12/4 RJ 170/60
Aus den Gründen
Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten ist durch Urteil vom 4.7.1947 aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden. Nach der Ehescheidung haben die Eheleute weiter zusammengelebt. Am 13.1.1952 ist der Versicherte gestorben.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO mit der Begründung ab, ein Beitrag nach § 68 EheG vom 6.7.1938 sei der Klägerin nicht zugebilligt worden. Die von dem Versicherten im Rahmen des gemeinsamen Haushalts geleisteten Beträge müßten als Abgeltung für ihre Arbeit im Haushalt und im Kiosk angesehen werden. Der Versicherte habe also weder nach dem EheG noch aus sonstigen Gründen für sie Unterhalt zu leisten gehabt. Daß ihr früherer Ehemann ihr außer dem zum gemeinsamen Haushalt benötigten Geldbetrag Unterhalt gegeben habe, sei - abgesehen davon, daß eine solche Zahlung als Entlohnung für die von ihr geleistete Arbeit anzusehen sei - von ihr weder behauptet noch nachgewiesen worden.
Das SG hat auf die hiergegen erhobene Klage die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Besch. verurteilt, „der Klägerin Rente nach ihrem geschiedenen, 19.. verstorbenen Ehemann OP., mit dem 1. Juni 1957 beginnend, zu gewähren“. Das LSG hat die von der Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Die zulässige Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs gemäß Art. 2 § 19 ArVNG § 1265 RVO ist, weil der frühere Ehemann der Klägerin vor dem Inkrafttreten des ArVNG, aber nach dem 30.4.1942 gestorben ist. Mit Recht rügt die Beklagte aber unrichtige Anwendung des § 1265 RVO. Nach dieser Vorschrift ist einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren, wenn entweder ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Das LSG hat die erste Alternative dahingestellt gelassen, weil die zweite Alternative gegeben sei. Dem konnte der Senat nicht ohne weiteres folgen.
Die Klägerin hat auch nach der Ehescheidung - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - wie eine Ehefrau mit dem Versicherten zusammengelebt. Sie hat ihm den Haushalt geführt und ihn in dem von ihm betriebenen Erfrischungskiosk zeitweilig vertreten. Die gemeinsamen Lebenshaltungskosten wurden aus den Einnahmen des Versicherten aus diesem Kiosk bestritten. Außerdem hat der Versicherte die Klägerin aus seinen Einnahmen gekleidet. Damit ist der Tatbestand der Unterhaltsleistung durch den Versicherten an seine frühere Ehefrau aber nicht ohne weiteres erfüllt. Allerdings tritt der Senat dem Berufungsgericht darin bei, daß man im vorliegenden Falle weder von einem Arbeitsverhältnis noch von einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen der Klägerin und dem Versicherten sprechen kann. Solche rechtlichen Konstruktionen würden den Beziehungen, wie sie tatsächlich zwischen der Klägerin und dem Versicherten bestanden haben, sicherlich nicht gerecht werden. Auch insoweit wird dem Berufungsgericht beizutreten sein, daß eine Zuwendung den Charakter einer Unterhaltungsleistung nicht dadurch verliert, daß der Unterhaltsberechtigte im Hauswesen und Geschäft des Unterhaltsverpflichteten Dienste leistet. Im vorliegenden Falle jedoch standen die Klägerin und der Versicherte - davon ist das Berufungsgericht jedenfalls ausgegangen - gerade nicht im Verhältnis von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem zueinander. Der Umstand aber, daß weder ein Arbeitsverhältnis noch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vorlag, rechtfertigt nicht den Schluß, hiernach liege Unterhaltsleistung des Versicherten vor. Insbesondere dann, wenn wie in § 1265 RVO das Gesetz die tatsächliche Unterhaltsleistung völlig der Unterhaltspflicht auf Grund einer früheren Ehe gleichstellt, kann „Unterhalt leisten“ nur bedeuten, den wirtschaftlichen Lebensbedarf eines anderen unabhängig davon zu befriedigen, ob der andere eine Gegenleistung erbringt. So ist es in einer Ehe, in der die Unterhaltspflicht des Ehemannes z.B. nicht davon abhängt, ob die Ehefrau den Haushalt führt oder, etwa weil sie krank ist, ihn nicht führt. So ist es auch dann, wenn auf Grund früherer Ehe eine Unterhaltspflicht besteht. Auch sie ist nicht abhängig von einer Gegenleistung. In einem eheähnlichen Verhältnis zwischen früheren Eheleuten - falls nicht etwa zwischen ihnen Recht und Pflicht zum Unterhalt besteht - liegt es jedoch grundsätzlich anders. Hier werden vielfach jedenfalls die Unterhaltsleistungen im wesentlichen mit Rücksicht auf die Leistungen der früheren Ehefrau erbracht (vgl. Elsholz-Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Nr. 49 Ziffer 3b). In der Regel ist auch keine Gewähr dafür gegeben, daß der wirtschaftliche Lebensbedarf auch dann noch weiter befriedigt wird, wenn die Gegenleistungen wegfallen, also z.B. der weibliche Partner nicht mehr den Haushalt führt und im Geschäft mithilft. Im vorliegenden Falle standen den Leistungen des Versicherten an die Klägerin beträchtliche Gegenleistungen der Klägerin in Gestalt der Haushaltsbesorgung und der Mithilfe im Geschäft gegenüber. Darüber, ob die Leistungen des Versicherten an die Klägerin mit Rücksicht auf ihre Gegenleistungen gewährt worden sind oder ob einer der sicherlich seltenen Ausnahmefälle vorlag, in denen erwiesen ist, daß der Versicherte den Lebensbedarf auch ohne Gegenleistung gewährt hätte, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen. Da das Revisionsgericht diese Feststellungen nicht selbst treffen kann, war das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entsch. an das LSG zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung an das LSG ist aber auch noch aus folgendem Grunde geboten: Ergibt sich, daß im vorliegenden Falle von einer tatsächlichen Unterhaltsleistung nicht gesprochen werden kann, so sind noch diejenigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen, die eine Entsch. darüber ermöglichen, ob der Versicherte etwa zur Unterhaltsleistung verpflichtet war, was das LSG dahingestellt gelassen hat.