XII ZR 191/92
Tatbestand
Die im Jahre 1984 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Stadtbezirksgerichts Berlin-Friedrichshain vom 6. April 1989 geschieden. Das Erziehungsrecht für die am 17. Dezember 1984 geborene gemeinsame Tochter M. wurde der Klägerin übertragen. Der Beklagte wurde verurteilt, für die Tochter bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres monatlichen Unterhalt von 100 DDR-Mark, danach 120 DDR-Mark, an die Klägerin zu zahlen. In dem Scheidungstermin vom 6. April 1989 schlossen die Parteien eine - sodann in dem Scheidungsurteil bestätigte - Einigung über den nachehelichen Unterhalt der Klägerin. Diese lautet:
„1. Der Verklagte verpflichtet sich, ab Rechtskraft der Ehescheidung bis zur Wiederaufnahme eines Arbeitsrechtsverhältnisses seitens der Klägerin, im Zusammenhang mit der Aufnahme des Kindes in die Kindereinrichtung, an die Klägerin einen monatlich im voraus zu zahlenden Unterhaltsbetrag in Höhe von 250 (zweihundertfünfzig) Mark zu entrichten. | |
2. Die Prozeßparteien sind sich dahingehend einig, daß im Falle der Gewährung von SV-Leistungen an die Klägerin es einer erneuten Verständigung über die Anspruchsberechtigung, die Höhe und Dauer der Unterhaltszahlung bedarf. | |
3. Die Parteien sind sich darüber einig, daß von einem monatlichen anrechnungsfähigen Nettoeinkommen in Höhe von 790 Mark und einer weiteren Unterhaltsverpflichtung des Verklagten ausgegangen wurde.“ Die Tochter der Parteien leidet seit ihrer Geburt an einer Wirbelsäulenmißbildung, die schon in der Zeit vor der Scheidung zwei Operationen erforderlich gemacht hatte und danach umfangreiche weitere ärztliche Behandlungen nach sich zog. Die Tochter ist in einem Bescheid des Versorgungsamts aus dem Jahre 1991 mit einer Behinderung von 60 % und in einem im März 1992 ausgestellten Schwerbeschädigtenausweis mit einer Behinderung von 80 % eingestuft. Der Beklagte, der wegen eines im Jahre 1986 bei den Behörden der DDR gestellten Ausreiseantrags von seinem erlernten Beruf als Theatermeister zurückgestuft worden war, verdiente zur Zeit der Scheidung als Hilfstischler monatlich 790 DDR-Mark. Er übersiedelte im Oktober 1989 nach West-Berlin. Dort verdiente er für eine Tätigkeit bei den staatlichen Schauspielbühnen im Jahre 1990 monatlich rund 2.952 DM netto. Er ist nach einem Unterhaltstitel zur Zahlung von monatlich 375 DM für die Tochter M. verpflichtet. Die Klägerin verblieb mit der Tochter im Ostteil Berlins. Sie meldete 1990 eine von ihr in Heimarbeit betriebene Änderungsschneiderei als Gewerbe an, mußte dieses aber mangels Kundschaft zum 1. November 1990 wieder abmelden. Seither bezieht sie Sozialhilfe. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1990 forderte die Klägerin den Beklagten - der den in der Einigung vom 6. April 1989 festgelegten Unterhalt von monatlich 250 DDR-Mark zu keinem Zeitpunkt gezahlt hatte - zur Auskunft über sein Einkommen und zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von vorläufig monatlich 879 DM auf. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach. Anfang 1991 erhob die Klägerin daraufhin Stufenklage, mit der sie Auskunft über das Einkommen des Beklagten begehrte und nach erteilter Auskunft beantragte, den Beklagten in Abänderung der vor dem Stadtbezirksgericht Berlin- Friedrichshain am 6. April 1989 getroffenen Einigung für die Zeit ab 1. Januar 1991 zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 525 DM zu verurteilen. Dabei handelt es sich nach ihrer Erklärung nur um eine Teilforderung. Zur Begründung ihres Begehrens machte die Klägerin insbesondere geltend: Die schwere Behinderung der gemeinsamen Tochter mache ihr die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit außerhalb ihrer Wohnung unmöglich. Die Tochter bedürfe intensiver Pflege und ständiger Beobachtung, sowie auch in psychischer Hinsicht besonderer Fürsorge und Zuwendung. Aus diesem Grund habe sie, die Klägerin, versucht, ihren Lebensunterhalt in Heimarbeit mit der Ausübung des Gewerbes als Änderungsschneiderin zu verdienen, zumal sie nur bei einer derartigen selbständigen Tätigkeit die zahlreichen notwendigen Arzttermine mit der Tochter habe wahrnehmen können. Nachdem der Versuch gescheitert sei, sei sie auf die Unterhaltszahlungen des Beklagten angewiesen. Dieser verfüge inzwischen über Einkünfte, die gegenüber seinem Einkommen im Zeitpunkt der Scheidung erheblich gestiegen seien und die Zahlung der begehrten Unterhaltsrente rechtfertigten. Der Beklagte hält sich nicht für verpflichtet, der Klägerin Unterhalt zu leisten. Er machte geltend, sie könne ihren Lebensunterhalt zumindest durch Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung selbst verdienen, da sie auch während der Ehe gearbeitet habe. Im übrigen berief er sich auf die Anwendung des früheren Rechts der DDR, nach welchem ein Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht in Betracht komme. Das Amtsgericht - Familiengericht - Charlottenburg gab der Klage unter Anwendung des § 29 Abs. 1 des Familiengesetzbuchs der DDR (FGB) statt. Gegen das Urteil legte der Beklagte Berufung ein und führte aus: Das Urteil stehe nicht in Einklang mit dem materiellen Recht der früheren DDR. Denn die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 FGB seien nicht hinreichend dargetan. Nach § 29 Abs. 3 FGB könne Unterhalt im übrigen außerhalb des Scheidungsverfahrens nur unter besonderen Voraussetzungen begehrt werden, die hier nicht gegeben seien. Schließlich stehe § 33 Satz 2 FGB der beantragten Unterhaltserhöhung entgegen. Das Kammergericht wies die Berufung auf der Grundlage des auch von ihm für anwendbar gehaltenen Unterhaltsrechts der §§ 29 bis 32 FGB sowie des § 33 FGB zurück (das Urteil ist veröffentlicht in DtZ 1992, 396). Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, mit der er sein Begehren auf Abweisung der Abänderungsklage weiterverfolgt. |
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. a) Grundlage des Abänderungsbegehrens der Klägerin ist die „Einigung“ vom 6. April 1989, in der die Parteien den nach den damals geltenden Vorschriften der §§ 29 ff. FGB (hier und im folgenden stets bezogen auf die seinerzeit geltende Fassung vom 20. Dezember 1965, GBl.-DDR 1966, 1) der Klägerin zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruch vertraglich ausgestaltet haben. Nach § 29 Abs. 1 FGB hatte das Gericht, wenn ein geschiedener Ehegatte wegen Krankheit, wegen Erziehung der Kinder oder aus anderen Gründen nicht in der Lage war, sich durch Arbeit oder aus sonstigen Mitteln zu unterhalten, den anderen Ehegatten „für eine Übergangszeit, jedoch nicht für länger als zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung zur Zahlung eines nach den beiderseitigen Verhältnissen angemessenen Unterhalts zu verpflichten ...“. Nach Abs. 2 der Vorschrift konnte die Unterhaltsverpflichtung auch unbefristet ausgesprochen werden, wenn vorauszusehen war, „daß sich der Unterhaltsberechtigte keinen eigenen Erwerb schaffen kann und wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die unbefristete Zahlung zumutbar ist“. Angesichts des geringen Alters und insbesondere der durch ihre Behinderung bedingten verstärkten Betreuungsbedürftigkeit der Tochter M. waren hiernach die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Beklagte Unterhalt an die Klägerin zu zahlen hatte. Nach dem Sitzungsprotokoll vom 6. April 1989 wurden mit den Parteien „die Grundsätze des § 29 ff. FGB ... erörtert“, bevor es zu dem Abschluß der Einigung kam. In dem Scheidungsurteil führte das Gericht sodann ausdrücklich aus, die in der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien geschlossene Einigung zur Unterhaltszahlung an die Klägerin entspreche den Grundsätzen des § 29 FGB und sei deshalb gemäß § 46 Abs. 4 ZPO (DDR-ZPO hier und im folgenden: in der damals geltenden Fassung vom 19. Juni 1975, GBl.-DDR 1975, 533) im Urteil zu bestätigen gewesen.
b) Der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Klägerin richtet sich inzwischen nicht mehr nach den Vorschriften des Familiengesetzbuchs der DDR, sondern nach den §§ 1569 ff. BGB.
Art. 234 § 5 Satz 1 EGBGB i.d.F. des Einigungsvertrages bestimmt unter Einschränkung des § 1 der Regelung, daß für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Aus dieser intertemporalen Übergangsvorschrift ergibt sich nicht, in welchen Fällen das Recht der DDR „bisheriges Recht“ war. Diese Frage ist vielmehr nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht zu beantworten (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1992 - XII ZR 157/91 = BGHR EGBGB Art. 234 § 5 Fortgeltung 1 = FamRZ 1993, 43, 44).
Wie der Senat hierzu in dem Urteil vom 10. November 1993 (XII ZR 127/92, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) im einzelnen dargelegt hat, ist seit dem Inkrafttreten des IPR-NeuregelungsG 1986 im innerdeutschen Kollisionsrecht der alten Bundesländer die Bestimmung des Art. 18 Abs. 5 EGBGB entsprechend heranzuziehen. Danach ist für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt das bundesdeutsche Recht maßgebend, wenn zumindest der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt ist (vgl. auch Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 - XII ZR 115/92).
Das ist hier der Fall.
Da die Klägerin - wie schon im Zeitpunkt der Scheidung - im Oktober 1989 das gemeinschaftliche minderjährige Kind betreute und deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte und da dieser Zustand weiterhin besteht, richtet sich ihr Unterhaltsanspruch mithin nach den Vorschriften der §§ 1569 ff. BGB, hier insbesondere des § 1570 BGB. Dabei bestimmt sich das Maß des geschuldeten Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen der Parteien (§ 1578 BGB), wobei der Bedürftigkeit der Klägerin und der Leistungsfähigkeit des Beklagten (§ 1581 BGB) Rechnung zu tragen ist.
2. a) Da der Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt, sondern in der Einigung vom 6. April 1989 vertraglich festgelegt worden ist, richtet sich das erhobene Abänderungsbegehren gegen diese Vereinbarung. Sie stellt eine gerichtliche Einigung im Sinne von § 30 Abs. 3 FGB dar, die gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 DDR-ZPO in dem Ehescheidungsurteil bestätigt und nach § 83 Abs. 4 DDR-ZPO verbindlich wurde mit der Folge, daß aus ihr vollstreckt werden konnte (§ 88 Abs. 1 Nr. 1 DDR-ZPO). Die Einigung steht damit insoweit einem Prozeßvergleich im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gleich. Auch sie weist, wie dieser, eine Doppelnatur mit materiellrechtlichen und prozessualen Zügen auf (vgl. Maurer in DtZ 1993, 130, 135 unter V 2).
b) Demgemäß erfolgt eine Abänderung der Einigung wie bei einem Prozeßvergleich nach § 323 Abs. 4 ZPO in der Form des § 323 Abs. 1 ZPO. Inhaltlich bestimmt sie sich dementsprechend nicht nach § 323 Abs. 1 ZPO, sondern nach den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGHZ - GS - 85, 64, 73; Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 30/85 = FamRZ 1986, 790, ständige Rechtsprechung). Dabei kommt, da sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach den Vorschriften des BGB richtet, den Vorschriften des Familiengesetzbuchs der DDR keine Bedeutung mehr zu. Das gilt insbesondere für die Regelung des § 33 FGB, nach der eine Erhöhung des Unterhaltsbetrages bei wesentlicher Änderung der Umstände, die zur Festsetzung des Unterhalts geführt haben (§ 33 Satz 1) nur zulässig ist, „wenn der Unterhaltsverpflichtete im Zeitpunkt der Scheidung ein sein normales Einkommen wesentlich unterschreitendes Einkommen gehabt hat“ (§ 33 Satz 2 FGB). Die in dieser Vorschrift enthaltene einschränkende Regelung für den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten ist, soweit sie verfahrensrechtlichen Charakter hat, durch § 323 ZPO verdrängt worden (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1992 a.a.O.). Soweit ihr materiellrechtliche Bedeutung zukommt, gilt an ihrer Stelle das Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
3. a) Einer Abänderung der Einigung vom 6. April 1989 nach Maßgabe des § 242 BGB stehen keine gesetzlichen Bedenken entgegen. Zwar bestimmt Art. 234 § 5 Satz 2 EGBGB, daß Unterhaltsvereinbarungen „unberührt“ bleiben. Dieser Regelung, die eine Anlehnung an Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG erkennen läßt (vgl. Johannsen / Henrich Eherecht 2. Aufl. Art. 234 § 5 EGBGB Rdn. 16; Adlerstein und Wagenitz, FamRZ 1990, 1300, 1303 Fußn. 30), ist indessen lediglich zu entnehmen, daß sich ein Ehegatte von einer früher nach dem Recht der DDR geschlossenen Unterhaltsvereinbarung nicht (schon) mit der Begründung lösen kann, durch die als Folge des Beitritts eingetretene allgemeine Rechtsänderung sei die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung entfallen (MünchKomm/Maier, Zivilrecht im Einigungsvertrag Rdn. 469; Adlerstein und Wagenitz a.a.O. S. 1303 unter A 5; zu Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG vgl. Bastian/ Roth-Stielow/ Schmeiduch, 1. EheRG Art. 12 Nr. 3 Anm. 3 S. 791). Das schließt jedoch eine Abänderung wegen konkreter Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse oder wegen Wegfalls der individuellen Geschäftsgrundlage der Vereinbarung nicht aus.
b) Ob eine solche Veränderung eingetreten ist, bestimmt sich wie bei einem gerichtlichen Vergleich nach dem der Einigung zugrunde gelegten Parteiwillen. Dieser ist der Geltungsgrund der Vereinbarung, und er allein entscheidet, welche Verhältnisse zur Grundlage der Vereinbarung gehören, und wie die Parteien diese Verhältnisse bewerten (Senatsurteil vom 23. April 1986 a.a.O., ständige Rechtsprechung). Dabei können, wie in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt ist, außer einer Veränderung der individuellen Verhältnisse auch Änderungen einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung oder der bestehenden Rechtslage zu Störungen einer vertraglichen Vereinbarung führen, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Das gilt jedenfalls, soweit eine Vereinbarung - insbesondere im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses - noch nicht abgewickelt ist und es, wie auch im vorliegenden Fall, um die Anpassung für die Zukunft geht. Grundlage dieser Beurteilung ist, daß beim Abschluß einer Vereinbarung ein beiderseitiger Irrtum über die Rechtslage das Fehlen der Geschäftsgrundlage bedeuten kann, wenn die Vereinbarung ohne diesen beiderseitigen Rechtsirrtum nicht geschlossen worden wäre. Das ist der Fall, wenn der Geschäftswille der Vertragsparteien auf der gemeinsamen irrigen Rechtsauffassung oder auch auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung oder Rechtslage aufgebaut war (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 344/81 = FamRZ 1983, 569, 573 m.w.N.). Die Anpassung an die veränderten Verhältnisse muß, wie stets, so auch in diesem Fall, nach Möglichkeit unter Wahrung der dem Parteiwillen entsprechenden Grundlagen erfolgen. Soweit diese sich allerdings so tiefgreifend verändert haben, daß dem Parteiwillen für die gebotene Abänderung der Verpflichtung kein hinreichender Anhaltspunkt mehr zu entnehmen ist, kann in Betracht kommen, die Abänderung ausnahmsweise ohne fortwirkende Bindung an die (unbrauchbar gewordenen) Grundlagen der abzuändernden Vereinbarung vorzunehmen und - im Falle einer Unterhaltsregelung - den Unterhalt wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften zu bemessen. Auch in solchen Fällen bleibt jedoch zu prüfen, ob der Vereinbarung Elemente entnommen werden können, die trotz der tiefgreifenden Änderung der Verhältnisse nach dem erkennbaren Parteiwillen weiterwirken sollen (vgl. Senatsurteil vom 20. März 1985 - IVb ZR 8/84, nicht veröffentlicht).
c) Nach den dargelegten Grundsätzen kann der Parteiwille bei Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung nach dem früheren Recht der DDR beiderseits darauf gerichtet gewesen sein, den Unterhalt gezielt mit Blick auf die gesetzliche Regelung der §§ 29 ff. FGB und dabei insbesondere mit Rücksicht auf die Einschränkung des § 33 Satz 2 FGB festzulegen. Das kann etwa dann anzunehmen sein, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, ein Unterhaltsanspruch bestehe an sich nicht, gleichwohl solle, da eine Erhöhung kraft Gesetzes keinesfalls in Betracht komme, eine (unter Umständen geringe) Unterhaltsrente gezahlt werden. Läßt sich ein derartiger beiderseitiger Parteiwille feststellen, dann ist bei einer beantragten Anpassung der Unterhaltsvereinbarung an veränderte Verhältnisse zu prüfen, ob dieser Wille trotz sonstiger tiefgreifender Änderung der Verhältnisse erkennbar weiterwirken soll.
Läßt sich ein solcher Parteiwille hingegen nicht feststellen, dann ist davon auszugehen, daß die Beteiligten den Unterhalt auf der Grundlage der geltenden, übereinstimmend als fortbestehend vorausgesetzten Rechtslage regeln wollten. Unter solchen Umständen kann - ohne besondere Anhaltspunkte - in der Regel nicht angenommen werden, daß bestimmte einzelne Vorschriften der gesetzlichen Regelung als unveränderlicher Inhalt der Vereinbarung gelten sollten. Ändert sich in einem derartigen Fall die Rechtslage, dann kann eine Anpassung der Vereinbarung an die neuen Rechtsvorschriften in der Weise in Betracht kommen, daß der Unterhalt nach dem nunmehr geltenden Rechtszustand neu festgesetzt wird.
d) Ein Parteiwille, insbesondere des Beklagten, die Einigung vom 6. April 1989 nur unter der Voraussetzung zu schließen, daß eine Erhöhung der vereinbarten Unterhaltsrente unter keinen Umständen in Betracht kommen sollte, kann nach dem Inhalt sowohl der Einigung selbst als auch des Verhandlungsprotokolls vom 6. April 1989 unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien, auch nach entsprechenden rechtlichen Hinweisen in der Revisionsinstanz, nicht festgestellt werden.
Der Beklagte hat zwar - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Sitzungsniederschrift des Stadtbezirksgerichts Berlin-Friedrichshain vom 6. April 1989 - geltend gemacht, die Einigung sei zustande gekommen, obwohl er seinerzeit nach geltendem Recht der DDR nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Das trifft jedoch, wie oben ausgeführt, nicht zu.
Die Parteien haben vielmehr die Einigung vom 6. April 1989 auf der Grundlage und im Sinne der damals geltenden gesetzlichen Regelung des § 29 FGB geschlossen und auch schließen wollen. Allerdings stellte sich die Einigung sowohl nach den Grundsätzen des § 29 FGB als auch nach der damaligen gerichtlichen Praxis in zweifacher Hinsicht als ungewöhnlich dar: So machten die Eheleute zum einen von der Ausnahmemöglichkeit des § 29 Abs. 2 Gebrauch, eine zeitlich unbefristete Unterhaltszahlung an die Klägerin zu vereinbaren, und zum anderen sahen sie - in Nummer 2 der Einigung - die Möglichkeit vor, daß sich eine weitere „erneute Verständigung über die Anspruchsberechtigung, die Höhe und die Dauer der Unterhaltszahlung“ als erforderlich erweisen könnte. Aus der für diese letztere Regelung gegebenen Begründung, nämlich der ins Auge gefaßten Erwartung, daß Sozialversicherungsleistungen an die Klägerin gewährt werden würden, im Zusammenhang mit der unter Nr. 1 der Einigung erwähnten Aufnahme der Tochter in eine Kindereinrichtung als Voraussetzung für die Wiederaufnahme eines Arbeitsrechtsverhältnisses der Klägerin ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit der Grund für die vereinbarte unbefristete Unterhaltsverpflichtung. Da in der früheren DDR angesichts des garantierten Rechts auf Arbeit auch für die Frauen und der zahlreich vorhandenen Kinderkrippen, Kindergärten und Schulhorte nachehelicher Unterhalt überhaupt nur in 2 % bis maximal 5 % der jährlichen Scheidungsverfahren geltend gemacht wurde (Eberhardt in Familienrecht und deutsche Einigung 1991, S. 149, 151), und da ferner eine Gewährung von Unterstützungsleistungen (SV-Leistungen) an die Klägerin als alleinstehende Mutter dann in Betracht kam, wenn die Tochter der Parteien nicht in eine Kinderkrippe aufgenommen werden konnte, trägt die getroffene Regelung erkennbar der Tatsache Rechnung, daß sich die Entwicklung und das Ausmaß der Behinderung der Tochter M. nicht mit hinreichender Sicherheit voraussehen ließen. Der Einigung vom 6. April 1989 ist demnach entgegen der Auffassung der Revision der übereinstimmende Parteiwille zu entnehmen, daß die Klägerin im Rahmen des geltenden Rechts Unterhalt von dem Beklagten erhalten sollte, solange und soweit sich dies im Hinblick auf die mit der Behinderung der Tochter verbundenen Schwierigkeiten bei deren Aufnahme in eine Kindereinrichtung und die Auswirkungen dieser Tatsache auf die Eingliederung der Klägerin in das Erwerbsleben als erforderlich erweisen sollte.
Das Kammergericht hat diese Auslegung der Einigung vom 6. April 1989 - von seinem Standpunkt aus vertretbar - nicht vorgenommen, so daß der Senat, da weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, sie selbst vornehmen kann (vgl. BGHZ 65, 107, 112; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 223/89 = BGHR ZPO § 565 Abs. 3, Sachentscheidung 2). Im übrigen liegt auch der Beurteilung des Kammergerichts die Ansicht zugrunde, daß sich die bei Abschluß der Einigung bestehende Rechtslage inzwischen durch die Notwendigkeit eines korrigierenden Verständnisses des § 33 S. 2 FGB geändert hat und daß der in der Einigung verabredete Unterhaltsanspruch der Klägerin auch dieser Rechtsänderung unterfällt, die entgegen dem früheren Rechtszustand auch die Erhöhung der Unterhaltsrente zuläßt.
4. Auf der Grundlage dieses von den Parteien gewollten Inhalts der Vereinbarung vom 6. April 1989 sind die Voraussetzungen für die beantragte Erhöhung der Unterhaltsrente der Klägerin nach den Grundsätzen der Veränderung der Geschäftsgrundlage gegeben.
a) Das Kammergericht hat hierzu, wenn auch ausgehend von der Maßgeblichkeit des Rechts der DDR, ausgeführt: Die von den Parteien in der Einigung vom 6. April 1989 festgelegten Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten seien nach wie vor gegeben. In der Einigung heiße es zwar, daß der Beklagte zur Unterhaltszahlung nur bis zur Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tochter M. in die Kindereinrichtung verpflichtet sei. Die Klägerin habe aber durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen und Vorlage behördlicher Bescheide ausreichend dargetan, daß die Tochter körperlich und seelisch einer intensiven Pflege bedürfe und ihr, der Klägerin, als der betreuenden Mutter deshalb die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch heute noch nicht möglich sei. Das Gewerbe einer Änderungsschneiderei, das die Klägerin im Jahre 1990 in Heimarbeit aufgenommen habe, habe sie wegen fehlender Kundschaft nicht nachhaltig ernähren können. Soweit die Parteien in der Einigung vom 6. April 1989 den Wegfall der Unterhaltspflicht des Beklagten bei Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses der Klägerin vereinbart hätten, könne dies sachgerecht nur dahin verstanden werden, daß damit eine die Klägerin nachhaltig ernährende und ihr zumutbare Erwerbstätigkeit gemeint gewesen sei. Eine solche außerhäusliche Erwerbstätigkeit könne sie aber noch nicht aufnehmen, weil die Tochter M. wegen ihrer Behinderung nach einem Bericht des Kindergartens nur stundenweise dort betreut werden könne.
b) Diese Ausführungen sind, auch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Revision hält ihnen entgegen: Wie die Auslegung der Vereinbarung vom 6. April 1989 ergebe, hätten Zahlungen nur bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Klägerin geleistet werden sollen. Da die Klägerin unstreitig im Jahre 1990 über einen längeren Zeitraum eine Änderungsschneiderei betrieben habe, sei somit die auflösende Bedingung für die Unterhaltsverpflichtung eingetreten. Das Kammergericht habe deshalb die Abrede der Parteien nicht dahin auslegen dürfen, daß nur eine einträgliche Erwerbstätigkeit den Wegfall der Leistungspflicht sollte bewirken können. Eindeutige Erklärungen seien nicht auslegungsfähig.
Mit dieser Rüge kann die Revision keinen Erfolg haben. Sie berücksichtigt insbesondere nicht, daß die Aufnahme eines Arbeitsrechtsverhältnisses der Klägerin mit der Aufnahme des Kindes in eine Kindereinrichtung verknüpft wurde. Im übrigen unternimmt die Revision mit ihren Ausführungen den ihr verschlossenen Versuch, eine eigene Auslegung der Vereinbarung an die Stelle derjenigen des Kammergerichts zu setzen, ohne aber Auslegungsfehler oder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze bei der tatrichterlichen Auslegung durch das Kammergericht aufzuzeigen. Für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin nach der gesetzlichen Regelung des § 1570 BGB käme es allerdings nicht darauf an, ob die Klägerin ihren Unterhalt durch das zeitweise ausgeübte Gewerbe einer Änderungsschneiderei nachhaltig sichern konnte. Maßgebend ist insoweit vielmehr allein, daß das Kind in der Zeit, für die Unterhalt begehrt wird, weiterhin betreuungsbedürftig war und ist. Hierauf hat das Kammergericht seine Entscheidung im Ergebnis zutreffend abgestellt.
5. a) Zur Höhe des danach geschuldeten Unterhalts hat das Kammergericht ausgeführt:
Sowohl der Unterhaltsbedarf der Klägerin als auch das Einkommen des Beklagten seien infolge der bei Abschluß der Einigung im April 1989 noch nicht vorhersehbaren grundlegenden wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in Deutschland erheblich gestiegen. Als Grundlage der Einigung vom 6. April 1989 hätten die Parteien ein Einkommen des Beklagten von 790 DDR-Mark bei einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter in Höhe von anfangs 100 DDR-Mark angenommen. Der für die Klägerin festgesetzte Unterhaltsbetrag von monatlich 250 DDR-Mark habe bei dem danach anrechenbaren Einkommen des Beklagten von 690 DDR-Mark eine Quote von 36,23% ausgemacht. Aus seiner Tätigkeit als Theatermeister in West-Berlin habe der Beklagte im Jahre 1990 monatlich rund 2.952 DM netto verdient. Ausgehend davon, daß die im Beitrittsgebiet monatlich erzielten Einkünfte jedenfalls noch zu Beginn der hier maßgeblichen Zeit, also am 1. Januar 1991, im allgemeinen 60% des Westlohnes ausmachten, könne das von dem Beklagten als Theatermeister erzielbare Einkommen fiktiv mit monatlich gerundet 1.771 DM angenommen werden. Bei einem solchen Einkommen hätte er nach der Berliner Tabelle für die Tochter M. bis zum 30. Juni 1992 monatlich 265 DM und ab 1. Juli 1992 monatlich 306 DM Unterhalt zahlen müssen, vermindert um die Hälfte des von der Klägerin bezogenen Kindergeldes. Bei einem anzusetzenden Einkommen von hiernach jedenfalls 1.506 DM (1.771 - 265 DM) bzw. 1.465 DM (1.771 - 306 DM) mache eine Quote von 36,23% einen Betrag von monatlich 545,62 DM bzw. 530,77 DM aus, der mithin sowohl für die Zeit bis zum 30. Juni 1992 als auch danach über dem begehrten Unterhaltsbetrag von monatlich 525 DM liege. Die Frage, ob die Klägerin Anspruch darauf habe, auch an der zusätzlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Beklagten beteiligt zu werden, die auf seine Übersiedlung nach West-Berlin vor dem 3. Oktober 1990 zurückzuführen sei, brauche unter den gegebenen Umständen nicht entschieden zu werden.
b) Diese Ausführungen tragen, jedenfalls im Ergebnis, die ausgesprochene Erhöhung der Unterhaltsrente der Klägerin in dem begehrten Umfang. Dabei kann offenbleiben, ob den Erwägungen des Kammergerichts zur Höhe des mit nur 60% der tatsächlichen Einkünfte als maßgeblich angenommenen fiktiven Einkommens des Beklagten, noch dazu bezogen auf die für die Klägerin maßgeblichen Verhältnisse in Berlin (Ost), zugestimmt werden könnte. Jedenfalls die begehrte Erhöhung der Unterhaltsrente auf monatlich 525 DM ist bei den Einkommensverhältnissen des Beklagten gerechtfertigt.
Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, der Beklagte habe aus Anlaß seiner Übersiedlung nach West-Berlin im Oktober 1989 hohe Kreditverpflichtungen eingehen müssen und sei deshalb aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, den begehrten höheren Unterhalt zu zahlen, kann sie mit diesem Vortrag nicht gehört werden. Die Revision trägt hiermit neue Tatsachen vor, die in der Revisionsentscheidung nicht berücksichtigt werden können (§ 561 ZPO). Im übrigen ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Kammergericht von dem tatsächlichen Einkommen des Beklagten ohnehin einen monatlichen Betrag von 1.181 DM (2.952 DM abzüglich 1.771 DM) außer Ansatz gelassen hat. Aus diesem Betrag kann der Beklagte bei der gegebenen Sachlage Mittel zur Tilgung seiner Kreditverbindlichkeiten aufbringen.