11 RA 76/74
Aus den Gründen
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG aus der Versicherung des am 19.5.1971 verstorbenen O. N. Ihre Ehe mit N. wurde im Februar 1963 aus dessen Verschulden geschieden. In einer damals getroffenen Vereinbarung verpflichtete sich N., an die Klägerin nach der Scheidung im ersten Jahr monatlich 250 DM und danach monatlich 225 DM an Unterhalt zu zahlen; nach Vollendung seines 70. Lebensjahres, ebenso bei „Vollinvalidität“ und alleinigen Einkünften aus Sozialversicherungsrente sollte sich der Betrag auf 50 DM ermäßigen. Nettoeinkünfte der Klägerin über 500 DM mußte sie sich anrechnen lassen. Eine neue Ehe von N. sollte die Verpflichtungen nicht berühren. Außerdem war bestimmt, daß die Klägerin „den ihr nach dem Gesetz zustehenden Anteil an der Witwenrente“ erhalte, wenn N. versterbe.
N. bezog ab April 1969 Altersruhegeld. Außerdem hatte er bis Ende 1970 Einkünfte aus einem dann wegen Krankheit aufgegebenen Arbeitsverhältnis. Er zahlte der Klägerin bis Dezember 1970 monatlich 225 DM, danach bis zu seinem Tode monatlich 50 DM. Die Klägerin verdiente seit Juli 1970 monatlich 950 DM netto.
Nach dem Tode von N. bewilligte die Beklagte der Beigeladenen, die mit N. seit 1963 verheiratet gewesen war, Witwenrente. Den Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte ab. Das SG gab der von der Klägerin erhobenen Klage statt. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen hat das LSG dieses Urt. aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe wegen ihrer Einkünfte zur Zeit des Todes des Versicherten und schon vorher seit Juli 1970 gegen N. keinen Unterhaltsanspruch gehabt; aus der tatsächlichen Unterhaltsleistung könne nicht hergeleitet werden, daß N. - falls er überhaupt von der Höhe der Einkünfte der Klägerin gewußt habe - sich des Rechtes der Berufung auf den Vertragsinhalt begeben habe. N. habe auch nicht regelmäßig Unterhalt i.S. des § 42 AVG im letzten Jahr vor dem Tode von N. geleistet; die zuletzt gezahlten Monatsbeträge von 50 DM hätten nicht 25 % des örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarfs erreicht; eine „Durchschnittsberechnung“ aus den vorangegangenen sieben Monatszahlungen oder aus allen zwölf Monatszahlungen sei nicht angängig.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin ein Anspruch auf Rente nach § 42 AVG nicht zusteht.
Nach § 42 Satz 1 AVG wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Daß das LSG das Vorliegen der ersten Alternative - Unterhaltspflicht nach dem EheG - zu Recht verneint hat, wird von der Revision nicht bezweifelt. Aber auch die Ansicht des LSG, daß es an einer Erfüllung der Voraussetzungen der zweiten und dritten Alternative fehlt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Verneinung einer vertraglichen Unterhaltspflicht des Versicherten zur Zeit seines Todes durch das LSG läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die demgegenüber erhobene Behauptung der Revision, der Versicherte habe mit seinen Unterhaltszahlungen eine von Anrechnungsmöglichkeiten freie Unterhaltspflicht anerkennen wollen, steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die das BSG in Ermangelung einer begründeten Verfahrensrüge gebunden ist (§ 163 SGG). Es kann daher dahinstehen, ob ein solcher Anerkennungswille zu den Folgerungen führen könnte, die die Revision gezogen sehen möchte.
Die Voraussetzungen der dritten Alternative des § 42 Satz 1 AVG sind nach der aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entwickelten Rechtspr. des BSG nur erfüllt, wenn einerseits Zahlungen erbracht worden sind, die 25 % des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs der Empfängerin erreicht haben (BSG 22, 44; SozR Nr. 41, 49 zu § 1265 RVO), und wenn andererseits - von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen - sich diese Zahlungen auf den vollen Jahreszeitraum vor dem Tode erstreckt haben (BSG 25, 86; SozR Nr. 48, 55, 70 zu § 1265 RVO). Die monatlichen Zahlungen von 50 DM ab Januar 1971 haben nach den Feststellungen des LSG 25 % des Mindestbedarfs der Klägerin nicht erreicht. Daß der erkennende Senat in einem 1966 entschiedenen und anders gelagerten Fall noch einen Monatsbetrag von 50 DM für ausreichend gehalten hat (BSG 25, 86,), ist demgegenüber unerheblich. Im Rahmen der 3. Alternative des § 42 Satz 1 AVG kann es auch nicht auf Vorstellungen ankommen, von denen sich die Klägerin und der Versicherte möglicherweise bei der Festlegung eines solchen Betrages in der Unterhaltungsvereinbarung für die dort bestimmten Fälle haben leiten lassen. Die das Maß von 25 % des Mindestbedarfs übersteigenden Zahlungen im Jahre 1970 sind wiederum nicht während des vollen Jahreszeitraums vor dem Tode des Versicherten erbracht worden. Auch wenn der Durchschnitt aller im Jahr vor dem Tode bewirkten Unterhaltsleistungen das genannte Maß überschritten hat, so sind damit allein die Voraussetzungen der dritten Alternative des § 42 Satz 1 AVG noch nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob bei dieser Alternative Durchschnittsbildungen (vgl. BSG 20, 252 f) unter Einbeziehung der das Mindestmaß nicht erreichenden Monatszahlungen überhaupt zulässig sind; in jedem Falle muß das Gesamtbild aller Zahlungen objektiv die Annahme rechtfertigen, daß der Versicherte, wäre er nicht verstorben, weiterhin Unterhalt in dem erforderlichen Mindestumfange geleistet hätte, so daß sich die frühere Ehefrau für die Zukunft darauf einstellen konnte (vgl. BSG 25, 86, 88). Für eine solche Annahme ist hier kein Raum. Der Versicherte war mit dem Jahreswechsel 1970/71 zur Monatszahlungen in Höhe von 50 DM übergegangen. Im Hinblick auf diese deutliche Zäsur boten jedenfalls die tatsächlichen Unterhaltsleistungen des Versicherten, auf die allein es ankommt, keinen begründeten Anlaß zu der Erwartung höherer Zahlungen für die Folgezeit.