Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 48 SGB X: Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse

Änderungsdienst
veröffentlicht am

11.03.2024

Änderung

Ergänzende Änderung im Abschnitt 1.1 und klarstellende Ausführungen im Abschnitt 6.2.2.1

Dokumentdaten
Stand19.02.2024
Erstellungsgrundlage in der Fassung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.01.2001 in Kraft getreten am 01.01.2001
Rechtsgrundlage

§ 48 SGB X

Version005.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 regelt die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung für Fälle, in denen sich die Verhältnisse, die bei Bescheiderteilung vorgelegen haben, wesentlich geändert haben. Dabei bestimmt Satz 1, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zwingend aufzuheben ist; Satz 2 verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit.

Absatz 2 regelt die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung für Fälle, in denen das Bundessozialgericht oder das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung ändert und sich dies zugunsten der Rentenempfänger auswirkt.

Absatz 3 bestimmt, dass in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann, die Rente auszusparen ist.

Absatz 4 regelt die entsprechende Geltung von einzelnen Absätzen der §§ 44, 45 SGB X. Soweit es um die Zuständigkeit für die Aufhebung geht, entscheidet nach § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 44 Abs. 3 SGB X der zuständige Rentenversicherungsträger (vergleiche GRAen zu §§ 125 ff. SGB VI); das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt von einem anderen Rentenversicherungsträger erlassen worden ist.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Zahlreiche Vorschriften ergänzen oder ersetzen § 48 SGB X. Einige schließen für bestimmte Fallkonstellationen aus, dass § 48 SGB X anwendbar ist.

  • § 34 SGB VI in der Fassung ab dem 01.07.2017
    Ergibt sich anlässlich einer Prognose, einer Spitzabrechnung oder eines Antrags des Rentenbeziehers eine Änderung, die sich auf den Rentenanspruch auswirkt, sind die bisherigen Rentenbescheide nach § 34 Abs. 3f SGB VI aufzuheben; die §§ 24, 45 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden (vergleiche GRA zu § 34 SGB VI, Abschnitt 4.7).
  • § 89 SGB VI in der Fassung ab dem 05.12.2018
    Ist anstelle einer Rente eine höhere oder ranghöhere Rente zu zahlen, ist der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente an aufzuheben (§ 89 Abs. 1 S. 3 SGB VI); die §§ 24, 45 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden (vergleiche GRA zu § 89 SGB VI, Abschnitt 2.3).
  • § 96a SGB VI in der Fassung ab dem 01.07.2017
    Ergibt sich anlässlich einer Prognose, einer Spitzabrechnung oder eines Antrags des Rentenbeziehers eine Änderung, die sich auf die Rentenhöhe auswirkt, sind die bisherigen Rentenbescheide nach § 96a Abs. 5 SGB VI in Verbindung mit § 34 Abs. 3f SGB VI aufzuheben; die §§ 24, 45 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden (vergleiche GRA zu § 96a SGB VI, Abschnitt 4).
  • § 97a Abs. 6 S. 5 und 6 SGB VI
    Nur in den speziellen Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 97a Abs. 6 SGB VI zur Berücksichtigung von Einkünften aus Kapitalvermögen beim Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung erfüllt sind, findet 48 SGB X keine Anwendung. Je nach Fallgestaltung ist eine Korrektur des Rentenbescheides hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 97a Abs. 6 S. 5 SGB VI mit Wirkung für die Zukunft oder nach § 97a Abs. 6 S. 6 SGB VI von Beginn des Anrechnungszeitraums an vorzunehmen (vergleiche GRA zu § 97a SGB VI, Abschnitt 7 ff.).
  • § 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung ab dem 01.09.2009
    Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden.
    Dies gilt auch bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 FamFG abzustellen ist.
  • § 101 Abs. 3a SGB VI
    Hat das Familiengericht über eine Abänderung der Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG rechtskräftig entschieden und mindert sich der Anpassungsbetrag, ist dieser in der Rente der leistungsberechtigten Person von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, der sich aus § 34 Abs. 3 VersAusglG ergibt. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden.
  • § 101 Abs. 3b SGB VI
    Im Hinblick auf Anpassungsregelungen nach den §§ 33 bis 38 VersAusglG ist der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person rückwirkend aufzuheben, wenn
    • eine der Voraussetzungen für eine Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 Abs. 1 VersAusglG nicht mehr vorliegt,
    • in den Fällen der Anpassung wegen Invalidität der ausgleichspflichtigen Person oder einer für sie geltenden besonderen Altersgrenze nach § 35 Abs. 1 VersAusglG eine Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 VersAusglG) zu erbringen ist,
    • mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aussetzung der Kürzung des Anrechts im Rahmen einer Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person (§ 37 Abs. 1 VersAusglG) ein von der ausgleichspflichtigen Person erworbenes Anrecht erlischt (§ 37 Abs. 3 VersAusglG).
    Die §§ 24 und 48 SGB X sind in diesen Fällen nicht anzuwenden.
  • § 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung vom 30.03.2005 bis zum 31.08.2009
    Wird nach einem Versorgungsausgleich die Rente der ausgleichspflichtigen Person gemäß § 101 Abs. 3 SGB VI besitzgeschützt - mit dem sogenannten „Rentnerprivileg“ - oder aufgrund der Härteregelung wegen Unterhalt nach § 5 VAHRG zunächst noch in voller Höhe gezahlt und ist diese Rente wegen der rückwirkenden Bewilligung einer Rente aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person oder des nachträglichen Bekanntwerdens einer Rente zu mindern mit der Folge, dass eine Überzahlung entstanden ist, sind die §§ 24 und 48 SGB X nicht anzuwenden (vergleiche Abschnitt 10.1 sowie GRA zu § 268a SGB VI, Abschnitt 4.6.3).
  • § 108 Abs. 2 SGB VI
    In Fällen, in denen von der Krankenkasse rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft festgestellt worden ist, ist der Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zu einer freiwilligen Krankenversicherung regelmäßig vom Beginn der Pflichtmitgliedschaft an nach § 108 Abs. 2 S. 1 SGB VI aufzuheben; die §§ 24, 45 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden (vergleiche GRA zu § 108 SGB VI, Abschnitt 2.6).
  • § 149 Abs. 5 SGB VI
    Bei Änderung der einem Feststellungsbescheid (§ 149 Abs. 5 SGB VI) zugrunde liegenden Vorschriften ist dieser durch einen neuen Feststellungsbescheid oder spätestens im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ohne besondere Voraussetzungen aufzuheben; die §§ 24, 48 SGB X finden keine Anwendung.
  • § 300 Abs. 3b SGB VI
    Für Renten, die nach dem bis zum 31.12.1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrecht berechnet wurden, bestimmt § 300 Abs. 3b SGB VI einschränkend, dass die erhöhte Leistung nicht für Zeiten vor dem 01.01.1992 gezahlt werden darf.
  • § 255 SGB V
    Sind Änderungen in der Höhe der aus der Rente einzubehaltenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu berücksichtigen, ist die Beitragseinbehaltung beziehungsweise Beitragsnacherhebung mit § 255 Abs. 1 und 2 SGB V abschließend geregelt. § 48 SGB X findet daher keine Anwendung.
  • § 34 SGB X
    In Fällen des § 34 Abs. 3 SGB X (Änderung der Sach- und Rechtslage) ist der Rentenversicherungsträger an die Zusicherung nicht mehr gebunden. Eine förmliche Aufhebung nach § 48 SGB X ist nicht erforderlich.
  • Art. 38 RÜG
    Ein Feststellungsbescheid, der nach der früheren Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) oder dem früheren Fremdrentengesetz (FRG) ergangen ist, ist bei einer Änderung der ihm zugrunde liegenden Vorschriften mit Wirkung für die Vergangenheit ohne besondere Voraussetzungen aufzuheben; die §§ 24, 48 SGB X finden keine Anwendung. Die Aufhebung sollte in einem neuen Feststellungsbescheid oder muss spätestens im Rentenbescheid erfolgen.

Anwendungsbereich

§ 48 SGB X erfasst alle Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vergleiche Abschnitt 2.1). Die Vorschrift findet somit Anwendung bei Verwaltungsakten, die bei Erlass

  • rechtmäßig waren und später durch eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen (vergleiche Abschnitt 2.2) rechtswidrig geworden sind,
  • rechtswidrig waren und später durch eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen (vergleiche Abschnitt 2.2) in einem weiteren Punkt rechtswidrig geworden sind.

Die Aufhebbarkeit (Rücknahme) von Verwaltungsakten, die von Anfang an rechtswidrig waren, richtet sich nach § 44 SGB X (vergleiche GRA zu § 44 SGB X, Abschnitt 1) oder § 45 SGB X (vergleiche GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 1).

Auch ein (Ausführungs-)Bescheid, der zur Umsetzung eines gerichtlichen Anerkenntnisses erlassen wurde, kann bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X aufgehoben werden (Urteil des BSG vom 06.05.2010, AZ: B 13 R 16/09 R).

Verwaltungsakte mit Dauerwirkung

Verwaltungsakte mit Dauerwirkung liegen vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer angelegtes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (vergleiche BT-Drucksache 8/2034, S. 34). Zu den Verwaltungsakten mit Dauerwirkung gehören zum Beispiel

  • Rentenbescheide,
  • Verwaltungsakte über die Versicherungspflicht gemäß § 4 SGB VI,
  • Vormerkungsbescheide beziehungsweise Feststellungsbescheide nach § 149 Abs. 5 S. 1 SGB VI über Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten (Urteile des BSG vom 16.02.1984, AZ: 1 RA 15/83, und BSG vom 21.02.1985, AZ: 11 RA 2/84),
  • Verwaltungsakte über die Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen (Urteil des BSG vom 29.04.1997, AZ: 4 RA 25/96),
  • Bescheide über die Bewilligung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung,
  • Verwaltungsakte über die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe (beispielsweise medizinische Rehabilitationsmaßnahmen oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), die wiederkehrend beziehungsweise auf Dauer - also auf mehr als einen Tag - ausgerichtet sind, zum Beispiel Maßnahmen in einer Reha- oder Bildungseinrichtung (Urteil des BSG vom 22.09.1981, AZ: 1 RJ 112/80), ferner Verwaltungsakte, die auf eine einmalige Anschaffung zum Beispiel eines Hilfsmittels oder einer technischen Arbeitshilfe im Betrieb zielen, sofern der Verwaltungsakt mit einer Gültigkeitsdauer versehen ist.

Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung liegen vor, wenn die Wirkung einmalig mit ihrem Ausspruch eintritt. Zu den Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung gehören zum Beispiel

Wesentliche Änderung in den Verhältnissen

Die Änderung der Verhältnisse kann sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art sein. Entscheidend ist, dass sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter Berücksichtigung der geänderten objektiv vorliegenden Verhältnisse den Verwaltungsakt in seiner bestehenden Form nicht mehr erteilen dürfte. Bei Leistungsbescheiden ist eine tatsächliche oder rechtliche Änderung „wesentlich“, wenn sie sich auf den Grund oder die Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (Urteil des BSG vom 20.10.2005, AZ: B 7a/7 AL 102/04 R).

Eine Änderung in den Verhältnissen liegt jedoch nur dann vor, wenn sich die Verhältnisse, die bei Erlass des Verwaltungsaktes, das heißt im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe (§ 37 SGB X), in Wirklichkeit (objektiv) vorgelegen haben, geändert haben.

Die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen trägt die Behörde. Kann also der Sachverhalt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nicht aufgeklärt werden, geht dies zu ihren Lasten (Urteile des BSG vom 08.09.2010, AZ: B 11 AL 4/09 R, und BSG vom 17.12.2013, AZ: B 11 AL 20/12 R). So ist beispielsweise die rückwirkende Aufhebung eines Waisenrentenbescheides wegen der vorzeitigen Beendigung einer Ausbildung dann nicht möglich, wenn die Waise zwar keinen Nachweis über die Fortdauer der Ausbildung vorlegt, eine Bescheinigung über das vorzeitige Ende der Ausbildung aber ebenfalls nicht einreicht und das vorzeitige Ende auch nicht anderweitig bewiesen ist, zum Beispiel durch Unterlagen der Schule beziehungsweise Hochschule.

Ist der Versicherungsträger bei der Bewilligung der Leistung von falschen Voraussetzungen ausgegangen, ist eine Aufhebung nach § 48 SGB X nur zulässig, wenn weitere Umstände zu einer Änderung der Verhältnisse geführt haben.

Siehe Beispiel 1

Eine Änderung in den Verhältnissen kann beispielsweise durch folgende Umstände eintreten:

  • Im Zusammenhang mit der Zahlung von Renten, die wegen des Vorliegens von verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt werden:
    • Änderung des Gesundheitszustandes,
    • Änderung der Lage am Arbeitsmarkt,
    • Anpassung oder Gewöhnung an den Krankheitszustand oder Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten, gegebenenfalls durch Umschulung.
  • Im Zusammenhang mit der Zahlung von Beitragszuschüssen nach § 106 SGB VI:
    • Eintritt von Krankenversicherungspflicht (zum Beispiel durch Aufnahme einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung),
    • Änderung der Prämienhöhe zur privaten Krankenversicherung.
  • Hinzutritt oder Änderung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 93, § 267 SGB VI).
  • Eintritt eines bestimmten Lebensalters (18. oder 27. Lebensjahr bei Waisenrenten oder Kinderzuschüssen).
  • Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses (bei Waisenrenten oder Kinderzuschüssen).
  • Änderung der Einkommensverhältnisse (bei Renten wegen Todes, § 97 SGB VI).
  • Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bei Altersrenten (§ 34 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017) und bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017).
  • Wiederheirat bei Witwen- und Witwerrenten sowie bei Erziehungsrenten.
  • Änderung des nach § 90 Abs. 1 SGB VI auf die Witwen- oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten (Wiederauflebensrente) anzurechnenden Unterhalts- oder Versorgungsanspruchs.
  • Tilgung der anlässlich der Wiederheirat gezahlten Abfindung (§ 90 Abs. 2 SGB VI).
  • Im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich, zum Beispiel
  • Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 6 SGB VI).
  • Inkrafttreten neuer beziehungsweise Wegfall bisheriger gesetzlicher Vorschriften.

Wird erst nach Bekanntgabe des Bescheides Einkommen oder Vermögen erzielt, das auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist (zum Beispiel Nachzahlung, rückwirkende Lohnerhöhung), ist auch ein Fall des § 48 SGB X gegeben. Dies ergibt sich aus der Fiktion des § 48 Abs. 1 S. 3 SGB X. Danach gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums. Dies gilt auch dann, wenn die Anrechnung des Einkommens oder des Vermögens bis auf den Rentenbeginn oder einen sonstigen Neuberechnungsbeginn zurückwirkt. Erhält die Behörde allerdings erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes lediglich Kenntnis davon, dass bereits bei seiner Bekanntgabe anzurechnendes Einkommen oder Vermögen erzielt wurde, ist hingegen ein Fall des § 45 SGB X gegeben.

Siehe Beispiel 6

In Fällen, in denen auf die Rente eine andere Sozialleistung anzurechnen ist (§§ 93, 97 SGB VI) und ein Erstattungsanspruch (§ 103 SGB X) besteht, gilt - ergänzend - Folgendes:

Hat ein anderer Sozialleistungsträger rückwirkend eine (andere) Sozialleistung bewilligt, die auf die Rente anzurechnen ist, fehlt es für den Zeitraum der Nachzahlung der anderen Sozialleistung (Zeitraum des Erstattungsanspruches) an der für § 45 SGB X erforderlichen anfänglichen Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides. Dies folgt aus der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den (vorrangig) zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 22.05.2002, AZ: B 8 KN 11/00 R, BSG vom 26.04.2005, AZ: B 5 RJ 36/04 R, und BSG vom 21.03.2007, AZ: B 11a AL 11/06 R), hat dies zur Folge, dass der Anspruch auf den Nachzahlungsbetrag der anderen Sozialleistung bereits durch die für diese Zeit erfolgten Rentenzahlungen als erfüllt gilt. Die Rentenzahlungen sind somit als rechtmäßige Zahlungen der anderen Sozialleistung anzusehen. Für den Nachzahlungszeitraum (Zeitraum des Erstattungsanspruches) der anderen Sozialleistung fehlt es daher an der Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids, die nach §§ 45 oder 48 SGB X allein zu seiner Aufhebung führen könnte. Konsequenterweise erstreckt sich die Rechtmäßigkeit des Rentenbescheides auf den Zeitraum, für den ein Erstattungsanspruch besteht. ”Rechtswidrig” wird der Rentenbescheid demnach mit dem Beginn der laufenden Zahlung der anderen Sozialleistung, weil ab diesem Zeitpunkt kein Erstattungsanspruch mehr besteht und somit auch die zur Rechtmäßigkeit des Rentenbescheides führende Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X fortfällt. Die mit laufender Zahlung der anderen Sozialleistung einsetzende ”Rechtswidrigkeit” des Rentenbescheides liegt zeitlich nach dessen Bekanntgabe. Dies bedeutet, dass eine wesentliche Änderung in den bei Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vorgelegenen Verhältnissen eingetreten ist. Damit ist für die Zeit ab Beginn der laufenden Zahlung der anderen Sozialleistung ein Anwendungsfall des § 48 SGB X gegeben. Für den Zeitraum des Erstattungsanspruches ist eine Bescheidaufhebung nicht zulässig (vergleiche im Übrigen Abschnitt 10.5).

Siehe Beispiel 5

Ist neben dem Rentenbescheid auch ein Bescheid über den Zuschuss zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI aufzuheben, hat dieses ebenfalls erst ab Beginn der laufenden Zahlung der anderen Sozialleistung nach § 48 SGB X zu erfolgen.

Änderung der Rechtsprechung gemäß § 48 Abs. 2 SGB X

Gemäß § 48 Abs. 2 erster Halbs. SGB X ist der Verwaltungsakt im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt.

In der Praxis der Rentenversicherungsträger spielt § 48 Abs. 2 SGB X keine wesentliche Rolle. Wenn nachträglich das Recht für den Betroffenen günstiger ausgelegt wird als zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, liegt eine § 44 SGB X unterfallende „bessere Rechtserkenntnis“ vor. § 44 SGB X wird durch § 48 Abs. 2 SGB X nicht verdrängt, wie § 48 Abs. 2 zweiter Halbs. SGB X zeigt. Wenn nachträglich das Recht für den Betroffenen ungünstiger ausgelegt wird als zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben, der mit § 48 Abs. 2 SGB X nicht konkurriert, da sich die letztgenannte Regelung auf günstige Auswirkungen beschränkt. Ändert sich nach der behördlichen Entscheidung das Recht - und nicht nur die Rechtserkenntnis -, findet § 48 Abs. 1 SGB X unmittelbar Anwendung.

Zu einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 SGB X im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es nur dann, wenn die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich ändert, weil sich die seinerzeit geltenden und für frühere Entscheidungen maßgeblichen sozialen, soziologischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten oder Anschauungen geändert haben. Eine Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X für die Vergangenheit schließt § 48 Abs. 2 SGB X nicht aus.

Begriff „Aufhebung“

„Aufhebung“ eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bedeutet, dass er in seinen bindend gewordenen Teilen zugunsten oder zuungunsten des Berechtigten verändert wird.

Die Bindung tritt für den Rentenversicherungsträger

„Regelungsgehalt“ bei Rentenbescheiden ist der Verfügungssatz. Nach dem Urteil des BSG vom 23.03.1999, AZ: B 4 RA 41/98 R, gehört hierzu im Regelfall die Feststellung des Rentenanspruchs nach

  • Art,
  • Beginn,
  • Höhe
  • und gegebenenfalls Dauer.

Die einzelnen Berechnungsfaktoren gehören zur Begründung im Sinne von § 35 SGB X und erwachsen damit nicht in Bindung (BSG vom 16.03.1989, AZ: 4/11a RA 70/87).

Aufzuheben ist der Verwaltungsakt, der die maßgebliche Regelung getroffen hat.

Überblick über das Aufhebungsverfahren

Ist eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, berechtigt § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X in jedem Fall zur Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Zukunft.

Wirkt sich die Änderung in den Verhältnissen zugunsten des Betroffenen aus, ist der Verwaltungsakt für die Vergangenheit, also von der Änderung der Verhältnisse an, aufzuheben (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X).

Wirkt sich die Änderung in den Verhältnissen zuungunsten des Betroffenen aus, ist die Möglichkeit der Bescheidaufhebung zunächst nach Aktenlage zu prüfen. Dabei sind folgende Aspekte zu beachten:

  1. Prüfung nach Absatz 1 Satz 2 Nummern 2 bis 4 (vergleiche Abschnitt 6.2.1):

    Die Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit setzt stets voraus, dass eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 Nummern 2 bis 4 vorliegt.

  2. Fristenregelung des Absatzes 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 SGB X (vergleiche Abschnitt 6.2.2):

    Liegt eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 Nummern 2 bis 4 vor, bestimmt Absatz 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 SGB X, dass die Aufhebung nur innerhalb von zehn Jahren nach Änderung der Verhältnisse zulässig ist. Verwaltungsakte, mit denen eine laufende Geldleistung bewilligt wurde, können auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren aufgehoben werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung gezahlt wurde (vergleiche Abschnitt 6.2.2.1).

    Für die Einhaltung der Frist ist es erforderlich, dass der Aufhebungsbescheid dem Berechtigten innerhalb dieser Frist bekannt gegeben wird (§§ 37, 39 SGB X).

  3. Fristenregelung des Absatzes 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X (vergleiche Abschnitt 6.2.3)

    Die Bescheidaufhebung muss ferner gemäß Absatz 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vorgenommen werden, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.

    Für die Einhaltung der Frist ist es erforderlich, dass der Aufhebungsbescheid dem Berechtigten innerhalb dieser Frist bekannt gegeben wird (§§ 37, 39 SGB X).

  4. Prüfung einer „atypischen“ Fallgestaltung und bejahendenfalls Ermessensausübung (vergleiche Abschnitt 6.2.4).
  • Sind nach den Schritten a) bis c) die Aufhebungsvoraussetzungen erfüllt, gebietet § 24 SGB X die Durchführung des Anhörungsverfahrens. Die von dem Betroffenen im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Umstände erfordern dann - unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen - eine erneute und abschließende Prüfung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis 4 SGB X sowie die Prüfung, ob eine „atypische“ Fallgestaltung vorliegt. Liegt eine solche vor, ist über die Aufhebung eine Ermessensentscheidung zu treffen.
    Stellt sich danach heraus, dass die Aufhebungsvoraussetzungen weiterhin erfüllt sind, ist dem Betroffenen über die Aufhebung des Verwaltungsaktes ein förmlicher Verwaltungsakt nach § 31 SGB X zu erteilen (vergleiche Abschnitt 7). Das Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen - insbesondere die Ermessensentscheidung - ist dabei ausführlich zu begründen (§ 35 Abs. 1 SGB X).
    Stellt sich heraus, dass die Aufhebungsvoraussetzungen doch nicht erfüllt sind, kommt eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht in Betracht. Der Betroffene ist hierüber zu unterrichten.
  • Sind nach den Schritten a) bis c) die Aufhebungsvoraussetzungen nicht erfüllt, kommt eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht in Betracht. Der Betroffene ist hierüber zu unterrichten.

Änderung zugunsten des Betroffenen

Haben sich die einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zugrunde liegenden Verhältnisse zugunsten des Betroffenen geändert, ist der Verwaltungsakt bereits ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X). Die Aufhebung ist an keine Frist gebunden.

Wiederkehrende Geldleistungen (zum Beispiel Renten) dürfen, da sie einem bestimmten Bezugszeitraum zugeordnet werden können, nach § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 44 Abs. 4 SGB X längstens für vier Jahre rückwirkend erbracht werden. Hierbei handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die selbst dann gilt, wenn den Rentenversicherungsträger ein Verschulden trifft.

Hat der Rentenberechtigte die Änderung der Verhältnisse mitgeteilt, wird der 4-Jahres-Zeitraum vom Beginn des Jahres an zurückgerechnet, in dem der Rentenberechtigte die Änderung der Verhältnisse mitgeteilt hat.

Siehe Beispiel 2

Wurde die Änderung in den Verhältnissen von Amts wegen berücksichtigt, ist der Beginn des Jahres maßgebend, in dem der Neufeststellungs- beziehungsweise Neuberechnungsbescheid erteilt wird.

Siehe Beispiel 3

Die Frage der rückwirkenden Erbringung einmaliger Geldleistungen (zum Beispiel Abfindungen) stellt sich nicht, da diesen Geldleistungen kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zugrunde lag.

Die Erstattung zu Unrecht erhobener Beiträge unterliegt nicht der vierjährigen Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X. Zu beachten sind jedoch die Beschränkungen, die sich aus §§ 26, 27 SGB IV ergeben können.

Änderung zuungunsten des Betroffenen

Wirkt sich die Änderung der Verhältnisse zuungunsten des Betroffenen aus, ist der Verwaltungsakt zwingend mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (vergleiche Abschnitt 6.1).

Die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit ist jedoch nur möglich, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen (vergleiche Abschnitt 6.2).

Aufhebung für die Zukunft

Ist eine Änderung der Verhältnisse zuungunsten des Betroffenen eingetreten, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ohne

zwingend für die Zukunft aufzuheben.

Die Zukunft beginnt grundsätzlich mit dem Tag nach der Bekanntgabe (§ 37 SGB X) des Aufhebungsbescheides (BSG vom 24.02.1987, AZ: 11b RAr 53/86).

Bei Verwaltungsakten über die Bewilligung von Renten oder Zusatzleistungen beginnt die Zukunft wegen des Monatsprinzips (§ 100 Abs. 1 und 3 SGB VI) mit Ablauf des Monats, in dem der Aufhebungsbescheid bekannt gegeben wird (BSG vom 24.04.1997, AZ: 13 RJ 23/96). Dies ist auch der Zeitpunkt, von dem an die bisherige Leistung eingestellt oder gemindert werden darf.

Aufhebung für die Vergangenheit

Die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit ist nur möglich, wenn

Liegt ein „atypischer“ Fall vor, ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von dem Aufhebungsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht werden soll (vergleiche Abschnitt 6.2.4).

Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes für die Vergangenheit zuungunsten des Betroffenen ist zulässig, wenn wenigstens eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

  • vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht (Absatz 1 Satz 2 Nummer 2), vergleiche Abschnitt 6.2.1.1,
  • Erzielung von Einkommen oder Vermögen (Absatz 1 Satz 2 Nummer 3), vergleiche Abschnitt 6.2.1.2,
  • Wissen beziehungsweise grob fahrlässiges Nichtwissen um die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (Absatz 1 Satz 2 Nummer 4), vergleiche Abschnitt 6.2.1.3.

Liegen neben dem Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X und/oder des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X vor, sollte im Fall einer rückwirkenden Aufhebung innerhalb der Zehnjahresfrist die Bescheidaufhebung allein auf den Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist die rückwirkende Aufhebung generell jedoch nur nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X und/oder des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X zulässig (vergleiche Abschnitt 6.2.2.1).

Verletzung einer Mitteilungspflicht

Gemäß Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse grob fahrlässig oder vorsätzlich nicht nachgekommen ist.

Die Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen in Bezug auf Leistungen ergibt sich aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I.

Eine Verletzung der Mitteilungspflichten liegt nur vor, wenn der Betroffene über seine Mitteilungspflichten umfassend und rechtzeitig unterrichtet worden ist. Dies kann zum Beispiel durch Bescheidtexte, -zusätze, früher erteilte Bescheide, Hinweise zum Rentenbescheid, Erläuterungen zum Rentenantrag oder Merkblätter erfolgen.

Hat der Rentenversicherungsträger bereits Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse, entbindet dies den Betroffenen nicht von seiner Mitteilungspflicht (BSG vom 12.02.1980, AZ: 7 RAr 13/79).

Hat sich der Betroffene vertreten lassen, muss sich dieser das Verschulden des Vertreters zurechnen lassen (Rechtsgedanke der §§ 166, 278 BGB).

Die Verletzung der Mitteilungspflicht muss vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt sein.

Vorsatz liegt vor, wenn die Mitteilungspflicht wissentlich und gewollt verletzt wurde.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wurde (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 zweiter Halbs. SGB X). Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Hiernach wird also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vorausgesetzt, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Das ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vergleiche hierzu BSG vom 31.08.1976, AZ: 7 RAr 112/74, und BSG vom 28.11.1978, AZ: 4 RJ 130/77).

Führt der Betroffene an, er habe den Rentenversicherungsträger informiert, kann dies jedoch nicht beweisen, kann sich der Betroffene nicht darauf berufen, dass er seinen Mitteilungspflichten nachgekommen ist. Dies gilt selbst dann, wenn nachgewiesen ist, dass ein Brief durch Einwurf in den Briefkasten abgesandt wurde. Denn die Absendung reicht als Nachweis für den Zugang des Briefes nicht aus (BSG vom 19.06.2001, AZ: B 12 RA 8/00 R).

Bei unterlassener Mitteilung kann eine Aufhebung nur erfolgen, wenn bekannt ist, welche konkreten Änderungen in den Verhältnissen eingetreten sind. Ist eine Änderung in den Verhältnissen der Behörde lediglich dem Grunde nach bekannt, kann sie jedoch nach Art und Umfang nicht ermittelt werden (zum Beispiel weil der Betroffene die Angaben verweigert und andere Informationsquellen nicht zur Verfügung stehen), so dass die neue Sach- und Rechtslage nicht beurteilt werden kann, ist eine Entziehung der Leistung nach § 66 SGB I zu prüfen.

Erzielung von Einkommen oder Vermögen

Gemäß Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt.

Hiervon werden jene Leistungen berührt, deren Anspruchsvoraussetzungen durch gesetzlich festgelegte Einkommensgrenzen beschränkt werden oder deren Höhe von anzurechnendem Einkommen oder Vermögen abhängig ist (zum Beispiel § 97 SGB VI).

Soweit Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung der Leistung führt, kommt es auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht an. Denn bei dieser Art von Sozialleistungsansprüchen kennt jeder Berechtigte von Anfang an die Auswirkungen eines nachträglich oder künftig erzielten Einkommens, weil er den Sozialleistungsanspruch als Ersatz für weggefallenes oder fehlendes Einkommen erworben hat.

Innerhalb der Zehnjahresfrist sollte die rückwirkende Bescheidaufhebung allein auf den Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist die rückwirkende Aufhebung jedoch nur nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X und/oder des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X zulässig (vergleiche Abschnitt 6.2.2.1).

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist hier von dem Beginn des Anrechnungszeitraums des Einkommens auszugehen (Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 und Absatz 1 Satz 3).

Auch wenn das Gesetz von einer Einkommens- oder Vermögenserzielung „nach Antragstellung“ spricht, ist stets erforderlich, dass der Zufluss nach Bekanntgabe des zu korrigierenden Verwaltungsaktes liegt. Dies ergibt sich daraus, dass § 48 SGB X den Leistungsträgern die Korrektur eines Verwaltungsaktes unter im Vergleich zu § 45 SGB X wesentlich erleichterten Voraussetzungen in den Fällen gestattet, in denen nach Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist.

Diese Abgrenzung kann aufgrund der gesetzlichen Formulierungen im Einzelfall durchaus schwierig sein. Ist beispielsweise eine Witwenrente bewilligt worden, ohne dass nach § 97 SGB VI zu berücksichtigendes - nach Antragstellung, aber vor Bescheiderteilung erzieltes - Einkommen angerechnet wurde, so ist es nicht möglich, den Witwenrentenbescheid unter den (einfachen) Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben (BSG vom 13.12.1984, AZ: 9a RV 40/83). Dies folgt daraus, dass der Rentenbescheid schon zur Zeit seines Erlasses rechtswidrig war und nicht etwa nachträglich rechtswidrig „geworden“ ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X eine Aufhebung erfolgen soll, soweit nach Antragstellung Einkommen erzielt wurde, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Diese Korrekturvorschrift ist dann einschlägig, wenn nach Bescheiderteilung rückwirkend Einkommen für die Zeit zwischen Antragstellung und Bescheiderteilung erzielt wird (zum Beispiel bei einer Nachzahlung, rückwirkenden Lohnerhöhungen; vergleiche BSG vom 13.12.1984, AZ: 9a RV 40/83).

Beim Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach der bis zum 30.06.2017 geltenden Rechtslage (§ 34 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017, § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 und § 313 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017) sind hinsichtlich der Bescheidaufhebung die Ausführungen unter Abschnitt 10.10 zu beachten.

Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Rechtswidrigkeit

Gemäß Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der Anspruch kraft Gesetzes ganz oder teilweise weggefallen oder zum Ruhen gekommen ist („Bösgläubigkeit“).

Der Rentenversicherungsträger kann sich auf „Bösgläubigkeit“ nur berufen, wenn der Betroffene umfassend und rechtzeitig über die Anspruchsvoraussetzungen, Wegfallgründe oder die Auswirkungen von Nichtleistungsvorschriften unterrichtet worden ist. Dies kann durch Bescheidtexte, -zusätze, früher erteilte Bescheide, Hinweise zum Rentenbescheid, Erläuterungen zum Rentenantrag und Merkblätter erfolgen.

Hat sich der Betroffene vertreten lassen, muss er sich das Wissen des Vertreters zurechnen lassen (Rechtsgedanke der §§ 166, 278 BGB).

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt wurde (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Halbs. 2 SGB X). Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Hiernach wird also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vorausgesetzt, das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Das ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vergleiche hierzu BSG vom 31.08.1976, AZ: 7 RAr 112/74, und BSG vom 28.11.1978, AZ: 4 RJ 130/77).

Tritt „Bösgläubigkeit“ ausnahmsweise erst nach dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ein (zum Beispiel erst durch die Anhörung), ist die Aufhebung erst von diesem Zeitpunkt an zulässig.

Zehnjahresfrist

Bei der Zehnjahresfrist ist zu unterscheiden, ob ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufgehoben werden soll, mit dem eine wiederkehrende Leistung bewilligt wurde (zum Beispiel Renten, Zuschuss zur Krankenversicherung, Kinderzuschuss), oder ob es sich um einen sonstigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (zum Beispiel Feststellungsbescheid) handelt.

Handelt es sich um einen

  • Verwaltungsakt über eine wiederkehrende Leistung, vergleiche Abschnitt 6.2.2.1,
  • sonstigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, vergleiche Abschnitt 6.2.2.2.

Für die Einhaltung der Frist ist es erforderlich, dass der Aufhebungsbescheid dem Betroffenen innerhalb der Frist bekannt gegeben wird.

Hinsichtlich des Beginns der Zehnjahresfrist ist nicht wie im Rahmen des § 45 SGB X auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides, sondern auf den Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse abzustellen (BSG vom 11.12.1992, AZ: 9a RV 20/90). Zur Fristberechnung wird auf die GRA zu § 26 SGB X verwiesen.

Verwaltungsakt über wiederkehrende Leistung

Eine rückwirkende Aufhebung ist innerhalb von zehn Jahren seit der wesentlichen Änderung in den Verhältnissen zulässig (§ 48 Abs. 4 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X). Bei dem Verweis auf § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung (BSG vom 01.07.2010, AZ: B 13 R 77/09 R). Das heißt, dass die in § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X angeordnete entsprechende Anwendung der in § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X enthaltenen Regelung nur die darin genannte Rechtsfolge (Aufhebung bis zum Ablauf von zehn Jahren) bestimmt und nicht auch die in dem "Wennsatz" dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen für den Eintritt dieser Rechtsfolge verlangt.

Eine rückwirkende Aufhebung ist darüber hinaus auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist zulässig, wenn die wiederkehrende Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Aufhebung laufend gezahlt wird (Absatz 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 S. 4 SGB X). Als „Beginn des Verwaltungsverfahrens“ ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt anzusehen, zu dem die Verwaltung mit der Prüfung der Voraussetzungen für eine Rücknahme begonnen und entsprechende Ermittlungen oder rechtliche Überlegungen angestellt hat. Unter den Begriff der „Zahlung einer laufenden Geldleistung“ fällt dabei nur der tatsächliche Fluss von Geldmitteln durch Bargeld oder bargeldlose Überweisung.

Allerdings gelten Geldleistungen auch dann als „laufend gezahlt“ im Sinne des § 45 Abs. 3 S. 4 SGB X, wenn

  • eine Zahlungsunterbrechung allein aus technischen Gründen vorliegt,
  • die Rente allein aus dem Grund nicht mehr laufend gezahlt wird, weil der Rentenbescheid bereits im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X für die Zukunft aufgehoben wurde.

Eine Leistung, die zum Beispiel zu Beginn des maßgeblichen Verwaltungsverfahrens wegen Einkommensanrechnung vollständig ruht, ist keine „laufend gezahlte Geldleistung“ im Sinne des § 45 Abs. 3 S. 4 SGB X, wenn zu diesem Zeitpunkt ein das Ende der Rentenzahlung verfügender bestandskräftiger Verwaltungsakt vorlag (BSG vom 02.11.2015, AZ: B 13 R 27/14 R). Daher ist eine rückwirkende Aufhebung eines Rentenbescheides nach Ablauf der Zehnjahresfrist nicht mehr zulässig, wenn der Rentenanspruch an sich (das sogenannte Rentenstammrecht) zwar weiter besteht, die Rente aber zu Beginn des Aufhebungsverfahrens tatsächlich nicht mehr gezahlt wurde und hierüber bereits ein unanfechtbarer Bescheid existierte.

Wurde eine rechtswidrig gewordene Rente (Vorrente, beispielsweise Erwerbsminderungsrente) gezahlt und schloss sich dieser Vorrente eine ebenfalls rechtswidrige Rente unmittelbar an, die zu Beginn des Aufhebungsverfahrens noch laufend gezahlt wurde (Nachfolgerente, beispielsweise Regelaltersrente), ist eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides über die Vorrente nach Ablauf der Zehnjahresfrist nicht mehr zulässig. Der Tatbestand des § 45 Abs. 3 S. 4 SGB X ist in Bezug auf die Vorrente nicht erfüllt, da nicht „diese Geldleistung“ zu Beginn des Aufhebungsverfahrens gezahlt wurde, sondern die Nachfolgerente. Der Umstand, dass durchgehend ein rechtswidriger Rentenbezug erfolgte (erst Vorrente, dann Nachfolgerente), ist insoweit ohne Bedeutung (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.10.2017, AZ: L 6 R 125/17, und Urteil des LSG Hessen vom 25.01.2019, AZ: L 5 R 137/18).

Beachte:

Die gegenteilige Rechtsauffassung, die vormals zur vorgenannten Fallgestaltung vertreten wurde, wurde aufgegeben.

Bei dem Verweis auf § 45 Abs. 3 S. 4 und 5 SGB X handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Eine rückwirkende Aufhebung nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist daher nur dann zulässig, wenn ein Tatbestand nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X (vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten) oder nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X (Wissen oder grob fahrlässiges Nichtwissen um das Ruhen des Leistungsanspruches) erfüllt ist, weil die Geltung dieser Fristenregelung ein unredliches Verhalten des Betroffenen erfordert (BSG vom 01.07.2010, AZ: B 13 R 77/09 R). Sofern zusätzlich der Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X (Erzielung von Einkommen) erfüllt ist, kann ein Aufhebungsbescheid somit nicht auf diesen Tatbestand gestützt werden, sondern nur auf den Tatbestand nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und/oder Nr. 4 SGB X.

War die Zehnjahresfrist am 15.04.1998 bereits abgelaufen, ist aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zulässig.

Sonstiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung

Handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Abschnitts 6.2.2.1, sondern um einen sonstigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ist eine rückwirkende Aufhebung nur innerhalb von zehn Jahren seit Änderung der Verhältnisse zulässig.

Einjahresfrist

Nach § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X muss die Behörde die Aufhebung des Verwaltungsaktes innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vornehmen, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.

Der Beginn der Einjahresfrist setzt somit voraus, dass

  • die Behörde (siehe Abschnitt 6.2.3.1)
  • die wesentliche Änderung der Verhältnisse erkannt hat (siehe Abschnitt 6.2.3.2) und
  • zusätzlich sämtliche für die Aufhebungsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig kennt (siehe Abschnitt 6.2.3.3).

Bei der Einjahresfrist handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Das bedeutet, dass im Falle eines Fristablaufs eine Aufhebung für die Vergangenheit nicht mehr zulässig ist. Insofern ist es erforderlich, dem Betroffenen den Aufhebungsbescheid innerhalb der Einjahresfrist bekannt zu geben. Zur Fristberechnung wird auf die GRA zu § 26 SGB X verwiesen.

Behörde

Behörde in diesem Sinne ist der für die Entscheidung zuständige „Sachbearbeiter“ (BSG vom 09.09.1986, AZ: 11a RA 2/85). Zum Kreis dieser Personen zählen nicht nur die eigentlichen Entscheidungsträger, sondern auch die zur Vorbereitung ihrer Entscheidung tätigen Personen, also die innerbehördlich zur Überprüfung des Verwaltungsaktes berufenen Mitarbeiter (BSG vom 08.02.1996, AZ: 13 RJ 35/94).

Positive Kenntnis von der wesentlichen Änderung der Verhältnisse

Positive Kenntnis von der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen heißt, dass eine Erkenntnisbildung stattgefunden haben muss, die bei der Behörde das Bewusstsein hervorgerufen hat, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vergleiche Urteil des BSG vom 25.10.1995, AZ: 5/4 RA 66/94, Beschluss des Großen Senats des BVerwG vom 19.12.1984, AZ: 1/84, zu der dem § 45 SGB X inhaltsgleichen Vorschrift § 48 VwVfG).

Insofern ist Kenntnis in diesem Sinn mehr als ein - selbst grob fahrlässiges - „Kennenmüssen“ (Urteil des BSG vom 31.01.2008, AZ: B 13 R 23/07 R).

Kenntnis der für die Aufhebungsentscheidung erheblichen Tatsachen

Zur Kenntnis der für die Aufhebungsentscheidung erheblichen Tatsachen gehören alle Umstände, deren Kenntnis es der Behörde objektiv ermöglicht, ohne weitere Sachaufklärung über die Aufhebung zu entscheiden (Urteil des BSG vom 02.07.1997, AZ: 9 RV 14/96). Die den Beginn der Einjahresfrist bestimmende Kenntnis ist dann anzunehmen, wenn mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Aufhebungsentscheidung notwendiger Tatsachen besteht (Urteil des BSG vom 27.07.2000, AZ: B 7 AL 88/99 R). Sofern Umstände bekannt sind, die einen „atypischen“ Fall begründen, muss sich die Kenntnis auch auf die Tatsachen erstrecken, die zur Ausübung des Ermessens nötig sind (BSG vom 31.01.2008, AZ: B 13 R 23/07 R, und BSG vom 02.07.1997, AZ: 9 RV 14/96).

Soweit es auf eine grobe Fahrlässigkeit des Betroffenen ankommt, ist zu beachten, dass nicht ein objektiver Maßstab anzulegen, sondern auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen ist. Die Behörde kann deshalb nicht allein auf den Akteninhalt abstellen. Als Anknüpfungspunkt für die Einjahresfrist ist daher das Anhörungsergebnis zugrunde zu legen, weil die Behörde erst nach erfolgter Anhörung über die Voraussetzungen des § 48 SGB X entscheiden kann (Urteile des BSG vom 08.02.1996, AZ: 13 RJ 35/94, und BSG vom 06.03.1997, AZ: 7 RAr 40/96).

Die Behörde hat das Anhörungsverfahren unverzüglich einzuleiten, sobald sie von der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse positive Kenntnis hat. Eine treuwidrige Verzögerung des Anhörungsverfahrens beziehungsweise der weiteren Ermittlungen kann dazu führen, dass die Behörde das Recht, den Verwaltungsakt für die Vergangenheit aufzuheben, verwirkt hat.

„Atypische“ Fallgestaltung und Ermessensausübung

Sind die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit erfüllt, ist nicht in allen Fällen zwingend eine uneingeschränkte Aufhebung vorzunehmen. Die Formulierung in Absatz 1 Satz 2 „... soll .... aufgehoben werden ....“ berechtigt den Rentenversicherungsträger im Regelfall („typischer“ Fall) zur Aufhebung. Liegt jedoch ein Ausnahmefall („atypischer“ Fall) vor (vergleiche Abschnitt 6.2.4.1), ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von der gegebenen Aufhebungsmöglichkeit abgesehen werden kann (vergleiche Abschnitt 6.2.4.2). Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für „atypische“ Fälle eine Verpflichtung zur Ermessensausübung.

Die Prüfung, ob ein „atypischer“ Fall vorliegt, steht nicht im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Sie ist daher durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit voll nachprüfbar (BSG vom 11.02.1988, AZ: 7 RAr 55/86).

Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (Rechtsgedanke des § 39 Abs. 1 SGB I). Zweck der Ermächtigung in „atypischen“ Fällen des § 48 SGB X ist es, von der dem Grunde nach vorliegenden Aufhebungsmöglichkeit zugunsten des Betroffenen ganz oder teilweise Abstand nehmen zu können.

Bei der Ermessensausübung sind die Gründe, die „für“ eine Bescheidaufhebung sprechen, und die Gründe, die „gegen“ eine Bescheidaufhebung sprechen, abzuwägen.

Die Ermessensentscheidung kann sich daher zugunsten des Betroffenen auswirken; sie muss es jedoch nicht. Letztlich ist entscheidend, dass die Ermessensausübung - zu welchem Ergebnis sie auch immer geführt hat - ausführlich begründet wird (vergleiche Abschnitt 6.2.4.2).

Beachte:

Auch in Fällen, in denen sich der Leistungsempfänger der Unrechtmäßigkeit der Leistung voll bewusst war, ist es - um das Risiko der gerichtlichen Kassation abzuwenden - sinnvoll, aus dem Akteninhalt oder aus den Äußerungen des Betroffenen erkennbare Umstände zumindest „hilfsweise“ in Ermessenserwägungen darzustellen, selbst wenn die Meinung vertreten werden sollte, dass dies eigentlich entbehrlich ist.

Feststellung einer „atypischen“ Fallgestaltung

Ein Fall ist dann „atypisch“, wenn er Besonderheiten aufweist, die ihn von den Regelfällen der in den Nummern 1 bis 4 des Satzes 2 aufgeführten Tatbestände deutlich abweichen lassen und durch die die vorgesehene Rechtsfolge den Betroffenen stärker belastet, als sie den in einem „Normalfall“ Betroffenen belasten würde.

Ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers weist regelmäßig auf einen „atypischen“ Fall hin.

Allein schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen begründen keinen „atypischen“ Fall (BSG vom 11.02.1988, AZ: 7 RAr 55/86). Die Tatsache, dass ein Betroffener möglicherweise nicht in der Lage ist, einen überzahlten Betrag erstatten zu können, ist nämlich nicht bereits bei der Bescheidaufhebung, sondern erst bei der Durchsetzung des Erstattungsanspruches zu berücksichtigen. Möglichen Härten und Unzumutbarkeiten ist erst im Durchsetzungsverfahren gemäß § 76 Abs. 2 SGB IV (Stundung, Niederschlagung oder Erlass) Rechnung zu tragen (in diesem Sinne: BSG vom 15.08.2002, AZ: B 7 AL 24/01 R, BSG vom 05.06.2003, AZ: B 11 AL 70/02 R, BSG vom 12.02.2004, AZ: B 13 RJ 28/03 R, und BSG vom 07.09.2006, AZ: B 4 RA 43/05 R).

Ein “atypischer“ Fall kann ferner gegeben sein, wenn ohne ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers besondere Umstände vorliegen, die die Aufhebung für die Vergangenheit als unbilligen Eingriff in die Verhältnisse des Betroffenen erscheinen lassen. Für die Prüfung des „unbilligen Eingriffs“ können folgende Umstände von Bedeutung sein:

  • Lebensalter des Betroffenen,
  • soziale Verhältnisse, Familienstand,
  • Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit oder verstärkte Inanspruchnahme von Sozialhilfe,
  • Gesundheitszustand (Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit des Betroffenen),
  • entgangene und nachträglich nicht mehr erzielbare andere Sozialleistungen,
  • Weiterleitung der zu Unrecht erhaltenen Leistung an Dritte ohne eigenen finanziellen Nutzen (zum Beispiel Kinderzuschuss an das Kind oder den Erziehenden),
  • besondere Aufwendungen wegen Behinderung (Anschaffung von behindertengerechten Einrichtungsgegenständen oder von Hilfsmitteln),
  • Unterstützung anderer bedürftiger Personen.

Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Diesbezügliche Erwägungen können nur im Rahmen der Bescheidaufhebung nach § 48 SGB X eine Rolle spielen. Hat die Behörde jedoch aufgehoben, hat sie kein Ermessen im Hinblick auf die Feststellung des sich aus der Bescheidaufhebung ergebenden Erstattungsanspruches nach § 50 Abs. 1 SGB X, weil diese eine gebundene Entscheidung ist.

Das Überschreiten (auch ein geringfügiges) einer Hinzuverdienstgrenze nach § 34 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 und § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 begründet keine „atypische“ Fallgestaltung (BSG vom 23.03.1995, AZ: 13 RJ 39/94, und BSG vom 06.02.2007, AZ: B 8 KN 3/06 R).

Nach Lage des Einzelfalles können sich weitere Umstände - insbesondere aus der Anhörung - ergeben. Denkbar ist auch ein Zusammenwirken mehrerer Umstände, die dadurch ein besonderes Gewicht bekommen und erst in der Gesamtschau einen „atypischen“ Fall begründen. Im Zweifel sollte von einer “Atypik“ ausgegangen werden, was allerdings nur zur Ermessensausübung zwingt, nicht jedoch zu einem vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Aufhebung.

Ein Aufhebungsbescheid ohne Ermessenserwägungen kann nach § 43 SGB X in der Regel nicht in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Nur wenn die Behörde einen „atypischen“ Fall angenommen und entsprechende Ermessenserwägungen angestellt hat, ist ausnahmsweise eine Umdeutung möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass überhaupt eine Änderung des Verfügungssatzes vorliegt; andernfalls handelt es sich nämlich um einen bloßen Austausch der Begründung eines Verwaltungsaktes.

Umfang und Begründung des Ermessens

Bei der konkreten Ermessensausübung ist insbesondere ein mögliches Mitverschulden oder das alleinige Verschulden des Rentenversicherungsträgers sowie das öffentliche Interesse (Interesse der Versichertengemeinschaft) zu berücksichtigen, Leistungen, auf die nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung kein Anspruch bestand, zurückzufordern.

Daneben sind im Rahmen der konkreten Ermessensausübung die in Abschnitt 6.2.4.1 genannten “Atypik“ begründenden Umstände mit in die Entscheidung einzubeziehen.

Ein Mitverschulden oder ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidaufhebung und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren ist. Denn auch bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers ist es denkbar, dass andere Ermessensgründe, insbesondere das öffentliche Interesse (Interesse der Versichertengemeinschaft) an einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Beiträge der Versicherten (§ 69 Abs. 2 SGB IV), so schwer wiegen, dass es sachgerecht ist, von der vollumfänglichen Bescheidaufhebung nicht abzusehen.

Gibt der Betroffene im Rahmen des Anhörungsverfahrens keine Ermessensgesichtspunkte an, ist eine Ermessensentscheidung nach Aktenlage zu treffen. Auch dabei ist auf die genannten Ermessensgründe - aber in diesem Fall eben auf Basis des Akteninhalts - einzugehen.

Als Ergebnis der Ermessensausübung kann in Betracht kommen,

  • von der Aufhebung abzusehen mit der Folge, dass der überzahlte Betrag nicht zurückgefordert wird.
  • von der Aufhebung teilweise abzusehen mit der Folge, dass der überzahlte Betrag reduziert wird.
  • von der Aufhebung nicht abzusehen mit der Folge, dass der überzahlte Betrag in vollem Umfang zurückgefordert wird.

Die Ermessensentscheidung ist ausführlich zu begründen. Bei der Begründung des Ergebnisses der Ermessensausübung ist von entscheidender Bedeutung, dass im Aufhebungsbescheid zum Ausdruck gebracht wird, dass sich der Rentenversicherungsträger der Erforderlichkeit der Ermessensausübung bewusst war und Ermessen auch ausgeübt hat. Die Ermessensentscheidung - mit welchem Ergebnis auch immer - ist daher ausführlich zu begründen. Die Begründung muss alle Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen wurde (§ 35 Abs. 1 S. 3 SGB X).

Trifft zum Beispiel den Rentenversicherungsträger ein Mitverschulden oder das alleinige Verschulden und soll von der vollumfänglichen Bescheidaufhebung nicht abgesehen werden, muss bei der Begründung der Ermessensentscheidung zum Ausdruck kommen, dass er sich des Mitverschuldens oder des alleinigen Verschuldens bewusst war, dies aber im Hinblick auf andere Ermessensgründe zurücksteht.

Sind die Ermessensgesichtspunkte nicht geeignet, von der vollumfänglichen Bescheidaufhebung abzusehen, handelt es sich dabei nicht um eine Ermessensreduzierung auf „Null“.

Sollen sich die festgestellten Umstände zugunsten des Betroffenen auswirken, ist zu entscheiden, in welchem Umfang von der Aufhebung abgesehen werden soll.

Wird im Rahmen der Ermessensausübung der Bescheid nur teilweise aufgehoben mit der Folge der Reduzierung der Überzahlung um zum Beispiel 30 %, genügt es für eine ausreichende Begründung nicht, allein die Tatsache der Reduzierung festzustellen, sondern es ist notwendig darzulegen, wie sich dieser Verhältniswert ergibt. Es muss also zum Ausdruck kommen, dass die gegen eine Aufhebung sprechenden Gründe (zum Beispiel mit der Rückforderung verbundene wirtschaftliche Härte, Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers) nicht so schwer wiegen, dass von einer Aufhebung abgesehen werden kann; diese jedoch in der Gesamtschau des Falls (also auch im Hinblick auf die anderen Ermessensgründe) zumindest teilweise berücksichtigt werden konnten.

Formulierungen wie

„Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidaufhebung für gerechtfertigt.“ oder

„Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Ihren Gunsten liegen nicht vor.“

genügen damit dem Begründungsgebot nicht. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht führt zur Rechtswidrigkeit des Bescheides und gegebenenfalls zur Aufhebung durch die Sozialgerichtsbarkeit (zur Nachholung der Begründung vergleiche GRA zu § 41 SGB X, Abschnitt 4.2).

Aufhebungsbescheid

Über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 48 SGB X ist dem Betroffenen ein förmlicher Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu erteilen (vergleiche hierzu GRA zu § 31 SGB X).

Eines förmlichen Verwaltungsaktes bedarf es nicht, wenn sich der betreffende Verwaltungsakt durch Zeitablauf (zum Beispiel Ende der befristeten Rente) oder auf andere Weise (zum Beispiel Tod des Berechtigten) erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Aufhebung eines erledigten Verwaltungsaktes kommt dagegen für Vergangenheitszeiträume in Betracht, in denen der Verwaltungsakt noch seine Wirksamkeit entfaltet hat (Zeitraum vor seiner Erledigung).

Zu korrigieren ist jeweils derjenige Verwaltungsakt, dessen Verfügungssatz aufgrund der Änderung in den Verhältnissen nicht mehr mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Ist der Verwaltungsakt nach der Änderung in den Verhältnissen noch teilweise richtig, kommt eine teilweise Aufhebung nur insoweit in Betracht, als er unrichtig geworden ist.

Der förmliche Aufhebungsbescheid muss Folgendes enthalten:

  • Im Tenor (§ 33 Abs. 1 SGB X)
    • Bezeichnung des aufzuhebenden Verwaltungsaktes
    • Zeitpunkt, von dem an aufgehoben wird
    • bei aufgehobenen Leistungsbescheiden gegebenenfalls Feststellung der Überzahlung und Geltendmachung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 1 S. 1 SGB X)
  • In der Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X)
    • Ausführungen zum materiellen Recht (Grund für die Änderung der Verhältnisse)
    • Angabe der Aufhebungsvorschrift sowie Ausführungen zu den im Einzelfall vorliegenden Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 SGB X, gegebenenfalls auch zum Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X (siehe auch GRA zu § 50 SGB X, Abschnitt 3.1)
      Die Aufhebungsvorschrift kann zusätzlich bereits im Tenor genannt werden, auch wenn sie Teil der Begründung des Bescheides im Sinne des § 35 SGB X ist und lediglich im Begründungsteil enthalten sein muss.
    • Beim Vorliegen eines „atypischen“ Falles: Darlegung, dass ein „atypischer“ Fall vorliegt und Darlegung der Ermessenserwägungen (§ 35 Abs. 1 S. 3 SGB X), aus der unter anderem hervorgehen soll, dass der Rentenversicherungsträger unter Berücksichtigung der Gegenvorstellungen des Betroffenen aus dem Anhörungsverfahren geprüft hat, inwieweit sich diese auf die Entscheidung ausgewirkt haben; eine allgemeine Aussage, dass Ermessen ausgeübt wurde, ist nicht ausreichend.
  • in der Rechtsbehelfsbelehrung (§ 36 SGB X)
    • Widerspruchsklausel.

Folgen von Verfahrens- und Formfehlern

Ist ein Aufhebungsbescheid mangels Anhörung oder Begründung (Ausführungen zum Vertrauensschutz und – in einem „atypischen“ Fall - zur Ermessensausübung) rechtswidrig und insoweit mit einem Verfahrens- oder Formfehler behaftet, ist es zulässig, die fehlenden Handlungen im Widerspruchsverfahren oder im sozialgerichtlichen Verfahren nachzuholen und somit zu heilen im Sinne des § 41 SGB X (siehe GRA zu § 41 SGB X).

Die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bedeutet jedoch nicht, dass es zulässig ist, den Aufhebungsbescheid - im Hinblick auf die Möglichkeit einer späteren Heilung - unter Außerachtlassung von Formvorschriften für eine Aufhebung (wie zum Beispiel §§ 24, 35 SGB X) zu erteilen.

Wurde dennoch - aus welchem Grund auch immer - in einem sozialgerichtlichen Verfahren ein angefochtener Aufhebungsbescheid aus formellen Gründen durch Urteil aufgehoben, sind für einen neuen Aufhebungsbescheid die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 SGB X und § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X erneut zu prüfen (Urteile des BSG vom 27.07.1989, AZ: 11/7 RAr 111/87, BSG vom 27.07.1989, AZ: 11/7 RAr 115/87, BSG vom 27.07.1989, AZ: 11 RAr 7/88, BSG vom 09.11.1989, AZ: 11 RAr 39/89, und BSG vom 15.02.1990, AZ: 7 RAr 28/88).

Aussparung

§ 48 Abs. 3 S. 1 SGB X regelt die Aussparung, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann (also bestandsgeschützt ist) und sich später die Verhältnisse zugunsten des Berechtigten nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Abs. 2 SGB X ändern (zum Beispiel Rentenanpassungen). Die Aussparung ist zwingend vorgeschrieben. Soweit ein Rentenbescheid rechtswidrig ist und nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann, wird die Rente von Leistungserhöhungen ausgespart. Damit wird verhindert, dass eine zu hohe Zahlung, die durch irgendeinen Fehler entstanden ist, durch irgendeine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer noch höher wird. Änderungen zulasten des Berechtigten führen allerdings auch bei einer ausgesparten Rente zu einer entsprechend geringeren Zahlung.

Ist ein Rentenbescheid deshalb rechtswidrig, weil ihm zu Unrecht gezahlte Beitragsanteile zugrunde liegen, können diese Beitragsanteile aufgrund einer Leistungsgewährung nicht erstattet werden (vergleiche GRA zu § 26 SGB IV, Abschnitte 6.1 und 6.1.2) und kann der Rentenbescheid nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden, ist jedoch keine Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 1 SGB X vorzunehmen. Denn eine Aussparung würde bedeuten, dass der Leistungsbezieher einerseits den Wert der von ihm - beziehungsweise bei Hinterbliebenenrenten von dem Versicherten - gezahlten Beitragsanteile nicht mehr zurückerhält, andererseits aber auch die Leistung, der diese unwirksamen beim Rentenversicherungsträger verbleibenden Beitragsanteile zugrunde liegen, nicht dynamisch gezahlt wird. Diese Verfahrensweise stünde mit dem Grundgedanken des § 48 Abs. 3 SGB X, wonach Unrecht nicht weiter wachsen soll, nicht im Einklang.

§ 48 Abs. 3 S. 2 SGB X regelt, dass eine Aussparung auch dann vorzunehmen ist, wenn der Leistung ein rechtswidriger begünstigender Nichtleistungsbescheid (zum Beispiel ein Verwaltungsakt über die Anerkennung einer rentenrechtlichen Zeit) zugrunde liegt oder im Leistungsfall zugrunde zu legen ist, der seinerseits nach § 45 SGB X nicht - oder nicht mehr - zurückgenommen werden kann. Das bedeutet, dass die Rentenzahlung, die in diesem Fall auf einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt beruht, ebenfalls von künftigen Leistungserhöhungen auszusparen ist.

Ein Aussparungsfall nach § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X liegt allerdings nicht vor, wenn es sich bei dem nicht rücknehmbaren Nichtleistungsbescheid um einen Verwaltungsakt handelt, der Grundlage für die Zahlung von Beiträgen war (zum Beispiel ein Verwaltungsakt über die Berechtigung zur laufenden freiwilligen Versicherung oder ein Verwaltungsakt über die Zulassung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen). Wegen der weiteren Bestandskraft des Bescheides sind die Beiträge als rechtmäßig gezahlt anzusehen, sodass sie bei einer Rente als rechtswirksame Beiträge zu berücksichtigen sind (in diesem Sinn: Urteile des BSG vom 07.11.1995, AZ: 12 RK 66/94, und BSG vom 19.12.1995, AZ: 12 RK 25/95). Der Rente liegen dann diese rechtswirksamen Beiträge und nicht der rechtswidrig begünstigende Nichtleistungsbescheid zugrunde, sodass die Voraussetzungen der Aussparungsvorschrift des § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X nicht erfüllt sind (siehe hierzu auch GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 10).

Eine Aussparung ist ferner ausgeschlossen, wenn der Rentenversicherungsträger wirksam einen Vergleich geschlossen hat, der „an sich“ der Rechtslage nicht entspricht.

Anwendungsfälle

Ist eine Aussparung nach § 48 Abs. 3 SGB X vorzunehmen, so ist der Bruttorentenbetrag, der entweder bisher fehlerhaft zugestanden wurde oder dem ein rechtswidriger Nichtleistungsbescheid zugrunde liegt („Aussparungsbetrag“), so lange zu zahlen, bis der rechtmäßig zustehende Bruttorentenbetrag beziehungsweise der Bruttorentenbetrag, der ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid zustünde, („tatsächlich zustehender Betrag“) den „Aussparungsbetrag“ infolge künftiger Erhöhungen im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Abs. 2 SGB X übersteigt. Deshalb erfolgt bei jeder Änderung zugunsten des Betroffenen eine (maschinelle) Gegenüberstellung dieser Beträge. Zu den Änderungen zugunsten des Berechtigten zählen auch Rentenanpassungen (BSG vom 31.01.1989, AZ: 2 RU 16/88).

Die Aussparung erfasst

  • fehlerhaft zu hoch berechnete Renten (Abschnitt 9.1.1),
  • Renten, die ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid in geringerer Höhe zu zahlen wären (Abschnitt 9.1.2),
  • zu Unrecht anerkannte Rentenansprüche (Abschnitt 9.1.3),
  • Rentenansprüche, die ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid nicht bestanden hätten (Abschnitt 9.1.4).

Fehlerhaft zu hoch berechnete Renten

Bei einer fehlerhaft zu hoch berechneten Rente ist der „tatsächlich zustehende Betrag“ der Bruttorentenbetrag, der sich nach Berichtigung der fehlerhaften Berechnungsfaktoren ergibt. „Aussparungsbetrag“ ist der bisher fehlerhaft zugestandene Bruttorentenbetrag.

Renten, die ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid in geringerer Höhe zu zahlen wären

Bei einer Rente, die aufgrund eines rechtswidrigen nicht rücknehmbaren Nichtleistungsbescheides zu hoch berechnet oder zu berechnen ist, ist „tatsächlich zustehender Betrag“ der Bruttorentenbetrag, der sich unter Außerachtlassung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides ergibt. „Aussparungsbetrag“ ist der Bruttorentenbetrag, der unter Berücksichtigung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides zugestanden wurde oder zuzugestehen ist.

Zu Unrecht anerkannte Rentenansprüche

Bei einem zu Unrecht anerkannten Rentenanspruch gibt es keinen „tatsächlich zustehenden Betrag“, der zum Beispiel durch eine Rentenanpassung erhöht werden könnte. In diesem Fall wird der bisher fehlerhaft zugestandene Bruttorentenbetrag („Aussparungsbetrag“) so lange gezahlt, bis sich gegebenenfalls ein rechtmäßiger Rentenanspruch ergibt und der nunmehr „tatsächlich zustehende Betrag“ den „Aussparungsbetrag“ übersteigt.

Rentenansprüche, die ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid nicht bestanden hätten

Bei einem Rentenanspruch, der ohne den rechtswidrigen Nichtleistungsbescheid nicht bestanden hätte, ergibt sich bei Nichtberücksichtigung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides kein „tatsächlich zustehender Betrag“, der zum Beispiel durch eine Rentenanpassung erhöht werden könnte. In diesem Fall wird der unter Berücksichtigung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides zugestandene oder zuzugestehende Bruttorentenbetrag („Aussparungsbetrag“) so lange gezahlt, bis sich gegebenenfalls auch unter Außerachtlassung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides ein rechtmäßiger Rentenanspruch (zum Beispiel Altersrente im Anschluss an Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) ergibt und der nunmehr „tatsächlich zustehende Betrag“ den „Aussparungsbetrag“ übersteigt.

Verfahren

Über die künftig vorzunehmende Aussparung ist ein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt zu erteilen. Der Verwaltungsakt über eine Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 1 SGB X muss Folgendes enthalten:

  • Es ist festzustellen, dass der in der Vergangenheit erteilte Rentenbescheid rechtswidrig im Sinne von § 45 SGB X ist. Diese Feststellung ist als Verwaltungsakt zu begründen (§ 35 SGB X). Um dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X Genüge zu leisten, ist der rechtswidrige Rentenbescheid zu benennen (Bescheiddatum).
  • Der rechtmäßige Bruttorentenbetrag („tatsächlich zustehender Betrag“) ist festzustellen.
  • Darüber hinaus ist dem Berechtigten die Entscheidung darüber mitzuteilen, dass der rechtswidrige Rentenbescheid nicht nach § 45 SGB X zurückgenommen werden kann, sodass die Rente auf der Grundlage des bisherigen Bruttorentenbetrages („Aussparungsbetrages“) weitergezahlt wird, und die Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 1 SGB X auf der Grundlage des „tatsächlich zustehenden Betrages“ erfolgt.
  • Der Verwaltungsakt ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruchsklausel) zu versehen.

Der Verwaltungsakt über eine Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X muss Folgendes enthalten:

  • Es ist festzustellen, dass der Nichtleistungsbescheid rechtswidrig im Sinne von § 45 SGB X ist. Diese Feststellung ist als Verwaltungsakt zu begründen (§ 35 SGB X). Um dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X Genüge zu leisten, ist der rechtswidrige Nichtleistungsbescheid zu benennen (Bescheiddatum).
  • Wird bereits eine Rente gezahlt oder soll eine Rente gezahlt werden, ist der Bruttorentenbetrag festzustellen, der sich unter Außerachtlassung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides ergibt („tatsächlich zustehender Betrag).
  • Darüber hinaus ist dem Berechtigten die Entscheidung darüber mitzuteilen, dass der rechtswidrige Nichtleistungsbescheid nicht nach § 45 SGB X zurückgenommen werden kann, sodass die Rente auf der Grundlage des Bruttorentenbetrages („Aussparungsbetrages“) gezahlt wird, der sich unter Berücksichtigung des rechtswidrigen Nichtleistungsbescheides ergibt, und die Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X auf der Grundlage des „tatsächlich zustehenden Betrages“ erfolgt.
  • Der Verwaltungsakt ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruchsklausel) zu versehen.

Einzelfälle

Nachstehend sind einige Einzelfälle zur Anwendung des § 48 SGB X aufgeführt.

Ende des Besitzschutzes (Rentnerprivileg) nach § 268a Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung bis 29.03.2005 oder Wegfall der Voraussetzungen des § 5 VAHRG

Im Zusammenhang mit dem Wegfall des sog. „Rentnerprivilegs“ (§ 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung bis 31.08.2009) sowie der Härteregelung wegen Unterhalt (§ 5 VAHRG) bei einer laufenden Rentenzahlung und der Aufhebung des Bescheides der ausgleichspflichtigen Person sind verschiedene Zeitpunkte und Konstellationen für die Frage von Bedeutung, ob bei der Bescheidaufhebung die §§ 24, 48 SGB X zu berücksichtigen sind:

  • § 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung bis 29.03.2005:
    Liegen der Beginn der nicht um den Versorgungsausgleich zu mindernden Rente und die Wirksamkeit der Versorgungsausgleichsentscheidung (Erst- oder Abänderungsverfahren) vor dem 30.03.2005 und fällt der Besitzschutz oder die Härteregelung wegen Unterhalt nach dem 29.03.2005 weg, weil aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person eine Rente zu zahlen ist (BSG vom 26.03.1987, AZ: 11a RA 38/86), muss § 268a Abs. 1 SGB VI beachtet werden. Danach findet im Rahmen der Bescheidaufhebung § 48 SGB X Anwendung. Das bedeutet:
    Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist der Rentenbeginn bei der Rente aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person anzusehen. Die Minderung der Rente aufseiten der ausgleichspflichtigen Person kann jedoch frühestens vom Ablauf des Monats an vorgenommen werden, in dem die ausgleichspflichtige Person „bösgläubig“ im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X geworden ist. Das ist der Fall, wenn die ausgleichspflichtige Person über den Rentenantrag oder den bestehenden Rentenanspruch aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person (Versicherten- oder Hinterbliebenenrente) in Kenntnis gesetzt worden ist. Um sicherzustellen, dass die Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfüllt sind, muss die ausgleichspflichtige Person unverzüglich von dem Rentenverfahren aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person unterrichtet werden, sobald eine entsprechende Mitteilung des beteiligten Dezernats beziehungsweise Rentenversicherungsträgers eingegangen ist.
  • § 101 Abs. 3 SGB VI in der Fassung vom 30.03.2005 bis 31.08.2009:
    § 268a Abs. 1 SGB VI kommt nicht zur Anwendung, wenn die ungeminderte Rente der ausgleichspflichtigen Person erst ab dem 30.03.2005 begonnen hat oder die Erst- oder Abänderungsentscheidung über den Versorgungsausgleich erst ab dem 30.03.2005 wirksam geworden ist. Der Zeitpunkt der Minderung der Rente der ausgleichspflichtigen Person ist regelmäßig nach Maßgabe des § 268a Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 101 Abs. 3 S. 4 SGB VI in der Fassung bis 31.08.2009 zu bestimmen (siehe GRA zu § 268a SGB VI). Hierbei sind zwei wesentliche Konstellationen zu beachten:
    • Die Rente aufseiten der ausgleichsberechtigten Person wird rückwirkend festgestellt oder die Feststellung der Rente wird erst nachträglich bekannt. § 48 SGB X findet dann bei der Bescheidaufhebung aufseiten der ausgleichspflichtigen Person keine Anwendung.
    • Die Rente aufseiten der ausgleichsberechtigten Person wird nicht rückwirkend festgestellt oder nicht nachträglich aufseiten der ausgleichspflichtigen Person bekannt. Bei der Bescheidaufhebung aufseiten der ausgleichspflichtigen Person ist dann § 48 SGB X zu beachten, weil § 101 Abs. 3 S. 4 SGB VI in der Fassung bis 31.08.2009 nur in Fällen der rückwirkenden Rentenbewilligung oder des nachträglichen Bekanntwerdens anzuwenden ist.

Weitere Hinweise ergeben sich aus der GRA zu § 268a SGB VI.

Überzahlter Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 106 SGB VI

Sind die Anspruchsvoraussetzungen für den Zuschuss zur Krankenversicherung nach Bekanntgabe des Bescheides über die Bewilligung des Zuschusses entfallen, liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, so dass die Bescheidaufhebung nach Maßgabe des § 48 SGB X zu prüfen wäre.

Mit § 108 Abs. 2 SGB VI existiert allerdings eine spezialgesetzliche Regelung, nach der im Fall einer rückwirkenden Feststellung von Krankenversicherungspflicht der Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nach dieser Vorschrift aufzuheben ist (siehe GRA zu § 108 SGB VI, Abschnitt 2.6).

Deshalb ist bei der Prüfung der Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung zunächst zu unterscheiden, ob der Zuschuss zu einer privaten Krankenversicherung (Abschnitt 10.2.1) oder zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (Abschnitt 10.2.2) gezahlt wurde.

Zuschuss zu einer privaten Krankenversicherung

Die Prüfung der Aufhebung des Zuschussbescheides richtet sich nach § 48 SGB X. § 108 Abs. 2 SGB VI findet keine Anwendung.

Hinsichtlich der Prüfung der Aufhebungsmöglichkeit nach § 48 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit wird auf Folgendes hingewiesen:

Soweit es um die Frage der Verletzung von Mitteilungspflichten geht (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X), ist zu beachten, dass der Rentenempfänger im „Antrag auf Beitragszuschuss“ mit der gebotenen Deutlichkeit und in verständlicher Form darauf hingewiesen wurde, dass der Beitragszuschuss unter bestimmten Voraussetzungen entfällt und er verpflichtet ist, dem Rentenversicherungsträger solche für den Empfang des Zuschusses wesentlichen Umstände mitzuteilen.

Soweit es um die Frage der „Bösgläubigkeit“ im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X geht, ist zu beachten, dass der Rentenempfänger aufgrund der im „Antrag auf Beitragszuschuss“ aufgegebenen Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit dem Beitragszuschuss letztlich auch darüber informiert wurde, wann die Voraussetzungen für den Beitragszuschuss entfallen.

Zuschuss zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung

In den Fällen, in denen die zuständige Krankenkasse rückwirkend eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt hat, findet § 48 SGB X keine Anwendung. Hier gilt die spezialgesetzliche Regelung des § 108 Abs. 2 SGB VI (siehe GRA zu § 108 SGB VI, Abschnitt 2.6).

Hat die Krankenkasse das Krankenversicherungsverhältnis hingegen mit Wirkung für die Zukunft umgestellt, ist die Aufhebung des Zuschussbescheides nach § 48 SGB X zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse es versäumt hat, den Rentenversicherungsträger rechtzeitig über den Beginn der Krankenversicherungspflicht zu informieren (beispielsweise durch KVdR-Datensatz). Die Ausführungen im Abschnitt 10.2.1 zur Frage der Verletzung von Mitteilungspflichten und zur Frage der „Bösgläubigkeit“ gelten entsprechend.

Aufhebung nach dem Tod des Berechtigten

Bei einer Änderung zugunsten des Berechtigten gelten die Ausführungen in der GRA zu § 59 SGB I, Abschnitte 5 und 6.

Bei einer Änderung zuungunsten des Betroffenen gelten die Ausführungen in der GRA zu § 50 SGB X, Abschnitt 3.2.

Aussparung aufgrund eines nicht rücknehmbaren Nichtleistungsbescheides bei Änderung der Rentenart

Liegt einem Rentenbescheid ein Verwaltungsakt über rentenrechtliche Zeiten (zum Beispiel ein Feststellungsbescheid nach § 149 Abs. 5 S. 1 SGB VI) oder ein Überführungsbescheid nach § 8 Abs. 3 AAÜG zugrunde, der rechtswidrig begünstigend ist, aber nach § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden kann, hat gemäß § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X eine Aussparung der Rente zu erfolgen (vergleiche Abschnitt 9). Kommt es in einem solchen Fall vor dem Ende der Aussparung zu einem Wechsel der Rentenart (zum Beispiel Regelaltersrente im Anschluss an Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente im Anschluss an Versichertenrente), ist die Aussparung aus Besitzstandsgründen bei der nachfolgenden Rente fortzuführen.

Eine Nachfolgerente, für die ein gleich hoher Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) maßgeblich ist wie für die bisherige Rente (zum Beispiel bei Regelaltersrente im Anschluss an eine Rente wegen voller Erwerbsminderung), ist also solange auf der Grundlage des bisherigen Bruttorentenbetrages zu leisten, bis der unter Außerachtlassung des rechtswidrigen, aber nach § 45 SGB X nicht rücknehmbaren Bescheides berechnete Bruttorentenbetrag in Folge von Erhöhungstatbeständen (zum Beispiel Rentenanpassungen) höher ist.

Entsprechend ist bei Nachfolgerenten zu verfahren, für die ein höherer Rentenartfaktor gilt als für die bisherige Rente (zum Beispiel bei Regelaltersrente im Anschluss an eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung). Eine Erhöhung des bisherigen Bruttorentenbetrages kommt nicht in Betracht, denn dies würde dem Grundsatz der Aussparungsregelung, nach dem "Unrecht nicht weiter wachsen darf" (vergleiche BT-Drucksache 12/4810, Seite 36), zuwiderlaufen.

Im Fall einer Nachfolgerente, für die ein geringerer Rentenartfaktor maßgeblich ist als für die bisherige Rente (zum Beispiel bei Witwen-/Witwerrente im Anschluss an Regelaltersrente oder kleine Witwen-/Witwerrente im Anschluss an große Witwen-/Witwerrente), ist der bisherige Bruttorentenbetrag entsprechend dem Verhältnis des kleineren zum größeren Rentenartfaktor zu mindern. Bei einer großen Witwen-/Witwerrente im Anschluss an eine Regelaltersrente ist beispielsweise der bisherige Bruttorentenbetrag während des sogenannten Sterbequartals in voller Höhe und anschließend lediglich in Höhe von 60 vom Hundert beziehungsweise 55 vom Hundert zu berücksichtigen.

Die vorgenannte Verfahrensweise beruht auf einem Beschluss des zuständigen Fachgremiums der Deutschen Rentenversicherung, der folgenden Wortlaut hat:

Für den Fall, dass einer Rente ein rechtswidriger Feststellungsbescheid zugrunde liegt, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann, sind bei Feststellung einer Folgerente die im rechtswidrigen Feststellungsbescheid zu Unrecht festgestellten Daten nicht zu berücksichtigen. Zahlbetragsbesitzschutz zugunsten der Folgerente, gegebenenfalls angepasst an einen niedrigeren Rentenartfaktor, und Aussparung nach § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X sind zu prüfen, sofern die Aussparung der Vorrente noch nicht abgeschlossen ist (AGFAVR 2/2013, TOP 7).

Überzahlte Rente in Fällen der §§ 93, 97 SGB VI und Bestehen eines Erstattungsanspruches (§ 103 SGB X)

Hat ein anderer Sozialleistungsträger rückwirkend eine andere Sozialleistung bewilligt, die auf die Rente anzurechnen ist, ist eine Aufhebung des Rentenbescheides hinsichtlich der Rentenhöhe erst für die Zeit ab Beginn der laufenden Zahlung der anderen Sozialleistung zulässig; die Aufhebung des Rentenbescheides richtet sich nach § 48 SGB X (vergleiche Abschnitt 2.2).

Soweit es um die Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Zukunft geht, ist diese gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X zwingend (vergleiche Abschnitt 6.1).

Soweit es um die Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit geht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis 4 SGB X gegeben sind (vergleiche Abschnitte 6.2.1.1, 6.2.1.2 und 6.2.1.3).

Aussparung bei rechtswidriger Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz

Wurde eine Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz nach § 235 SGB VI, § 236 SGB VI, § 236a SGB VI oder § 237 SGB VI getroffen, die rechtswidrig ist und nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden kann, ist die Rente entsprechend der Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz zu bewilligen. Allerdings ist sie nach § 48 Abs. 3 S. 2 SGB X auszusparen (Abschnitte 9 und 9.2). Die Aussparung ist solange vorzunehmen, bis der Rentenempfänger einen materiell rechtmäßigen Anspruch auf dieselbe Altersrente hat und der Bruttorentenbetrag der rechtmäßig zustehenden selben Altersrente den Bruttorentenbetrag übersteigt, der entsprechend der Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz geleistet wird.

Siehe Beispiele 7 und 8

Wiederheirat bei Witwen- und Witwerrenten sowie bei Erziehungsrenten

Entfällt wegen einer Wiederheirat der Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente oder Erziehungsrente, stellt dies in Bezug auf den Rentenbewilligungsbescheid eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 48 SGB X dar. Es bedarf daher der förmlichen Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides nach § 48 SGB X.

Soweit es um die Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Zukunft geht, ist diese gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X zwingend (vergleiche Abschnitt 6.1).

Soweit es um die Bescheidaufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit geht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X gegeben sind (vergleiche Abschnitte 6.2.1.1 und 6.2.1.3).

Korrektur von Hinterbliebenenrentenbescheiden mit Anrechnung geschätzten Einkommens (§ 97 SGB VI in Verbindung mit §§ 18a ff. SGB IV)

Wurde bei der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI ein geschätztes Arbeitseinkommen und/oder Vermögenseinkommen zugrunde gelegt, erfolgte die Rücknahme des Bescheides nach der Kenntnis des tatsächlichen Einkommens (Vorlage des Einkommensteuerbescheides) bislang in der Regel nach § 45 SGB X.

Mit Wirkung zum 01.01.2017 wurde § 18b Abs. 2 SGB IV um einen 6. Satz ergänzt, wonach, sofern das zu berücksichtigende Einkommen des vorigen Kalenderjahres noch nicht feststeht, das voraussichtlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen ist. Außerdem wurde § 18d Abs. 1 SGB IV um einen 2. Satz ergänzt. Eine Änderung des Einkommens ist danach auch die Änderung des zu berücksichtigenden voraussichtlichen Einkommens oder die Feststellung des tatsächlichen Einkommens nach der Berücksichtigung voraussichtlichen Einkommens (Art. 1 des 6. SGB IV-Änderungsgesetzes vom 11.11.2016, BGBl. I S. 2500).

Die Änderung der oben genannten Vorschriften ermöglicht ab dem 01.01.2017 die Aufhebung von Bescheiden, bei denen zunächst ein geschätztes Einkommen zugrunde gelegt wurde, nach § 48 SGB X. Nach § 18d Abs. 1 S. 2 SGB IV liegt nämlich eine Änderung in den Verhältnissen vor, wenn mit der Vorlage des Einkommensteuerbescheides das tatsächliche Einkommen des Berechtigten nachgewiesen ist. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 in Verbindung mit S. 3 SGB X ist auch eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit möglich.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Prognose des voraussichtlichen Einkommens anfänglich rechtswidrig war, zum Beispiel weil der Rentenversicherungsträger aus den vorgelegten Unterlagen unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen hat. In diesen Fällen richtet sich die Prüfung der Rücknahme weiterhin nach §§ 44, 45 SGB X. Eine Prognose ist allerdings nicht schon deshalb rechtswidrig, weil das tatsächliche durch den Einkommensteuerbescheid nachgewiesene Einkommen (erheblich) von der Prognose abweicht. Rechtswidrig ist sie vielmehr dann, wenn die Erstellung der Prognose als solche fehlerbehaftet war.

Neufeststellung der Rente bei einer zeitlich beschränkten Rücknahme eines AAÜG-Entgeltbescheides durch den Zusatz- oder Sonderversorgungsträger

Hat der Zusatz- oder Sonderversorgungsträger zusätzliche Entgeltbestandteile nach dem AAÜG anerkannt und teilt er dem Rentenversicherungsträger in der Mitteilung über die Änderung der AAÜG-Daten mit, dass er seinen bisherigen AAÜG-Entgeltbescheid nur zeitlich beschränkt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen hat, können die höheren AAÜG-Entgelte der Rentenberechnung erst ab dem Zeitpunkt zugrunde gelegt werden, von dem an der bisherige AAÜG-Entgeltbescheid zurückgenommen wurde.

Damit bleibt der bisherige AAÜG-Entgeltbescheid bis zu diesem Zeitpunkt bestehen. Der Rentenversicherungsträger ist insoweit an die mit diesem Bescheid festgestellten Entgelte gemäß § 8 Abs. 5 S. 2 AAÜG weiter gebunden.

Die sich unter Berücksichtigung der höheren AAÜG-Entgelte ergebende Rente ist allerdings nach § 100 Abs. 1 S. 1 SGB VI erst ab dem Kalendermonat zu leisten, zu dessen Beginn die vom Zusatz- oder Sonderversorgungsträger mitgeteilten höheren AAÜG-Entgelte gelten. Für den bisherigen Rentenbescheid bedeutet dies eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu Gunsten der rentenberechtigten Person im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X.

Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach der bis zum 30.06.2017 geltenden Rechtslage (§§ 34 Abs. 2, 96a, 313 SGB VI jeweils in der Fassung bis 30.06.2017)

Beim Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach der bis zum 30.06.2017 geltenden Rechtslage (§ 34 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017, § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 und § 313 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017) ist hinsichtlich der Bescheidaufhebung Folgendes zu beachten:

Soweit es um die Aufhebung des Rentenbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit geht (längstens bis zum 30.06.2017), ist zu beachten, dass eine Aufhebung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 (Erzielung von Einkommen) nur in Höhe des die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden Mehrverdienstes zulässig ist. Darüber hinaus ist eine Aufhebung des Rentenbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit unter den Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 (Verletzung einer Mitteilungspflicht) oder des Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 (Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Rechtswidrigkeit) zulässig (BSG vom 23.03.1995, AZ: 13 RJ 39/94). Sofern aufgrund der im Rentenbewilligungsbescheid gegebenen Hinweise und der dort genannten Mitteilungspflichten die beiden genannten Voraussetzungen gegeben sind, ist eine vollständige rückwirkende Bescheidaufhebung zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Hinzuverdienstgrenze nur geringfügig überschritten wurde.

Sind alle drei Aufhebungsvoraussetzungen gegeben (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 und 4 SGB X), sollte die Bescheidaufhebung bei dieser Fallgestaltung auf diese drei Vorschriften gestützt werden.

Siehe Beispiel 4

Die oben genannte Rechtsprechung hat keine Bedeutung für die Einkommensanrechnungsvorschriften, nach denen bereits materiell-rechtlich die Minderung des Anspruchs auf den Umfang des Einkommenszuwachses begrenzt ist (wie beispielsweise bei den Vorschriften §§ 93, 97 SGB VI).

Soweit es darum geht, welcher Rentenbescheid aufzuheben ist, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um das Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 oder nach § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 handelt.

Handelt es sich um das Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017, ist stets der Rentenbewilligungsbescheid aufzuheben, also auch dann, wenn zwischenzeitlich Neufeststellungs- oder Neuberechnungsbescheide erteilt wurden. Denn die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze im Sinne von § 34 Abs. 2 und 3 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 betrifft nicht die Höhe des monatlichen Zahlbetrages, sondern das zugrunde liegende (Stamm-)Recht auf Rente selbst (BSG vom 04.05.1999, AZ: B 4 RA 55/98 R).

Handelt es sich um das Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze nach § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017, ist der Rentenbescheid aufzuheben, der die Rentenhöhe für den Zeitraum geregelt hat, der von der beabsichtigten Bescheidaufhebung betroffen ist. Denn bei der Regelung des § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 handelt es sich - anders als bei der Hinzuverdienstregelung für die Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 34 Abs. 2 und 3 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017) - nicht um eine negative Anspruchsvoraussetzung mit der Folge, dass der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dem Grunde nach weiterhin gegeben ist.

Beispiel 1: Änderung in den Verhältnissen bei falschen Voraussetzungen

(Beispiel zu Abschnitt 2.2)

Es ist eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, weil aufgrund einer Fehldiagnose von einer derartigen Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgegangen wurde, dass auch der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen anzusehen war. Später ändert sich die Lage am Arbeitsmarkt derart, dass der Teilzeitarbeitsmarkt trotz der angenommenen Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr verschlossen ist.

Lösung:

Der Bescheid kann nach § 48 SGB X aufgehoben werden, weil die Tatsache, dass der Teilzeitarbeitsmarkt nicht mehr verschlossen ist, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen darstellt.

Beispiel 2: Überprüfung aufgrund Mitteilung

(Beispiel zu Abschnitt 5)

SachverhaltDatum
Rentenbeginn01.10.2000
Eingang der Mitteilung über Änderung der Verhältnisse16.12.2005
Neufeststellungs- beziehungsweise Neuberechnungsbescheid11.02.2006
Rentenbeginn unverändert01.10.2000

Lösung:

4-Jahres-Zeitraum: 01.01.2001 bis 31.12.2004

frühester Leistungsbeginn: 01.01.2001

Beispiel 3: Überprüfung von Amts wegen

(Beispiel zu Abschnitt 5)

SachverhaltDatum
Rentenbeginn01.10.2000
Beginn des Überprüfungsverfahrens von Amts wegen16.12.2005
Neufeststellungs- beziehungsweise Neuberechnungsbescheid11.02.2006
Rentenbeginn unverändert01.10.2000

Lösung:

4-Jahres-Zeitraum: 01.01.2002 bis 31.12.2005

frühester Leistungsbeginn: 01.01.2002

Beispiel 4: Überschreiten von Hinzuverdienstgrenzen

(Beispiel zu Abschnitt 6.2.1.2)

Der Rentenempfänger bezieht eine Altersrente als Vollrente ab dem 01.04.2005.

Die monatliche Hinzuverdienstgrenze beträgt für die Vollrente 345,00 EUR

und für die 2/3 Teilrente 600,00 EUR.

Die Höhe des Hinzuverdienstes beträgt 350,00 EUR.

Aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze mindert sich die monatliche Rente von 750,00 EUR auf 500,00 EUR.

Die Überzahlung beträgt 250,00 EUR.

Lösung:

Der Rentenbescheid kann hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X nur insoweit aufgehoben werden, als sich durch die Aufhebung eine Überzahlung in Höhe von 5,00 EUR ergibt.

Hinsichtlich der verbleibenden 245,00 EUR kann der Rentenbescheid nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X oder des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X aufgehoben werden.

Beispiel 5: Wesentliche Änderung in den Verhältnissen

(Beispiel zu Abschnitt 2.2)

SachverhaltDatum bzw. Zeitraum
EM-Rentenbescheid12.06.2004
Beginn der EM-Rente01.12.2003
Verletzten-Rentenbescheid02.08.2008
Beginn der Verletztenrente01.12.2003
Laufende Zahlung der Verletztenrente01.09.2008
Nachzahlungszeitraum der Verletztenrente01.12.2003 bis 31.08.2008
Neuberechnungsbescheid (§ 93 SGB VI)23.10.2008
Zeitraum der Rentenüberzahlung01.12.2003 bis 30.11.2008

Lösung:

Wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X, die dazu führt, dass der Rentenbescheid für den Zeitraum des Bestehens des Erstattungsanspruches rechtmäßig bleibt, tritt die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides erst mit der laufenden Zahlung der Verletztenrente am 01.09.2008 ein. Der Rentenbescheid vom 12.06.2004 ist daher erst ab 01.09.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 SGB X aufzuheben.

Beispiel 6: Wesentliche Änderung in den Verhältnissen

(Beispiel zu Abschnitt 2.2)

SachverhaltDatum
Hinterbliebenenrentenbescheid mit Einkommensanrechnung (§ 97 SGB VI)11.03.2009
Beginn der Hinterbliebenenrente01.02.2009
Kenntnis, dass sich das Einkommen wegen einer Tariferhöhung rückwirkend ab 01.01.2009 erhöht hat05.05.2009

Lösung:

Wegen der Fiktion des § 48 Abs. 1 S. 3 SGB X gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse der 01.02.2009 mit der Folge, dass der Hinterbliebenenrentenbescheid ab Rentenbeginn (01.02.2009) nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X aufgehoben werden kann.

Beispiel 7: Aussparung bei rechtswidriger Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz - Regelaltersrente

(Beispiel zu Abschnitt 10.6)

SachverhaltDatum
Versicherter geboren am16.05.1948
Rechtswidrige Auskunft über das Bestehen von Vertrauensschutz für die Regelaltersrente, die nicht mehr rücknehmbar ist15.03.2009
Frühestmöglicher Rentenbeginn nach dieser Auskunft (nach Vollendung des 65. Lebensjahres)01.06.2013
Frühestmöglicher materiell rechtmäßiger Rentenbeginn (nach Vollendung des 65. Lebensjahres und zwei Monaten)01.08.2013

Lösung:

Bei fristgemäßer Antragstellung und der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit ist die Regelaltersrente aufgrund der rechtswidrigen nicht rücknehmbaren Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz ab 01.06.2013 zu zahlen. Jedoch hat eine Aussparung zu erfolgen, denn ein materiell rechtmäßiger Anspruch auf diese Rente besteht nicht. Das bedeutet, dass die materiell-rechtlich nicht zustehende Rente so lange statisch, also ohne Anpassung, zu zahlen ist, bis ein rechtmäßiger Rentenanspruch besteht und der rechtmäßig zustehende Bruttorentenbetrag den bisherigen, statisch geleisteten Bruttorentenbetrag übersteigt. Ab dem 01.08.2013 besteht ein materiell rechtmäßiger Anspruch auf die Regelaltersente, sodass sie nunmehr - sofern sie den bisher geleisteten Betrag übersteigt - ohne Aussparung, also dynamisch, zu zahlen ist.

Beispiel 8: Aussparung bei rechtswidriger Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz - Altersrente wegen Arbeitslosigkeit

(Beispiel zu Abschnitt 10.6)

SachverhaltDatum
Versicherter geboren am20.10.1949
Rechtswidrige Auskunft über das Bestehen von Vertrauensschutz für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, die nicht mehr rücknehmbar ist15.03.2009
Frühestmöglicher Rentenbeginn nach dieser Auskunft (nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit einem Abschlag von 18 %)01.11.2009

Frühestmöglicher materiell rechtmäßiger Rentenbeginn (nach Vollendung des 63. Lebensjahres mit einem Abschlag von 7,2 %); der materiell rechtmäßige

Bruttorentenbetrag ist höher als der bisherige, statisch geleistete Bruttorentenbetrag

01.11.2012

Lösung:

Bei fristgemäßer Antragstellung und dem Vorliegen aller (weiteren) Voraussetzungen ist die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aufgrund der rechtswidrigen nicht rücknehmbaren Feststellung über das Bestehen von Vertrauensschutz ab 01.11.2009 mit einem Abschlag von 18 % zu zahlen. Jedoch hat eine Aussparung zu erfolgen, denn ein materiell rechtmäßiger Anspruch auf diese Rente besteht nicht. Das bedeutet, dass die materiell-rechtlich nicht zustehende Rente so lange statisch, also ohne Anpassung, zu zahlen ist, bis ein rechtmäßiger Rentenanspruch besteht und der rechtmäßig zustehende Bruttorentenbetrag den bisherigen, statisch geleisteten Bruttorentenbetrag übersteigt. Ab dem 01.11.2012 besteht ein materiell rechtmäßiger, höherer Anspruch auf die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, sodass sie nunmehr ohne Aussparung, also dynamisch, und mit einem Abschlag von 7,2 % zu zahlen ist.

Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.01.2001 (BGBl. I S. 130)
Inkrafttreten: 01.01.2001

Aufgrund des Artikel 66 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) wurde die Neufassung des SGB X in der vom 01.01.2001 an geltenden Fassung bekannt gemacht.

Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998 (BGBl. I S. 688)

Inkrafttreten: 15.04.1998

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/10033

Durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998 wurde Absatz 4 Satz 1 um die entsprechende Geltung des § 45 Abs. 3 S. 4 und 5 SGB X erweitert. Ferner wurde in Absatz 4 die entsprechende Geltung des § 45 Abs. 4 SGB X auf dessen Satz 2 eingeschränkt.

2. SGBÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 18.06.1994

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/5187

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 13.06.1994 wurde Absatz 4 um die entsprechende Geltung des § 44 Abs. 4 SGB X erweitert.

Rü-ErgG vom 24.06.1993 (BGBl. I S. 1038)

Inkrafttreten: 01.07.1993

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/4810

Durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993 wurde Absatz 3 um Satz 2 erweitert.

SGB X - Art. II - Übergangs- und Schlussvorschriften sowie weitere Änderungen von Gesetzen vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.07.1983

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 9/1753

In Absatz 4 Satz 2 wurde die Angabe „Abs. 1 Satz 3 Nr. 1“ durch „Abs. 1 Satz 2 Nr. 1“ ersetzt.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910

Mit § 48 SGB X wurde für den Bereich der Sozialverwaltung eine Generalvorschrift für die Aufhebung von Verwaltungsakten bei Änderung in den Verhältnissen geschaffen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 48 SGB X