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12 RJ 98/62

Aus den Gründen

Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat (BSG 5, 277 ff.), ist für die Frage, ob eine Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Mannes gegenüber seiner früheren Ehefrau nach dem Ehegesetz besteht, dasjenige Ehegesetz anzusetzen, welches im Zeitpunkt des Todes des Versicherten, d.h. hier im Jahre 1959, galt. Maßgebend ist also das Ehegesetz von 1946. Nach § 58 dieses Gesetzes hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen, soweit sie also in diesem Sinne unterhaltsbedürftig ist. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Versicherte in dem Ehescheidungsurteil allein für schuldig erklärt worden ist. Dennoch war er nicht verpflichtet, der Klägerin Unterhalt nach dieser Vorschrift zu leisten. Denn die Klägerin war zur Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten nicht unterhaltsbedürftig, weil sie ihren angemessenen Unterhalt selbst verdiente. Der Entscheidung der Frage, welcher Unterhalt nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist, müssen die Lebensverhältnisse der Ehegatten zur Zeit der Ehescheidung zugrunde gelegt werden. Maßgebend sind Beruf sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse beider Ehegatten. Als angemessener Unterhalt der Ehefrau wird im allgemeinen ein Drittel bis ein Viertel des Nettoeinkommens des Mannes anzusehen sein, wobei aber die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere auch etwaige Unterhaltspflichten des Versicherten gegenüber anderen Angehörigen, vor allem gegenüber minderjährigen Kindern oder gegenüber der Ehefrau, berücksichtigt werden müssen (vgl. zum Vorstehenden Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, Anm. 4 A zu § 58; Godin, Ehegesetz, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 58; Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., S. 56 ff.). Da der Versicherte zur Zeit der Scheidung ein Nettoeinkommen von etwa 400,00 bis allenfalls 450,00 DM monatlich bezog, hätte der angemessene Unterhalt der Klägerin zur Zeit der Scheidung höchstens 150,00 DM monatlich betragen. Allerdings muß, wenn sich auch der angemessene Unterhalt nach den Verhältnissen der Eheleute zur Zeit der Scheidung richtet und spätere Aenderungen der Lebensverhältnisse der früheren Ehegatten, soweit sie zur Zeit der Scheidung nicht mit berechenbarer Sicherheit vorausgesehen werden können, nicht zu berücksichtigen sind, doch eine in der Zeit zwischen der Scheidung und dem Tode des Versicherten eingetretene allgemeine Erhöhung der Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden, da andernfalls der Lebensstandard zur Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten nicht mit dem zur Zeit der Scheidung übereinstimmen würde. Man wird daher den angemessenen Unterhalt der Klägerin für die Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten etwas höher als 150,00 DM anzusetzen haben. Auf jeden Fall reichten aber die Erträgnisse der Klägerin aus ihrer Erwerbstätigkeit zu jener Zeit aus, um ihren angemessenen Unterhalt zu decken, ohne daß hier im einzelnen dazu Stellung genommen werden müßte, um welchen Betrag dieses Einkommendrittel wegen der allgemeinen Steigerung der Lebenshaltungskosten erhöht werden müßte. Die Klägerin hat während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten, d.h. vom 1.4.1959 an - zu diesem Zeitpunkt ging sie von der Halbtagsbeschäftigung zur Ganztagsbeschäftigung über - nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 352,00 DM gehabt.

Nun könnte allerdings die Ansicht vertreten werden, daß das Erwerbseinkommen der Klägerin hier deshalb nicht angerechnet werden dürfe, weil ihr zu jener Zeit die Ausübung einer Tätigkeit deshalb nicht zuzumuten gewesen sei, weil sie ihre Kinder Rolf und Thomas habe betreuen müssen. Wenn auch der Wortlaut des § 58 Ehegesetz ohne Einschränkung auf die tatsächlichen Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit abstellt, so spricht doch vieles dafür, daß Erträgnisse aus einer Erwerbstätigkeit der Frau nur dann anzurechnen sind, wenn ihr die Verrichtung dieser Tätigkeit zuzumuten ist (so Hoffmann-Stephan, Ehegesetz Anm. 4 B c aa. zu § 58; a. A. Godin, Ehegesetz, 2. Aufl. Anm. 6 zu § 58 und die dort aufgeführte weitere Literatur, auch der 8. Senat des BSG in einer Entscheidung vom 22.1.1959, NJW 1959 S. 647). Diese Frage kann hier jedoch unentschieden bleiben. Auch wenn man der Auffassung folgt, daß nur die Erträgnisse einer zumutbaren Erwerbstätigkeit der Frau anzurechnen sind, so muß sich die Klägerin doch zumindest die Erträgnisse einer Halbtagstätigkeit anrechnen lassen. Der Sohn Rolf war im Jahre 1959 bereits etwa 23 Jahre alt und bedurfte daher einer Betreuung nicht mehr. Anders könnten die Verhältnisse allerdings bei dem Sohn Thomas, der im Jahre 1959 erst sein 14. Lebensjahr vollendete, dann liegen, wenn er nach dem 1.4.1959 noch die Schule besucht hätte. Eine Feststellung, wann er die Schule verlassen hat, ist nicht getroffen worden. Aber selbst wenn er die Schule noch über diesen Zeitpunkt hinaus besucht hätte, wäre der Klägerin die Ausübung zumindest einer Halbtagstätigkeit, die sie ja auch bis zum 31.3.1959 tatsächlich ausgeübt hat, zuzumuten. Denn bei einer Halbtagstätigkeit hätte ihr die erforderliche Zeit für die Betreuung dieses Sohnes zur Verfügung gestanden, da dieser bereits fast 14 Jahre alt war, wenn er nicht sogar schon das 14. Lebensjahr vollendet hatte, und daher in gewissem Umfang schon selbständig gewesen wäre. Der Verdienst aus ihrer Halbtagstätigkeit betrug 276,00 DM netto monatlich. Selbst mit diesem Einkommen verdiente sie schon das erforderliche Drittel in dem oben aufgeführten Sinne. Der Klägerin stand also während der Zeit vor dem Tode des Versicherten ein Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz 46 diesem gegenüber keinesfalls zu.

Ebenso hatte die Klägerin während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten aus „sonstigem Grunde“ im Sinne des § 1265 RVO. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Unterhaltsurteil, wie es hier vorlag, zwar grundsätzlich als „sonstiger Grund“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, wie der Große Senat des BSG in seinem Beschluß vom 27.6.1963 (GS 5/61) entschieden hat. Jedoch hat der Große Senat diesen Grundsatz dahin eingeschränkt, daß ein Unterhaltsurteil dann nicht mehr als „sonstiger Grund“ in diesem Sinne anzusehen ist, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes die Wirkungen des Titels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hätte beseitigen können. Im vorliegenden Falle aber hätte eine vom Versicherten erhobene Klage auf Abänderung der Unterhaltsurteile nach § 323 ZPO Erfolg gehabt. In der Zeit vom Erlaß des Unterhaltsurteils im Jahre 1955 bis zum Tode des Versicherten war insofern eine wesentliche Aenderung in den Verhältnissen, die zur Verurteilung des Versicherten zur Unterhaltsleistung geführt hatten, eingetreten, als die Klägerin inzwischen eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte. Da der Klägerin infolgedessen während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode des Versicherten, wie bereits ausgeführt wurde, kein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten mehr zustand, wäre das Unterhaltsurteil, wenn der Versicherte eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO erhoben hätte, entsprechend abgeändert worden.

Auch die Voraussetzungen der letzten Alternative des § 1265 RVO liegen nicht Vor, da der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode keinen Unterhalt geleistet hat. Es war hier vor allem zu prüfen, was als Unterhalt im Sinne des § 1265 RVO zu verstehen ist. Wenn auch die Klägerin und der Versicherte seit Ende des Jahres 1955 wieder „wie Eheleute“ zusammengelebt haben, so darf doch nicht übersehen werden, daß die eherechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für sie nicht mehr galten. Insbesondere kann daher auch nicht § 1360 BGB für die Auslegung des Begriffs „Unterhalt“ herangezogen werden. Es können hier die Fälle unerörtert bleiben, in welchen während der Zeit, in welcher eine Leistung erfolgt ist, eine Unterhaltspflicht des Leistenden dem Empfänger dieser Leistungen gegenüber besteht. Denn in diesem Falle liegen die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 1265 RVO vor, so daß es auf die Frage, ob eine Zuwendung als tatsächlich geleisteter Unterhalt anzusehen ist, nicht ankommt. Leben frühere Ehegatten wieder in gemeinsamem Haushalt zusammen, ohne daß eine Unterhaltspflicht zwischen ihnen besteht, so könnte von Unterhalt, den der eine Partner dem anderen leistet, allenfalls dann gesprochen werden, wenn der Wert des Beitrags des einen Partners zu dem gemeinsamen Haushalt den Wert des Beitrags des anderen Partners übersteigt, nicht aber dann, wenn der Wert der beiderseitigen Beiträge sich die Waage hält. Der letztere Fall aber liegt hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Wegen der Fälle, in denen die Leistungen des einen Partners an den anderen höher sind als die Gegenleistungen, wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21.6.1963 (SozR SozVers RVO § 1265 Aa 11 Nr. 13) verwiesen.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Versicherte für den Haushalt wöchentlich 80,00 DM beigesteuert. Es ist zwar nicht festgestellt, welchen Betrag die Klägerin ihrerseits für den gemeinschaftlichen Haushalt aufgebracht hat. Aus dem Zusammenhang der Gründe des angefochtenen Urteils ist aber mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Klägerin zumindest einen ihrem niedrigen Einkommen entsprechenden Betrag zum Haushalt beigesteuert hat. Wenn auch die Klägerin in der ersten Zeit des nach § 1265 RVO maßgebenden Jahres vor dem Tode des Versicherten, nämlich bis zum 31.3.1959, nur halbtägig beschäftigt gewesen ist, demgemäß nur ein geringeres Einkommen als nach diesem Zeitpunkt gehabt hat und daher auch nur eine geringere Barleistung für den gemeinsamen Haushalt beigesteuert haben wird, so ändert sich doch dadurch nichts an der Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Wert dieser Leistungen zuzüglich dem Wert ihrer Haushaltsführung dem Wert der Leistungen des Versicherten entspricht. Wenn dies auch nicht ausdrücklich festgestellt ist, so ergibt sich doch aus den Urteilsgründen ebenso mit hinreichender Deutlichkeit, daß das Berufungsgericht angenommen hat, daß die Klägerin im wesentlichen jedenfalls den Haushalt geführt hat. Denn es spricht davon, daß der vom Versicherten wöchentlich geleistete Barbetrag, soweit er die Barleistungen der Klägerin übertroffen hat, Entgelt für die Haushaltsführung durch die Klägerin gewesen ist. Die hierin zu erblickende Feststellung ist nicht angefochten worden, so daß der erkennende Senat nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hiervon ausgehen mußte. Es darf im übrigen nicht übersehen werden, daß die Klägerin während der Zeit ihrer Halbtagsbeschäftigung immerhin ein Nettoeinkommen von etwa 60,00 DM wöchentlich gehabt hat, und daher ihre Barleistungen im Verhältnis zu denen des Versicherten mit etwa 50,00 DM angenommen werden dürften. Mit dem 1.4.1959 hat sich das Einkommen der Klägerin auf 352,00 DM netto monatlich erhöht, so daß man annehmen darf, daß seit diesem Zeitpunkt die Barleistungen der Klägerin sogar eine Höhe von etwa 60,00 DM erreicht haben werden. Jedenfalls aber ist die Feststellung des Berufungsgerichts, welches allerdings keine Aufschlüsselung des Wertes der Leistungen der Klägerin vorgenommen hat, daß der Wert ihrer Barleistungen zuzüglich des Wertes ihrer Haushaltsführung den Wert der Barleistungen des Versicherten erreichen, nicht angegriffen worden, so daß das Revisionsgericht davon ausgehen muß. Allerdings kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß es von den Leistungen des Versicherten in Höhe von wöchentlich 80,00 DM einen Betrag von 20,00 DM für den Unterhalt des Sohnes Rolf abzieht, ohne gleichzeitig von den Barleistungen der Klägerin einen entsprechenden Betrag für den Unterhalt des Sohnes abzuziehen. Wenn es auch richtig sein mag, daß der Versicherte, da er zur Unterhaltszahlung an den Sohn in dieser Höhe verurteilt worden ist, den Betrag von 20,00 DM wöchentlich für seinen Sohn gezahlt hat, so wird man doch ebenso annehmen müssen, daß die Klägerin den Unterhalt des Kindes angemessen mit bestritten hat. Dies ändert aber nichts daran, daß der Versicherte nicht mehr an die Klägerin geleistet hat als die Klägerin an den Versicherten. Denn auch für diesen Fall will das Berufungsgericht seine Feststellung als maßgebend angesehen wissen.

Da somit keine der Voraussetzungen des § 1265 RVO erfüllt ist, hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden daß der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO nicht zusteht und hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG Hamburg vom 10.1.1961 zurückgewiesen.

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