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1 RA 93/76

Aus den Gründen

Die Klägerin hatte im Jahre 1961 mit dem Versicherten die Ehe geschlossen. Durch Urt. des LG vom 8.3.1972 wurde die Ehe aus dem Verschulden des Mannes rechtskräftig geschieden. Am gleichen Tag schlossen die Klägerin als Antragstellerin und der Versicherte als Antragsgegner vor der Öffentlichen Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle Hamburg einen Vergleich, der u.a. folgende Regelung enthält:

5.Der Antragsgegner verpflichtet sich, zur Unterhaltsabgeltung DM 2.400,00 (Deutsche Mark zweitausend vierhundert) an die Antragspartei zu zahlen. Dieser Betrag ist fällig in monatlichen Teilbeträgen von DM 100,00 (Deutsche Mark einhundert), beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden Monatsersten.
6.Die Parteien verzichten im übrigen wechselseitig für Vergangenheit und Zukunft, auch für den Fall des Notbedarfs, auf Unterhalt und nehmen diese Erklärungen gegenseitig an.

Die hiergegen erhobene Klage hat der Beklagten hob das LSG die Klage ab.

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Da die vom Versicherten im Vergleich vom 08.03.1972 vertraglich übernommenen und in monatlichen Raten von je 100,00 DM abzutragenden Unterhaltsverpflichtungen bereits im März 1974 und damit vor dem Tode des Versicherten (03.06.1974) geendet haben und die Klägerin für die Zeit nach Ablauf der zeitlich befristeten Leistung auf weiteren Unterhalt verzichtet hat, ist das LSG zutreffend und von der Revision unwidersprochen davon ausgegangen, daß die Klägerin weder nach der 1. und 2. Alternative des § 42 Satz 1 AVG noch nach Satz 2 der Vorschrift einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat (vgl. hierzu BSGE 37, 50 und BSG in SozR 2200 § 1265 Nr. 3 und Nr. 6). Dem LSG kann indes nicht gefolgt werden, soweit es den streitigen Anspruch auch nach der 3. Alternative des § 42 Satz 1 AVG verneint hat.

Danach ist der Klägerin die begehrte Rente auch dann zu gewähren, wenn ihr der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Diese Voraussetzungen sind nach der ständigen Rechtspr. des BSG allerdings nur erfüllt, wenn die Zahlungen wenigstens 25 % des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs der Klägerin erreicht haben (vgl. BSGE 22, 44 sowie SozR Nr. 41 und Nr. 43 zu § 1265 RVO§ 42 AVG) und wenn außerdem - abgesehen von besonderen Ausnahmefällen - sich diese Zahlungen auf den vollen Jahreszeitraum vor dem Tode erstreckt haben (vgl. BSGE 25, 86 sowie SozR Nr. 48 und Nr. 55 zu § 1265 RVO). Insoweit ist dem Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision zuzustimmen, daß die in den ersten acht Monaten des letzten Lebensjahres (Juni 1973 bis Januar 1974) erfolgten monatlichen Zahlungen von 100,00 DM nicht 25 % des Mindestbedarfs der Klägerin ausmachen, weil bei diesem - wie das LSG richtig erkannt hat - die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung der Klägerin anzusetzen sind (vgl. BSG-Urteile vom 25.06.1975 und 29.04.1976 in SozR 2200 § 1265 Nr. 5 und Nr. 16), was nach den für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG im maßgeblichen Zeitraum zu einem monatlichen Unter-haltsmindestbedarf der Klägerin von insgesamt wenigstens 500,00 DM geführt hat. Andererseits hat das LSG ebenso bindend festgestellt, daß die in den letzten vier Monaten vor dem Tode des Versicherten geleisteten Unterhaltsbeträge von jeweils 400,00 DM (Februar und März 1974) bzw. 300,00 DM (April und Mai 1974) das Maß von 25 % des Mindestbedarfs erheblich überstiegen haben. In einem derartigen Fall einer ununterbrochen fortlaufenden, der Höhe nach aber unterschiedlichen Unterhaltszahlung während des ganzen letzten Jahres vor dem Tode des Versicherten hält der erkennende Senat im Anschluß an das Urt. des BSG vom 17.03.1964 (BSGE 20, 252, 253) Durchschnittsbildungen unter Einbeziehung der das Mindestmaß nicht erreichenden Monatszahlungen für zulässig, so daß ein Rentenanspruch besteht, wenn nach dem Durchschnitt aller im Jahr vor dem Tode bewirkten Unterhaltsleistungen die genannte 25 %-Grenze überschritten ist. Dies trifft hier zu. Der Versicherte hat nach den Feststellungen des LSG in seinem letzten Lebensjahr an die Klägerin insgesamt 2.200,00 DM Unterhalt gezahlt, was einer monatlichen Unterhaltsleistung von rund 183,00 DM entspricht. Dieser Betrag übersteigt aber 25 % des für die Klägerin notwendigen Mindestbedarfs selbst dann, wenn man - anders als das LSG - zu den für die Klägerin in Betracht kommenden Regelsätzen des BSHG von monatlich 218,00 DM bzw. 243,00 DM nicht die damals in Hamburg für eine Dreizimmer-Wohnung übliche Miete von 300,00 DM, sondern die von der Klägerin tatsächlich bezahlte Miete von monatlich über 400,00 DM hinzurechnet.

Das vom LSG angeführte Urt. des BSG vom 04.06.1975 (SozR 2200 § 1265 Nr. 4) rechtfertigt keine andere Entsch. Sie betrifft insofern einen anderen Sachverhalt, als dort der Versicherte mehrere Monate vor seinem Tode nicht - wie im vorliegenden Fall - seine Zahlungen erheblich erhöht, sondern deutlich vermindert hat. Für diesen Fall hat das BSG in der genannten Entsch. die vom erkennenden Senat für den hier vorliegenden, anders gelagerten Sachverhalt bejahte Frage der aufgezeigten Durchschnittsbildung offengelassen, weil es das Gesamtbild aller dortigen Zahlungen nicht für ausreichend angesehen hat, daß objektiv die Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, der Versicherte hätte im Falle seines Weiterlebens künftig Unterhalt im erforderlichen Mindestumfang geleistet. Wie die zur Begründung dieser Entsch. erfolgte Bezugnahme auf BSGE 25, 86, 88 zeigt, sollte damit aber nicht die bisherige Rechtspr. des BSG geändert werden, wonach die für die Gewährung der Hinterbliebenenrenten maßgebliche Unterhaltsersatzfunktion bei einer während des ganzen letzten Lebensjahres| des Versicherten erfolgten fortlaufenden Unterhaltszahlung, die durchschnittlich 25 % des Mindestbedarfs erreicht oder überschreitet, nach dem Sinn und Zweck der 3. Alternative des § 42 Satz 1 AVG unterstellt wird (vgl. hierzu auch BSGE 20, 252, 253). Für die Entsch. darüber, ob die Vorausseezungen dieser Vorschrift gegeben sind, kommt es demnach ausschließlich auf die tatsächliche Unterhaltsgewährung in dem Jahreszeitraum selbst an. Wie bereits in BSGE 25, 86, 88/89 betont worden ist, bleibt dagegen unerheblich, ob der Versicherte weiterhin Unterhalt hätte zahlen können und ob er die Absicht gehabt hat, auch weiterhin Unterhalt zu zahlen. Gerade letzteres sieht aber das LSG als ausschlaggebend an, wie seine Würdigung der insoweit durchgeführten Beweisaufnahme ergibt. Danach stellt das LSG entscheidend auf das Verhalten des Versicherten und die daraus - nach Ansicht des LSG - zu schließende Ungewißheit über die fortbestehende Zahlungswilligkeit im Falle des Weiterlebens des Versicherten ab. Das Berufungsgericht hat insoweit abweichend von dem Urt. des BSG vom 04.06.1975 (a.a.O.), auf das es sich - wie aufgezeigt - ohnehin zu Unrecht stützt, seiner Entsch. nicht nur das Gesamtbild aller Zahlungen im letzten Lebensjahr des Versicherten, sondern auch sonstige „Umstände“ zugrunde gelegt, die für den Rentenanspruch nach der 3. Alternative des § 42 Satz 1 AVG nicht rechtserheblich sein können.

Da es auf die diesbezügliche Beweiswürdigung durch das LSG nicht ankommt, kann dahingestellt bleiben, ob die dagegen gerichtete Verfahrensrüge einer Verletzung des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG von der Klägerin formgerecht i.S. des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG erhoben worden ist und gegebenenfalls begründet wäre. Unabhängig davon erweist sich nach alledem die Revision der Klägerin als begründet.

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