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Art. 6 SVA-Australien: Zusammenrechnung und Berechnung - in Bezug auf die deutsche Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

04.01.2021

Änderung

'Grundrentenzeiten' sind nur australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung/Tätigkeit ausgübt wurde (s. Abschnitt 2.6). 'Beschäftigungszeiten' (RVIOBeschZG) können nicht mit australischen Wohnzeiten zusammengerechnet werden (s. Abschnitt 2.1).

Dokumentdaten
Stand01.09.2020
Rechtsgrundlage

Art. 6 SVA-Australien

Version004.00

Inhalt der Regelung

Der Art. 6 SVA-Australien regelt für die deutsche Seite den Anspruchserwerb und die Rentenberechnung.

Buchstabe a regelt die Berücksichtigung australischer Wohnzeiten während des Arbeitslebens für den Anspruchserwerb, sofern sich diese nicht mit vorhandenen deutschen Versicherungszeiten überschneiden (siehe Abschnitt 2).

Buchstabe b enthält die Zuordnung zum deutschen Versicherungszweig, der allgemeinen oder knappschaftlichen Rentenversicherung (siehe Abschnitt 3).

Buchstabe c regelt, wie australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt und in Beitragsmonate umgerechnet werden (siehe Abschnitt 4).

Buchstabe d enthält die Klarstellung der Rentenberechnung nur aus deutschen Zeiten (siehe Abschnitt 5).

Wegen der Unterschiedlichkeit der Systeme (siehe GRA zu Leistungen der Rentenversicherung Australien) gibt es im Abkommen mit Australien keine gemeinsame Regelung zur Berücksichtigung von Versicherungszeiten; auch wird generell nicht auf australische Versicherungszeiten, sondern auf „Wohnzeiten während des Arbeitslebens“ abgestellt (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Australien, Abschnitt 4).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 1 Abs. 1 Buchst. e und f SVA-Australien
    Die Regelungen enthalten die Definitionen, was im Abkommen unter „deutscher Versicherungszeit“ und „australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens“ zu verstehen ist.
  • Art. 7 SVA-Australien und Art. 8 SVA-Australien
    Mit diesen Vorschriften werden entsprechend die Zusammenrechnung und Berechnung in Bezug auf australische Leistungen geregelt.
  • Nr. 4 SP zum SVA-Australien
    In dieser Vorschrift werden weitere Einzelheiten zum Anspruchserwerb für die deutsche Seite geregelt. Die Zusammenrechnungsregelung des Art. 6 SVA-Australien gilt danach auch für deutsche Ermessensleistungen. Australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, stehen deutschen Pflichtbeiträgen gleich. Zudem wird die Berücksichtigung australischer Dehnungstatbestände geregelt und bergbauliche Betriebe für die Regelung des Art. 6 Buchst. b S. 2 SVA-Australien definiert.
  • Nr. 5 SP zum SVA-Australien
    Enthält eine Exportregelung für australische Renten wegen Erwerbsunfähigkeit außerhalb Australiens, wenn keine Schwerbehinderung vorliegt.

Berücksichtigung australischer Wohnzeiten

Für den Erwerb des deutschen Leistungsanspruchs werden neben deutschen Versicherungszeiten auch australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt (zwischenstaatliche Anspruchsprüfung), soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen (Art. 6 Buchst. a SVA-Australien). Eine Übersicht der im Rahmen des Abkommens mit Australien zu berücksichtigenden Zeiten enthält die GRA zu Art. 1 SVA-Australien, Abschnitt 4.

Durch die zwischenstaatliche Anspruchsprüfung können deutsche Wartezeiten und - wenn eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde - auch besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens erfüllt werden. Dies gilt sowohl bei der Anspruchsprüfung für Renten als auch für Ermessensleistungen (Nr. 4 Buchst. a SP zum SVA-Australien), wie zum Beispiel für Leistungen zur Teilhabe, wobei für letztere nicht die Gebietsgleichstellung (Art. 5 SVA-Australien) gilt, sie also nicht bei gewöhnlichem Aufenthalt in Australien erbracht werden (Nr. 3 Buchst. d SP zum SVA-Australien, § 111 Abs. 1 SGB VI).

Darüber hinaus werden australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens auch für die Erfüllung wartezeitähnlicher Voraussetzungen (BSG vom 14.04.1981, AZ: 4 RJ 9/80 und AZ: 4 RJ 51/80, zu den Vorgängervorschriften im AnVNG/ArVNG) und als Anwartschaftserhaltungszeiten berücksichtigt; bei letzteren sind keine deutschen Versicherungszeiten im geforderten Zeitraum notwendig. Schließlich können auch bestimmte australische Sachverhalte als Dehnungstatbestände berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 2.7).

Die Rentenberechnung erfolgt hingegen nur aus deutschen Versicherungszeiten, wobei sich australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens bei der Prüfung von Berechnungsvorschriften indirekt auf die Rentenhöhe auswirken können (siehe Abschnitt 5).

Grundsätze der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung

Bei der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung gelten folgende Grundsätze:

  • mindestens ein auf die Wartezeit anrechenbarer deutscher Monat
    Für die zwischenstaatliche Anspruchsprüfung ist Voraussetzung, dass deutsche Versicherungszeiten zurückgelegt sind (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Australien, Abschnitt 3). Dies können auch allein Wartezeitmonate aus dem Versorgungsausgleich, Rentensplitting oder aus geringfügiger nicht versicherungspflichtiger Beschäftigung sein (AGZWSR 1/2019, TOP 7); bei der Wartezeit von 45 Jahren nur Letztere (§ 51 Abs. 3a S. 2 SGB VI).
  • kein Mindestumfang deutscher Zeiten
    Der Umfang deutscher Versicherungszeiten ist unerheblich, da das Abkommen mit Australien keine Regelung über eine Mindestversicherungszeit oder weniger-als-Regelung enthält. So kann theoretisch aus einem deutschen Wartezeitmonat durch Berücksichtigung australischer Versicherungszeiten ein Rentenanspruch entstehen.
  • Erforderlichkeit der Zusammenrechnung
    Das Abkommen mit Australien enthält keinen Passus zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung australischer Wohnzeiten während des Arbeitslebens. Nach Sinn und Zweck werden jedoch auch sie nur zur zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung herangezogen, wenn dies erforderlich ist. Führen die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens zu einem Leistungsanspruch, der mit (gegebenenfalls zeitgleichen) deutschen Versicherungszeiten nicht entsteht, werden sie berücksichtigt. So ist zum Beispiel bei der Prüfung von Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit die Berücksichtigung von australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, statt deutschen freiwilligen Beiträgen erforderlich.
    Siehe Beispiel 1
    Ist ein Leistungsanspruch allein mit deutschen Versicherungszeiten gegeben, kann - im Hinblick auf die Höhe der Leistung - gleichwohl eine Zusammenrechnung mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens oder mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, erforderlich sein (siehe Abschnitt 2.6 und Abschnitt 5).
  • kein Überschneiden von Zeiten
    Eine doppelte Berücksichtigung des gleichen Zeitraums für den Anspruchserwerb ist ausgeschlossen. Die deutschen Versicherungszeiten werden regelmäßig vorrangig berücksichtigt, weil das Abkommen mit Australien keine Rangfolgeregelung (Verdrängungsregelung) enthält.
    Siehe Beispiel 2
  • Zuordnung zur knappschaftlichen Rentenversicherung
    Australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens werden nur dann als Zeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt, wenn sie in einem bergbaulichen Betrieb unter Tage zurückgelegt wurden (Artikel 6 Buchst. b S. 2 SVA-Australien) und ein Beitrag aufgrund einer Beschäftigung zur knappschaftlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist (§ 136 SGB VI).
  • Verbindlichkeit
    Australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens bestimmen sich nach australischen Rechtsvorschriften. Darüber sowie über deren Art und Umfang entscheidet der australische Träger in der Mitteilung über seine Versicherungszeiten regelmäßig verbindlich (analog BSG vom 27.06.1990, AZ: 5 RJ 79/89, SozR 3-6050 Art. 45 Nr. 2, und BSG vom 25.02.1992, AZ: 4 RA 28/91, SozR 3-6050 Art. 46 Nr. 5). Nur wenn an der Richtigkeit der Angaben berechtigte Zweifel bestehen, wird um Überprüfung gebeten (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Australien, Abschnitte 4 und 4.2).
  • Endzeitpunkt der Berücksichtigung
    Die nach dem Abkommen mit Australien zu berücksichtigenden Zeiten werden bei der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung nur berücksichtigt, soweit sie vor Beginn der deutschen Rente beziehungsweise vor Eintritt der Erwerbsminderung liegen (analog BSG vom 28.01.1977, AZ: 5 RJ 114/76, SozR 6050 Art. 45 Nr. 2, und BSG vom 27.04.1979, AZ: 4 RJ 19/78, SozR 2200 § 1247 Nr. 24).
  • Keine anderen Anspruchsgrundlagen
    Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation können nicht mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens zusammengerechnet werden, die nach dem Abkommen mit Australien zu berücksichtigen sind (siehe GRA zu § 4 RVIOBeschZG, Abschnitt 3.1 und 6).

Art und Wirkung

Im Rahmen des Abkommens mit Australien können australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens bei der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung berücksichtigt werden (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Australien, Abschnitt 4). Alle bescheinigten Zeiten gelten als Beitragsmonate, obwohl für diese Zeiten keine Beitragsentrichtung erfolgte; freiwillige Beiträge oder beitragsfreie Zeiten kennt das australische Recht nicht. Unerheblich für die zwischenstaatliche deutsche Anspruchsprüfung ist, ob auch der australische Träger aus den Zeiten eine Leistung erbringt.

Werden im deutschen Recht Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gefordert, können nach der Nr. 4 Buchst. b SP zum SVA-Australien hingingen nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt werden, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe GRA zu Art. 1 SVA-Australien; Abschnitt 4.2). Es ergibt sich folgende visuelle Übersicht:

australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens

mit

ohne

Beschäftigung oder Tätigkeit

Wartezeiten
5, 15, 20, 35 Jahrejaja
45 Jahrejanein
allgemeine Wartezeit vor 19841jaja
vorzeitige Wartezeit ein Jahr/sechs Kalendermonate Pflichtbeiträgejanein
besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungenjanein
Wartezeitähnliche Voraussetzungen
25 Jahre für Gutschrift an Entgeltpunktenjaja
25 Jahre für Rentensplittingjaja
Mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeitenjanein
35 Jahre für Mindestentgeltpunktejaja
40/35 Jahre für Vertrauensschutz Zugangsfaktorjanein
Anwartschaftserhaltungszeiten ab 1984jaja

Fußnote 1: Sofern ein deutscher Monat Versicherungszeit vor dem 01.01.1984 vorhanden ist.

Wartezeiten

Bei der Prüfung der Wartezeiten von 5, 15, 20 und 35 Jahren (siehe GRA zu § 50 SGB VI, Abschnitt 2) werden alle australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt.

Dies gilt auch für die Prüfung der allgemeinen Wartezeit vor 1984 für die Sonderregelungen für Renten wegen Erwerbsminderung nach § 241 Abs. 2 SGB VI beziehungsweise Renten für Bergleute nach § 242 Abs. 2 SGB VI. Hierzu muss aber mindestens ein auf die Wartezeitzeit anrechenbarer deutscher Monat vor dem 01.01.1984 vorhanden sein (siehe GRA zu § 241 SGB VI, Abschnitt 2). Dies kann auch ein Wartezeitmonat aus dem Versorgungsausgleich aus einer Ehezeit vor dem 01.01.1984 sein (AGZWSR 2/2019, TOP 3).

Bei der Prüfung der Wartezeit von 45 Jahren (siehe GRA zu § 236b SGB VI, Abschnitt 5) können hingegen nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt werden, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe Nr. 4 Buchst. b SVA-Australien). Zeiten der freiwilligen Versicherung gibt es in Australien nicht. Die australische Leistung bei Arbeitslosigkeit „Newstart Allowance“, ab 20.03.2020 „JobSeeker Payment“ ist keine Entgeltersatzleistung beziehungsweise als einkommensabhängige Leistung nicht zu berücksichtigen.

Bei der Prüfung der Wartezeiten der knappschaftlichen Sonderleistungen (§§ 50 Abs. 3, 238 Abs. 4, 239 Abs. 1 und 2, 242 Abs. 3 SGB VI) werden nur die Zeiten berücksichtigt, die der knappschaftlichen Rentenversicherung nach Art. 6 Buchst. b S. 2 SVA-Australien in Verbindung mit Nr. 4 Buchst. d SP zum SVA-Australien zugeordnet werden (siehe Abschnitt 3). Ist allerdings für die besonderen knappschaftlichen Rentenleistungen Voraussetzung, dass ständige Arbeiten unter Tage verrichtet worden sind, so können hierfür die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, auch wenn sie in bergbaulichen Betrieben unter Tage zurückgelegt worden sind, nicht berücksichtigt werden, da es insoweit an einer entsprechenden Gleichstellungsvorschrift im SVA-Australien fehlt.

Beachte:

Die allgemeine Wartezeit kann innerstaatlich als erfüllt gelten (§ 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB VI), auch wenn der Vorrentenanspruch nur nach über- oder zwischenstaatlichem Recht zustand.

Vorzeitige Wartezeiterfüllung

Das Tatbestandsmerkmal „mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit“, wenn bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit keine Versicherungspflicht bestand (siehe GRA zu § 53 SGB VI, Abschnitt 4.5.2) oder wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind (siehe GRA zu § 53 SGB VI, Abschnitt 5.2), kann allein mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens erfüllt werden, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe Nr. 4 Buchst. b SVA-Australien). Dies gilt ebenfalls für das Tatbestandsmerkmal „mindestens sechs Kalendermonate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit“, wenn Versicherte wegen eines Unfalls und vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden oder gestorben sind (siehe GRA zu § 245 SGB VI, Abschnitt 3).

Innerhalb der Zweijahreszeiträume ist kein deutscher Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erforderlich, jedoch muss der Versicherte zu irgendeiner Zeit vorher der deutschen Rentenversicherung angehört haben.

Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Bei der Prüfung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Rahmenzeitraum - wie bei

  • der Rente wegen Erwerbsminderung,

und bei den früheren Rentenarten,

  • der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit,
  • der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und
  • der Altersrente für Frauen

(siehe GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 6.1; GRA zu § 237 SGB VI, Abschnitt 7; GRA zu § 237a SGB VI, Abschnitt 6) - werden nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe Nr. 4 Buchst. b SVA-Australien). Es ist nicht erforderlich, dass im maßgebenden Rahmenzeitraum deutsche Pflichtbeiträge wegen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sind.

Siehe Beispiel 3

Für die Rente für Bergleute (siehe GRA zu § 45 SGB VI, Abschnitt 2.2) können die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens zudem nur berücksichtigt werden, wenn während dieser Zeit eine Beschäftigung in einem bergbaulichen Betrieb unter Tage ausgeübt wurde (Abschnitt 3).

Bei der Anspruchsprüfung nach dem Abkommen mit Australien können bestimmte australische Sachverhalte darüber hinaus als Dehnungstatbestände berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 2.7).

Wartezeitähnliche Voraussetzungen

Verschiedene deutsche Regelungen stellen ebenfalls auf eine Mindestversicherungszeit ab, ohne dass es sich um eine Wartezeit für den Leistungsanspruch handelt (sogenannte wartezeitähnliche Voraussetzungen).

  • 25 Jahre rentenrechtliche Zeiten (§ 70 Abs. 3a SGB VI)
    Bei der Prüfung der Mindestversicherungszeit von 25 Jahren rentenrechtlicher Zeiten für eine Gutschrift an Entgeltpunkten für Berücksichtigungszeiten der Kindererziehung und Pflege (siehe GRA zu § 70 SGB VI, Abschnitt 8.1) werden auch australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt (siehe Abschnitt 2.2).
    Beachte:
    Wenn weniger als 25 Jahre rentenrechtliche deutsche Zeiten vorliegen, kann über die Anerkennung von Beitragszeiten für gleichzeitige Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder nach § 55 Abs. 1 S. 3 SGB VI erst entschieden werden, wenn die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens vorliegen (siehe GRA zu § 55 SGB VI, Abschnitt 4).
  • 25 Jahre rentenrechtliche Zeiten (§§ 120a Abs. 4, 120e Abs. 1 SGB VI)
    Bei der Prüfung der Mindestversicherungszeit von 25 Jahren für ein Rentensplitting (siehe GRA zu § 120a SGB VI, Abschnitt 6) werden auch australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt (siehe Abschnitt 2.2).
  • Mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten (§§ 76g Abs. 2, 307e Abs. 1 Nr. 1 SGB VI)
    Bei der Prüfung der mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten für Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung werden nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (AGZWSR 2/2019, TOP 7 und AGZWSR 1. Sondersitzung 2020, TOP 2,  AF 10).
  • 35 Jahre rentenrechtliche Zeiten (§ 262 SGB VI)
    Bei der Prüfung der Mindestversicherungszeit von 35 Jahren für den Erwerb von Mindestentgeltpunkten (siehe GRA zu § 262 SGB VI, Abschnitt 2) werden auch australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt (siehe Abschnitt 2.2).
  • 40/35 Jahre bestimmter rentenrechtlicher Zeiten (§§ 77 Abs. 4, 264d S. 2 SGB VI)
    Bei der Prüfung der Mindestversicherungszeit von 40 beziehungsweise 35 Jahren bestimmter rentenrechtlicher Zeiten für den Vertrauensschutz bei der Anhebung des Referenzalters für die Bestimmung des Zugangsfaktors (siehe GRA zu § 77 SGB VI, Abschnitt 9, und GRA zu § 264d SGB VI, Abschnitt 5) werden nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe Abschnitt 2.2).
    Dies gilt gleichfalls für die Bestimmung des Zugangsfaktors bei Renten für Bergleute nach §§ 86a S. 3, 265 Abs. 8 S. 2 SGB VI.
  • 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für den Vertrauensschutz (§§ 236 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI und 236a S. 5 Nr. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 01.01.2008, §§ 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 SGB VI und 237a Abs. 3 Nr. 3 SGB VI)
    Bei der Prüfung der früheren Vertrauensschutzregelungen
    • der Altersrente für langjährig Versicherte,
    • der Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
    und bei den früheren Rentenarten,
    • der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und
    • der Altersrente für Frauen
    (siehe GRA zu § 237 SGB VI, Abschnitt 11 und GRA zu § 237a SGB VI, Abschnitt 10) werden nur die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe Nr. 4 Buchst. b SVA-Australien).

Dehnungstatbestände

Für die Verlängerung von Rahmenzeiträumen, in denen das deutsche Recht „Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit“ fordert (siehe GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 6.1.2; GRA zu § 45 SGB VI, Abschnitt 2.2; GRA zu § 237 SGB VI, Abschnitt 7.2), werden auch vergleichbare australische Sachverhalte als Dehnungstatbestände berücksichtigt (Nr. 4 Buchst. c SVA-Australien); soweit nicht ausreichend deutsche Pflichtbeiträge aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit, australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, sowie deutsche Dehnungstatbestände vorhanden sind.

Siehe Beispiel 4

Als Dehnungstatbestände werden berücksichtigt, Zeiten des Bezuges einer australischen:

  • Invaliditäts- oder Altersrente,
    auch wenn das deutsche Recht Altersrenten nicht als Dehnungstatbestand kennt.
  • Leistung wegen Krankheit,
  • Leistung wegen Arbeitslosigkeit oder
  • Leistung wegen Arbeitsunfalls (mit Ausnahme von Renten),
    eine Unterbrechung einer deutschen versicherten oder australischen Beschäftigung oder Tätigkeit wird für diese den deutschen Anrechnungszeiten vergleichbaren Sachverhalte nicht gefordert.
  • Zeiten der Kindererziehung in Australien
    entsprechend der deutschen „Berücksichtigungszeit“ bis zu einer Höchstdauer von 10 Jahren je Kind (siehe GRA zu § 57 SGB VI, Abschnitt 3.2), sofern keine selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe GRA zu § 57 SGB VI, Abschnitt 4). Welche Kinder berücksichtigungsfähig sind, bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht (siehe GRA zu § 56 SGB I, Abschnitte 3.2, 3.3, 3.4), ebenso kann die Zeit der Kindererziehung nur von einem Elternteil als Dehnungstatbestand in Anspruch genommen werden.
  • Zeiten der Schwanger- und Mutterschaft
    werden ergänzend zum Abkommenstext nach den australischen Schutzfristen berücksichtigt (AGZWSR 1/2006, TOP 6). Das australische Recht kennt den Anspruch auf zwölf Monate unbezahlter Elternzeit. Als Dehnungstatbestand werden davon die sechs Wochen der maternity leave vor und die 18 Wochen Parental Leave Pay nach der Geburt berücksichtigt. Für Zeiten vor Vollendung des 17. und nach Vollendung des 25. Lebensjahres ist entsprechend den deutschen Kriterien die Unterbrechung einer australischen Beschäftigung oder Tätigkeit erforderlich (siehe GRA zu § 58 SGB VI, Abschnitt 3). Bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist es jedoch ausreichend, wenn in den letzten sechs Monaten vor dem Beginn der Zeit der Schwanger- oder Mutterschaft ein deutscher Pflichtbeitrag für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder eine australische Wohnzeit während des Arbeitslebens liegt, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde (siehe GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 6.1.2).

Eine australische Wohnzeit während des Arbeitslebens allein, ohne die oben genannten Sachverhalte, verlängert den zu prüfenden Zeitraum nicht. Nachweise über die als Dehnungstatbestand berücksichtigungsfähigen Sachverhalte sind grundsätzlich vom Rentenantragsteller selbst zu erbringen. Der australische Träger, Services Australia - Centrelink kann den Bezug von Renten sowie von Leistungen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und vom Parental Leave Pay mit Formblatt AUS/D 6 bestätigen (siehe GRA zu Organisation der Sozialversicherung Australien, Abschnitt 3). Leistungen bei Arbeitsunfällen gewähren private Versicherungen, die der Arbeitgeber abschließt (siehe GRA zu Organisation der Sozialversicherung Australien, Abschnitt 1).

Anwartschaftserhaltungszeiten

Als Anwartschaftserhaltungszeiten für die Belegung jeden Kalendermonats seit 1984 (Lückenbelegung) bei den Sonderregelungen für Renten wegen Erwerbsminderung nach § 241 Abs. 2 SGB VI (siehe GRA zu § 241 SGB VI, Abschnitt 3) beziehungsweise Renten für Bergleute nach § 242 Abs. 2 SGB VI werden alle australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens berücksichtigt (siehe Abschnitt 2.2). Eine deutsche Versicherungszeit muss im Zeitraum ab 1984 nicht vorhanden sein, jedoch muss mindestens ein auf die Wartezeit anrechenbarer deutscher Monat vor dem 01.01.1984 zur zwischenstaatlichen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vorhanden sein (siehe Abschnitt 2.3).

Reichen die Zeiten nach dem Abkommen mit Australien zur Erfüllung der Lückenlosigkeit seit 1984 nicht aus - was regelmäßig nicht der Fall sein wird, da auch die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens als Anwartschaftserhaltungszeiten gelten -, können nach Sinn und Zweck auch den deutschen Anwartschaftserhaltungszeiten vergleichbare australische Sachverhalte berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei um die in Abschnitt 2.7 genannten Dehnungstatbestände.

Keine Berücksichtigung australischer Wohnzeiten

Australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens können nur bei der Anspruchsprüfung auf Leistungen berücksichtigt werden. Bei der Prüfung anderer Voraussetzungen oder Tatbestandsmerkmale wie den folgenden werden sie nicht berücksichtigt:

Die Nichtberücksichtigung australischer Wohnzeiten während des Arbeitslebens kann sich auch positiv auswirken, etwa bei:

Keine Berücksichtigung australischer Sachverhalte

Soweit bei der Anspruchsprüfung auf Leistungen auch bestimmte andere Tatbestandsmerkmale wie die folgenden erfüllt sein müssen, können entsprechende australische Sachverhalte dafür nicht berücksichtigt werden:

  • Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit im Sinne des deutschen Rechts nach § 43 Abs. 1 und 2 S. 1 Nr. 2, § 240 Abs. 2 SGB VI.
    Eine australische Erwerbsunfähigkeit erfüllt nicht die Voraussetzungen des SGB VI für eine Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (siehe GRA zu § 43 SGB VI, Abschnitt 3, und GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 2).
  • Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Beschädigung oder Gewahrsam zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 53 Abs. 1 SGB VI.
    Es muss sich bei den aufgezählten Tatbeständen um solche nach deutschem Recht handeln (siehe GRA zu § 53 SGB VI, Abschnitt 4), ein australischer Arbeitsunfall erfüllt zum Beispiel nicht die Voraussetzungen des SGB VII (analog Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.11.1970, AZ: 3 An 1095/69, BSGE 7, 159; BSG vom 01.12.1982, AZ: 4 RJ 9/82, SozR 2200 § 1252 Nr. 3).
  • Erziehung von Kindern für die Gewährung eines Zuschlags bei Witwen- oder Witwerrenten nach § 78a SGB VI.
    Der Zuschlag stellt mit Ausnahmen auf Kalendermonate mit deutschen Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ab (siehe GRA zu § 78a SGB VI, Abschnitte 2 und 3). Für die bloße Kindererziehung in Australien kann bei einem Rentenbeginn bis zum 30.06.2020 kein Zuschlag gewährt werden, bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2020 ist dies möglich, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Wegfall einer Leistung wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit nach Feststellung der vollen Erwerbsminderung für den taggenauen Rentenbeginn nach § 101 Abs. 1a SGB VI.
    Durch Wegfall einer etwaigen australischen Leistung kann eine deutsche befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit beginnen, auch wenn der Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht (siehe GRA zu § 101 SGB VI, Abschnitt 3.2).
  • Altersteilzeitarbeit als Voraussetzung für Altersrente nach § 237 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b SGB VI und für die Besitzschutzregelungen der §§ 235 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, 236 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a SGB VI sowie § 236a Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Buchst. a SGB VI.
    Es muss sich um eine Altersteilzeitarbeit nach deutschem Recht handeln (siehe GRA zu § 237 SGB VI, Abschnitt 6.1). Eine Beschäftigung in Australien kann nur dann als Altersteilzeit gewertet werden, wenn und solange der Arbeitnehmer aufgrund einer Entsendung (Art. 5 ErgA-Australien) oder einer Ausnahmevereinbarung (Art. 8 ErgA-Australien) der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterliegt. Bei der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 AtG geforderten Versicherungszeit von 1080 Kalendertagen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit muss es sich zudem um eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des SGB III handeln.
  • Bisheriger Beruf (Hauptberuf) zur Bestimmung des Leistungsvermögens und für Verweisungstätigkeiten nach § 240 Abs. 2 SGB VI für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
    Der bisherige Beruf bestimmt sich aus den Beschäftigungen und Tätigkeiten für die Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet sind (siehe GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 3), nicht aus Beschäftigungen und Tätigkeiten in Australien (analog BSG vom 14.12.1998, AZ: B 5 RJ 60/97 R). Ein Beruf, bei dessen Aufgabe die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt war, kann nicht Hauptberuf sein. Eine kurzfristig in Deutschland ausgeübte Tätigkeit kann jedoch dann den Hauptberuf darstellen, wenn die allgemeine Wartezeit zwischenstaatlich unter Berücksichtigung der australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens erfüllt ist (analog BSG vom 26.06.1980, AZ: 5 RJ 30/79, SozR 2200 § 1246 Nr. 65, und BSG vom 22.03.1988, AZ: 8/5a RKn 17/87, SozR 2200 § 1246 Nr. 155).

Die Nichtberücksichtigung australischer Sachverhalte kann sich auch positiv auswirken, etwa beim

  • Altersrentenbezug als Ausschluss für Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 5 SGB VI.
    Der Bezug einer australischen Altersrente schließt die zeitgleiche Berücksichtigung von Anrechnungszeiten nicht aus (siehe GRA zu § 58 SGB VI, Abschnitt 7).

Zuordnung australischer Zeiten

Bei der Zusammenrechnung deutscher Versicherungszeiten mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens für den Erwerb des Leistungsanspruchs (zwischenstaatliche Anspruchsprüfung) werden letztere dem Versicherungszweig zugeordnet, der auf deutscher Seite für die Feststellung der Leistung zuständig ist (Art. 6 Buchst. b SVA-Australien). In die Rentenversicherung der Arbeiter und die der Angestellten wird seit 01.01.2005 nicht mehr unterschieden, sodass entweder eine Zuordnung zur allgemeinen oder zur knappschaftlichen Rentenversicherung erfolgt (siehe GRA zu § 125 SGB VI, Abschnitt 1).

Australische Wohnzeiten während des Arbeitslebens werden nur dann als Zeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt, wenn während dieser Zeit eine Beschäftigung in einem bergbaulichen Betrieb unter Tage ausgeübt wurde (Art. 6 Buchst. b S. 2 SVA-Australien) und die Sonderzuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach innerstaatlichen Vorschriften gegeben ist (siehe GRA zu § 136 SGB VI, Abschnitt 1). Sind die australischen Versicherungszeiten nicht „unter Tage“ zurückgelegt, werden sie bei der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung (§ 51 Abs. 2 SGB VI) auch von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Zeiten in der allgemeinen Rentenversicherung berücksichtigt.

Fiktion und Umrechnung

Um Leistungsansprüche aus der deutschen Rentenversicherung zu begründen, ist regelmäßig die Zurücklegung bestimmter Mindestversicherungszeiten (sogenannter Wartezeiten) Voraussetzung. Diese werden unter anderem durch Beitragszeiten erfüllt (siehe GRA zu § 51 SGB VI, Abschnitt 2). Ein Monat australischer Wohnzeit während des Arbeitslebens wird daher als ein Beitragsmonat anerkannt (Fiktion - Art. 6 Buchst. c SVA-Australien).

Die deutschen Anspruchsvoraussetzungen stellen in der Regel auf Jahre ab (siehe GRA zu § 50 SGB VI, Abschnitt 2). Ein Zeitraum, der in Jahren bestimmt ist, umfasst für jedes zu berücksichtigende Jahr zwölf Monate (siehe GRA zu § 122 SGB VI, Abschnitt 3). Ein Jahr australische Wohnzeit während des Arbeitslebens wird bei der zwischenstaatlichen Anspruchsprüfung als zwölf Beitragsmonate anerkannt, auch wenn keine Beiträge entrichtet wurden, weil Australien eine staatliche gesetzliche Rentenversicherung nicht kennt. Dabei werden die vom australischen Träger vorgegebenen Monate berücksichtigt. Ist ein Teilmonat bereits mit einer deutschen Versicherungszeit belegt, kann der Monat nicht doppelt berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 2.1).

Rentenberechnung

Die Berechnung der deutschen Rente erfolgt nur aus den deutschen Zeiten. Den australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens werden keine Entgelte zugeordnet und aus ihnen werden keine Entgeltpunkte ermittelt (siehe GRA zu § 63 SGB VI, Abschnitt 3). Sie beeinflussen auch nicht die Bewertung deutscher beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten bei der Gesamtleistungsbewertung (siehe GRA zu § 71 SGB VI, Abschnitt 2.1) und sie sind auch keine Grundrentenbewertungszeiten (AGZWSR 1. Sondersitzung 2020, TOP 2, AF 15). Entgeltpunkte werden nur für deutsche Versicherungszeiten ermittelt (Art. 6 Buchst. d SVA-Australien).

Lediglich wenn die wartezeitähnlichen Voraussetzungen der 25 beziehungsweise 35 Jahre rentenrechtlicher Zeiten (§§ 70 Abs. 3a, 262 SGB VI) durch die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens erfüllt werden (siehe Abschnitt 2.6), wirken sich die Zeiten indirekt auf die deutsche Rentenhöhe aus.

Wohnzeiten in Australien, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, können die Rentenhöhe ebenfalls indirekt beeinflussen, wenn durch diese Zeiten die Vertrauensschutzregelung für die Ermittlung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten erfüllt wird oder sich durch sie mindestens 33 Jahre mit Grundrentenzeiten (§§ 76g Abs. 2, 307e Abs. 1 Nr. 1, 307f Abs. 2 SGB VI) ergeben (siehe Abschnitt 2.6).

Besteht der Rentenanspruch nur nach Zusammenrechnung mit australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, kann eine Erhöhung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB IV) frühestens für Zeiten ab Inkrafttreten des Abkommens (01.01.2003) in Betracht kommen.

Beispiel 1: Verdrängung einer deutschen Zeit

(Beispiel zu Abschnitt 2.1)
Prüfung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren, folgende Zeiten liegen vor:
australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens22.09.1970 bis 17.10.1974
nach australischem Recht mit 49 Monaten bestätigt:
22.09.1970 bis 21.09.1974: 4 Jahre
22.09.1974 bis 17.10.1974: 26 Tage


ist gleich 4 Jahre und 1 Monat


ist gleich 49 Monate
deutsche Anrechnungszeiten wegen Schwanger- und Mutterschaft13.10.1971 bis 19.01.1972  4 Monate
deutsche Pflichtbeiträge01.08.1975 bis 30.09.197614 Monate
67 Monate
Welche Zeiten können zusammengerechnet werden?
Lösung:
Die deutsche Anrechnungszeit kann nicht auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden, stattdessen kann auf die australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens zurückgegriffen werden.
Zu berücksichtigen sind:
australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens22.09.1970 bis 17.10.197449 Monate
deutsche Pflichtbeiträge01.08.1975 bis 30.09.197614 Monate
63 Monate
Die allgemeine Wartezeit ist zwischenstaatlich erfüllt.

Beispiel 2: Keine doppelte Berücksichtigung eines Zeitraums

(Beispiel zu Abschnitt 2.1)
Prüfung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren, folgende Zeiten liegen vor:
deutsche Pflichtbeiträge01.01.1970 bis 31.03.197339 Monate
australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens)23.03.1973 bis 29.11.1974
nach australischem Recht mit 21 Monaten bestätigt:
23.03.1973 bis 22.03.1974: 1 Jahr
23.03.1974 bis 22.11.1974: 8 Monate
23.11.1974 bis 29.11.1974: 7 Tage


ist gleich 1 Jahr und 9 Monate


ist gleich 21 Monate
60 Monate
Welche Zeiten können zusammengerechnet werden?
Lösung:
Alle Zeitenarten können auf die Wartezeit angerechnet werden, sich überscheidende Zeiträume können jedoch nur einmal berücksichtigt werden.
Der Zeitraum 23.03. bis 31.03.1973 ist bereits mit deutschen Zeiten belegt, australische Wohnzeiten können für diese Zeit nicht berücksichtigt werden.
Zu berücksichtigen sind:
deutsche Pflichtbeiträge01.01.1970 bis 31.03.197339 Monate
australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens)23.03.1973 bis 29.11.197420 Monate
59 Monate
Die allgemeine Wartezeit ist nicht erfüllt.

Beispiel 3: Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

(Beispiel zu Abschnitt 2.5)
Prüfung der Voraussetzung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Leistungsfall ist am 31.07.2015 eingetreten, es besteht ein Restleistungsvermögen von unter 3 Stunden täglich.
deutsche Pflichtbeiträge01.08.2001 bis 31.07.200772 Monate
deutsche freiwillige Beiträge01.08.2007 bis 31.07.201596 Monate
australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde01.10.2007 bis 31.07.201594 Monate
Besteht Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung?
Lösung:
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren ist bereits mit deutschen Pflichtbeiträgen erfüllt.
Pflichtbeiträge wegen Beschäftigung oder TätigkeitDEAUS
Fünf-Jahres-Zeitraum31.07.2010 bis 30.07.20150 Monate61 Monate
Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind zwischenstaatlich erfüllt. Es besteht ein zwischenstaatlicher Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Beispiel 4: Australische Dehnungstatbestände

(Beispiel zu Abschnitt 2.7)
Eine Versicherte stellt einen Antrag auf australische Erwerbsminderungsrente am:04.01.2012
Sie hat folgende Versicherungszeiten zurückgelegt:
in Deutschland Pflichtbeiträge aufgrund Beschäftigung von1996 bis 2000
in Australien australischen Wohnzeiten während des Arbeitslebens, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde
2001 bis 2011
Der Rentenantrag führt zum Bezug einer australischen Erwerbsminderungsrente ab01.01.2012
Ein Anspruch auf deutsche Rente bestand nicht, da die Versicherte nicht erwerbsgemindert war. Nun hat sich ihre Leistungsfähigkeit weiter verringert.
Sie stellt erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung am:30.04.2015
Der Eintritt der Erwerbsminderung wird festgelegt für den:15.04.2015
Besteht Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung?
Lösung:
Es ergibt sich folgender 5-Jahreszeitraum15.04.2010 bis 14.04.2015
Im 5-Jahreszeitraum liegen für 21 Monate australische Wohnzeiten mit einer Beschäftigung oder Tätigkeit vor
04/2010 bis 12/2011
Der australische Erwerbsminderungsrentenbezug verlängert den 5-Jahreszeitraum.
Im 5-Jahreszeitraum liegen 40 Monate australischer Erwerbsminderungsrentenbezug01/2012 bis 04/2015
Der 5-Jahreszeitraum verlängert sich um 40 Monate in die Vergangenheit15.12.2006 bis 14.04.2015
Im verlängerten Zeitraum liegen für 61 Monate australische Wohnzeiten mit einer Beschäftigung oder Tätigkeit vor
12/2006 bis 12/2011
Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von 36 Monaten sind zwischenstaatlich erfüllt. Es besteht Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Gesetz zu dem Abkommen vom 13.12.2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien über Soziale Sicherheit

Inkrafttreten: 04.09.2002 (Gesetz), 01.01.2003 (Abkommen)

Quelle: BGBl. 2002 II S. 2306, BGBl. 2002 II S. 2932

Mit dem vorgenannten Gesetz vom 28.08.2002 wurde das deutsch-australische Sozialversicherungsabkommen (SVA-Australien) vom 13.12.2000 Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Das Abkommen und damit auch Art. 6 SVA-Australien sind nach Austausch der Ratifikationsurkunden am 01.01.2003 in Kraft getreten. Zusätzlich wurde mit Australien am 09.02.2007 ein Ergänzungsabkommen geschlossen, das am 01.10.2008 in Kraft trat (siehe GRA zu Rechtsgrundlagen Australien).

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

Art. 6 SVA-Australien