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1 RA 3/86

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Geschiedenen-Witwenrente aus der Versicherung des am 18. Mai 1982 verstorbenen Versicherten G. K.

Die 1945 geschlossene Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde am 20. März 1969 aus dessen Verschulden geschieden. Zuvor hatten die Eheleute für den Fall der Scheidung vereinbart, daß der Versicherte der Klägerin Unterhalt in Höhe von 300,00 DM monatlich zahlt, es sei denn, die Klägerin verdiene monatlich netto mehr als 500,00 DM. Dieser Vergleich wurde im August 1971 - nachdem der Versicherte eine zweite Ehe mit der Beigeladenen eingegangen war - in einem Unterhaltsverfahren vor dem Amtsgericht Bochum dahin abgeändert, daß nur noch 100,00 DM monatlich zu zahlen sind, wenn und solange das Nettoeinkommen der Klägerin 600,00 DM nicht übersteigt.

Zur Zeit des Todes des Versicherten hatte die Klägerin ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 1.745,00 DM brutto. Der Versicherte, der wegen eines zum Tode führenden Krebsleidens seit dem 26. Mai 1981 arbeitsunfähig krank war, zahlte in den Monaten Januar bis Mai 1982 der Klägerin jeweils 100,00 DM Unterhalt. Außerdem überwies er im März 1982 weitere 1.200,00 DM mit dem Vermerk: Unterhalt für 1. Januar 1981 bis 31. Dezember 1981.

Den Antrag der Klägerin vom 27. Mai 1982 auf Gewährung von Geschiedenen-Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 1982 ab. Nach Beiladung der Witwe wurde die Beklagte vom Sozialgericht (SG) Dortmund mit Urteil vom 29. November 1984 verurteilt, der Klägerin ab 1. Juni 1982 Geschiedenen-Witwenrente zu gewähren. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beigeladenen hatte Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1985). Das LSG hat die Abweisung der Klage im wesentlichen damit begründet, daß keine der Voraussetzungen des § 42 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erfüllt sei. Insbesondere habe der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod nicht tatsächlich Unterhalt i.S. der 3. Regelung dieser Bestimmung geleistet. Ungeachtet dessen, daß ein Betrag von 100,00 DM der Höhe nach ausreiche, um als Unterhalt im Sinne von § 42 AVG gelten zu können, fehle es an regelmäßigen monatlichen Unterhaltszahlungen für den vollen Jahreszeitraum vor dem Tod des Versicherten. Dieser habe solche Zahlungen erst ab Januar 1982 erbracht. Die rückwirkend für das Jahr 1981 in einem Betrag gezahlten 1.200,00 DM reichten nicht aus, um den Tatbestand des § 42 Satz 1, 3. Regelung AVG zu erfüllen; denn derartige Nachzahlungen seien nicht geeignet, die Erwartung zu begründen, daß auch künftig regelmäßige Unterhaltsleistungen erbracht würden. Eine solche Erwartung habe die Klägerin vor allem deshalb nicht hegen können, weil der Versicherte sowohl die Einmalzahlung als auch die laufenden Unterhaltsleistungen ab Januar 1982 erst zu einem Zeitpunkt erbracht habe, als er an Krebs erkrankt gewesen sei und gewußt habe, daß er nur noch kurze Zeit zu leben habe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 42 Satz 1 AVG. Das LSG habe verkannt, daß Unterhaltsnachzahlungen in gleichem Maße wie Unterhaltsvorauszahlungen den Erfordernissen der hier allein zu prüfenden 3. Regelung des § 42 Satz 1 AVG genügen könnten, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - die berechtigte Annahme zuließen, daß bei dem Versicherten der ernsthafte Wille bestanden habe, auch künftig Unterhaltszahlungen regelmäßig monatlich in bestimmter Höhe zu erbringen. Ein solcher Wille ergebe sich beim Versicherten aus der Nachzahlung in Verbindung mit den laufenden monatlichen Unterhaltszahlungen für den Zeitraum von Januar bis Mai 1982.

Die Klägerin beantragt,

  • das angefochtene Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1985 aufzuheben und die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des SG Dortmund vom 29. November 1984 zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

  • die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf die Geschiedenen-Witwenrente.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist, war die Klägerin mit Rücksicht auf ihr eigenes Erwerbseinkommen - zur Zeit des Todes des Versicherten monatlich 1.745,00 DM brutto - nicht unterhaltsbedürftig und hat daher gegen diesen keinen Unterhaltsanspruch nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) gehabt. Wegen ihres Einkommens hat auch eine Unterhaltsverpflichtung aus sonstigem Grund nicht bestanden, weil der am 25. August 1971 geschlossene gerichtliche Unterhaltsvergleich den Versicherten nur solange zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 100,00 DM verpflichtet hatte, als das monatliche Nettoeinkommen der Klägerin 600,00 DM nicht überstieg. Das LSG ist daher zutreffend und von der Revision unwidersprochen davon ausgegangen, daß die Klägerin weder nach der 1. noch nach der 2. Regelung des allein in Betracht kommenden § 42 Satz 1 AVG (hier in der bis 31. Dezember 1985 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 14. Juni 1976, BGBl. I S. 1421) einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat.

Das LSG hat im Ergebnis auch zu Recht einen Anspruch aus der 3. Regelung des § 42 Satz 1 AVG verneint. Danach ist der Klägerin die begehrte Rente nur dann zu gewähren, wenn ihr der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Diese Voraussetzungen sind ungeachtet der Frage, ob monatliche Zahlungen von 100,00 DM seinerzeit der Höhe nach ausgereicht hätten, um als Unterhalt gelten zu können, schon deshalb nicht erfüllt, weil es an regelmäßigen monatlichen Unterhaltszahlungen „im“ letzten Jahr, d.h. während des vollen Jahreszeitraums vor dem Tod des Versicherten, fehlt. Wenn der Gesetzgeber über die erste und zweite Regelung des § 42 Satz 1 AVG hinaus auch die frühere Ehefrau ohne Unterhaltsanspruch für schutzwürdig erklärt, so ersichtlich nur insoweit, als die während des letzten Jahres tatsächlich erbrachten Zahlungen „wie geschuldeter Unterhalt“ geleistet worden sind, nämlich grundsätzlich Monat für Monat ein der Höhe nach feststehender Betrag (im Sinne einer Unterhaltsrente) tatsächlich gezahlt worden ist. Nur bei einer solchen regelmäßigen Zahlungsweise, die einen Dauerzustand - im Sinne zeitlicher Kontinuität - erwarten läßt, wird vom Gesetzgeber zugleich „unterstellt“, daß der Versicherte ohne seinen Tod den Unterhalt in der bisherigen Weise weitergezahlt hätte, so daß sich die frühere Ehefrau auf einen dauernden Bezug von Unterhalt seitens des Versicherten einstellen durfte. Die Rechtsprechung fordert insoweit, daß die Zahlungen während des maßgebenden Jahreszeitraumes „ununterbrochen fortlaufend“, „ohne Unterhaltslücken“, „stetig wiederkehrend“, „kontinuierlich“, „regelmäßig“, „jedenfalls mit gewisser Regelmäßigkeit“ erbracht worden sein müssen, wobei nur in Ausnahmefällen Abweichungen von dieser Regelmäßigkeit zugelassen werden (vgl. BSG SozR Nrn. 7, 18, 34, 48, 55 zu § 1265 RVO; SozR 2200 § 1265 Nr. 4 = BSGE 40, 37; a.a.O. Nr. 24 = BSGE 43, 37; a.O. Nr. 26 = BSGE 43, 221; a.a.O. Nr. 36 = BSGE 47, 162). Hat der Versicherte nur während eines Teils des letzten Jahres fortlaufend Unterhalt geleistet, bedarf es deshalb besonderer Umstände, die die gesetzliche Unterstellung einer auf Dauer angelegten, gleichbleibenden Unterhaltslage rechtfertigen. Daran fehlt es hier.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG hat der Versicherte lediglich von Januar 1982 bis zu seinem Tode im Mai 1982 regelmäßige Unterhaltszahlungen erbracht; hingegen hat er „im“ Jahre 1981 - wie in den vorhergehenden Jahren - keinen Unterhalt geleistet, ohne daß ersichtlich ist, daß er hierzu aus subjektiv nicht zu behebenden oder zu beeinflussenden Gründen außerstande war. Die Rechtsprechung hat bisher laufende Unterhaltszahlungen während nur eines Teiles des letzten Jahres lediglich in besonderen Fällen „subjektiv unvermeidbarer Zahlungshindernisse“ genügen lassen. So hat der erkennende Senat einer geschiedenen Frau, der der Versicherte nur in den letzten vier Monaten vor seinem Tod Unterhalt gezahlt hatte, die Rente zugesprochen, weil er in der Zeit davor in der DDR gelebt hatte und daher durch Umstände, die er weder beeinflussen noch gar beheben konnte, an der Gewährung laufender Unterhaltszahlungen gehindert war (BSGE 12, 279 = SozR Nr. 7 zu § 1265 RVO). Der 11. Senat hat die Rente in einem Fall zugesprochen, in dem der Versicherte knapp zehn Monate nach der Ehescheidung gestorben war und aus diesem Grunde nicht über den vollen Jahreszeitraum Unterhaltsleistungen erbringen konnte (BSGE 20, 252 = SozR Nr. 18 zu § 1265 RVO). Allenfalls in derartigen Fällen können sonstige Umstände, die auf eine Fortzahlung des Unterhalts im Überlebensfalle schließen lassen, zur Begründung eines Anspruchs aus der 3. Regelung zusätzlich herangezogen werden, während sonst eine auf die Zukunft abstellende Betrachtungsweise grundsätzlich unzulässig ist (BSGE 43, 221, 223 = SozR 2200 § 1265 Nr. 26 S. 81). Für den Anspruch aus der 3. Regelung des § 42 Satz 1 AVG ist es - anders als die Klägerin meint - grundsätzlich unerheblich, ob der Versicherte im Überlebensfalle Unterhalt gezahlt hätte, hätte zahlen können oder wollen; denn es kommt insoweit ausschließlich auf die tatsächliche Unterhaltsgewährung „in“ dem maßgeblichen Jahreszeitraum vor Eintritt des Todes an.

Davon ausgehend kann aber auch die im März 1982 geleistete Zahlung von 1.200,00 DM den Anspruch nicht begründen, selbst wenn sie vom Versicherten als Nachzahlung „für“ das Jahr 1981 gedacht war. Abgesehen davon, daß die nachgezahlten Beträge der Klägerin für ihren laufenden Unterhalt nicht zur Verfügung gestanden haben und schon deshalb für die objektive Annahme eines zu erwartenden Dauerzustandes keine geeignete Grundlage bieten, hat die Rechtsprechung den für das letzte Jahr durch eine einmalige Zahlung oder durch mehrere Zahlungen für eine Anzahl von Monaten geleisteten Unterhalt ausnahmsweise nur dann genügen lassen, wenn aufgrund der Zahlungsweise, nämlich regelmäßiger jährlicher oder anderer „Vorauszahlungen“ über eine gewisse Dauer vor dem Tode des Versicherten die Annahme gerechtfertigt war, daß in der tatsächlichen Unterhaltszahlung ein Dauerzustand bestanden hat (BSG SozR Nr. 55 zu § 1265 RVO). Der erkennende Senat hat in Fortführung dieser Rechtsprechung einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente dann bejaht, wenn der Versicherte den Unterhalt für das letzte Jahr vor dessen Beginn durch eine einmalige - kapitalisierte - Unterhaltsvorauszahlung geleistet hatte (BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 24). In beiden Fällen ist ausnahmsweise ein Rückgriff auf Lebensumstände für erlaubt angesehen worden, die in die Zeit vor Beginn des maßgeblichen letzten Jahres fallen, allerdings nur zur Unterstützung des Verständnisses von Tatsachen, die in dieses Jahr fallen (vgl. SozR Nr. 48 zu § 1265 RVO).

Im vorliegenden Fall sprechen nicht nur die Lebensumstände vor Beginn, sondern auch diejenigen innerhalb des maßgeblichen Jahreszeitraumes dagegen, daß eine auf Dauer angelegte Unterhaltsleistung vorgelegen hat. Der Versicherte, der auch vor Beginn des letzten Jahres keine Unterhaltszahlungen erbracht hatte, hat diese erst wenige Monate vor seinem Tod aufgenommen, nachdem ihm bereits bekannt war, daß er nur noch kurze Zeit zu leben hatte. Angesichts dieses Umstandes kann auch das Gesamtbild aller Zahlungen - einschließlich der Nachzahlung - objektiv nicht die Annahme rechtfertigen, daß es sich bei den tatsächlichen Unterhaltszahlungen um einen „Dauerzustand“ gehandelt hat, der durch den Tod des Versicherten beendet worden ist. Das LSG ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, daß die Lebensumstände vor Beginn des maßgeblichen letzten Jahres und die Zahlungsaufnahme erst wenige Monate vor dem Tode erkennen lassen, daß die in diesem Jahr geleisteten Zahlungen ihren Grund in dem vom Versicherten erwarteten Tod hatten.

Nach allem kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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