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11/1 RA 274/61

Aus den Gründen

Das LSG ist mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, der Klägerin stehe ab 1.1.1957 ein Anspruch gegen die beklagte BfA auf Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen früheren Ehemann V. zu. Die hier allein streitigen Voraussetzungen der letzten Alternative des § 42 AVG n.F. sind erfüllt; V. hat der Klägerin „im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet“. Nach den Feststellungen des LSG, die von der Revision nicht angegriffen und daher für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), hat V. an die Klägerin in der Zeit von Januar bis Ende September 1955 insgesamt 400,00 bis 500,00 DM in etwa sieben Teilbeträgen zwischen 50,00 und 100,00 DM gezahlt, im Monat also durchschnittlich etwa 50,00 DM. Das LSG hat diese Zahlungen zu Recht als „Unterhalt“ angesehen. (Wird ausgeführt).

V. hat den Unterhalt an die Klägerin auch „im letzten Jahr vor seinem Tode“ geleistet; er hat zwar Unterhalt nur in der Zeit zwischen der Ehescheidung (10.12.1954) bis Ende September 1955 - kurz vor seinem Tode - gezahlt, also nicht ein volles Jahr lang, sondern nur für etwa neun Monate. Wie das BSG aber wiederholt entschieden hat (BSG 12, 279 ff., 282; 14, 255 ff., 258) können dann, wenn der Tod des Versicherten oder andere außergewöhnliche Umstände die Unterhaltsleistung für das volle letzte Jahr vor dem Tode des Versicherten verhindert haben, auch Unterhaltsleistungen, die sich zeitlich auf weniger als ein Jahr erstrecken, als Unterhalt „im letzten Jahr“ angesehen werden; es kommt dabei nicht darauf an, ob die auf diesen Zeitraum entfallenden Beträge monatlich gezahlt worden sind, es genügt, wenn sie - wie hier - mit einer gewissen Regelmäßigkeit gezahlt worden sind. Entgegen der Meinung der Beklagten ist in den Fällen des § 42 AVG n.F. letzte Alternative nicht zu prüfen, ob der Versicherte, wenn er nicht schon während des ersten Jahres nach der Scheidung gestorben wäre, weiterhin Unterhalt gezahlt hätte. In § 42 AVG n.F. ist nur auf die Verhältnisse abgehoben, die - in den Fällen der Unterhaltspflicht (1. Alternative) - „zur Zeit seines (des Versicherten) Todes“ oder - bei tatsächlicher Unterhaltsleistung (letzte Alternative) - „im letzten Jahr vor seinem Tode“ bestanden haben, es ist nicht, wie z.B. in § 50 Abs. 1 BVG für den Anspruch auf Elternrente, auch abgehoben darauf, wie sich die Verhältnisse im Falle des Weiterlebens des Versicherten gestaltet hätten. Die gesetzliche Regelung in § 42 AVG n.F. wird damit dem Regelfall gerecht, in dem anzunehmen ist, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten, die seine Unterhaltspflicht (1. Alternative) oder den tatsächlich von ihm geleisteten Unterhalt (letzte Alternative) bestimmen, auch nach seinem Tod unverändert geblieben wären, diese Regelung ist insoweit Ausdruck der „Unterhaltsersatzfunktion“ der Hinterbliebenenrenten aus der SozVers (vgl. Urteile des BSG a.a.O., ferner BSG 14, 129 ff; BSG SozR § 1266 RVO Bl. Aa 4 Nr. 3; Urteile des BVerfG vom 24.7.1963 - 1 BvL 11161, 1 BvL 30157 -, NJW 1963, 1723 ff. = BABl. 1963, 734 ff.). Diese Hinterbliebenenrenten sind zwar „Existenzsicherung nach Maßgabe des versicherten Einkommens“, beruhen aber auf einer „Mischung“ versicherungsrechtlicher und fürsorgerischer Prinzipien (vgl. BVerfG a.a.O.). Der Anspruch der Witwe im besonderen trägt der Erwartung Rechnung, daß an die Stelle des Anspruchs auf Unterhalt, der mit dem Tode des versicherten Ehemannes weggefallen ist, die Leistungen der SozVers treten werden; bei der geschiedenen Witwe beruht diese Erwartung auf der Unterhaltspflicht des geschiedenen Versicherten zur Zeit seines Todes oder auf dem - im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten - tatsächlich geleisteten Unterhalt. Soweit die „Funktion“ der Geschiedenen-Witwenrente Ausdruck des fürsorgerischen Prinzips ist, kann es nicht darauf ankommen, ob der Versicherte, wenn er weitergelebt hätte, tatsächlich weiterhin Unterhalt gezahlt hätte; dieses Prinzip kommt gerade dann „zum Tragen“, wenn der bisher tatsächlich gewährte Unterhalt infolge des Todes des Versicherten weggefallen ist. Soweit die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente, also auch die Witwenrentenansprüche auf dem versicherungsrechtlichen Prinzip beruhen, werden sie der „Vorleistung“ gerecht, die durch die Beiträge erbracht worden ist. Diese „Vorleistung“ wird aber, soweit es sich um den Anspruch auf die Witwenrente handelt, nicht nur von dem versicherten Ehemann, sie wird auch von der Ehefrau erbracht; einerseits wird die Höhe des Unterhalts, der der Ehefrau - auch der geschiedenen Frau - zu Lebzeiten des Versicherten zu gewähren ist oder tatsächlich gewährt wird, begrenzt durch die für den Unterhalt verfügbaren Mittel des Versicherten - der Unterhalt wird damit auch beeinflußt durch die Beiträge, die der Versicherte zur Sozialversicherung abzuführen hat oder freiwillig abführt -, andererseits hat der versicherte Ehemann nicht selten erst durch die Arbeit der Frau im Haushalt oder durch ihre Mitarbeit im Beruf des Ehemannes die Möglichkeit, etwa freiwillige Beiträge zur Höher- oder Weiterversicherung zu leisten; neben der „Unterhaltsersatzfunktion“ ist die Hinterbliebenenrente der Witwe deshalb auch Gegenleistung für eine „Vorleistung“, die die Frau selbst erbracht hat; die Erwartung der Witwe auf Existenzsicherung stützt sich auch auf ihren eigenen Anteil an dieser „Vorleistung“. Auch nach dem versicherungsrechtlichen Prinzip ist es deshalb sinnvoll, wenn das Gesetz den Anspruch der Witwe auf Hinterbliebenenrente aus der Sozialversicherung allgemein und auch den Anspruch der geschiedenen Witwe nicht davon abhängig gemacht hat, ob der Versicherte, wenn er weiter gelebt hätte, weiterhin Unterhalt geleistet hätte.

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