Ein auf Unterhaltsleistung gerichteter Vollstreckungstitel, der vor der Ehescheidung erwirkt wurde und auf die Verhältnisse während der ehe abgestellt ist, kann später nicht als eine Unterhaltsverpflichtung aus einem „sonstigen Grund“ i.S. von § 42 AVG (= § 1265 RVO) angesehen werden (vgl. BSG 8, 24).

Aus den Gründen

Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß im vorliegenden Falle eine Abänderungsklage im Sinne des § 323 ZPO nach der Ehescheidung nicht zulässig gewesen wäre (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 26. Aufl. § 323 Anm. 2 A). Ob es richtig ist, daß sich - wie das LSG in Uebereinstimmung mit der herrschenden Lehre annimmt - für die Klägerin eine neue Klage zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen erübrigte, weil das im September 1950 erwirkte Versäumnisurteil auch nach der Ehescheidung bis zum Tode des Versicherten als Vollstreckungstitel rechtswirksam fortbestand, da dieser von der Möglichkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht Gebrauch gemacht habe, kann dahingestellt bleiben. Zu Unrecht nämlich beruft sich das LSG auf das Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juli 1958 (BSG 8, 24), wenn es zu der Auffassung gelangt, daß als „sonstige Gründe“ für die Unterhaltspflicht im Sinne des § 42 AVG n.F. alle im 8. Buch der ZPO aufgeführten Vollstreckungstitel in Betracht kommen, sofern sie nur erkennbar Unterhaltsleistungen betreffen, die auf der Ehe und nicht etwa auf einer Vermögensauseinandersetzung beruhen. Das Berufungsgericht verkennt hierbei, daß der dem erwähnten Urteil von 1958 zu Grunde liegende Sachverhalt von dem des vorliegenden Falles - bei dem eine Unterhaltsregelung rund sieben Jahre vor der Ehescheidung erfolgte - insofern erheblich abweicht, als das in jenem Fall maßgebliche Anerkennungsurteil erst nach der Ehescheidung erwirkt worden war und den an die geschiedene Frau zu zahlenden Unterhalt regelte. Nur in diesem Zusammenhang und mit der Beschränkung auf nach der Ehescheidung erwirkte Titel ist es zu verstehen, wenn in den Gründen des erwähnten Urteils des erkennenden Senats (a.a.O. S. 28) von Vollstreckungstiteln des 8. Buches der ZPO gesprochen wird. Wie schon der Wortlaut des § 42 AVG n.F., nämlich der Hinweis auf Unterhaltsleistung nach den Vorschriften des Ehegesetzes - das ausschließlich den Unterhalt nach der Ehescheidung regelt - erkennen läßt, sind nur nach der Ehescheidung erwirkte Vollstreckungstitel geeignet, als eine Unterhaltsverpflichtung aus einem „sonstigen Grund“ angesehen zu werden. Daß diese Auffassung auch dem genannten Urteil des erkennenden Senats zugrunde liegt, wird schon daraus deutlich, daß in den Urteilsgründen auf Unterhaltsleistungen abgestellt ist, die auf der „vorausgegangenen“ Ehe und nicht etwa auf einer Vermögensauseinandersetzung „zwischen den Geschiedenen“ beruhen (BSG 8, 27). Das Berufungsgericht hat diese Einschränkung offensichtlich verkannt; denn in der Begründung des angefochtenen Urteils (S. 14) kehrt zwar der vorstehende Relativsatz wieder, die darin hervorgehobenen Worte fehlen jedoch. Das LSG geht auch nicht auf den Ausgangspunkt der Erörterungen des erkennenden Senats ein, nämlich darauf, daß „die geschiedene Frau im Anschluß an die Scheidung der Ehe einen Vollstreckungstitel über ihren Unterhaltsanspruch erwirkt hat“ (BSG 8, 27). Der Senat hält auch nach erneuter Prüfung an seiner Auffassung fest, daß nur nach der Ehescheidung erwirkte und bis zum Tode des Versicherten gültig gebliebene Vollstreckungstitel geeignet sind, eine Unterhaltspflicht aus sonstigem Grund im Sinne des § 42 AVG n. F. anzunehmen. Diese Einschränkung ist notwendig, weil nicht selten eine noch zur Zeit des Bestehens der Ehe getroffene Unterhaltsregelung infolge des Schuldspruchs im Scheidungsurteil überholt wird. Es wäre deshalb unbillig und dem Sinn und Zweck des § 42 AVG n.F. zuwider, aus solchen vor der Ehescheidung und auf Grund der noch bestehenden Ehe erwirkten Vollstreckungstiteln eine Unterhaltspflicht aus sonstigem Grund im Sinne der genannten Bestimmung abzuleiten. Da der erkennende Senat selbst eine solche Einschränkung für richtig hält, besteht kein Anlaß, die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts abzuwarten, den der 4. Senat wegen seiner vom erkennenden Senat abweichenden Auffassung angerufen hat (vgl. Vorlagebeschluß 4 RJ 286/59 vom 20. April 1961).

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