Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

12/3 RJ 176/59

Aus den Gründen

Nach der 2. Alternative des § 1265 RVO ist entscheidend, ob der Versicherte der geschiedenen Ehefrau im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt geleistet hat (BSG in SozR RVO § 1265 Bl. Aa 4 Nr. 6). Als Leistung von Unterhalt i.S. dieser Vorschrift können seiner Wesensart und Zweckbestimmung nach nur Zuwendungen angesehen werden, die der Deckung des laufenden Lebensbedarfs dienen. „Unterhalt leisten" i.S. des § 1265 kann m.a.W. nur bedeuten, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG in SozR RVO § 1265 Bl. Aa 11 Nr. 13), den laufenden wirtschaftlichen Lebensbedarf eines anderen unabhängig von einer Gegenleistung des anderen befriedigen.

Unterhaltsgewährung beinhaltet demnach die Bereitstellung der laufenden Mittel, die der Bedürftige zum Leben bedarf, also der Gegenstände und Leistungen, die zum Leben benötigt werden (vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., 1963, 42 ff.). Das Berufungsgericht hat eine tatsächliche Unterhaltsgewährung des Versicherten an die Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode darin erblickt, daß er am 22.02.1944 zu ihren Gunsten auf die Zahlung von 400,00 RM verzichtet habe, nämlich auf die Erstattung des Wertes der Eigenleistungen, die der Versicherte bei Errichtung des Wohnhauses erbracht hatte und welche die Klägerin als Übernehmerin der Siedlungsstelle dem Versicherten hätte leisten müssen. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Der Sinn der Erklärung des Versicherten, daß seine Ehefrau das Siedlungsanwesen erhalten solle und daß er auf seine Rechte aus der Heimstätte verzichte, war vielmehr der, seine Rechte an der Siedlungsstelle gegenüber der Siedlungsgesellschaft der Klägerin kostenlos zu verschaffen, Darin ist eine unentgeltliche Zuwendung der Rechte des Versicherten hinsichtlich der Siedlung an die Klägerin zu erblicken. Die Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung schließt es aus, daß eine Forderung des Versicherten gegen die Klägerin auf Zahlung des Betrages von 400,00 RM entstanden und von ihm erlassen worden ist.

In der Mitwirkung des Versicherten zu diesem Vermögenserwerb der Klägerin kann keine tatsächliche Leistung von Unterhalt zur Zeit seines Todes gesehen werden. Der Versicherte hat hierdurch zwar zur Existenzsicherstellung der Klägerin nach der Scheidung beigetragen, er hat ihr aber nicht Unterhalt i.S. des § 1265 RVO geleistet. Diese Mittel, die nicht zum Verbrauch bestimmt sind, sondern Anlagekapital darstellen, durch dessen Nutzung die geschiedene Ehefrau ihren laufenden Lebensbedarf ganz oder teilweise decken soll, können nicht als Unterhaltsmittel i.S. des § 1265 RVO angesehen werden, da das Wesen von Unterhaltsmitteln ja gerade darin besteht, daß sie verbraucht werden. Die aus diesem Anlagekapital fließenden Nutzungen sind zwar ihrer Art nach Unterhaltsmittel, da sie zum Verbrauch bestimmt sind, sie sind aber Nutzungen aus eigenem Vermögen der geschiedenen Ehefrau. Der Begünstigte verbleibt auch über den Tod des Gewährenden hinaus im Besitz und Genuß der auf ihn übertragenen Vermögenswerte, so daß er durch den Tod des Gewährenden insoweit keine wirtschaftliche Einbuße erleidet, die in Gestalt einer Hinterbliebenenrente gem. § 1265 RVO auszugleichen wäre. Mit dem Sinn und Zweck des § 1265 RVO wäre es nicht zu vereinbaren, wenn nach dem Tode des Versicherten neben der weiterlaufenden Nutzung aus diesem Vermögenswert auch noch die sog. Geschiedenen-Witwenrente zu zahlen wäre.

Wenn der Versicherte durch seine Erklärungen im Scheidungstermin am 22.02.1944 dazu beigetragen hat, daß die Klägerin Eigentümerin der Siedlungsstelle geworden ist, so kann darin also keine tatsächliche Leistung von Unterhalt im letzten Jahr vor seinem Tode i.S. des § 1265 RVO gesehen werden. Dies wäre jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Versicherte, wie das LSG annimmt, sich in dem Termin zur mündlichen Verhandlung im Ehescheidungsverfahren am 22.02.1944 zugunsten der Klägerin aller seiner Rechte an der Siedlungsstelle begeben hätte; denn dann hätte die Klägerin schon von diesem Zeitpunkt an den Besitz an dem Grundstück aus eigenem Recht ausgeübt und die Nutzungen der Siedlungsstelle auf eigene Kosten gezogen.

Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Versicherte auch nach der Scheidung bis zu seinem Tode noch der Inhaber dieser Rechte gewesen wäre, etwa weil die Übertragung der Rechte wegen Formmangels nichtig wäre oder aber weil die vor dem Scheidungsrichter abgegebenen Erklärungen der früheren Eheleute nicht als Übertragung dieser Rechte, sondern nur als eine Vereinbarung dahin beurteilt werden müßten, daß der Versicherte der Klägerin die Nutzung aus seinen Rechten, nicht aber diese selbst überlassen hätte. In dieser letzten Vereinbarung könnte allerdings eine Unterhaltsgewährung des Versicherten an die Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode i.S. des § 1265 RVO gesehen werden; denn wenn auch der Unterhalt vom geschiedenen Ehegatten gem. § 70 Abs. 1 EheG 1938 in der Regel durch Zahlung einer Geldrente zu erbringen ist, so kann der zum Unterhalt nicht verpflichtete geschiedene Ehemann seiner früheren Ehefrau doch auch dadurch tatsächlich Unterhalt gewähren, daß er ihr gestattet, die ihm gehörige Siedlungsstelle als Wohnung und zur Gewinnung von Nahrungsmitteln und anderen Einkünften, wie durch Vermietung von Räumen oder durch Veräußerung der aus dem Siedlungsgrundstück gewonnenen wirtschaftlichen Produkte, zur Deckung ihres Lebensbedarfs zu verwenden. Eine solche Nutzungsübertragung braucht jedenfalls nicht eine so sichere und dauerhafte Grundlage zu haben, daß die geschiedene Ehefrau auch noch nach dem Tode des Versicherten fest mir ihr rechnen konnte, wie es bei einer Übertragung der Rechte der Fall wäre. Insoweit könnte die Frage, ob der Klägerin in einem solchen Falle ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zusteht, u.U. eine andere Beurteilung erfahren. Es kommt allein auf die Einzelheiten dieser Abmachungen an.

Zusatzinformationen