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12 RJ 262/71

Gründe

Die Klägerin lebt in Israel. Ihr Sohn ist am 23.9.1943 geboren. Er leistete Militärdienst in der Verteidigungsarmee des Staates Israel vom 31.08.1961 bis 26.02.1964. Er studierte seit dem Sommersemester 1965 Medizin.

Die Beklagte gewährte den Kinderzuschuß zu der Rente wegen Berufsunfähigkeit der Klägerin vom Rentenbeginn am 01.06.1966 an bis Ende September 1968, d.h. bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Sohnes. Sie lehnte den auf § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO gestützten Antrag der Klägerin auf Weitergewährung des Kinderzuschusses mit Bescheid vom 08.01.1969 ab, weil der Sohn nicht nach deutschen Vorschriften der Wehrpflicht genügt habe.

Das LSG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Zum Wortlaut des § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO hat das LSG zutreffend ausgeführt, daß die Worte „gesetzliche Wehr- oder Ersatzdienstpflicht“ Begriffe der Wehrgesetzgebung der BRD wiedergeben (§§ 1, 25 des Wehrpflichtgesetzes vom 21.07.1956 i.d.F. vom 25.05.1962 und 03.09.1969, Gesetz über den zivilen Ersatzdienst vom 13.01.1960 i.d.F. vom 16.07.1965). Wenn der Gesetzgeber auch die Erfüllung der Militärdienstpflicht nach den Gesetzen des Staates Israel hätte erfassen wollen, so wären statt „gesetzlicher Wehr- oder Ersatzdienstpflicht“ allgemeiner gehaltene Ausdrücke zu verwenden gewesen, wie etwa in § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO „militärischer oder militärähnlicher Dienst“, „aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht“. Nach dem Wortlaut fällt unter § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO nur die Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht nach den Gesetzen der BRD.

Die Entstehungsgeschichte des § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO und der Sinn und Zweck dieser Vorschrift rechtfertigen keine ausdehnende oder entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Erfüllung einer militärischen Dienstpflicht nach israelischen Gesetzen. § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO ist mit dem BKGG vom 14.04.1964 (§ 36 Nr. 4) eingeführt worden. Die Vorschrift wurde bei der zweiten Beratung des BKGG (Änderungsantrag zu § 34 des Entw.) in der 118. Sitzung des Deutschen Bundestages der 4. Wahlperiode am 04.03.1964 beschlossen. Die Änderung wurde nicht besonders begründet (Stenografische Berichte S. 5500 B und C, 5432 D). Die entsprechende Änderung des § 2 Abs. 2 Satz 2 des Entw. des BKGG wurde lediglich als Nachbildung des § 559b Abs. 3 Satz 2 RVO i.d.F. vom 29.12.1960 (BGBl. I 1085 = § 583 Abs. 3 Satz 2 RVO n.F.) bezeichnet (Entw. des BKGG, BT-Drucks. IV 818, Begr. zu § 2 Abs. 2). Im Entwurf des UVNG vom 16.12.1958 (§ 578 Abs. 3 Satz 2) - BT-Drucks. III 758 - wurde die Hereinnahme der Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht als Nachbildung des § 32 Abs. 3 BVG (i.d.F. vom 01.07.1957 - BGBl. I 661 -) angegeben (§ 559b Abs. 3 Satz 2 RVO i.d.F. vom 29.12.1960). Zu § 32 Abs. 3 BVG i.d.F. vom 01.07.1957 ist im Bericht des 29. Bundestagsausschusses (BT-Drucks. II 3488) nur gesagt, der Erhöhungsbetrag (der Ausgleichsrente) werde über das 25. Lebensjahr hinaus in den Fällen gewährt werden können, in denen die Schul- oder Berufsausbildung des Kindes durch Erfüllung der Wehr- oder Ersatzdienstpflicht unterbrochen oder verzögert worden sei. Daß das BVG auf die Verhältnisse in der BRD abstellt, ergibt besonders klar der Satz 4 in § 33b Abs. 4 BVG i.d.F. vom 25.01.1971 (BGBl. I 65). Danach gilt Satz 3 dieser Vorschrift „entsprechend für den auf den Grundwehrdienst anzurechnenden Wehrdienst, den ein Soldat auf Zeit aufgrund freiwilliger Verpflichtung für eine Dienstzeit von nicht mehr als drei Jahren geleistet hat“ sowie „für einen diesem freiwilligen Wehrdienst entsprechenden Vollzugsdienst der Polizei bei Verpflichtung auf nicht mehr als drei Jahre“ und ferner „für die vom Wehr- und Ersatzdienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer i.S. des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfergesetzes für einen der Dauer des Grundwehrdienstes entsprechenden Zeitraum“. Damit hat der Gesetzgeber gezeigt, daß er nur ganz bestimmte Dienstverpflichtungen und diese nur in bestimmten zeitlichen Grenzen für die Gewährung des Kinderzuschlags in der KOV über ein bestimmtes Lebensalter hinaus anerkennen will. Diese in der KOV erkennbaren allgemeinen Grundsätze sprechen auch gegen die Berücksichtigung einer militärischen Dienstpflicht nach den Gesetzen Israels in der gesetzlichen RentV. Denn es sind keine Besonderheiten der RentV zu erkennen, die die Einbeziehung ausländischen Militärdienstes - ohne Rücksicht auf dessen Art, Ausmaß und Personenkreis - in § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO begründen würden. Es ist sinnvoll, daß der Gesetzgeber in der RentV die Gewährung des Kinderzuschusses über das 25. Lebensjahr hinaus nur dann zuläßt, wenn er selbst durch seine Dienstpflichtgesetze einen früheren Abschluß der Berufsausbildung unmöglich macht.

Diese Auslegung des § 1262 Abs. 3 Satz 3 RVO verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG; denn es ist ein rechtserheblicher Unterschied, ob die Verzögerung der Berufsausbildung durch Maßnahmen des Bundesgesetzgebers verursacht und von ihm deshalb zu vertreten ist oder ob die Verzögerung auf Maßnahmen fremder Staaten beruht. Die nach dem Recht der BRD zu erfüllende Wehrdienstpflicht und der aufgrund ausländischer Gesetze geleistete militärische Dienst können somit nicht von vornherein als gleich angesehen und behandelt werden. Es ist auch zu bedenken, daß die sozialversicherungsrechtliche Begünstigung von Tatbeständen im Ausland üblicherweise in zwischenstaatliche Abkommen über soziale Sicherheit unter Beachtung der Gegenseitigkeit vereinbart wird.

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