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11 RA 64/78

Gründe I.

Streitig ist die Gewährung eines Kinderzuschusses über das 25. Lebensjahr hinaus.

Die in Israel ansässige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige; sie bezieht seit 1965 Versichertenrente aus der deutschen Angestelltenversicherung. Hierzu wurde ihr für ihren Sohn G. bis Juli 1969 (Vollendung des 18. Lebensjahres) ein Kinderzuschuß gewährt. Ende 1972 gab die Klägerin bekannt, ihr Sohn habe von November 1969 bis November 1972 in der israelischen Armee Wehrdienst geleistet und studiere nun an einer Hochschule; hierauf erhielt sie den Kinderzuschuß ab November 1972 wieder. Mit Juli 1976 stellte die Beklagte dessen Zahlung wegen der Vollendung des 25. Lebensjahres ein (Bescheid vom 24. Juni 1976).

Die Klägerin begehrt gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 und 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Weiterzahlung. Die Berufsausbildung des Sohnes habe sich durch die Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht in Israel verzögert; nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1973 (BGBl. I 1975 S. 246) bestehe Gleichstellung auch bei der verlängerten Gewährung von Kinderzuschüssen.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos (Urteile vom 9. August 1977 und 26. Mai 1978). Nach der Ansicht des Landessozialgerichts ist der Kinderzuschuß nicht über das 25. Lebensjahr hinaus zu zahlen. In § 39 Abs. 3 Satz 3 AVG sei nur der nach deutschem Recht geleistete Wehrdienst gemeint; daran ändere das deutsch-israelische Sozialversicherungsabkommen nichts.

Mit der - zugelassenen - Revision beantragt die Klägerin (sinngemäß),

  • die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid vom 24. Juni 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kinderzuschuß über Juli 1976 hinaus weiterzugewähren.

Sie rügt eine Verletzung des AVG und des deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommens. Schon nach dem Wortlaut von § 39 Abs. 3 Satz 3 AVG müsse nicht nur nach deutschem Recht die gesetzliche Wehrpflicht erfüllt sein. Im übrigen bestimme Art. 3 des Abkommens eine volle Gleichstellung. Die Beklagte habe auch die Gleichstellung durch Einstellen der Kinderzuschußzahlung während des gesamten dreijährigen israelischen Wehrdienstes bereits anerkanntes. Da das deutsch-israelische Abkommen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts diene, sei ferner zu berücksichtigen, daß der Sohn G. ohne ihre verfolgungsbedingte Auswanderung in Deutschland Wehrdienst geleistet hätte.

Die Beklagte beantragt,

  • die Revision zurückzuweisen.

Gründe II.

Die Revision ist nicht begründet.

Der Klägerin steht ab August 1976 ein Kinderzuschuß für den im Juli ... geborenen Sohn G. nicht mehr zu. Gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 AVG wird der Kinderzuschuß für ein Kind, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Die in Satz 3 enthaltene Ausnahmeregelung, nach der bei Unterbrechung oder Verzögerung der Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht des Kindes der Kinderzuschuß auch für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt wird, kommt der Klägerin nicht zugute. Zwar hat sich bei ihrem Sohn die Berufsausbildung durch den - dreijährigen - Militärdienst verzögert; die Ableistung ist jedoch keine Erfüllung der gesetzlichen Wehrdienstpflicht im Sinne von § 39 Abs. 3 Satz 3 AVG. Dies hat schon der 12. Senat des Bundessozialgerichts im Urteil vom 22. Juni 1972 (BSGE 34, 198) zu dem gleichlautenden § 1262 Abs. 3 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung entschieden; seine Entscheidung hat in überzeugender Weise dem Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn der Vorschrift Rechnung getragen; der erkennende Senat schließt sich ihr an.

Die begehrte Weiterzahlung des Kinderzuschusses kann auch nicht aufgrund des am 1. Mai 1975 in Kraft getretenen deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommens erfolgen. Das Abkommen ist ein allgemeines zwischenstaatliches Abkommen auf dem Gebiet der Sozialversicherung; es bezweckt nicht eine Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im Bereich der Sozialversicherung, so daß schon deshalb mit hierauf abgestellten Erwägungen ein Anspruch aus dem Abkommen nicht begründet werden kann. Das Abkommen hat die israelische Wehrdienstpflicht nicht der deutschen Wehrdienstpflicht gleichgestellt. Das ist insbesondere nicht durch Art. 3 Abs. 1 des Abkommens geschehen. Danach stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates gemäß Absatz 1 Buchst. a zwar die Staatsangehörigen des anderen Staates gleich; damit wird aber nicht jeder Sachverhalt so behandelt, als habe er sich zugleich im anderen Vertragsstaat unter dessen Rechtsordnung ereignet. Die genannte Gleichstellung bedeutet nur eine solche bei der Staatsangehörigkeit; sie entfaltet ihre Wirkungen, wenn die Staatsangehörigkeit Voraussetzung einer Rechtsvorschrift ist (vgl. BSGE 39, 284). Eine darüber hinausgehende Gleichstellung bei sonstigen Tatbestandsmerkmalen muß besonders bestimmt sein; so ist z.B. in Art. 4 noch für den Inlandsaufenthalt und in Art. 22 Nr. 3 für Pflichtbeiträge eine Gleichstellung vorgenommen worden. Eine Gleichstellung des Wehrdienstes nach israelischem Recht mit dem deutschen Wehrdienst im Rahmen des Kinderzuschusses ist dagegen zwar bei den Vorbesprechungen über das Abkommen auf Vorschlag der israelischen Beraterkommission erörtert (vgl. die Niederschrift vom 12. bis 24. März 1970), aber in keiner späteren Vertragsbestimmung verwirklicht worden.

Ob die Beklagte wegen früherer „Anerkennung“ einer solchen Gleichstellung zur Weiterzahlung des Kinderzuschusses verpflichtet sein könnte, braucht nicht im einzelnen erörtert zu werden; eine solche Verpflichtung müßte jedenfalls schon am Fehlen einer „Anerkennung“ scheitern. Die Beklagte hatte die Zahlung des Kinderzuschusses gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 AVG wegen der Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes eingestellt; sie hat sie dann gemäß Satz 2 mit Beginn seiner Berufsausbildung wieder aufgenommen. Der - dazwischenliegende - israelische Wehrdienst war für dieses Verhalten ohne Einfluß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

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