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4/5 RJ 22/77

Gründe I.

Die 65jährige Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes (Versicherter). Dieser wurde am 30. Mai 1909 geboren und ist am 13. Mai 1974 gestorben. Seit 1936 war er mit der Klägerin verheiratet. Nachdem die Ehe 1957 aus seinem Verschulden geschieden worden war, heiratete er 1963 die Beigeladene, seine spätere Witwe. 1968 wurde er von einem Berliner Amtsgericht (Wedding) verurteilt, der Klägerin monatlich 106 DM Unterhalt zu zahlen. Versuche der Klägerin, das Urteil vollstrecken zu lassen, blieben erfolglos, da der Versicherte in seinen letzten Lebensjahren wegen Krankheit nur noch halbtägig beschäftigt war. Im Jahre 1972 wurden für ihn, wie sich aus dem Witwenrentenbescheid an die Beigeladene ergibt, Pflichtbeiträge nach einem Arbeitsverdienst von 6585 DM = ca. 550 DM monatlich entrichtet, ferner in der Zeit vom 1. Januar bis zum 24. Juli 1973 Beiträge nach einem Verdienst von 4048 DM = ca. 600 DM monatlich; nach einer Bescheinigung seines Arbeitgebers vom November 1973 betrug sein Nettoverdienst zuletzt 498 DM. Seit dem 19. Juli 1973 bezog er bis zu seinem Tod Krankengeld von 88,50 DM wöchentlich, seit Februar 1974 zusätzlich Sozialhilfe.

Die 1916 geborene Beigeladene hatte bis zur Gewährung der Witwenrente kein eigenes Einkommen. Die Klägerin bezieht seit 1963 von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; diese betrug seit Juli 1973 monatlich 204 DM.

Einen Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente vom August 1974 lehnte die Beklagte ab, weil der Versicherte ihr zur Zeit seines Todes von seinem geringen Einkommen keinen Unterhalt habe zu leisten brauchen; das ergangene Unterhaltsurteil sei änderungsbedürftig gewesen (Bescheid vom 4. Oktober 1974).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 1975), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 12. Januar 1977). Nach Ansicht des LSG ist hier keiner der Fälle des § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO), dessen Satz 1 allein als Anspruchsgrundlage in Betracht komme, gegeben; denn der Versicherte habe der Klägerin zur Zeit seines Todes, das heißt während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode, weder nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) noch aus sonstigen Gründen Unterhalt leisten müssen noch tatsächlich Unterhalt geleistet. Da der Versicherte vor seinem Tode nicht länger als ein Jahr krank gewesen sei, sei als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand nicht die Krankheitszeit, sondern die Zeit anzusehen, in der er während des Jahres 1973 noch einer Halbtagstätigkeit nachgegangen sei und damit monatlich etwa 630 DM brutto verdient habe, was einem Nettoeinkommen von höchstens etwa 570 DM entspreche. Von diesem Verdienst habe er - unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner einkommenslosen Ehefrau - der Klägerin, die eine eigene Rente von mehr als 200 DM bezogen habe, allenfalls einen Unterhaltsbetrag von nicht mehr als 50 DM zu leisten brauchen. Ein solcher Betrag hätte jedoch weniger als 25 v.H. des Mindestbedarfs der Klägerin gedeckt; schon der Regelsatz der Sozialhilfe (ohne den notwendigen Mietbedarf) habe nämlich in Berlin seit Juli 1973 bei 215 DM gelegen. Ein Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (das für den Versicherten nach dem Witwenrentenbescheid monatlich 740 DM betragen hätte) habe ihm zur Zeit seines Todes noch nicht zugestanden. Flexibles Altersruhegeld hätte er zwar nach Vollendung des 63. Lebensjahres seit dem 1. Januar 1973 erhalten können (damals in Höhe von weniger als 700 DM), habe es jedoch nicht beantragt. Da anzunehmen sei, daß er dieses Altersruhegeld bei Kenntnis seines Anspruchs und dessen Höhe schön aus eigenem wirtschaftlichen Interesse beantragt hätte, müsse davon ausgegangen werden, daß ihm der Anspruch nicht bekannt gewesen sei. Auch aus sonstigen Gründen, insbesondere wegen des Unterhaltsurteils von 1968, sei er der Klägerin nicht unterhaltspflichtig gewesen; dieses Urteil hätte er schon Jahre vor seinem Tode - seit der krankheitsbedingten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit - durch eine Abänderungsklage beseitigen können.

Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt und vorgetragen: Entgegen der Ansicht des LSG sei der Versicherte ihr aufgrund des Unterhaltsurteils unterhaltspflichtig gewesen. Ihr habe „entsprechend den Besonderheiten des Einzelfalles", vor allem mit Rücksicht auf ihre seit 1963 bestehende Erwerbsunfähigkeit, drei Siebentel des - aus dem Verdienst des Versicherten und ihrer eigenen Rente gebildeten - Gesamteinkommens von 498 + 200 = 698 DM, mithin ein Unterhaltsanteil von rund 299 DM zugestanden. Ihr Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten habe deshalb nach Abzug ihrer eigenen Rente 99 DM betragen Und damit mehr als 25 v.H. des örtlichen Mindestunterhaltsbedarfs (Sozialhilferegelsatz von 215 DM zuzüglich eines Mietzuschlags von ca. 120 DM = 335 DM monatlich). Außerdem hätte der Versicherte seit 1973 flexibles Altersruhegeld beantragen können und müsse von dieser Möglichkeit auch gewußt haben; eine etwaige Unkenntnis könne jedenfalls der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Seine Rentenberechtigung hätte ihm die Klägerin auch bei einer Abänderungsklage gegen das Unterhaltsurteil entgegenhalten können. Von einem Gesamteinkommen von 900 DM (Altersruhegeld des Versicherten von 700 DM und eigene Rente von 200 DM) hätte ihr als „angemessener Unterhalt" - selbst ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles - mindestens ein Drittel zugestanden; nach Abzug ihrer Rente hätte ihr der Versicherte also 100 DM Unterhalt zahlen müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

  • die Beklagte unter Aufhebung aller Vorentscheidungen zu verurteilen, ihr seit dem 1. September 1974 Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO zu gewähren,

hilfsweise

  • den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision der Klägerin zurückzuweisen: Ein „nichtzahlbarer" Rentenanspruch des Versicherten könne bei Prüfung seiner Unterhaltspflicht nicht berücksichtigt werden.

Auch die Beigeladene beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach ist der Versicherte der Klägerin mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gewesen. Die Entscheidung über die Beantragung eines flexiblen Altersruhegeldes müsse allein dem Versicherten überlassen bleiben. Eine Abänderungsklage gegen das Unterhaltsurteil hätte hier unbedingt Erfolg gehabt.

Gründe II.

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat ihr im Ergebnis zutreffend einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente versagt.

Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch könnte lediglich § 1265 Satz 1 RVO (hier noch in der Fassung des Jahres 1957) sein; Satz 2 dieser Vorschrift ist schon deswegen nicht anwendbar, weil der Beigeladenen nach dem Tode des Versicherten eine Witwenrente zu gewähren ist. Von den drei Fällen des Satzes 1 kommen allein die beiden ersten in Betracht, da der dritte Fall, daß nämlich der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt „geleistet hat", von vornherein ausscheidet. Die Klägerin hätte somit nur dann einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, „wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte". Weder das eine noch das andere trifft zu.

Ob ein Versicherter seiner geschiedenen Frau „zur Zeit seines Todes" Unterhalt zu leisten hatte, richtet sich - um nicht Zufälligkeiten, etwa besonders günstige oder besonders ungünstige Verhältnisse im Todeszeitpunkt des Versicherten, über einen Anspruch auf eine in der Regel langfristige Leistung entscheiden zu lassen - nach dem „letzten wirtschaftlichen Dauerzustand" vor dem Tode des Versicherten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, vgl. BSGE 35, 243, 244 f). Ist dabei dem Tode - als dessen „Vorstufe" - eine Krankheit vorausgegangen, so kann nach einer im wesentlichen auf Billigkeitserwägungen beruhenden Rechtsprechung des BSG (a.a.O. S. 245 f) als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand die Zeit vor Beginn der „zum Tode führenden" Krankheit zugrunde gelegt, diese selbst also „ausgeklammert" werden. Eine bestimmte Zeitgrenze, bis zu der eine solche Krankheit unberücksichtigt bleiben kann, hat das BSG bisher nicht gezogen; insbesondere hat es sich mehrfach gegen die vom LSG offenbar angenommene Jahresgrenze ausgesprochen und auf die Umstände des Einzelfalles, vor allem darauf abgestellt, ob die Krankheit auch die spätere Todesursache war und ob sie den Tod, wie häufig bei unheilbaren Krankheiten, in absehbarer Zeit hatte herbeiführen müssen (SozR RVO § 1265 Nr. 67; BSGE 35, 243, 246; FEVS 24, 125, 128). Dabei hat das BSG zu erkennen gegeben, daß nur eine „Verhältnismäßig kurze" Krankheitszeit unberücksichtigt bleiben darf (BSGE 35, 243, 246; Urteil des 1. Senats vom 30. Mai 1978, 1 RA 71/77).

Ob im vorliegenden Fall die Zeit vom Beginn der letzten Krankheit des Versicherten im Jahre 1973 bis zu seinem Tode am 13. Mai 1974 noch als „verhältnismäßig kurz" angesehen werden kann, erscheint fraglich, selbst wenn nicht von dem eigentlichen Krankheitsbeginn (den das LSG nicht festgestellt hat), sondern erst vom Beginn des Krankengeldbezugs am 19. Juli 1973 auszugehen wäre. Zwischen diesem Tag und dem Todestag liegt ein Zeitraum von über 9 Monaten. Nicht festgestellt hat das LSG ferner, an welcher Krankheit der Versicherte 1973 erkrankt und an welcher er gestorben ist. Sollte die 1973 aufgetretene Krankheit nicht die Todesursache gewesen sein, so würde zwischen der Krankheit des Jahres 1973 und dem Tod weder ein ursächlicher Zusammenhang noch eine enge zeitliche Verbindung bestehen. Die Krankheit dürfte dann, weil sie nicht „zum Tode geführt" hätte, nicht unberücksichtigt bleiben, so daß die Frage der Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber der Klägerin nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen während der Krankheitszeit beantwortet werden müßte. Nach diesen Verhältnissen wäre er aber - mit einem Einkommen von wöchentlich 88,50 DM Krankengeld - der Klägerin, die eine eigene Rente von 204 DM monatlich hatte, nicht unterhaltspflichtig gewesen.

Weiterer Ermittlungen über die Art der Krankheit des Versicherten und die Ursache seines Todes bedarf es indessen nicht. Selbst wenn nämlich mit dem LSG das erste Halbjahr 1973, in dem der Versicherte ein Nettoeinkommen von höchstens 570 DM monatlich hatte, als der letzte wirtschaftliche Dauerzustand anzusehen wäre, käme eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber der Klägerin nicht in Betracht. Denn in diesem Falle hätte für den Unterhalt des Versicherten, seiner zweiten Ehefrau und der - ihr gleichrangigen (Brühl / Göppinger / Mutschler Unterhaltsrecht, 3. Auflage 1973, Rand-Nr. 731 mit Nachweisen) - Klägerin ein Gesamteinkommen von 570 und 204 = höchstens 774 DM zur Verfügung gestanden. Selbst wenn man dieses nach Köpfen aufteilen, das heißt dritteln würde (vgl. dazu aber BSGE 32, 197, 200), entfiele auf die Klägerin nur ein Anteil von ca. 260 DM. Ein Betrag von 50 bis 60 DM, der ihr davon - nach Abzug ihrer eigenen Rente - gegenüber dem Versicherten noch zugestanden hätte, wäre aber keine Leistung von „Unterhalt“ gewesen; denn er hätte nicht 25 v.H. des Mindestbedarfs eines Unterhaltsberechtigten erreicht. Dieser bestimmt sich nach den zeitlichen und örtlichen Regelsätzen der Sozialhilfe zuzüglich von Leistungen für die Unterkunft (BSGE 40, 79). In Berlin betrug der Sozialhilferegelsatz nach Feststellung des LSG seit dem 1. Juli 1973 215 DM; hinzu gekommen wäre noch ein Mietzuschlag, den die Klägerin selbst mit 120 DM beziffert hat, so daß ihr Unterhaltsbedarf seinerzeit mindestens 335 DM, 25 v.H. davon also ca. 84 DM, monatlich betragen hätte. Die Klägerin hat bei der abweichenden Berechnung ihres Unterhaltsanspruchs nicht den Unterhaltsbedarf der zweiten Ehefrau des Versicherten berücksichtigt.

An dem Ergebnis - keine Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber der Klägerin - ändert sich auch dadurch nichts, daß der Versicherte nach Vollendung seines 63. Lebensjahres (30. Mai 1972) mit Wirkung vom 1. Januar 1973 einen Antrag auf flexibles Altersruhegeld hätte stellen können (§ 1248 Abs. 1 RVO in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972, BGBI. I 1965). Zwar bemißt sich die gesetzliche Unterhaltspflicht nicht nur nach den vorhandenen, sondern auch nach den zumutbar erzielbaren Einkünften (vgl. BSGE 27, 1); grundsätzlich muß der Unterhaltspflichtige deshalb „alle ihm zustehenden Ansprüche geltend machen" (Brühl u.a. a.a.O. Rand-Nr. 686 mit Nachweisen).

Dies gilt jedoch, wenn überhaupt, für die Beantragung eines flexiblen Altersruhegeldes nur mit erheblichen Einschränkungen. Ein solches Altersruhegeld unterscheidet sich wesentlich von dem regulären Altersruhegeld, das nach Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird (§ 1248 Abs. 5 RVO). Während dieses neben einem vollen Arbeitseinkommen bezogen werden kann - eine Weiterarbeit nach Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren wird rentenrechtlich sogar begünstigt (§ 1254 Abs. 1a in der Fassung des Rentenreformgesetzes) -, setzte der Bezug des flexiblen Altersruhegeldes im Jahre 1973 voraus, daß der Bezieher entweder nur noch gelegentlich oder nur gegen ein Entgelt tätig war, das durchschnittlich im Monat drei Zehntel der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritt (§ 1248 Abs. 4 in der Fassung des Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 30. März 1973, BGBI. I 257). Der Bezug des flexiblen Altersruhegeldes bedeutete damit zugleich in der Regel das Ausscheiden aus dem normalen Arbeitsleben. Den Zeitpunkt dafür zu bestimmen, muß aber, weil diese Bestimmung über wirtschaftliche Überlegungen hinaus tief in das persönliche Leben eingreift, insofern also von existentieller Bedeutung ist, der Entscheidung des einzelnen Versicherten überlassen bleiben.

Daß der Gesetzgeber insoweit in der Tat die Entscheidungsfreiheit des Versicherten gewahrt wissen will, zeigt auch eine Vorschrift des Krankenversicherungsrechts (§ 183 Abs. 8 in der Fassung des Gesetzes vom 7. August 1974, BGBI. I 1881). Danach kann eine Krankenkasse einen Versicherten, dem sie Krankengeld zu zahlen hat, veranlassen, ein ihm zustehendes Altersruhegeld zu beantragen, um mit dessen Bewilligung ihrer eigenen Verpflichtung zur Krankengeldzahlung ledig zu werden (vgl. § 183 Abs. 3 RVO). Diese Befugnis hat die Krankenkasse jedoch erst, sobald der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hat, also das reguläre Altersruhegeld beziehen kann, das, wie ausgeführt, mit der Fortsetzung eines vollen Beschäftigungsverhältnisses vereinbar ist. Zu einem - mit dem Bezug des flexiblen Altersruhegeldes in der Regel verbundenen - Ausscheiden aus der Beschäftigung kann die Krankenkasse dagegen den Versicherten nicht nötigen, sondern muß insoweit dessen persönliche Entscheidung abwarten.

Auf der gleichen Linie liegt ein Urteil des 1. Senats des BSG vom 30. Mai 1978 (1 RA 63/77). Darin ist nicht beanstandet worden, daß eine geschiedene Frau, die berufstätig gewesen war und sich mit ihrem Arbeitseinkommen selbst unterhalten hatte, mit 60 Jahren ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgegeben und die ihr nach § 1248 Abs. 3 RVO zustehende, aber erheblich niedrigere Altersrente gewählt hatte, obwohl sie dadurch ihren geschiedenen Mann ihr gegenüber unterhaltspflichtig gemacht hatte.

Wie in einem solchen Fall die Entscheidung der geschiedenen Frau - trotz der mit ihr verbundenen unterhaltsrechtlichen Nachteile für den Mann - von diesem hingenommen werden muß, ist andererseits die Entscheidung des Mannes, der über das 63. Lebensjahr hinaus zunächst weiterarbeiten und das flexible Altersruhegeld nicht beantragen will, zu respektieren, auch wenn dadurch der Frau Unterhaltsansprüche gegen den Mann entgehen.

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Entscheidung des Mannes bei Würdigung aller Umstände des Falles so unvernünftig erscheint, daß sie nur den Schluß zuläßt, der habe das flexible Altersruhegeld allein deswegen nicht beantragt, um der geschiedenen Frau nicht unterhaltspflichtig zu werden. Für eine solche Annahme bietet der vorliegende Fall indessen keine Anhaltspunkte. Selbst wenn der Versicherte hier gewußt hätte, daß ein von ihm 1973 beantragtes flexibles Altersruhegeld höher sein würde als sein Arbeitseinkommen während des ersten Halbjahres 1973 und auch höher als das. später bezogene Krankengeld - tatsächlich hat erst das LSG aufgrund des der Beigeladenen erteilten Witwenrentenbescheids die Höhe seines Altersruhegeldes für das Jahr 1973 geschätzt -, hätte er der Ansicht sein können, daß es für ihn zweckmäßiger sei, vorübergehend - bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres - gewisse Nachteile in Kauf zu nehmen, um später - nach Vollendung des 65. Lebensjahres - in den Genuß einer höheren, aus weiteren Beitrags- oder Ausfallzeiten berechneten Rente zu gelangen und darüber hinaus gegebenenfalls seiner Witwe eine entsprechend höhere Witwenrente zu verschaffen. Solche Überlegungen, die im vorliegenden Fall nicht auszuschließen sind, können jedenfalls nicht als offensichtlich unvernünftig angesehen werden. Die Möglichkeit, daß der Versicherte hier noch zu seinen Lebzeiten .ein flexibles Altersruhegeld hätte beantragen und beziehen können, muß deshalb, für die Beurteilung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin außer Betracht bleiben. Ob sie auch deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil, wie das LSG angenommen hat, der Versicherte die Möglichkeit eines solchen Rentenbezugs nicht gekannt hat - die Klägerin hat insofern Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des LSG erhoben - läßt der Senat unentschieden.

Schließlich war der Versicherte der Klägerin nicht „aus sonstigen Gründen" unterhaltspflichtig, insbesondere nicht aus dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 27. Mai 1968, das den Versicherten zu einer monatlichen Unterhaltsrente an die Klägerin von 106 DM ab 21. September 1967 verurteilt hat. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, hätte der Versicherte - jedenfalls nach dem krankheitsbedingten Übergang zur Halbtagstätigkeit - die Wirkung des Urteils durch eine Abänderungs- oder eine Vollstreckungsabwehrklage beseitigen können (BSGE 20, 1). Daß ihm dies mit einer 1970 erhobenen Klage noch nicht gelungen war, spricht nicht dagegen, da er damals offenbar noch vollschichtig gearbeitet hat. Auch gegenüber einer solchen Klage hätte die Klägerin den Versicherten nicht, wie sie meint, auf die Beantragung eines flexiblen Altersruhegeldes verweisen können.

Da ihr der Versicherte somit während der maßgebenden Zeit weder nach dem Ehegesetz noch aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten hatte, hat das LSG ihren Anspruch auf Hinterbliebenenrente im Ergebnis mit Recht für unbegründet gehalten. Ihre Revision war deshalb zurückzuweisen.

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