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12 RJ 22/71

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1970 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin aus der Rentenversicherung ihres am 29. März 1968 verstorbenen früheren Ehemannes Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.

Die am 19. Februar 1955 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde am 5. Juni 1959 rechtskräftig aus Verschulden des Versicherten geschieden. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten war kinderlos geblieben. Aus ihrer ersten Ehe hatte die Klägerin zwei Söhne, die im Zeitpunkt der Scheidung 22 und 15 Jahre alt waren; sie lebte mit diesen und ihrer damals 81-jährigen Mutter in einem Haushalt zusammen. Der Versicherte hat nicht wieder geheiratet.

Aufgrund eines Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts (AG) Dortmund vom 13. August 1959 (34 C 819/59) war der Versicherte verpflichtet, an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente von 100,- DM ab 1. Juli 1959 jeweils im voraus zu zahlen. In den folgenden Jahren erfüllte der Versicherte regelmäßig seine Unterhaltsverpflichtungen. Am 6. Dezember 1966 wurde er arbeitslos. Vom 5. Januar 1967 an bezog er vom Arbeitsamt D Arbeitslosengeld von wöchentlich 81,60 DM. Vom 28. März bis 10. Juni 1967 betrug das Arbeitslosengeld wöchentlich 97,80 DM. Vom 12. Juni 1967 an war er wieder beschäftigt. Am 27. September, 31. Oktober, 27. November 1967 überwies er je 100,- DM, am 24. November 1967 50,- DM und am 4. Januar 1968 100,- DM an die Klägerin. In der Zeit vom 2. bis 16. Januar 1968 war er gegen einen Gesamtbruttolohn von 377,20 DM als Kraftfahrer beschäftigt. Vom 17. Januar 1968 an war er bis zu seinem Tod (29. März 1968) arbeitsunfähig krank.

Am 12. August 1968 überwies der Nachlaßpfleger der Klägerin aus dem Nachlaß des Versicherten mit dem Überweisungsvermerk "rückständige Unterhaltsforderung" den Betrag von 594,05 DM.

Die Klägerin war vom 15. Oktober 1965 bis 31. August 1967 bei einer Wäscherei gegen einen Bruttolohn von durchschnittlich 400,- DM monatlich und seit dem 1. September 1967 bei einer Annahmestelle einer Großwäscherei beschäftigt. Sie verdiente in der Zeit vom 1. September 1967 bis 30. April 1968 durchschnittlich monatlich mindestens 400,- DM netto.

Den Antrag der Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 RVO zu gewähren, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 9. Januar 1969).

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteile vom 25. Februar 1970 und 10. November 1970); das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des § 1265 Satz 1, 3. Alternative, RVO.

Die Klägerin beantragt,

  • die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1970 und des Sozialgerichts Dortmund vom 25. Februar 1970 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 1969 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung des verstorbenen W B vom 1. Mai 1968 an zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 RVO.

Nach § 1265 Satz 1 RVO wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.

Wenn sich auch die Revision darauf beschränkt hat, eine Verletzung der letzten Alternative des § 1265 Satz 1 RVO zu rügen, hat das Revisionsgericht gleichwohl, wozu es aufgrund der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht berechtigt und verpflichtet ist, seine Überprüfung auch auf die Feststellungen zur 1. und 2. Alternative des § 1265 RVO erstreckt. Dabei hat sich kein Rechtsfehler ergeben.

Das LSG hat den Hinterbliebenenrentenanspruch der Klägerin gemäß § 1265 Satz 1, 3. Alternative, RVO scheitern lassen, weil der Versicherte in dem letzten Jahr vor seinem Tode, also in der Zeit vom 30. März 1967 bis zum 29. März 1968, nicht in dieser gesamten Zeit, sondern lediglich viermal je 100,- DM und einmal 50,- DM in der Zeit vom 27. September 1967 bis 4. Januar 1968 tatsächlich an Unterhalt geleistet hat.

Die dagegen von der Revision erhobenen Einwendungen vermögen daran nichts zu ändern. Zutreffend hat das LSG den von dem Nachlaßpfleger nach dem Tode des Versicherten der Klägerin überwiesenen Betrag von 594,05 DM, mag er diesen bei der Überweisung auch als rückständigen Unterhalt ausgewiesen haben, nicht als Unterhaltsleistung des Versicherten gelten lassen. Es hat dies damit begründet, diese Zahlung sei der Klägerin nicht zu einer Zeit zugeflossen, als der Versicherte selbst noch tatsächlich zu ihrem Unterhalt habe beitragen können. Eine solche Zahlung sei schlechthin ungeeignet, das Vertrauen des Leistungsempfängers darauf zu wecken oder zu stärken, daß der Versicherte, hätte er weitergelebt, auch weiterhin Unterhalt geleistet hätte.

Diese Auffassung ist nicht rechtsfehlerhaft.

Das LSG hat auch zutreffend erkannt, daß die regelmäßigen Unterhaltszahlungen des Versicherten an die Klägerin in den Jahren 1964, 1965 und 1966 mit je 1.200,- DM jährlich gleichwohl nicht ausreichen, um gegenüber dem gesetzlichen Erfordernis der durchgehenden tatsächlichen Unterhaltsleistung im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten dann eine Ausnahme zu machen, wenn in dieser Zeit die regelmäßigen Unterhaltszahlungen hauptsächlich wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit zeitweilig unterblieben sind. Der Revision, die sich im Falle der Klägerin dafür einsetzt, eine Ausnahme anzuerkennen, kann nicht gefolgt werden. Schon der Wortlaut des § 1265 Satz 1, letzte Alternative RVO: "wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat" führt zu der Auslegung, daß der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt geleistet haben muß. Dies wird noch dadurch unterstrichen, daß die den entsprechenden Sachverhalt für die Unfallversicherung regelnde Vorschrift des § 592 Abs. 1 RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30.April 1963 verdeutlichend die Worte: "wenigstens während des letzten Jahres vor seinem Tode" enthält (vgl. SozR Nr. 34 zu § 1265 RVO). Nach dem Sinn und Zweck des § 1265 Satz 1 RVO werden in den 3 Alternativen bestimmte Gegebenheiten zur Grundlage dafür genommen, den Hinterbliebenenrentenanspruch einer geschiedenen Ehefrau auszulösen, nämlich in den beiden ersten Alternativen solche rechtlicher Art (1. Alternative: Unterhaltsverpflichtung kraft Gesetzes; 2. Alternative: Unterhaltsverpflichtung kraft besonderen Grundes) und in der 3. Alternative - dem gleichgestellt - solche tatsächlicher Art. Wenn das Gesetz, vor allem aus Gründen der erleichterten Rechtsanwendung und Beweisführung, tatsächliche Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten für ausreichend erklärt, den hier streitigen Rentenanspruch zu geben, besteht jedenfalls dann kein Anlaß, das gesetzliche Merkmal der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten zugunsten einer Ausnahme, bei der weniger Unterhaltsleistungen genügen würden, beiseite zu lassen. Die Revision übersieht bei ihrem darauf gerichteten Bestreben, daß das Gesetz bewußt darauf verzichtet, Feststellungen darüber zu verlangen, aus welchem Grunde der Versicherte in dem letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt geleistet oder nicht geleistet hat. Es kommt allein auf den tatsächlichen Vorgang der Unterhaltsleistung durch den Versicherten in der genannten Zeit an (vgl. SozR Nr. 34, 48 zu § 1265 RVO). Selbst bei dem in der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geäußerten Gedanken, daß "bei außergewöhnlichen Umständen", die der Versicherte "weder beeinflussen noch gar beheben konnte" von der ganzjährigen Unterhaltsleistung abgesehen werden könne (BSG 12, 279, 282 = SozR Nr. 7 zu § 1265; BSG 20, 252 = SozR Nr. 18 zu § 1265; schwächer in BSG 25, 86, 89 = SozR Nr. 34 zu § 1265 RVO; SozR Nr. 48 zu § 1265 RVO), lassen sich hier derartige "außergewöhnliche Umstände" nicht feststellen.

Schließlich vermag sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf das Urteil des 11. Senats vom 17. März 1964 - 11/1 RA 274/61 - (BSG 20, 252 = SozR Nr. 18 zu § 1265 RVO) zu berufen, da jedenfalls schon die Ausgangslage des dort entschiedenen Falles von derjenigen des hier zu entscheidenden Falles abweicht. Dort hatte der Versicherte die Scheidung nicht um ein ganzes Jahr überlebt. Hier aber liegen zwischen der Scheidung (5. Juni 1959) und dem Tode des Versicherten (29. März 1968) fast 9 Jahre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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