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12 RJ 316/74

Aus den Gründen

Unter den Beteiligten ist lediglich noch streitig, ob der inzwischen verstorbenen Mutter der Klägerin aus der Versicherung ihres geschiedenen Mannes vom 1.1.1973 an eine Hinterbliebenenrente nach § 1265 S. 2 RVO zustand.

Die Ehe der Eltern der Klägerin wurde am 5.12.1949 aus der Alleinschuld des Mannes geschieden. Dieser hatte damals als Arbeiter einen Wochenlohn von ca. 30,00 DM. Beide Eheleute waren je zur Hälfte Eigentümer eines aus drei kleinen Zimmern, Küche und Nebengelaß bestehenden Hausgrundstücks, das 1958 in das Alleineigentum der Mutter der Klägerin übergegangen ist und in der Folgezeit von der Klägerin und ihrer Mutter bewohnt wurde. Deren geschiedener Mann heiratete am 4.3.1950 abermals und zahlte ihr von diesem Zeitpunkt an keinerlei Unterhalt mehr. Er bezog ab 1.12.1959 Altersruhegeld, das 1970 monatlich 416,40 DM betrug. Er starb am 30.4.1970. Seine zweite Ehefrau war bereits am 8.2.1969 gestorben. Die am 25.2.1895 geborene Mutter der Klägerin erhielt vom 5.4.1954 an Invalidenrente. Diese wurde am 1.2.1960 in Altersruhegeld umgewandelt und betrug 1970 212,20 DM monatlich.

Am 6.8.1970 beantragte die Mutter der Klägerin Hinterbliebenenrente nach § 1265 S. 2 RVO. Diesen Antrag lehnte die beklagte LVA ab. Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Mutter der Klägerin ab 1.1.1973 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Prüfung des geltend gemachten Rentenanspruchs für die Zeit ab 1.1.1973 § 1265 RVO in seiner durch das RRG vom 16.10.1972 (BGBl. I S. 1965) geschaffenen Fassung zugrunde zu legen ist (Art. 2 § 19 ArVNG i.d.F. des Art. 2 § 1 Nr. 5 RRG). Danach steht einer geschiedenen Frau Hinterbliebenenrente zu, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes - EheG - (1. Alternative) oder aus sonstigen Gründen (2. Alternative) zu leisten hatte oder wenn er ihr im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat (3. Alternative). Sofern keine Witwenrente zu gewähren ist, steht ihr Rente auch dann zu (4. Alternative), wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat und wenn die frühere Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte und solange sie berufs- oder erwerbsunfähig ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 1265 S. 2 RVO). Da die Mutter der Klägerin 1895 geboren war, hatte sie im Zeitpunkt der Scheidung (5.12.1949) ihr 45. Lebensjahr vollendet. Ihr 60. Lebensjahr hatte sie 1955 vollendet. Auch hatte ihr geschiedener Mann ihr nach den Feststellungen des LSG weder aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten, noch hat er ihr im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt tatsächlich geleistet. Eine Witwenrente schließlich ist nicht zu gewähren, denn die zweite Ehefrau des Versicherten ist schon vor ihm gestorben. Der noch streitige Rentenanspruch hängt mithin nur davon ab, ob der Versicherte der Mutter der Klägerin zur Zeit seines Todes, d.h. während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode (BSGE 14, 255 = SozR Nr. 8 zu § 1265 RVO; SozR Nrn. 22, 32 a.a.O.), Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte (1. Alternative), und zwar unabhängig von seinem Leistungsvermögen (§ 59 EheG) und unabhängig auch von den der Mutter der Klägerin zugeflossenen Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit (§ 1265 S. 2 Nr. 1 RVO).

Nach den Vorschriften des EheG (§ 58) stand der Mutter der Klägerin als schuldlos geschiedener Ehefrau der nach den zur Zeit der Scheidung gegeben gewesenen Lebensverhältnissen der geschiedenen Eheleute angemessene Unterhalt zu (BSG in SozR Nr. 16 zu § 1265 RVO). Da sie während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tod ihres geschiedenen Mannes außer ihrem Altersruhegeld keinerlei Einkünfte hatte und der Mietwert ihres kleinen Hausgrundstücks den gesamten Umständen nach wegen seiner Geringfügigkeit offensichtlich nicht ins Gewicht fiel, wäre bei Außerachtlassung des Altersruhegeldes zur Deckung ihres angemessenen Unterhalts ein von ihrem geschiedenen Mann aufzubringender Betrag erforderlich gewesen. Zutreffend hat deshalb das LSG angenommen, daß die Mutter der Klägerin vom 1.1.1973 an Anspruch auf Hinterbliebenenrente hatte, falls ihr Altersruhegeld den Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit zuzurechnen ist und deshalb bei der Feststellung ihres Unterhaltsanspruchs nach § 1265 S. 2 Nr. 1 RVO außer Betracht zu bleiben hat.

Allerdings ist es richtig, daß das der Mutter der Klägerin zur Zeit des Todes ihres geschiedenen Mannes gewährte Altersruhegeld ebenso wie auch jede andere aus eigener Versicherung bezogene Sozialversicherungsrente nur zum Teil auf Beiträgen beruht, die vom Versicherten selbst wegen einer von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit entrichtet worden sind. Ebenso wie beim Krankengeld besteht aber auch bei jeder solchen Rente eine enge Verknüpfung mit dem durch eine Erwerbstätigkeit erzielten Regellohn. Denn ihre Grundlagen sind diese Erwerbstätigkeit und die aufgrund derselben und dem mit ihren erzielten Arbeitseinkommen abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Wegen dieser engen Verknüpfung mit einer Erwerbstätigkeit und der ihnen innewohnenden Lohnersatzfunktion müssen ebenso wie das Krankengeld (BSG in SozR Nr. 57 zu § 1265 RVO) auch alle derartigen aus eigener Versicherung bezogenen Sozialversicherungsrenten zu den Erträgnissen aus einer Erwerbstätigkeit i.S. des § 58 Abs. 1 Halbs. 2 EheG und des § 1265 S. 2 Nr. 1 RVO gerechnet werden (BSG Urteil vom 30.8.1973 - 5 RKn 32/71 -). Sie sollen die aufgrund des eingetretenen Versicherungsfalles ausgefallenen Erträgnisse einer solchen Tätigkeit ersetzen, treten also an die Stelle dieser Erträgnisse.

Der von der Revision vertretenen Auffassung, die Rente aus der Rentenversicherung sei eine ratenweise Ausschüttung des dem einzelnen Versicherten zustehenden Anteils an dem von der Gesamtheit der Versicherten angesparten Vermögen, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Dabei wird zunächst übersehen, daß es sich bei den für die Auszahlung der Renten in Betracht kommenden Haushaltsmittel der Versicherungsträger schon im Hinblick auf die darin enthaltenen Arbeitgeberanteile und öffentlichen Zuschüsse nicht um ein „Vermögen“ handelt, das von der Gesamtheit der Versicherten „angespart worden ist“. Auch stehen dem einzelnen Versicherten hinsichtlich dieser Haushaltsmittel keinerlei Verfügungsrechte zu. Die Renten aus der Sozialversicherung können deshalb auch nicht als Einkünfte aus einem Vermögen angesehen werden, weil derartige Einkünfte das Ergebnis einer Vermögensverwertung darstellen und damit ein der Verfügungsgewalt ihres Empfängers unterworfenes Stammkapital voraussetzen. Der Rentenempfänger verfügt jedoch über kein derartiges Stammkapital.

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