12 RJ 406/62
Aus den Gründen
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 RVO. Streitig ist, ob ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG nicht zu leisten hatte, weil sie nicht bedürftig war.
Aus der im Januar 1947 geschlossenen Ehe der Klägerin mit dem Versicherten sind vier in den Jahren 1947, 1948, 1952 und 1953 geborene Kinder hervorgegangen. Der Versicherte war außerdem Vater eines minderjährigen unehelichen Kindes. Er war im Mai 1954 ohne seine Familie nach Kanada ausgewandert. Im Dezember 1955 wurde die Ehe aus Verschulden des Mannes geschieden. Der Klägerin war schon vor der Scheidung im September 1955 das Sorgerecht für ihre vier Kinder übertragen worden. Am 5.7.1956 ist der Versicherte in Kanada gestorben. Bis zu seinem Tode hatte er einen im Umrechnungskurs gemessen recht hohen Verdienst. Die Klägerin hatte im Jahr 1955 als Näherin gearbeitet und hatte sich in den Jahren 1955 und 1956 der Vermittlung des ArbA unter der Angabe zur Verfügung gestellt, daß sich die Großmutter um die Kinder kümmere. Zur Zeit des Todes des Versicherten bezog sie Alhi von wöchentlich 33 DM zuzüglich Kindergeld von 50 DM monatlich.
Die Beklagte lehnte den im April 1957 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenrente ab, weil keine der Voraussetzungen des § 1265 RVO erfüllt sei. Das SG hat den Besch. der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin „Witwenrente“ vom 1.4.1957 an zu zahlen.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Im Ergebnis ist der Auffassung des LSG beizutreten, daß der Versicherte der Klägerin zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte und daß auch insoweit die Voraussetzungen des § 1265 RVO für den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente erfüllt sind.
Nach § 58 Abs. 1 EheG hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Voraussetzung für den Anspruch auf Unterhalt ist die Unterhaltsfähigkeit des Mannes und die Unterhaltsbedürftigkeit der Frau (BSG 5, 179,183).
Nach den bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urt. war der frühere Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Todes, d.h. während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode (BSG 14, 255 = SozR Nr. 8 zu § 1265 RVO; BSG in SozR Nr. 22 zu § 1265 RVO), zur Gewährung von Unterhalt an die Klägerin nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in der Lage. Auch unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht gegenüber seinen vier ehelichen Kindern und einem unehelichen Kind muß nach den Feststellungen des LSG davon ausgegangen werden, daß der Versicherte imstande war, von seinem Verdienst auch der Klägerin für ihren Unterhalt einen Beitrag zu leisten, der monatlich jedenfalls etwa 25 v.H. des notwendigen Mindestbedarfs eines Unterhaltsberechtigten ausmachte (BSG 22, 44 ff. = SozR Nr. 26 zu § 1265 RVO). Mit Recht hat daher das LSG die Unterhaltsfähigkeit des Versicherten bejaht.
Streitig ist nur, ob die Klägerin auch unterhaltsbedürftig war. Das LSG hat angenommen, da die Klägerin im Jahr 1956 Alhi in Höhe von 33 DM wöchentlich bezogen habe, müsse sie wegen der Arbeitslohnersatzfunktion der Alhi so behandelt werden, als wenn sie vor dem Tode ihres früheren Ehemannes einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von mindestens 33 DM gehabt hätte; wenn dieser Arbeitsverdienst bei der Prüfung ihrer Unterhaltsberechtigung nach §§ 58, 59 EheG mitberücksichtigt werden müßte, würde bei den Unterhaltsansprüchen von vier minderjährigen ehelichen Kindern und einem unehelichen minderjährigen Kind der Klägerin ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten nicht mehr zugestanden haben; eine derartige Mitberücksichtigung sei jedoch nicht möglich; denn eine Unterhaltsbedürftigkeit einer schuldlos geschiedenen Frau liege auch dann vor, wenn sie zwar Arbeitseinkommen habe, ihr aber eine Arbeit nicht zugemutet werden könne.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Unterstützung aus der Alhi nicht als „Arbeitsverdienst“ angesehen oder einem solchen gleichgestellt werden und somit auch nicht als auf den Unterhaltsanspruch der Frau anrechenbare „Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit“ im Sinne des § 58 Abs. 1 EheG betrachtet werden. Die Alhi soll wenigstens einen Teil des Lohnes im Falle der Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse des Arbeitslosen ersetzen (Draeger / Buchwitz / Schönefelder, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 149 Anm. 3). Ihr kommt also, wie das LSG angenommen hat, in gewissem Sinne Arbeitslohnersatzfunktion zu. Sie setzt indessen grundsätzlich Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus (§ 145 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG). Als bedürftig i.S. des § 145 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG gilt gemäß § 149 Abs. 1 AVAVG der Arbeitslose, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen, für die ein Anspruch auf Familienzuschlag besteht, nicht auf andere Weise als durch Unterstützung aus der Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 150 AVAVG zu berücksichtigen ist, den Unterstützungssatz nach § 148 Abs. 5 AVAVG nicht erreicht. An sich ist der Arbeitslose, der Ansprüche gegen Unterhaltsverpflichtete hat, nicht bedürftig i.S. des § 149 Abs. 1 AVAVG. Gemäß § 149 Abs. 4 AVAVG kann das ArbA aber unbeschadet des Abs. 1 gleichwohl Unterstützung gewähren, solange und soweit der Arbeitslose Leistungen, auf die er einen Anspruch hat, nicht erhält. Hier hat das Gesetz ausdrücklich den Fall geregelt, in dem ein Anspruch auf Alhi mangels Bedürftigkeit (unbeschadet des Abs. 1) rechtlich zu verneinen wäre, Bedürftigkeit aber tatsächlich vorliegt, weil die Ansprüche des Arbeitslosen nicht erfüllt werden und weil er ohne die Alhi in eine Notlage geraten würde. In diesem Falle liegt demnach Bedürftigkeit im Sinne des AVAVG vor (Draeger / Buchwitz / Schönefelder, a.a.O., § 149 Anm. 35; Krebs, Das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 149 Anm. 17). Die Alhi wird sonach nur subsidiär gewährt. Der Arbeitslose ist gehalten, zunächst durch Verwirklichung seiner Unterhaltsansprüche die Bedürftigkeit zu beseitigen (Draeger / Buchwitz / Schönefelder, a.a.O., § 149 Anm. 3); jedoch schließen Unterhaltsansprüche die tatsächliche Bedürftigkeit nur dann aus, wenn sie durchsetzbar sind (LSG Celle, Urt. vom 26.6.1956 in SozR B Nr. 1 zu § 149 AVAVG). Leistet das ArbA, weil dies nicht der Fall ist, Unterstützung, so hat es gemäß § 149 Abs. 4 AVAVG die Gewährung der Unterstützung dem Leistungspflichtigen unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeige bewirkt, daß die Ansprüche des Arbeitslosen in Höhe der Aufwendungen an Unterstützung, die infolge der Nichtberücksichtigung der Leistungen entstanden sind oder entstehen, auf den Bund übergehen. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Anspruch unpfändbar ist. Der Zustimmung des Arbeitslosen bedarf es nicht. Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich aber, daß durch die Gewährung der Alhi der Anspruch des Unterstützten auf Unterhalt gegen einen zum Unterhalt Verpflichteten nicht berührt wird. Er bleibt nicht nur im Verhältnis des zum Unterhalt verpflichteten Mannes zu der geschiedenen Frau bestehen, sondern er kann sogar auf das Arbeitsamt übergeleitet werden. Durch die Gewährung der Alhi an die geschiedene Frau wird deshalb weder ihre Unterhaltsbedürftigkeit gegenüber dem zum Unterhalt verpflichteten früheren Ehemann noch ihr Unterhaltsanspruch nach § 58 Abs. 1 EheG beeinträchtigt. Die Klägerin hat sonach durch den Bezug der Alhi kein auf den Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Mann nach § 58 Abs. 1 EheG anrechenbares Einkommen erhalten. Schon aus diesen Gründen kann durch den Bezug der Alhi ihre Unterhaltsbedürftigkeit auch im Rahmen der §§ 58, 59 EheG nicht beseitigt gewesen sein.
Weiterhin ist indes zu prüfen, ob die Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten deshalb nicht bedürftig war, weil sie durch eine eigene Erwerbstätigkeit die für ihren angemessenen Unterhalt notwendigen Mittel hätte selbst verdienen können. Hierauf vor allem stützt sich die Revision. Sie meint, die Klägerin sei zu einer solchen Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen, weil eine solche ihr möglich und zumutbar gewesen wäre. Sie müsse sich deshalb auf den Unterhaltsanspruch als Einkommen anrechnen lassen, was sie zu erwerben unterlassen habe. Da die Klägerin durch abhängige Arbeit ihren Unterhalt hätte selbst verdienen können, sei sie nicht bedürftig gewesen. Es fragt sich also, ob es im Rahmen des § 58 Abs. 1 EheG nur auf die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit ankommt, die eine geschiedene Frau aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit tatsächlich hat, oder ob ihre Bedürftigkeit auch dann entfällt, wenn sie es unterläßt, durch eine ihr mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit die für ihren angemessenen Unterhalt notwendigen Einkünfte zu erzielen.
Zu dieser Frage hat das LSG in dem angefochtenen Urt. nicht Stellung genommen. Es hat sich nur mit der Frage befaßt, ob das von der geschiedenen Frau aus einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit tatsächlich Erlangte auf ihren Unterhaltsanspruch gegen den früheren Mann anzurechnen ist, und es hat diese Frage entgegen der Rechtspr. des BSG in BSG 9, 86 ff. und BSG, Urt. vom 5.5.1961 - 1 RA 49/59 - (MittRuhrkn 1962, 65 ff.) für den hier vorliegenden Fall verneint. Es handelt sich indessen nicht darum, ob die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die die Klägerin tatsächlich gehabt hat, anzurechnen sind, sondern darum, ob auch solche Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit der geschiedenen Frau den Unterhaltsanspruch beeinflussen, die sie aus einer ihr zumutbaren Erwerbstätigkeit zu erlangen unterläßt.
$ 58 Abs. 1 EheG schreibt, wie schon erwähnt, seinem Wortlaut nach vor, daß der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau Unterhalt zu gewähren hat, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Das BSG hat in den oben angegebenen Entsch.en ausgesprochen, nach § 58 Abs. 1 EheG. sei entscheidend, daß die geschiedene Frau die für ihren Lebensunterhalt notwendigen und ausreichenden Einkünfte einer Erwerbstätigkeit tatsächlich hatte. Der Wortsinn des Ges. und die Entsch.en des BSG könnten dafür sprechen, daß der Mann der geschiedenen Frau uneingeschränkt Unterhalt zu leisten hat, wenn sie weder aus ihrem Vermögen Einkünfte noch Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit hat, daß also die Einschränkungen des § 58 Abs. 1 EheG nicht gelten, wenn die Frau keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und keine zur Bestreitung ihres Unterhalts ausreichenden Erträgnisse hat. Jedoch würde eine solche Auffassung über das hinausgehen, was die Entscheidungen des BSG haben aussprechen wollen, da es ihnen nur auf die Entscheidung ankam, daß jedenfalls die Erträgnisse, die die geschiedene Frau aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit tatsächlich hat, die Bedürftigkeit ausschließen, wenn diese für ihren angemessenen Unterhalt ausreichen.
Bei einer nicht am Ausdruck des Wortes haftenden und den Sinn und Zweck des § 58 Abs. 1 EheG berücksichtigenden Auslegung muß sich die geschiedene Frau auf ihren Unterhaltsanspruch gegen den allein oder überwiegend für schuldig erklärten Mann auch die Einkünfte anrechnen lassen, die sie durch eine ihr mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit erlangen kann; denn § 58 Abs. 1 EheG bezweckt, wie schon die früheren Regelungen in § 1578 BGB und in § 66 EheG 38, der geschiedenen Frau einen Anspruch auf den angemessenen Unterhalt nach den Grundsätzen der Billigkeit und Zumutbarkeit nur insoweit zu geben, als sie außerstande ist, sich selbst aus Einkünften ihres Vermögens oder aus den Erträgnissen einer ihr möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit zu unterhalten (vgl. zum früheren Recht des § 1578 BGB: RGR-Komm. zum BGB 7. Aufl. 1929, § 1578 Anm. 6; Planck's Komm, zum BGB, Bd. 4, 4. Aufl. 1928 § 1578 Anm. 6; zum Recht des § 66 Abs. 1 EheG 38: RG 160, 42, 44; 169, 396, 399 und BSG 5, 179). Wie der geschiedene Mann der Frau gegenüber verpflichtet ist, eine sich ihm bietende und ihm zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um die bei ihm bestehende Unfähigkeit zur Unterhaltsleistung zu beseitigen (vgl. Urt. des Senats vom 31.5.1967 - SozR Nr. 38 zu § 1265 RVO), so ist auch die geschiedene Frau dem früheren Mann gegenüber verpflichtet, durch Aufnahme einer ihr zumutbaren und möglichen Arbeit ihre Bedürftigkeit selbst abzuwenden (so die überwiegende Meinung in Rechtspr. und Schrifttum: LG Bonn, Urt. vom 26.11.1959 in FamRZ 1961, 314 mit Anmerkung von Bosch; Stellungnahme des BVerfG in FamRZ 1966, 196; Bosch in DRZ. 1947, 82 ff.; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 26. Aufl. EheG § 58 Anm. 3; Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. S. 116, 133, 134; Hoffmann / Stephan, Ehegesetz nebst Durchführungsverordnungen, § 58 Anm. 4 B c aa S. 285 ff. und das dort angegebene Schrifttum). Ihre Bedürftigkeit hängt demnach nicht nur davon ab, ob sie eine Erwerbstätigkeit wirklich verrichtet und daraus tatsächlich Erträgnisse hat, sondern sie hängt auch davon ab, ob und inwieweit sie durch eine ihr zuzumutende Erwerbstätigkeit ihren angemessenen Unterhalt selbst bestreiten kann.
Die Unterhaltsbedürftigkeit der geschiedenen Frau entfällt indessen nur dann, wenn sie eine sich ihr bietende Arbeitsgelegenheit, durch zumutbare Arbeit den angemessenen Unterhalt selbst zu verdienen, ungenutzt gelassen hat. Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin in den Jahren 1955 und 1956 bis zum Tode des Versicherten beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet und hat der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Bis zum Eintritt des VersFalles ist sie in keine geeignete Arbeitsstelle vermittelt worden. Ob diese Umstände allein für die Annahme genügen, daß sich der Klägerin keine Gelegenheit geboten hat, durch Arbeit ihren angemessenen Unterhalt selbst zu verdienen, so daß sie es auch nicht unterlassen hat, eine solche Gelegenheit zu nutzen, oder ob es weiterer Feststellungen bedarf, ob und welche eigenen erfolglosen Anstrengungen sie gemacht hat, um eine geeignete Arbeitsstelle zu erhalten, wie die Revision meint, kann ungeprüft bleiben; denn der Klägerin war der Erwerb des eigenen Unterhalts durch eine Arbeitsaufnahme nicht zuzumuten.
Einer geschiedenen Frau, die mehrere so junge Kinder zu versorgen hat, wie es bei der Klägerin zutrifft, ist eine Arbeitsaufnahme zum Zwecke der eigenen Unterhaltsbestreitung nicht zuzumuten. Sie hat vor allem das natürliche Recht aller Eltern, ihre Kinder selbst zu erziehen. Deshalb hat der allein für schuldig erklärte Mann ihr durch Unterhaltsleistungen die Sorge für ihre Kinder durch Beaufsichtigung und Erziehung zu ermöglichen; dies gilt insbesondere dann, wenn der geschiedenen Frau das Sorgerecht für die Kinder übertragen ist. Dies hat schon das RG ausgesprochen, und es wird auch bei der Auslegung des § 58 Abs. 1 EheG in Rechtspr. und Schrifttum angenommen. Die geschiedene Frau ist nicht gehalten, die Kinder zur Betreuung einem anderen anzuvertrauen. Sie ist vielmehr berufen und berechtigt, sich selbst der Sorge und Erziehung ihrer Kinder zu widmen (vgl. hierzu RG 160, 44; 169, 396, 399; Palandt, a.a.O., 26. Aufl. EheG § 58 Anm. 3; Hoffmann / Stephan, a.a.O., § 58 Anm. 4 c bb, S. 289; Brähl, a.a.O., 2. Aufl. S. 130 ff.). Nur ausnahmsweise, wenn die Mutter schon bisher - vor allem bereits während der Ehe - gearbeitet und ihre Kinder anderweit untergebracht hat, kann ihr eine Arbeit zugemutet werden, wenn sie auch weiterhin die Möglichkeit hat, die Kinder einer geeigneten Aufsichtsperson anzuvertrauen (Hoffmann / Stephan, a.a.O. S. 289; Brühl, a.a.O. S. 129).
Die Klägerin hatte in der gemäß § 1265 Satz 1 RVO maßgeblichen Zeit vor dem Tode des Versicherten vier Kinder im Alter von 3, 4, 8 und 9 Jahren zu versorgen und zu erziehen. Ihr war das Sorgerecht für ihre Kinder übertragen worden. Unter diesen Umständen war sie ihrem geschiedenen Mann gegenüber nicht verpflichtet, eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um dadurch die Mittel für ihren Unterhalt selbst zu verdienen, weil ihr die Aufnahme einer solchen Arbeit nicht zuzumuten war. Die in dem angefochtenen Urt. getroffenen Feststellungen bieten für die Annahme keinen Anhalt, daß die Klägerin bereits während des Bestehens der Ehe mit dem Versicherten trotz des Vorhandenseins ihrer vier minderjährigen Kinder aus freiem Entschluß einer Erwerbstätigkeit in abhängiger Stellung nachgegangen ist und ein Ausnahmefall in dem oben angegebenen Sinne gegeben sein könnte. Den Urteilsgründen läßt sich vielmehr entnehmen, daß die Klägerin erst nach der Auswanderung ihres Ehemannes nach Kanada aus Not und unter wirtschaftlichem Druck im Jahre 1955 als Näherin gearbeitet und sich in den Jahren 1955 und 1956 dem Arbeitsamt zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat, weil der geschiedene Mann für sie und die minderjährigen Kinder unter Verletzung seiner Unterhaltspflicht keinen Unterhalt gezahlt hat.
Der erkennende Senat hat bereits dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der geschiedenen Frau und Mutter die Verrichtung einer Halbtagstätigkeit zum Erwerb ihres eigenen Unterhalts zuzumuten ist (BSG in SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO). Wenn die Mutter, wie in dem gegenwärtigen Fall, vier kleine Kinder zu betreuen hatte, so hätte ihr auch bei der Verrichtung einer Halbtagstätigkeit die für die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder erforderliche Zeit nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies bedarf keiner weiteren Darlegung.
Da die Klägerin schon unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte es nicht unterlassen hat, ihren eigenen Unterhalt aus einer ihr zumutbaren Verwertung ihrer Arbeitskraft zu erwerben, war sie gegenüber dem Versicherten zur Zeit seines Todes auch unterhaltsbedürftig.
Das LSG hat mithin im Ergebnis mit Recht die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin und das Vorliegen der Voraussetzung des § 1265 Satz 1 RVO bejaht, daß ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG (§ 58 Abs. 1 EheG 46) zu leisten hatte.