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1 RA 234/60

Entscheidungsgründe

Die geschiedene Frau eines verstorbenen Versicherten erhält eine Hinterbliebenenrente, wenn die Wartezeit erfüllt ist und ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes EheG) oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt tatsächlich geleistet hat. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der frühere Ehemann bereits vor dem Inkrafttreten des AnVNG am 1. Januar 1957 gestorben ist (§§ 40, 42 AVG n.F.; Art. 2 § 18 AnVNG). Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Versicherte zur Zeit seines Todes der Klägerin keinen Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte, weil die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden war und sich die Klägerin selbst unterhalten konnte (§ 60 EheG). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 SGG), hat der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode der Klägerin auch keinen Unterhalt geleistet. Damit entfallen zwei von den drei Alternativen des § 42 AVG n.F. Die Beteiligten haben insoweit keine Bedenken gegen das Urteil des LSG vorgebracht. Umstritten ist allein, ob der Versicherte der Klägerin aus einem sonstigen Grund Unterholt zu leisten hatte. Als ein solcher Grund könnte die privatschriftlich eingegangene Unterhaltsverpflichtung des Versicherten in Betracht kommen. Das Bedenken der Beklagten, daß dafür eine privatschriftliche Erklärung überhaupt ausscheide, ist, wie schon das LSG zutreffend angenommen hat, nicht berechtigt; weder das Gesetz noch die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erwähnte Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Frage, ob ein Vollstreckungsgstitel einen „sonstigen Grund“ im Sinne des § 42 AVG n.F. bilden kann (BSG 8, 24), geben einen Anhalt dafür, daß in dieser Vorschrift nur bestimmte formgebundene Verpflichtungsurkunden gemeint seien. Voraussetzung für die Anerkennung einer früher einmal abgegebenen Unterhaltserklärung als Verpflichtungsgrund ist jedoch, daß diese zur Zeit des Todes des Versicherten noch wirksam war. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Privatschriftlich abgeschlossene Unterhaltsverträge sind in weitem Umfang der Auslegung zugänglich; sie können auch - anders als etwa Vollstreckungstitel (§ 323 Absätze 1 und 4 ZPO) - formlos wieder aufgehoben oder durch eine wesentliche Veränderung der Umstände wirkungslos werden (vgl. Palandt / Lauterbach, Bürgerliches Gesetzbuch, 20. Aufl., § 72 EheG. Anm. 2). Es sind deshalb auch die schlüssigen Willenserklärungen, die in dem späteren Verhalten des Versicherten und der Klägerin liegen, zu beachten. Das hat das LSG bei seiner Entscheidung übersehen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Erklärung des Versicherten vom 1. Oktober 1941 überhaupt eine selbständige Unterhaltsverpflichtung begründen oder ob sie nur die Höhe des Unterhalts festlegen wollte. Für die letztere Auffassung spricht, daß sich die Unterhaltsverpflichtung selbst - zu jener Zeit bestand die Ehe noch und der Versicherte war unterhaltsfähig - unmittelbar aus dem Gesetz ergab (§ 1360 BGB a.F.); das gilt auch hinsichtlich des Unterhaltsversprechens für die Zeit nach der geplanten Scheidung, weil der Versicherte den Umständen nach davon ausgehen mußte, daß er allein für schuldig erklärt werden und deshalb unterhaltspflichtig bleiben würde. Selbst wenn aber die Erklärung dahin verstanden werden müßte, daß der Versicherte unabhängig von einer solchen Verpflichtung Unterhalt leisten wollte, so ist sie jedenfalls durch die in der späteren Lebensgestaltung liegenden Willenserklärung an des Versicherten und der Klägerin hinfällig geworden. Die Verpflichtungserklärung bezog sich seinerzeit auf die als endgültig angesehene Trennung der Eheleute. Später, als der Versicherte wieder bei der Klägerin wohnte und den Plan einer Wiederheirat aufgegeben hatte, richteten die - nunmehr - Geschiedenen ihr gegenseitiges Verhältnis so ein, daß dadurch die alte Unterhaltsregelung als überholt gelten mußte. Sie war fortan nicht mehr die Grundlage etwaiger Unterhaltsleistungen. Vielmehr wurde die Wohngemeinschaft so stark ausgebildet, daß sich beide Partner je nach den Bedürfnissen des einzelnen gegenseitig unterstützten. So hat der Versicherte die Klägerin in den Jahren ihrer Arbeitslosigkeit unterhalten, andererseits hat die Klägerin dem Versicherten! Jahre hindurch Pflege und Hilfe zuteil werden lassen; sie hat es auch ohne Widerspruch hingenommen, daß der Versicherte jahrelang keine Unterhaltsleistungen mehr - zumindest nicht in der vereinbarten Form und Höhe - erbrachte. Diese Umstände sprechen gegen eine fortdauernde einseitige Unterhaltspflicht des Versicherten und dafür, daß die beiden Partner die Verpflichtungserklärung aus dem Jahr 1941 für unwirksam betrachteten. Damit verlor diese ihre Geltung. Sie vermochte deshalb zur Zeit des Todes des Versicherten dessen Leistungspflicht nicht mehr zu begründen. Ein sonstiger Grund im Sinne des § 42 AVG n.F. liegt daher nicht vor.

Die Klägerin hat durch die Scheidung die Stellung als Ehefrau verloren und damit nach dem Tode des Versicherten das Anrecht auf eine Witwenrente eingebüßt. Die Wohngemeinschaft, die gegenseitigen Hilfeleistungen und die persönliche Fürsorge allein begründen keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente.

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