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§ 4 RVIOBeschZG: Zusammenrechnung von Zeiten und Feststellung der Leistungshöhe

Änderungsdienst
veröffentlicht am

31.05.2021

Änderung

redaktionelle Änderungen in den Abschnitten 3.1.1 und 3.5

Dokumentdaten
Stand18.05.2021
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 in Kraft getreten am 01.07.2020
Rechtsgrundlage

§ 4 RVIOBeschZG

Version008.00

Inhalt der Regelung

§ 4 RVIOBeschZG regelt, wie Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzung für eine Leistung und bei deren Berechnung berücksichtigt werden.

Nach Absatz 1 werden Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation bei der Prüfung des Anspruchs sowohl mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten als auch mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, zusammengerechnet. Die Beschäftigungszeiten können jedoch nur berücksichtigt werden, sofern sie sich nicht mit den anderen Zeiten überschneiden. Bei der Vorversicherungszeit für eine Pflichtversicherung in der KVdR gilt dies entsprechend.

Absatz 2 bestimmt, dass die Beschäftigungszeiten aus Absatz 1 bei der Rentenberechnung so behandelt werden, als würde es sich um Versicherungszeiten handeln, die im gesetzlichen System eines Staats zurückgelegt worden sind, für den die VO (EG) Nr. 883/2004 gilt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004
    Bei Anwendung des RVIOBeschZG wird eine Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen für den Rentenanspruch und für die Rentenberechnung analog zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 geprüft.
  • Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004
    Diese Vorschrift wird für die Zusammenrechnung für den Leistungsanspruch, die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften, die Beitragserstattung sowie die Krankenversicherung der Rentner analog angewendet.
  • Art. 51 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004
    Auch für die Versicherungspflicht zum Leistungsfall nach § 53 Abs. 1 S. 2 SGB VI ist diese Vorschrift im Rahmen des RVIOBeschZG analog anzuwenden.
  • Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004
    Nach § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG gilt diese Vorschrift für die Feststellung der Leistungshöhe analog, da Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation so berücksichtigt werden sollen, als handelte es sich um Versicherungszeiten oder Wohnzeiten eines Staates, für den das Europarecht anzuwenden ist.
  • Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004
    Bei der anteiligen (zwischenstaatlichen) Berechnung nach dem RVIOBeschZG wird diese Vorschrift analog angewendet. Bei der autonomen (innerstaatlichen) Berechnung ist für Leistungen einer internationalen Organisation eine entsprechende Anwendung (Träger-pro-rata) im Ergebnis nicht möglich.
  • Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004
    Diese Vorschrift kann für Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation nicht analog angewendet werden.
  • Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009
    Für Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen gelten nicht die Regeln des Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009. Diese Vorschrift ist aber maßgeblich für das Zusammentreffen von deutschen rentenrechtlichen Zeiten und zu berücksichtigender Versicherungszeiten und Wohnzeiten anderer Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden.
  • Art. 13 VO (EG) Nr. 987/2009
    Fremde Zeiteinheiten bei zu berücksichtigenden Versicherungszeiten und Wohnzeiten anderer Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden, werden nach dieser Vorschrift umgerechnet.
  • § 1 RVIOBeschZG
    Nach dieser Vorschrift erstreckt sich der Anwendungsbereich des RVIOBeschZG unter anderem auf deutsche rentenrechtliche Zeiten nach dem SGB VI, die dann für die Zusammenrechnung von Zeiten und für die Feststellung der Leistungshöhe zur Verfügung stehen.
  • § 2 RVIOBeschZG
    Bei welchen internationalen Organisationen Beschäftigungszeiten im Sinne des RVIOBeschZG zurückgelegt werden können, legt § 2 RVIOBeschZG fest.
  • § 3 RVIOBeschZG
    Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation vorliegen, die dann für die Zusammenrechnung von Zeiten und für die Feststellung der Leistungshöhe zur Verfügung stehen.
  • § 5 RVIOBeschZG
    Diese Vorschrift regelt das Entstehen von Leistungsansprüchen und die Neufeststellung von bereits gezahlten Leistungen. Unter anderem bestimmt Absatz 2 der Vorschrift, dass Renten, die bereits vor dem Inkrafttreten des RVIOBeschZG gewährt wurden, auf Antrag der betreffenden Person neu festgestellt werden.

Grundsätze für die Zusammenrechnung und Rentenberechnung

Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen nach § 3 RVIOBeschZG werden

zusammen mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt. Darüber hinaus fließen – sofern vorhanden – weitere Versicherungszeiten und Wohnzeiten aus einem Staat ein, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet. Durch § 4 RVIOBeschZG wird die analoge Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004 normiert, indem die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation quasi zu Versicherungszeiten eines (fiktiven) Staates, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, fingiert werden. So wird erreicht, dass Ansprüche insgesamt aus allen Sicherungssystemen in Europa nach den Grundprinzipien der VO (EG) Nr. 883/2004 festgestellt werden können.

Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG sind weder rentenrechtliche deutsche Zeiten noch Versicherungszeiten oder Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004. Sie haben nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG gegenüber rentenrechtlichen deutschen Zeiten sowie Versicherungszeiten und Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004 Nachrang und bleiben unberücksichtigt, sofern sie sich mit ihnen überschneiden. Für die Rentenberechnung gilt dies gleichermaßen, weil § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG in den Abs. 1 verweist.

Die Zusammenrechnung der Zeiten erfolgt für den Anspruch auf alle Rentenarten (darüber hinaus auch für Leistungen zur Teilhabe). Dabei kommt es - wie bei der Anwendung von Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004 im Zusammenspiel mit dem Beschluss H6 der Verwaltungskommission vom 16.12.2010 - nicht auf die Qualität und die Wirkung der Beschäftigungszeiten innerhalb des Sonderversorgungssystems an. Sie sollen sowohl bei der Anspruchsprüfung als auch bei der Rentenberechnung angerechnet werden. Insofern wird ein Gleichklang mit den Rechtsfolgen aus der Anwendung von Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004 hergestellt (vergleiche Abschnitt 3).

Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG wirken sich bei der Berechnung der Rente wie Versicherungszeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004 aus. Zu diesem Zweck wird in § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG zur Ermittlung der Leistungshöhe die analoge Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004 normiert (vergleiche Abschnitt 4).

Im Zusammenhang mit der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten und mit der Rentenberechnung steht die Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten und Ereignissen (entsprechend Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004). Obwohl sie nicht ausdrücklich durch § 4 RVIOBeschZG verfügt wird, ist sie zwangsläufige Folge des Verweises in die VO (EG) Nr. 883/2004 durch § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG und im Übrigen unabdingbar insbesondere für die Anspruchsprüfung (vergleiche Abschnitt 5).

Obwohl § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG eine einheitliche Berechnung einschließlich weiterer Zeiten nach den Grundsätzen der VO (EG) Nr. 883/2004 vorsieht, wird in besonderen Fällen eine weitere Berechnung auf einer anderen Rechtsgrundlage notwendig (vergleiche Abschnitt 6).

Nach § 4 Abs. 1 S. 2 RVIOBeschZG werden auch für die Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner die Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG angerechnet (siehe Abschnitt 7).

Das RVIOBeschZG sieht nur einseitig Regelungen ausschließlich für das deutsche Recht vor. Die Zusammenrechnung gilt nicht für die internationalen Organisationen selbst. Deutsche rentenrechtliche Zeiten werden für die dortigen Anwartschaften daher im Hinblick auf das RVIOBeschZG nicht berücksichtigt.

Zusammenrechnung von Zeiten für den Anspruch

§ 4 Abs. 1 RVIOBeschZG regelt die Zusammenrechnung von Zeiten für die Prüfung eines Anspruchs nach dem SGB VI. Das beinhaltet

  • die Zusammenrechnung für den Leistungsanspruch auf alle Rentenarten (siehe Abschnitt 3.2),
  • die Zusammenrechnung für die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften (siehe Abschnitt 3.3),
  • die Zusammenrechnung für die Prüfung der allgemeinen Wartezeit bei einer Beitragserstattung (siehe Abschnitt 3.4).

Versicherungsrechtliche Sachverhalte werden nicht von § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG erfasst (siehe Abschnitt 3.5).

Welche Zeiten für die Zusammenrechnung berücksichtigt werden können, beschreibt Abschnitt 3.1.

Zeiten für die Zusammenrechnung

Nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG werden für die Prüfung des Anspruchs auf alle Rentenarten Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation mit folgenden Zeiten zusammengerechnet:

  • mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten (siehe Abschnitt 3.1.2) und
  • mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten anderer Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden (siehe Abschnitt 3.1.3).

Die Zusammenrechnung erfolgt nur, soweit sie sich nicht mit anderen, zeitgleichen Zeiten überschneiden (siehe Abschnitt 3.1.1).

Eine Zusammenrechnung ist ausschließlich mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats möglich, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet. Versicherungszeiten von Staaten, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen existiert, können im Rahmen des RVIOBeschZG nicht berücksichtigt werden. Der § 4 RVIOBeschZG sieht dies nicht vor.

Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation

Die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation werden nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten und gegebenenfalls weiteren Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats zusammengerechnet, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Charakter und welche Wirkung die Beschäftigungszeit als Zeit innerhalb des Sonderversorgungssystems der internationalen Organisation besitzt. Für die Zusammenrechnung haben Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation immer die höchst mögliche Wirkung. Diese erzielen sie, wenn sie für den Rentenanspruch wie Pflichtbeiträge aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit behandelt werden. Damit ist für die Prüfung der Wartezeit von 45 Jahren nach § 51 Abs. 3a SGB VI auch ausgeschlossen, dass es sich um Zeiten der Arbeitslosigkeit handelt.

Für die Zusammenrechnung nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG werden Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation nur nachranging nach allen anderen zu berücksichtigenden Zeiten verwendet. Sie werden nur zusammengerechnet, sofern sich diese Zeiten nicht mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten oder mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, überschneiden. Treffen sie in einem Monat mit einer anderen Zeit zusammen, werden die Beschäftigungszeiten nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG bei der Anspruchsprüfung nicht berücksichtigt.

Siehe Beispiel 1

Dies gilt selbst dann, wenn sie mit einer für den jeweiligen Anspruch „schwächeren“ Zeit, die nicht für die Wartezeitprüfung aller Rentenarten berücksichtigt werden kann, zusammentreffen sollten.

Siehe Beispiel 2

Welche Zeiten als Beschäftigungszeiten in Betracht kommen, ergibt sich nach der Definition von § 3 RVIOBeschZG. Der Umfang der für die Zusammenrechnung zur Verfügung stehenden Beschäftigungszeiten ergibt sich aus der Bescheinigung der jeweiligen internationalen Organisation. Einzelheiten hierzu enthält die GRA zu § 3 RVIOBeschZG, Abschnitt 4.

Deutsche rentenrechtliche Zeiten

Für die Zusammenrechnung mit Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation werden nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG alle in § 51 SGB VI genannten anrechenbaren Zeiten berücksichtigt. Hierzu gehören die rentenrechtlichen Zeiten nach § 54 SGB VI, im Übrigen solche nach Nebengesetzen (FRG und AAÜG) sowie auch aus Zuschlägen ermittelte Wartezeitmonate nach § 52 SGB VI.

Versicherungszeiten und Wohnzeiten von Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden

Neben den Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation können nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG auch Versicherungszeiten und Wohnzeiten (nach Art. 1 Buchst. t und v VO (EG) Nr. 883/2004) eines Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, mit den deutschen rentenrechtlichen Zeiten zusammengerechnet werden.

Versicherungszeiten im Vereinigten Königreich werden zumindest bis zum Ende des Überganszeitraums nach dem Austritt (31.12.2020) herangezogen, da das Vereinigte Königreich nach § 1 BrexitÜG und nach Art. 7 Brexit-Abkommen und Art. 127 Abs. 6 Brexit-Abkommen (vergleiche auch GRA zu Übersicht Brexit-Abkommen, Abschnitt 3) während des Übergangszeitraums im deutschen Recht noch als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt und auch noch die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet.

Welche Versicherungszeiten und Wohnzeiten der Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden, für eine Zusammenrechnung zur Verfügung stehen, kann den länderbezogenen GRAen zu Art. 1 Buchstabe t und v VO (EG) Nr. 883/2004 entnommen werden. Der Umfang der Zeiten ergibt sich aus dem jeweiligen SED P5000 oder übergangsweise noch aus dem Formblatt E 205. Die Umrechnung fremder Zeiteinheiten erfolgt analog Art. 13 VO (EG) Nr. 987/2009 (vergleiche GRA zu Art. 13 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 2 und Abschnitt 3). Treffen Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten zusammen, wird Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009 analog angewendet (siehe GRA zu Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 4).

Zusammenrechnung für den Leistungsanspruch

Bei der Zusammenrechnung mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten für die Anspruchsprüfung können nur die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation und die zurückgelegten Versicherungszeiten und Wohnzeiten in einem Staat, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, berücksichtigt werden, die vor Eintritt des jeweiligen deutschen Leistungsfalles (zum Beispiel vor Eintritt der Erwerbsminderung entsprechend §§ 43 Abs. 1 und 2, 245 Abs. 3 SGB VI) liegen. Die Ausführungen in der GRA zu Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5, gelten analog und können auf die wartezeitrechtlichen Regelungen übertragen werden:

Voraussetzung für die Zusammenrechnung ist, dass mindestens ein auf die jeweilige Wartezeit anrechenbarer deutscher Monat vorliegt. Der Anspruch auf eine deutsche Rente kann damit bereits aus einem deutschen Monat entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen unter Zusammenrechnung mit den Beschäftigungszeiten und gegebenenfalls weiteren Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, erfüllt sind.

Die (besonderen) versicherungsrechtlichen Voraussetzungen können auch allein durch Beschäftigungszeiten oder Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, erfüllt werden. Es ist nicht erforderlich, dass im maßgebenden Zeitraum deutsche Pflichtbeitragszeiten wegen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sind. Bei der vorzeitigen Wartezeiterfüllung allein durch Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten oder Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, muss der Versicherte jedoch zu irgendeiner Zeit vorher der deutschen Rentenversicherung angehört und mindestens einen Beitrag entrichtet haben.

Zusammenrechnung für die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften

Auch für die Anwendung bestimmter Rechtsvorschiften, in denen eine Mindestanzahl an Versicherungszeiten verlangt wird, können Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation mit den deutschen rentenrechtlichen Zeiten sowie Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, zusammengerechnet werden (entsprechend Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004). Dies gilt für folgende Regelungen:

Welche Zeiten bei den einzelnen Vorschriften jeweils herangezogen werden, kann der GRA zu Art. 6 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6, entnommen werden.

Zusammenrechnung für die allgemeine Wartezeit bei der Beitragserstattung nach § 210 SGB VI

Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation sind nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG für die Prüfung eines Anspruchs auf Rente mit rentenrechtlichen Zeiten nach § 54 SGB VI, darüber hinaus ggf. mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staates, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, zusammenzurechnen. Ist die allgemeine Wartezeit mit diesen Zeiten erfüllt, besteht demnach kein Anspruch auf Beitragserstattung nach § 210 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB VI sowie § 210 Abs. 1a SGB VI.

Keine Zusammenrechnung für versicherungsrechtliche Sachverhalte

Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation sind nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG lediglich für die Prüfung eines Anspruchs auf Leistungen und für die Prüfung der Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR, siehe Abschnitt 7) mit rentenrechtlichen Zeiten nach § 54 SGB VI, darüber hinaus gegebenenfalls auch mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staates, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, zusammenzurechnen.

Für eine Zusammenrechnung von Zeiten bei einer internationalen Organisation im Rahmen rein versicherungsrechtlicher Sachverhalte, wie zum Beispiel § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI (Befreiung für Handwerker bei 18 Jahren Pflichtbeiträgen), die sich nicht auf Leistungen beziehen, fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung.

Bestimmung der Rentenhöhe

Nach § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG werden Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation für die Rentenberechnung so berücksichtigt, als handelte es sich um Versicherungszeiten eines Staates, für den die VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden ist. Damit wird innerstaatlich bestimmt, dass alle Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Wanderarbeitnehmers in Europa nach den Grundsätzen der VO (EG) Nr. 883/2004 bei der Rentenberechnung Eingang finden. Die Rechtsanwendung aus Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004 wird durch § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG um die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation erweitert. § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG verweist in die VO (EG) Nr. 883/2004 und normiert deren Anwendung auf die Fallkonstellationen des RVIOBeschZG.

Das bedeutet, dass nach dem RVIOBeschZG immer die Berechnung einer anteiligen (zwischenstaatlichen) Leistung entsprechend Art. 52 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 durchgeführt wird (siehe Abschnitt 4.2). Berücksichtigung finden, wie bei der Zusammenrechnung von Zeiten bei der Anspruchsprüfung, drei Gruppen von Zeiten:

  • deutsche rentenrechtliche Zeiten,
  • Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation und
  • Versicherungszeiten und Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004, sofern vorhanden.

Werden die Anspruchsvoraussetzungen für die deutsche Rente allein mit rentenrechtlichen Zeiten und Sachverhalten nach deutschen Rechtsvorschriften, also auch ohne die Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG, erfüllt, so erfolgt die Berechnung der Rente entsprechend Art. 52 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 auch als autonome (innerstaatliche) Leistung (vergleiche Abschnitt 4.1), ohne dass die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation und gegebenenfalls Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines anderen Staates, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, berücksichtigt werden.

Die Ausführungen in der GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 3, gelten analog.

Ist der Rentenanspruch allein mit den deutschen rentenrechtlichen Zeiten erfüllt, ohne dass es der Anwendung von § 4 RVIOBeschZG bedürfte, wird die anteilige (zwischenstaatliche) Rente aus allen Zeiten mit der autonomen (innerstaatlichen) Rente verglichen. Für den Vergleich gilt Art. 52 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 entsprechend (vergleiche auch GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6). Die höhere der beiden Leistungen ist zu zahlen (vergleiche Abschnitt 4.3). Dabei ist zu beachten, dass sich möglicherweise ein höherer Leistungsanspruch aus einer alternativen Rechtsanwendung ergeben könnte (vergleiche Abschnitt 6).

Bei einem nur zwischenstaatlichen Rentenanspruch (unter Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation und gegebenenfalls weiteren Zeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004) kann der Vergleich nicht erfolgen, weil ausschließlich ein Anspruch auf die anteilige Leistung besteht.

Wenn Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation wie Versicherungszeiten behandelt werden, die im gesetzlichen System eines Staates zurückgelegt wurden, das vom Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst wird, hat dies auch Auswirkungen auf die übrigen Bereiche der VO (EG) Nr. 883/2004, die im Zusammenhang mit der Rentenberechnung stehen und einseitig durch nationales Recht bestimmt werden können. Hierzu zählen die Doppelleistungsbestimmungen in den Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004, Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004, die im Rahmen von § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG ebenfalls zur Anwendung kommen (vergleiche Abschnitt 4.5).

Hingegen kann die Anwendung einer Norm wie Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004 einseitig durch deutsches Recht nicht bestimmt werden. Es fehlt an der Gegenseitigkeit, sodass § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG auf diese Vorschrift nicht verweisen kann (vergleiche Abschnitt 4.4).

Berechnung der autonomen Leistung

Unter der Voraussetzung, dass alle Anspruchsvoraussetzungen für die Rente nur mit deutschen rentenrechtlichen Zeiten und in Deutschland eingetretenen Sachverhalten erfüllt sind, wird die Leistung als autonome Leistung nach dem RVIOBeschZG berechnet. Sie erfolgt nach den Vorschriften der deutschen Sozialgesetze einschließlich der Nebengesetze (insbesondere dem SGB VI). Zeiten bei internationalen Organisationen und Versicherungszeiten und Wohnzeiten in anderen Staaten, die die VO (EG) Nr. 883/2004 anwenden, werden nicht berücksichtigt.

Weitere Einzelheiten zur Berechnung einer autonomen Leistung können analog der GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 4, 4.1, 4.2, 4.3 und 4.4 entnommen werden.

Berechnung der anteiligen Leistung

Jeder Rentenanspruch, der unter den Anwendungsbereich des § 4 RVIOBeschZG fällt, wird als anteilige Leistung analog Art. 52 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 festgestellt. Dabei werden neben den deutschen rentenrechtlichen Zeiten sowohl die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation als auch möglicherweise vorhandene Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats berücksichtigt, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, indem wie bei Art. 52 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 zunächst ein theoretischer Betrag, dann der tatsächliche Betrag bestimmt wird.

Nähere Ausführungen zur Berechnung einer anteiligen Leistung können der GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5 ff., entnommen werden. Die darin beschriebenen Grundsätze des Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009 sind allerdings nur maßgeblich für das Zusammentreffen von deutschen rentenrechtlichen Zeiten mit Versicherungszeiten und Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004 (vergleiche auch Abschnitt 3.1.3). Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation haben wegen § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG immer Nachrang nach anderen Zeiten, sodass Art. 12 VO (EG) Nr. 987/2009 hier nicht maßgeblich ist (vergleiche auch Abschnitt 3.1.1).

Vergleich zwischen autonomer und anteiliger Leistung

Ist der Rentenanspruch allein mit den deutschen rentenrechtlichen Zeiten, also auch ohne die Beschäftigungszeiten aus § 3 RVIOBeschZG, innerstaatlich erfüllt, wird die anteilige Rente (vergleiche Abschnitt 4.2) mit der autonomen Rente (vergleiche Abschnitt 4.1) entsprechend Art. 52 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 verglichen. Bei einem Rentenanspruch, der allein unter zusätzlicher Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG erfüllt ist, kann der Vergleich nicht erfolgen, weil ausschließlich ein Anspruch auf die anteilige Leistung besteht.

Der Vergleich der allein mit den deutschen rentenrechtlichen Zeiten berechneten Rente (autonome Leistung) und der mit den Versicherungszeiten und Wohnzeiten der anderen Mitgliedstaaten berechneten Rente (anteilige Leistung) erfolgt mit den jeweiligen Zahlbeträgen. Der höhere der beiden Beträge ist maßgebend und wird gezahlt. Sind die Zahlbeträge beider Rentenberechnungen gleich hoch, wird die autonome Leistung gezahlt.

Im Übrigen gelten die Ausführungen der GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 6, 6.1 und 6.2 entsprechend.

Zeiten von weniger als einem Jahr – Keine Leistungsbefreiung, keine Abgeltung

Eine Regelung über Zeiten von weniger als einem Jahr, wie sie Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004 enthält, ist im Rahmen des § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG nicht maßgeblich, weil es hierzu einer beiderseitigen Anwendung bedürfte, die ein nationales Gesetz nicht herstellen kann. Die Rechtsgrundlage, aufgrund derer einerseits die Abgabe von Zeiten und anderseits die Übernahme der Zeiten erfolgte, wäre nicht identisch. Die Leistungsbefreiung nach Art. 57 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 kann nur durch Anwendung von Art. 57 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 und innerhalb einer Leistung nach der VO (EG) Nr. 883/2004 gelöst werden, aber nicht innerhalb einer Leistung nach dem nationalem Recht des RVIOBeschZG. Insofern sind innerhalb der Rechtsanwendung des RVIOBeschZG und abweichend von der VO (EG) Nr. 883/2004 deren Regelungen zur Leistungsbefreiung und zur Abgeltung fremder Zeiten unbeachtlich.

Das hat folgende Konsequenzen:

  • Weniger als ein Jahr deutsche rentenrechtliche Zeiten
    Der Anspruch auf eine deutsche Rente kann bereits aus einem deutschen Monat entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen unter Zusammenrechnung mit den Beschäftigungszeiten und gegebenenfalls weiteren Versicherungszeiten und Wohnzeiten eines Staats, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, erfüllt sind. Für deutsche rentenrechtliche Zeiten von weniger als einem Jahr gibt es im Rahmen von § 4 RVIOBeschZG keine Leistungsbefreiung.
  • Weniger als ein Jahr Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation
    Internationale Organisationen wenden Art. 57 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht an, weil sie von der VO (EG) Nr. 883/2004 nicht erfasst werden. Daher müsste im Falle von Beschäftigungszeiten von weniger als einem Jahr nach dem theoretischen Betrag immer auch der tatsächliche Betrag der anteiligen Leistung (analog Art. 52 Abs. 1 Buchst. b Ziffer ii VO (EG) Nr. 883/2004) bestimmt werden.

Doppelleistungsbestimmungen

Weil § 4 Abs. 2 RVIOBeschZG für die Feststellung der Leistungshöhe vorgibt, dass Beschäftigungszeiten wie Versicherungszeiten eines Staates, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, verwendet werden sollen, fingiert dies die Quasi-Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004. Dies umfasst dem Grunde nach auch die entsprechende Anwendung der Doppelleistungsbestimmungen. Durch das RVIOBeschZG erfolgt allerdings lediglich eine einseitige analoge Anwendung des Verordnungsrechts im nationalen deutschen Recht.

Auf eine autonom (innerstaatlich) berechnete Leistung wäre insofern Art. 55 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden. Allerdings werden die Träger der Deutschen Rentenversicherung von Kürzungen oder Anrechnungen bei den Versorgungsleistungen einer internationalen Organisation regelmäßig keine Kenntnis erhalten, sodass ein Teilungsverhältnis ohne sie bestimmt werden muss. Somit wird der Teilungsfaktor („Träger-pro-rata“) nach Art. 55 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 nicht von einer eventuellen Anwendung von Kürzungsbestimmungen auf Seiten des Versorgungsträgers einer internationalen Organisation beeinflusst. Die Regelung in Art. 55 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 über die Teilung des zu berücksichtigenden Einkommens nach der Anzahl der beeinflussten Leistungen kann allerdings dann eine Rolle spielen, sofern neben den Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation weitere Versicherungszeiten und Wohnzeiten in einem Staat, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, vorhanden sind und dort wegen anzurechnenden Leistungen oder Einkünfte eine Leistung gleicher Art tatsächlich gemindert, gekürzt oder zum Ruhen gebracht wird.

Leistungen unterschiedlicher Art oder Einkünfte, die auf die anteilige (zwischenstaatliche) Rente mindernd wirken, werden in dem pro-rata-Verhältnis berücksichtigt, das sich aus der Ermittlung der Teilrente analog Art. 52 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt. Für deutsche Renten ist dies das pro-rata-Verhältnis der Entgeltpunkte aus den deutschen rentenrechtlichen Zeiten zu den Entgeltpunkten aus deutschen rentenrechtlichen Zeiten und den Versicherungszeiten und Wohnzeiten anderer Mitgliedstaaten einschließlich der Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation (vergleiche auch GRA zu Art. 52 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5.2.1).

Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen

Nicht nur das Erreichen einer durch Gesetz festgelegten Mindestanzahl an Versicherungszeiten bestimmt, ob ein Rentenanspruch gegeben ist. Darüber hinaus können persönliche sowie weitere Voraussetzungen zu erfüllen sein. Erfordern diese Voraussetzungen den Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse, so können Sachverhalte oder Ereignisse, die bei einer internationalen Organisation oder in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind mit denen nach deutschem Recht gleichgestellt werden und dadurch zu einem Rentenanspruch oder einem früheren Rentenbeginn verhelfen.

In § 4 RVIOBeschZG ist zwar keine ausdrückliche Regelung zur Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen enthalten. Allerdings ist diese grundsätzlich analog zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 zu prüfen, weil die Gleichstellung untrennbar mit der Anspruchsfeststellung und der Feststellung einer Leistung verbunden ist. Die Urteile des EuGH (vergleiche Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) zielen zudem darauf ab, dass die bei einer internationalen Organisation beschäftigten Personen so behandelt werden sollen, als hätten sie die dortigen Beschäftigungszeiten in einem (weiteren) Mitgliedstaat zurückgelegt. Um das Mobilitätshindernis für die bei internationalen Organisationen beschäftigten Personen, wie vom EuGH gefordert, zu beseitigen, müssen sowohl in einem anderen Mitgliedstaat als auch bei der internationalen Organisation selbst entstandene Sachverhalte im Rahmen der Gleichstellung berücksichtigt werden.

Einzelheiten, sowie Ausnahmen und Abweichungen sind in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben:

  • Gleichstellung für den Rentenanspruch (siehe Abschnitt 5.1)
  • Gleichstellung für die Rentenberechnung (siehe Abschnitt 5.2)
  • Keine Gleichstellung bei versicherungsrechtlichen Sachverhalten (siehe Abschnitt 5.3)

Gleichstellung für den Rentenanspruch

Sachverhalte oder Ereignisse, die bei einer internationalen Organisation oder in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind, werden für die Erfüllung des Rentenanspruchs mit Sachverhalten oder Ereignissen nach deutschem Recht gleichgestellt.

Im Rahmen des RVIOBeschZG dürften hauptsächlich folgende Regelungen von Bedeutung sein, die sowohl die internationale Organisation oder einen weiteren Staat, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, betreffen können:

Weitere Regelungen, bei denen eine Gleichstellung für den Rentenanspruch und den Rentenbeginn möglich ist, können der GRA zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 5, entnommen werden.

Ist der Rentenanspruch nur durch eine Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen erfüllt, schließt dies die Berechnung einer autonomen (innerstaatlichen) Leistung aus, weil hierfür die Leistungsvoraussetzungen nach nationalem Recht ohne Anwendung des RVIOBeschZG erfüllt werden müssten.

Gleichstellung für die Rentenberechnung

Bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI bestimmen nicht nur Versicherungszeiten die Rentenhöhe. Bei der Grundbewertung belegen auch sonstige Zeiten Lücken im belegungsfähigen Gesamtzeitraum. Solche Zeiten, die bei einer internationalen Organisation oder in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, werden bei der anteiligen (zwischenstaatlichen) Rentenberechnung analog zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 gleichgestellt.

Bei der Grundbewertung nach § 72 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI werden Zeiten des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Beitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten sind, als nicht belegungsfähige Kalendermonate berücksichtigt. Im Rahmen der Gleichstellung werden auch Zeiten des Bezugs eines Ruhegehalts oder einer Invaliditätsrente oder Altersrente von einer internationalen Organisation oder aus einem anderen Mitgliedstaat gleichgestellt, die nicht gleichzeitig Beschäftigungszeiten, mitgliedstaatliche Beitragszeiten, Wohnzeiten oder gleichgestellte Zeiten sind.

Keine Gleichstellung bei versicherungsrechtlichen Sachverhalten

Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation sind nach § 4 Abs. 1 RVIOBeschZG lediglich für die Prüfung eines Anspruchs auf Leistungen (und für die Prüfung der Vorversicherungszeit in der KVdR, siehe Abschnitt 7) zu berücksichtigen. Für eine Gleichstellung sonstiger Sachverhalte, die sich aus einer Beschäftigung bei einer internationalen Organisation ergeben, fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen nach § 3 RVIOBeschZG begründen daher keine Versicherung im Sinne des § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 SGB VI (Versicherungsfreiheit von Personen, die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht versichert waren). Sie stehen auch einer Versicherungspflicht nach § 210 Abs. 1 S. 1 SGB VI (Beitragserstattung für Personen, die nicht versicherungspflichtig und nicht zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind) nicht gleich, sodass eine Beitragserstattung auf dieser Grundlage zulässig ist.

Beachte:

Die Beschäftigung bei einer internationalen Organisation innerhalb der Anwenderstaaten des Europarechts führt jedoch zum Anrechnungsausschluss von Kindererziehungszeiten nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 (siehe GRA zu Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschn. 4.2), weil sich dies direkt aus dem Europarecht ergibt. Dem steht nicht entgegen, dass Erziehende aufgrund ihrer Beschäftigung für die internationale Organisation von der Anwendung der Rechtsvorschriften des jeweiligen Beschäftigungsstaats befreit sind, weil eine entsprechende Befreiung voraussetzt, dass die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats grundsätzlich anzuwenden sind.

Parallele Berechnungen bei Zeiten in einem anderen Mitgliedstaat oder nach einem SVAbk

Wurden neben Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation auch Versicherungszeiten oder Wohnzeiten in einem anderen Staat, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, zurückgelegt, werden – sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind – Berechnungen nach zwei Rechtsgrundlagen durchgeführt:

  • nach dem RVIOBeschZG mit Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation, deutschen rentenrechtlichen Zeiten und den weiteren Versicherungszeiten und Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004 sowie
  • nach der VO (EG) Nr. 883/2004 ohne die Beschäftigungszeiten bei der internationalen Organisation.

Die günstigere Leistung wird gezahlt.

Eine parallele Prüfung nach der VO (EG) Nr. 883/2004 ist insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichen pro-rata-Verhältnisse (zum Beispiel bei Zurechnungszeiten, bei der Einkommensanrechnung und der Anrechnung von Unfallrenten) und bei der Abgeltung mitgliedstaatlicher Zeiten nach Art. 57 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 in der deutschen Rente angezeigt.

Eine maschinelle Renteninformation oder Rentenauskunft kann davon abweichend ausschließlich nach dem RVIOBeschZG erteilt werden. Auf eine Auskunft allein nach der VO (EG) Nr. 883/2004 kann in diesen Fällen regelmäßig verzichtet werden, da sich nach dem RVIOBeschZG ein größerer Umfang an für die Anspruchsprüfung zu berücksichtigenden Zeiten ergibt. Ungenauigkeiten bei der Rentenberechnung durch ein von der VO (EG) Nr. 883/2004 abweichendes und ggf. ungünstigeres pro-rata-Verhältnis (zum Beispiel bei der Bewertung der Zurechnungszeiten) werden hingenommen.

Auf Wunsch der betreffenden Person oder in Sonderfällen (zum Beispiel im Rahmen eines Versorgungsausgleichs) ist jedoch die günstigere Anwartschaft festzustellen und die entsprechende Auskunft zu erteilen.

Sofern neben den Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation weitere Versicherungszeiten nach einem Sozialversicherungsabkommen zurückgelegt worden sind, werden bei der Anspruchsprüfung und bei der Rentenberechnung die Zeiten in der deutschen Rentenversicherung zusammengerechnet entweder mit

  • den berücksichtigungsfähigen ausländischen Zeiten nach dem jeweiligen Abkommen oder
  • den Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation sowie eventuell noch vorliegenden Versicherungszeiten oder Wohnzeiten in einem anderen Staat, der die VO (EG) Nr. 883/2004 anwendet, nach dem RVIOBeschZG.

Die Rente wird nach der Rechtsgrundlage geleistet, nach der ein Anspruch beziehungsweise ein höherer Anspruch besteht. Eine multilaterale Zusammenrechnung aller Zeiten ist nicht zulässig.

Anrechnung für die Krankenversicherung der Rentner

Nach § 4 Abs. 1 S. 2 RVIOBeschZG werden die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation auf die Vorversicherungszeiten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) angerechnet. Eine Anrechnung ist nur vorgesehen, soweit sich die Beschäftigungszeiten nach § 3 RVIOBeschZG nicht mit anderen anrechenbaren Zeiten überschneiden, die bei der Prüfung der Vorversicherungszeit zu berücksichtigen sind. Die Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation sind bei der Prüfung also nachrangig nach allen anderen Zeiten anzurechnen.

Die zuständige Krankenkasse prüft, ob die Vorversicherungszeit in der KVdR gegebenenfalls unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten bei einer internationalen Organisation erfüllt ist. An die Entscheidung der zuständigen Krankenkasse sind die Rentenversicherungsträger gebunden. Die Prüfung der Vorversicherungszeit in der KVdR erfolgt in der Regel im Rahmen des KVdR-Meldeverfahrens nach § 201 SGB V (siehe GRA zu § 1 RVIOBeschZG, Abschnitt 6).

Beispiel 1: Nachrangige Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.1)
Beschäftigung in Frankreich bis zum 30.06.1995
Beschäftigung bei einer internationalen Organisation in Parisab 01.07.1995
Französische Zeiten im E 205 FR für das Jahr 19954 Trimester
Die internationale Organisation bescheinigt eine Dienstzeit ab 01.07.1995 bis 31.07.2020, in der die Beschäftigte dem eigenen Sonderversorgungssystem unterlag.
Lösung:

Die Überschneidung im Jahr 1995 entsteht, weil die Anzahl der Versicherungstrimester nach französischem Recht abhängig vom bezogenen Entgelt ist.

Da Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen nachrangig gegenüber allen anderen zu berücksichtigenden Zeiten sind, sind die französischen Zeiten für das gesamte Jahr 1995 und die Beschäftigungszeiten bei der internationalen Organisation erst ab 01.01.1996 maßgeblich.

Beispiel 2: Nachrangige Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.1)
Versicherte wohnt in Freiburg. Geburt eines Kindes am 01.10.1991
Zeiten bei der Deutschen Rentenversicherung, zuletzt Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
bis 30.09.2001
Beschäftigung beim Europäischen Parlament (EP) in Straßburgab 01.05.1996
Das EP bescheinigt eine Dienstzeit ab 01.05.1996, in der die Beschäftigte auch den BSB unterliegt. Die Beschäftigung als Grenzgängerin beim EP steht der Anrechnung von im Inland zurückgelegten Erziehungszeiten (§§ 56 und 57 SGB VI) nicht entgegen.
Lösung:

Da Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen nachrangig gegenüber allen anderen zu berücksichtigenden Zeiten sind, sind für die Anspruchsprüfung (und auch bei einer Rentenberechnung) die deutschen Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit bis zum 30.09.2001, für die Beschäftigungszeiten beim EP jedoch erst ab 01.10.2001 maßgeblich.

Für die Prüfung der Wartezeit von 45 Jahren (§ 50 Abs. 5 SGB VI in Verbindung mit § 51 Abs. 3a SGB VI und § 244 Abs. 3 SGB VI) könnten die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht berücksichtigt werden, aber auch nicht parallele Beschäftigungszeiten beim EP.

Siebtes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.06.2020 (BGBl. I Nr. 28, Seite 1274 f.)

Art. 9: Gesetz zur Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei internationalen Organisationen in der Rentenversicherung (RVIOBeschZG)

Inkrafttreten: 01.07.2020

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/17586, BR-Drucksache 0233/20

Das Gesetz verfolgt den Zweck, Nachteile für Personen zu verhindern, die auf Grund ihrer Beschäftigung für eine internationale Organisation einem Sonderversorgungssystem der internationalen Organisation mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU, in Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz zugehörig sind oder waren. Deren Beschäftigte sind nicht nach dem nationalen Recht des Staats, in dem die internationale Organisation ihren Sitz hat oder in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, gegen die Risiken der sozialen Sicherheit versichert. Vielmehr unterliegen sie einem eigenständigen Sonderversorgungssystem der internationalen Organisation, das mit den jeweiligen nationalen gesetzlichen Rentenversicherungssystemen nicht durch zwischenstaatliches oder überstaatliches Recht koordiniert ist.

Dies stellt ein Mobilitätshindernis für betroffene Personen dar, da diese in den einzelnen Systemen entweder keinen Anspruch erlangen oder nicht den für sie günstigeren Anspruch, den sie hätten, wären die Zeiten vollständig in einem der Systeme zurückgelegt worden.

Der EuGH hat die Mitgliedstaaten in mehreren Urteilen verpflichtet, diese Nachteile für die betroffenen Personen zu beseitigen. Für die Rentenversicherung wegweisend waren folgende Urteile:

  • Mit dem EuGH-Urteil vom 16.12.2004, Rechtssache C-293/03, My, wurde entschieden, dass die bei einem Organ der Europäischen Union zurückgelegten Beschäftigungszeiten bei der Begründung eines Altersrentenanspruchs nach nationalem Recht nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn die Personen vom EU-Beamtenstatut erfasst werden.
  • Das EuGH-Urteil vom 04.02.2015, Rechtssache C-647/13, Melchior, erweiterte den Personenkreis auf die Bediensteten, die zwar nicht unter das EU-Beamtenstatut, aber unter die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten (BSB) fallen.
  • Das EuGH-Urteil vom 04.07.2013, Rechtssache C-233/12, Gardella, stellte klar, dass eine nationale Regelung eines Mitgliedstaats der EU, nach der Beschäftigungszeiten von Staatsangehörigen der EU bei einer internationalen Organisation mit Sitz in der EU nicht für den Anspruch auf eine Altersversorgung berücksichtigt werden, mit dem in Art. 45 AEUV verankerten Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer unvereinbar ist, sofern der Kapitalwert der erworbenen Altersrentenansprüche nicht auf das Versorgungssystem der internationalen Organisation übertragen werden kann.
  • Im EuGH-Urteil vom 10.09.2015, Rechtssache C-408/14, Wojciechowski, hat der EuGH verlangt, die bei der EU zurückgelegten Dienstzeiten nicht nur für den Anspruch auf eine Leistung zu berücksichtigen, sondern auch in die Feststellung der Höhe einer Leistung einzubeziehen.

Die Deutsche Rentenversicherung hat bisher das EuGH-Urteil vom 16.12.2004, Rechtssache C-293/03, My, direkt und ohne weitere Rechtsgrundlage umgesetzt, indem Dienstzeiten bei einem Organ der EU oder einer gleichgestellten Institution oder Einrichtung für die Anspruchsprüfung berücksichtigt worden sind (vergleiche auch GRA zu § 5 RVIOBeschZG, Abschnitt 3). Für die Rentenberechnung wurden die Dienstzeiten nicht herangezogen. Dienstzeiten bei internationalen Organisationen, die nicht der EU zugehörig sind, blieben bis zum Inkrafttreten des RVIOBeschZG gänzlich, sowohl für den Rentenanspruch als auch die Rentenberechnung, unberücksichtigt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 4 RVIOBeschZG