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11 RA 2/78

Aus den Gründen

Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG.

Die Klägerin war mit dem Versicherten W.H. verheiratet. Im Juni 1966 wurde die Ehe aus dem Verschulden von W.H. geschieden. Beide Ehepartner sind keine neue Ehe eingegangen. Am 3.1.1975 ist W.H. verstorben.

Gemäß einer Vereinbarung vom Februar 1966 hatte W.H. „zur Abgeltung der Unterhaltsansprüche von Frau H.“ den Anspruch auf Entnahme aus seinem Gesellschaftskonto als Kommanditist der Firma Z. in Höhe von monatlich DM 700,00 steuerfrei an die Klägerin abgetreten, zur Sicherung dieser Ansprüche außerdem noch die Hälfte seines Gesellschafteranteils an der Firma. In einer Vereinbarung vom August 1973 heißt es dann:

„Es wird festgestellt, daß Frau H. DM 95.000,00 als künftigen Unterhaltsbetrag erhalten hat. Frau H. erklärt, daß mit dieser einmaligen Zahlung ihr Unterhaltsanspruch auf Lebzeiten von Herrn W.H. abgegolten ist. Der Unterhaltsanspruch von Frau H. bezieht sich somit lediglich noch auf den Anspruch auf die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Herrn W.H. Diese Witwenrente steht Frau H. auch weiterhin in voller Höhe zu.“

Den Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte ab; Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Dagegen hat das LSG die Beklagte verurteilt, ab März 1975 Hinterbliebenenrente zu gewähren.

Die Revision der Beklagten ist von Erfolg.

Entgegen der Auffassung des LSG steht der Klägerin eine Hinterbliebenenrente nicht zu; sie kann einen Anspruch darauf weder mit § 42 Satz 1 AVG noch mit Satz 2 begründen. Nach Satz 1 wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit ihm geschieden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn er ihr zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Von diesen drei Alternativen hat das LSG die letzte für vorliegend erachtet. Dem kann der Senat sich indessen nicht anschließen.

Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung soll die Hinterbliebenenrente den vom Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tode der früheren Frau tatsächlich gezahlten Unterhalt ersetzen, auf den sie sich für die Zukunft hätte einstellen können. Diese Voraussetzung ist nur gegeben, wenn die Zahlungen sich auf den letzten vollen Jahreszeitraum erstreckt hatten (BSGE 25, 86; SozR 2200 § 1265 Nr. 26) und der Höhe nach geeignet waren, den notwendigen Mindestbedarf der Frau zu 25 % zu decken (BSGE 22, 44; SozR Nr. 49 zu § 1265 RVO). Damit, daß die Unterhaltszahlungen das Jahr vor dem Tode des Versicherten umfaßt haben müssen, ist allerdings nicht gesagt, daß sie immer in diesem Zeitabschnitt zu leisten waren. Nach den Zielvorstellungen des Gesetzes ist vielmehr entscheidend, daß die Zahlung für das betreffende Jahr erfolgt. Dementsprechend wird der Tatbestand der dritten Alternative des § 42 Satz 1 AVG nicht erfüllt, wenn der Versicherte im letzten Lebensjahr z.B. frühere Unterhaltsschulden getilgt hat (SozR Nr. 51 zu § 1265 RVO). Zu einer anderen Auslegung nötigt auch nicht der Wortlaut des § 592 RVO (vgl. dazu SozR Nr. 48 zu § 1265 RVO), der eine Unterhaltszahlung „während“ des letzten Jahres vor dem Tode des Versicherten verlangt. Auch eine Unterhaltsvorauszahlung ist sonach geeignet, die dritte Alternative des § 42 Satz 1 AVG zu erfüllen (SozR Nr. 55 zu § 1265 RVO). Voraussetzungen sind jedoch mehrere Feststellungen: So muß feststehen, welchen Betrag der Versicherte der geschiedenen Frau für den Zeitraum gezahlt hat, der später das letzte Jahr vor dem Tod des Versicherten geworden ist; dieser Betrag muß bei der Zahlung zur Befriedigung des Unterhalts der geschiedenen Frau, also zum Verbrauch im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten bestimmt gewesen sein; er muß den gesamten Zeitraum abdecken; schließlich muß er der Höhe nach ausreichen, den Unterhaltsbedarf der Frau für das maßgebliche Jahr im notwendigen Mindestumfang zu befriedigen. Daß die Vorauszahlung darüber hinaus noch „für eine mehrjährige Folgezeit“ reichen muß (so anscheinend SozR 2200 § 1265 Nr. 24) wird vom Gesetz nicht verlangt; es ist allerdings auch nicht ersichtlich, ob und wie eine zusätzliche Vorauszahlung für die Folgezeit schaden könnte.

Zur Frage, ob und in welcher Höhe vom Versicherten Zahlungen geleistet worden sind, die als Unterhalt der Klägerin für das letzte Jahr vor dem Tode des Versicherten in Betracht kommen, hat das LSG vorliegend aber nur festgestellt, der Klägerin seien im August 1973 aus dem Auseinandersetzungsguthaben von W.H. DM 95.000,00 überlassen worden; sie habe diesen Betrag „als künftigen Unterhaltsbetrag“ erhalten. W.H. sei es nicht darum gegangen, damit den Unterhaltsanspruch zum Erlöschen zu bringen. Das Auseinandersetzungsguthaben habe den Unterhaltsanspruch vielmehr sichern, „der Unterhalt selbst habe mit dem Zins aus den DM 95.000,00 erfüllt werden sollen“. Diese Feststellungen rechtfertigen die Anwendung der dritten Alternative des § 42 Satz 1 AVG nicht. Aus ihnen läßt sich kein Betrag entnehmen, den W.H. der Klägerin als Unterhalt für das letzte Jahr vor seinem Tode, d.h. für die Zeit vom 04.01.1974 bis zum 03.01.1975, vorausgezahlt haben soll; es ist nicht einmal zu erkennen, ob und wie die Klägerin die DM 95.000,00 als Unterhalt verwerten sollte; insoweit ist weder ein konkreter Betrag genannt, der zum Unterhalt der Klägerin im Jahre 1974 bestimmt war, noch ist ein solcher Betrag als konkrete Unterhaltsvorauszahlung, auch nicht als kapitalisierte Unterhaltsvorauszahlung, für das maßgebende letzte Jahr vor dem Tode des Versicherten aufgrund der festgestellten Vereinbarungen errechenbar (s. hierzu SozR 2200 § 1265 Nrn. 24 und 26). Aus dem festgestellten Sachverhalt geht nur hervor, daß die DM 95.000,00 der Klägerin übereignet worden sind, damit sie diese als „Sicherung für ihren Unterhalt“ selbst verwalte. Wie vom LSG festgestellt, sollte damit bezweckt werden, der Klägerin mit Hilfe der Zinsen aus dem übereigneten Betrag - wie früher - eine monatliche Zahlung von DM 700,00 zu gewährleisten. Hiernach waren die DM 95.000,00 selbst nicht zum Verbrauch bestimmt, sie waren der Klägerin vielmehr als Anlagekapital zur freien Verfügung gestellt, wenn auch in erster Linie mit dem Zweck, Nutzungen für sich daraus zu ziehen und aus den Nutzungen ihren Unterhalt zu befriedigen. Nicht zum Verbrauch bestimmte Mittel für ein Anlagekapital sind indessen keine Unterhaltsmittel i.S. von § 42 Satz 1 AVG. Denn das Wesen von Unterhaltsmitteln besteht gerade darin, daß sie verbraucht werden (SozR Nr. 19 zu § 1265 RVO). Anders verhält es sich zwar mit den Nutzungen aus dem Anlagekapital, wenn sie zum Verbrauch bestimmt sind; sie sind aber dann Nutzungen aus dem eigenen Vermögen. Da dieses Vermögen der geschiedenen Frau über den Tod des Versicherten hinaus verbleibt, bewirkt der Tod insoweit keine durch eine Hinterbliebenenrente auszugleichende wirtschaftliche Einbuße (SozR Nrn. 19 und 21 zu § 1265 RVO). Dies zeigt auch der Fall der Klägerin. Nach den Feststellungen des LSG hat sie die DM 95.000,00 im Jahre 1973 zum Teil verzinslich angelegt, zum Teil eine eigene Sozialversicherungsrente damit erworben, die 1977 rd. DM 680,00 monatlich betrug. Hiernach wäre es auch mit dem Sinn und Zweck des § 42 Satz 1, dritte Alternative AVG nicht zu vereinbaren, wenn neben der weiterlaufenden Nutzung aus einem früher einmal überlassenen Kapital auch noch eine Hinterbliebenenrente zu zahlen wäre.

Die Gewährung einer solchen Rente nach der ersten und zweiten Alternative kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein Unterhaltsanspruch der Klägerin zur Zeit des Todes von W.H. nicht bestand (wird ausgeführt).

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