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5b/5 RJ 16/79

Gründe I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 12. März 1952 bis zum 31. August 1954 als Ausfallzeit nach § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorzumerken.

Bei dem bis dahin in der Rentenversicherung der Arbeiter pflichtversicherten Kläger wurde am 15. März 1952 eine doppelseitige Lungentuberkulose festgestellt. Der Kläger erhielt in der Zeit vom 12. März 1952 bis zum 13. September 1952 das Krankengeld aus der Krankenversicherung. In der Zeit vom 3. Juni 1952 bis zum 11. Oktober 1954 führte die Beklagte ein Tuberkulose-Heilverfahren durch. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 5. Februar 1955 die Invalidenrente nach § 1253 RVO a.F. für die Zeit vom 1. September 1954 an. Nachdem der Kläger am 1. August 1961 wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hatte, entzog die Beklagte die in die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellte Leistung durch Bescheid vom 3. Dezember 1962 mit Ablauf des Monats Januar 1963.

Auf den im August 1976 gestellten Antrag des Klägers auf Feststellung von Versicherungszeiten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 1977 unter anderem die Zeit des Rentenbezuges vom 1. September 1954 bis zum 31. Januar 1963 als Ausfallzeit nach § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RVO fest, nicht aber die hier streitige Zeit vom 12. März 1952 bis zum 31. August 1954. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 4. Dezember 1978 in Abänderung des Bescheides vom 12. Dezember 1977 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1978 verpflichtet, die Zeit vom 12. März 1952 bis zum 31. August 1954 im Versicherungsverlauf des Klägers als Ausfallzeit vorzumerken. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt, es sei urkundlich nachgewiesen, daß sich an die versicherungspflichtige Beschäftigung eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bzw. Heilstättenbehandlung angeschlossen habe. Die Arbeitsunfähigkeit habe die versicherungspflichtige Beschäftigung auch unterbrochen und nicht etwa beendet. Die Arbeitsunfähigkeit sei zwar in Invalidität und Erwerbsunfähigkeit übergegangen, die jedoch nicht bis zu dem das Erwerbsleben abschließenden Versicherungsfall angedauert habe.

Die Beklagte hat im Einverständnis mit dem Kläger das erstinstanzliche Urteil mit der - vom SG zugelassenen - Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, für die streitige Zeit lägen die Voraussetzungen des § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht vor. Der Kläger sei im März 1952 auf unabsehbare Zeit aus dem Arbeitsleben ausgeschieden, so daß die Krankheit die Beschäftigung nicht unterbrochen, sondern beendet habe. Der Krankheitsverlauf bestätige, daß es sich nicht nur um vorübergehende, sondern um dauernde Invalidität gehandelt habe.

Die Beklagte beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts Augsburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  • die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Beklagten sei unbegründet.

Gründe II.

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das SG hat die Beklagte mit Recht verpflichtet, die streitige Zeit als Ausfallzeit nach § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO vorzumerken.

Für die Zeit vom 12. März 1952 bis zum 31. August 1954 hat das SG zutreffend eine Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit i.S. des § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO angenommen. Der erkennende Senat konnte dies unabhängig von den dem Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zur Auslegung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit i.S. dieser Vorschrift nach § 43 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgelegten Fragen (vgl. hierzu die Beschlüsse des Senats vom 12. September 1978 und 30. Juni 1981 - 5b/5 RJ 26/76 und 5b/5 RJ 30/76 -) entscheiden, weil die insoweit einheitliche Rechtsprechung des BSG davon ausgeht, daß während einer - hier mit der Lungentuberkulose eingetretenen - Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit gleichzeitig auch Arbeitsunfähigkeit besteht (vgl. die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile des 1. Senats des BSG vom 22. September 1981 - 1 RJ 94/78 - und des erkennenden Senats vom 15. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 24/77 - m.w.N.). Die Beklagte bestreitet auch nicht, daß der Kläger bis zum Beginn der Rente am 1. September 1954 arbeitsunfähig krank gewesen ist. Ob dies auch für die Zeit des Rentenbezuges gilt, kann hier dahingestellt bleiben, weil diese Zeit nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.

Die danach für den streitigen Zeitraum feststehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers, die auch in Nachweisen bescheinigt ist, hat entgegen der Ansicht der Beklagten die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen. Mit Recht hat das SG darauf hingewiesen, daß die Invalidität bzw. Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht bis zu dem das Versicherungsverhältnis abschließenden Versicherungsfall angedauert hat. Bei der gebotenen rückschauenden Betrachtungsweise ergibt sich unter Berücksichtigung der Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, daß die Arbeitsunfähigkeit und die Invalidität nicht zu einer Beendigung des Erwerbslebens geführt haben. Die rückschauende Betrachtungsweise entspricht der nunmehr einheitlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile des 1. Senats und des erkennenden Senats a.a.O.). Danach bewirkt eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit immer dann eine Unterbrechung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, wen eine zugleich bestehende Invalidität oder Erwerbsunfähigkeit des Versicherten vor Eintritt des neuen Versicherungsfalles wieder behoben worden ist. Wie der 1. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 22. September 1981 a.a.O. des weiteren ausgeführt hat, steht in diesen Fällen auch die während der Invalidität nach altem Recht bestehende Versicherungsfreiheit (§ 1236 Abs. 1 RVO a.F.) der Berücksichtigung einer Ausfallzeit nach § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO nicht entgegen.

Der Senat hat die danach unbegründete Sprungrevision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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