Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

5 RKn 84/64

Aus den Gründen

Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente - sog. Geschiedenen-Witwenrente - nach § 65 RKG, § 1265 RVO zusteht.

Die Ehe der Klägerin mit dem im Jahre 1895 geborenen früheren Bergmann G. P. wurde durch Urt. des LG Kassel vom 16.6.1951 aus alleinigem Verschulden des P. geschieden. P. starb am 16.4.1959. Er hat der Klägerin bis zu seinem Tode keinen Unterhalt geleistet. Die Klägerin bestritt ihren Lebensunterhalt zuletzt vor dem Tode des P. von einer ihr am 24.6.1954 bewilligten Kriegsschadenrente, die vom 1.4.1957 an 120 DM monatlich betrug. P., der schon seit 1949 arbeitslos war, bezog vom 1.1.1957 an von der Beklagten Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG in Höhe von monatlich 135 DM. Am 11.9.1958 beantragte er die Gewährung der Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nach seinem Tode bewilligte die Beklagte durch Besch. vom 6.7.1961 die Gesamtleistung wegen Erwerbsunfähigkeit, und zwar für die Zeit vom 1.9. bis zum 31.12.1958 in Höhe von monatlich 342,30 DM und für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.4.1959 in Höhe von monatlich 362,70 DM, nachdem der behandelnde Arzt nach dem Tode des P. in einer gutachtlichen Äußerung vom 12.3.1961 bescheinigt hatte, daß P. wahrscheinlich an einem Herzinfarkt gestorben sei. Diese Beträge zahlte die Beklagte - nach Abzug der an P. für die Zeit vom 1.9.1958 bis zum 30.4.1959 gezahlten Bergmannsrente - an dessen Tochter und Erbin, Frau H. T., aus.

Am 26.4.1959 beantragte die Klägerin die Gewährung der sog. Geschiedenen-Witwenrente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

Nachdem der Anspruch der Klägerin durch Besch. vom 4.1.1966 für die Zeit vom 1.7.1965 an nach § 65 Satz 2 RKG, § 1265 Abs. 2 RVO i.d.F. des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - RVÄndG - vom 9.6.1965 - BGBl. I 476 - anerkannt worden ist, besteht nur noch Streit über den Anspruch auf sog. Geschiedenen-Witwenrente für die Zeit vom 1.4.1959 bis zum 30.6.1965.

Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 65 RKG a.F., § 1265 RVO a.F. für die noch streitige Zeit nicht zusteht. Nach diesen Vorschriften hat die frühere Ehefrau eines Versicherten u.a. Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn ihre Ehe mit dem Versicherten geschieden ist und wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er ihr im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Da P. der Klägerin, wie das Berufungsgericht unangefochten festgestellt hat, im Jahre vor seinem Tode keinen Unterhalt geleistet hat und für einen Unterhaltsanspruch „aus einem sonstigen Grunde“ im Sinne dieser Vorschriften keinerlei Anhalt gegeben ist, kommt es entscheidend darauf an, ob der Versicherte zur Zeit seines Todes nach den Vorschriften des Ehegesetzes verpflichtet war, der Klägerin Unterhalt zu leisten. Das ist, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, nicht der Fall.

Nach § 58 Abs. 1 EheG 1946 hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und den Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Würde der Mann allerdings durch Gewährung des Unterhalts den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, so braucht er nach § 59 Abs. 1 a.a.O. nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürftigkeit und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Wenn sein eigener notwendiger Unterhalt durch eine Unterhaltsleistung an die frühere Ehefrau nicht mehr gewährleistet ist, entfällt eine Unterhaltspflicht sogar ganz. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Klägerin aus diesem Grunde keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren früheren Ehemann hatte. Das Einkommen des P. war während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode so gering, daß er kaum seinen eigenen notwendigen Unterhalt bestreiten konnte. Während der Zeit vom 1.1.1956 bis zu seinem Tode war P. arbeitslos und hatte nur ein Einkommen von monatlich 135 DM in Form der Bergmannsrente. Dieser Betrag reichte nicht aus, um den eigenen notwendigen Unterhalt des P. während dieses Zeitraumes zu bestreiten. Mangels Unterhaltsfähigkeit war er daher nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Allerdings hatte der Versicherte vor seinem Tode die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt. Diese war ihm jedoch vor seinem Tod noch nicht bewilligt worden, so daß sie ihm bis zu seinem Tod auch noch nicht zur Verfügung stand. Sie ist erst, wenn auch rückwirkend, durch Besch. vom 6.7.1961 bewilligt worden, und zwar für die Zeit vom 1.9.1958 an in Höhe von 342,30 DM und für die Zeit vom 1.1.1959 an in Höhe von 362,70 DM monatlich unter Abzug der für diese Zeit gezahlten Bergmannsrente. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß diese Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit des Klägers vor seinem Tode nicht berücksichtigt werden kann. Es darf nicht verkannt werden, daß der Unterhalt nach § 62 EheG 1946 grundsätzlich durch Zahlung einer Geldrente zu leisten ist. Der geschiedene Ehemann ist zur Zahlung einer Geldrente aber nur fähig, wenn ihm bares Geld oder alsbald sicher zu liquidierendes sonstiges Vermögen - einschließlich Forderungen - zur Verfügung steht. Ansprüche auf Erwerbsunfähigkeitsrente, die noch nicht durch Besch. festgestellt worden sind, können demnach grundsätzlich noch nicht berücksichtigt werden. Denn der Versicherte kann vor der Rentenfeststellung noch keine Auszahlung verlangen (vgl. dazu auch SozR Nr. 1 zu § 65 RKG und 4 RJ 229/60 vom 24.2.1965). Zwar könnte daran gedacht werden, künftig festzustellende Rentenansprüche dann zu berücksichtigen, wenn der Versicherte schon mit einem Rentenvorschuß rechnen kann. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Die VersTr pflegen auf Antrag Rentenvorschüsse nur dann zu zahlen, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eindeutig vorliegen und wenn ein von ihnen angefordertes ärztliches Gutachten die Berufsunfähigkeit oder die Erwerbsunfähigkeit des Versicherten bestätigt. Bis zum Tode des P. lag aber der Beklagten kein ärztliches Zeugnis vor, das Schlüsse auf die Erwerbsunfähigkeit oder zumindest auf die Berufsunfähigkeit zuließ. Es war also auch für die Beklagte noch ungewiß, ob und wann der Rentenanspruch festgestellt werden würde. P. konnte deshalb noch nicht mit der Gewährung eines Vorschusses rechnen.

Die Beigeladene meint nun, der Versicherte hätte vor seinem Tode der Klägerin zu deren Unterhalt seinen Rentenanspruch ganz oder teilweise abtreten können; da dies möglich gewesen sei, müsse man auch annehmen, daß er unterhaltsfähig gewesen sei. Die Beigeladene verkennt, daß der Unterhalt nach § 62 EheG 1946 nur durch Geldleistungen erfüllt werden kann. Der Versicherte wäre daher, selbst wenn er willens gewesen wäre, nicht in der Lage gewesen, der Klägerin durch Abtretung seines Rentenanspruchs Unterhalt zu leisten. ...

Der 4. Senat des BSG hat zwar in seinem Urteil vom 27.10.1964 (SozR Nr. 26 zu § 1265 RVO) entschieden, daß die auf Grund der RAGe durchgeführte Erhöhung von bereits festgestellten Renten zu berücksichtigen ist, auch wenn dem Versicherten vor seinem Tode eine Mitteilung über die Rentenerhöhung noch nicht zugegangen und die Zahlung des höheren Rentenbetrages noch nicht erfolgt ist. In diesen Fällen handelt es sich aber um einen alsbald sicher zu realisierenden Anspruch, der nur von der Berechnung des kraft Ges. zu gewährenden höheren Rentenbetrages abhängt.

Die Revision meint weiter, die Beklagte habe ihre Verpflichtung schuldhaft verletzt, weil sie den Antrag des Versicherten auf Bewilligung der Rente sehr langsam bearbeitet habe. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Der Rentenantrag ist am 2.9.1958 gestellt worden, und der Versicherte ist am 16.4.1959 gestorben. Angesichts der gerichtsbekannten erheblichen Arbeitsbelastung der Knappschaften zu jener Zeit kann nicht davon gesprochen werden, daß ein Verschulden eines Bediensteten der Beklagten oder der Hessischen Knappschaft vorgelegen hat, zumal die Anträge grundsätzlich in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet werden müssen.

Da der Klägerin somit für die Zeit vor dem 1.7.1965 kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 65 RKG a.F. § 1265 RVO a.F. zusteht, ist das Urt. des Berufungsgerichts zutreffend. Die Revision der Beigeladenen ist insoweit unbegründet.

Zusatzinformationen