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1 BvR 375/91

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 93b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG).

Unter Berücksichtigung der eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit von fachgerichtlicher Auslegung und Anwendung einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>) lassen die angegriffenen Entscheidungen keinen Verfassungsverstoß erkennen. Insbesondere werden die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, daß ihr die Gewährung einer wieder aufgelebten Geschiedenen-Witwenrente (§§ 42, 68 AVG) versagt wurde, weil sie im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung am 23. Dezember 1957 wegen ihres Wohnsitzes in der damaligen DDR nach Bundesrecht keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes hatte.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Ungleichbehandlung gegenüber solchen Frauen rügt, die bei ansonsten vergleichbaren Umständen zur selben Zeit im damaligen Bundesgebiet eine zweite Ehe eingegangen sind, läßt sie die weite Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Bewältigung der Folgen des Krieges und der sich daraus ergebenden deutschen Teilung unberücksichtigt (vgl. BVerfGE 71, 66 <76 f.>). Insofern ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß Leistungsansprüche aus Versicherungszeiten, die bei einem nicht mehr bestehenden, einem stillgelegten oder einem außerhalb des (damaligen) Bundesgebietes und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger zurückgelegt worden waren, zunächst nur solchen Personen zuerkannt wurden, die sich ständig im Bundesgebiet und im Land Berlin aufhielten (vgl. § 1 FAG, JURIS = FRG F: 7. August 1953).

Soweit sich die Beschwerdeführerin mit geschiedenen Frauen vergleicht, die ihre zweite Ehe nach dem 1. Januar 1959 in der DDR geschlossen haben, wendet sie sich gegen den vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes festgelegten Zeitpunkt. Die verfassungsrechtliche Prüfung einer derartigen Stichtagsregelung muß sich darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 44, 1 <21 f.>). Hier ist sich der Gesetzgeber bei der Beratung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes des Bezuges zur Rentenreform vom 1. Januar 1957 bewußt gewesen (vgl. BT-Drucks. III/1109 S. 35) und hat für Bestandsrenten umfangreiche Übergangsbestimmungen vorgesehen, die auf den 1. Januar 1957 abstellen (vgl. Art. 6 FANG). Eine weitergehende Vorverlegung der Wirkung dieses Gesetzes war jedenfalls in Ansehung der Situation der Beschwerdeführerin verfassungsrechtlich nicht geboten. Da diese bei ihrer Wiederheirat noch nicht einmal einen Grundanspruch auf Geschiedenen-Witwenrente nach ihrem früheren Ehemann hatte, konnte bei ihr auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf ein späteres Wiederaufleben einer solchen Rente entstehen, dem der Gesetzgeber durch nachträgliche Begründung eines (ruhenden) Rentenanspruchs für die Zeit vor der zweiten Eheschließung hätte Rechnung tragen müssen.

Auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) läßt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Gebot herleiten, der Beschwerdeführerin unter Erweiterung der Regelung des § 68 Abs. 2, Abs. 3 AVG einen Rentenbezug aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes zu ermöglichen, zumal das Wiederaufleben einer (Geschiedenen-)Witwenrente dem System der Rentenversicherung an sich fremd ist und vom Grundgesetz nicht gefordert wird (vgl. BVerfGE 55, 114 <127>).

Unabhängig davon, ob eine Hinterbliebenenrente überhaupt dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt, scheidet ein Verstoß gegen diese Verfassungsnorm hier schon deswegen aus, weil die Beschwerdeführerin eine sozialrechtliche Position geltend macht, die ihr nach der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BSGE 25, 20 <22> m.w.N.) zu keinem Zeitpunkt gegen einen bundesdeutschen Versicherungsträger zugestanden hat (vgl. BVerfGE 55, 114 <131 f.>). Im übrigen können die einschlägigen Regelungen des Fremdrentenrechts nicht an Art. 14 GG gemessen werden, weil sie der Bewältigung der Folgen des Krieges dienen (vgl. BVerfGE 53, 164 <177 f.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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