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§ 250 SGB VI: Ersatzzeiten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

31.03.2025

Änderung

Sofern die Beweismittel über den Vertriebenen-/Flüchtlingsstatus fehlen, wird Näheres in den Abschnitten 9.1.1 ff beschrieben.

Dokumentdaten
Stand10.03.2025
Erstellungsgrundlage Art. 22 Nr. 3, 8. SGB IV-ÄndG vom 20.12.2022 (BGBl. I 2022, Nr. 56 vom 28.12.2022, S. 2759).
Rechtsgrundlage

§ 250 SGB VI

Version006.00
Schlüsselwörter
  • 0223

  • 0224

  • 1430

Inhalt der Regelung

§ 250 Abs. 1 SGB VI nennt die Voraussetzungen, unter denen Ersatzzeiten berücksichtigt werden können. Hierbei sind Ersatzzeiten als Zeiten definiert, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr bestimmte - in der Vergangenheit liegende - Tatsachen zurückgelegt haben. Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten ist auf den Zeitraum vor dem 01.01.1992 beschränkt. Die einzelnen als Ersatzzeiten berücksichtigungsfähigen Tatsachen ergeben sich aus dem Gesetz selbst (§ 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6 SGB VI). Hinsichtlich der maßgebenden Einzelheiten vergleiche Abschnitte 3 bis 9.

Unter Umständen können zusätzlich sogenannte „Anschlussersatzzeiten“ (anschließende Arbeitsunfähigkeit oder anschließende unverschuldete Arbeitslosigkeit) berücksichtigt werden, vergleiche Abschnitt 10.

§ 250 Abs. 2 SGB VI nennt Ausschlussgründe für die Berücksichtigung von Ersatzzeiten (vergleiche insoweit Abschnitt 11).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Soweit über die Berücksichtigung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 SGB VI für in die Handwerksrolle eingetragene Handwerker zu entscheiden ist, sind die besonderen Regelungen des § 251 SGB VI zu beachten. Einzelheiten ergeben sich aus der GRA zu § 251 SGB VI.

§ 254 Abs. 1 und 2 SGB VI regelt die Zuordnung von Ersatzzeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung.

Für nach dem 31.12.1991 liegende Zeiten des Gewahrsams im Sinne des § 1 HHG gilt § 21 FRG. Danach kommt für diese Zeiten die Berücksichtigung als Anrechnungszeit in Betracht. Vergleiche hierzu GRA zu § 21 FRG.

Für Verfolgte im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in Verbindung mit § 1 BEG finden zusätzlich die Vorschriften des WGSVG Anwendung.

Allgemeine Grundsätze

Für die Tatbestände des § 250 Abs. 1 SGB VI gilt die Annahme, dass die hiermit verbundenen außergewöhnlichen Umstände eine Beitragsleistung verhindert haben. Dieser versicherungsrechtliche Nachteil soll durch Ersatzzeiten ausgeglichen werden.

Ersatzzeiten können nur für Zeiten nach Vollendung des 14. Lebensjahres berücksichtigt werden, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat (vergleiche Abschnitte 2.1 bis 2.1.2). Darüber hinaus muss die theoretische Möglichkeit bestanden haben, für diese Zeiten Beiträge zu zahlen (vergleiche Abschnitt 2.2).

Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten ist auf die Zeit vor dem 01.01.1992 beschränkt. Über den 31.12.1991 hinaus können somit keine Ersatzzeiten - auch nicht Zeiten einer Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit als "Anschlussersatzzeiten" - angerechnet werden.

Anrechnungsvoraussetzungen, wie zum Beispiel eine Vorversicherung, Anschlusspflichtversicherung oder Halbbelegung aus Pflichtbeiträgen müssen - anders als im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht - nicht erfüllt werden.

Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten setzt die Versicherteneigenschaft voraus, das heißt, dass die Betreffenden „Versicherte" sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn mindestens ein Monat Beitragszeit (Pflichtbeitrag oder freiwilliger Beitrag) nachgewiesen ist, der auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar ist. Hierzu zählen zum Beispiel auch die Kinderziehungszeiten sowie die Wartezeitmonate aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings. Die Versicherteneigenschaft wird gleichfalls durch die Zahlung von Pauschalbeiträgen für eine seit dem 01.04.1999 ausgeübte geringfügige Beschäftigung begründet.

Die Prüfung der Versicherteneigenschaft hat nach innerstaatlichen Vorschriften zu erfolgen. Es muss ein Beitrag nach innerstaatlichen Vorschriften gezahlt worden sein oder eine - zum Beispiel nach dem FRG - einem rechtswirksamen Beitrag gleichgestellte Zeit vorhanden sein.

Hinsichtlich der Berücksichtigung beziehungsweise Nichtberücksichtigung von Ersatzzeiten nach einer durchgeführten Beitragserstattung siehe GRA zu § 210 SGB VI.

Voraussetzung ‚keine Versicherungspflicht’

Ersatzzeiten können nur berücksichtigt werden, wenn während dieser Zeiten Versicherungspflicht nicht bestanden hat. Folgen im selben Kalendermonat eine Ersatzzeit und ein Pflichtbeitrag aufeinander, steht dies der Berücksichtigung einer Ersatzzeit nicht entgegen.

Versicherungspflicht lag immer dann vor, wenn eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, während der die Verpflichtung bestand, Beiträge zu zahlen. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit ihrer Art nach und in der Person desjenigen, der sie ausgeübt hat, versicherungspflichtig gewesen ist. War das der Fall, so sind regelmäßig Pflichtbeiträge gezahlt worden oder sie gelten gegebenenfalls nach § 203 Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 286 Abs. 6 SGB VI als gezahlt.

Lag Versicherungspflicht vor, ist eine Ersatzzeit, die ihrem Wesen nach Beiträge ersetzen soll, nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn die Pflichtbeiträge nicht gezahlt wurden. Die Nichtabführung der geschuldeten Pflichtbeiträge darf in einem solchen Fall nicht über die Berücksichtigung einer Ersatzzeit zu Lasten der Solidargemeinschaft aller Versicherten gehen (weitere Anwendung des BSG vom 17.10.1968, AZ: 1/12 RJ 444/67, MittBKn 1970, 104).

Soweit es um die Berücksichtigung von Anschlussersatzzeiten geht, darf auch in diesen Zeiten keine Versicherungspflicht bestanden haben (vergleiche Abschnitt 10).

Zu den Ersatzzeiten und der Versicherungspflicht bei selbständigen Handwerkern siehe GRA zu § 251 SGB VI.

Zeiten der Kindererziehung

Für Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986 gelten Pflichtbeiträge als gezahlt (§ 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.05.1999). Dies bewirkt aber nicht, dass tatsächlich Versicherungspflicht bestanden hat. Eine Ersatzzeit ist somit trotz gleichzeitiger Kindererziehungszeiten berücksichtigungsfähig. Bei den entsprechenden Monaten handelt es sich um eine beitragsgeminderte Zeit im Sinne von § 54 Abs. 3 SGB VI.

Für Zeiten der Kindererziehung nach dem 31.12.1985 bestand in den ersten 12 Kalendermonaten nach dem Geburtsmonat des Kindes Versicherungspflicht nach § 1227a RVO, § 2a AVG, § 29a RKG. Diese Zeiten stehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleich. Für die Zeit vom 01.01.1986 bis 31.12.1991 können Ersatzzeiten neben den ersten 12 Kalendermonaten der Zeiten der Kindererziehung wegen Vorliegens von Versicherungspflicht nicht berücksichtigt werden. Die Änderungen des § 249 Abs. 1 SGB VI ab 01.07.2014 sowie ab 01.01.2019, wodurch mehr als 12 Kalendermonate Kindererziehungszeiten berücksichtigungsfähig sind (sogenannte Mütterrente), bewirkt dagegen nicht den Ausschluss einer zeitgleichen Ersatzzeit nach dem zwölften Kalendermonat dieser Kindererziehungszeit. Nur während der ersten 12 Kalendermonate der Kindererziehung hat tatsächlich Versicherungspflicht bestanden, jedoch nicht während der darüber hinaus berücksichtigungsfähigen zusätzlichen Kindererziehungszeit.

Die Ausführungen gelten insgesamt auch für gleichgestellte Zeiten der Kindererziehung nach § 28b FRG und Kindererziehungszeiten nach § 11a BerRehaG.

Freiwillige Beiträge

Ersatzzeiten waren im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht grundsätzlich Zeiten ohne Beitragsleistung, die ihrem Wesen nach Beiträge ersetzen sollten. Dies gilt für die Terminologie des Rechts nach dem SGB VI nicht mehr uneingeschränkt. Denn § 54 Abs. 3 SGB VI definiert Kalendermonate, die zulässigerweise sowohl mit einer Beitrags- als auch mit einer Ersatzzeit belegt sind, als beitragsgeminderte Zeiten (vergleiche GRA zu § 54 SGB VI). Anders als im bis zum 31.12.1991 geltenden Recht kann damit in einem Kalendermonat sowohl ein freiwilliger Beitrag als auch eine Ersatzzeit berücksichtigt werden.

Voraussetzung ‘Möglichkeit der Beitragsentrichtung’

Für die Tatbestände des § 250 Abs. 1 SGB VI gilt die Annahme, dass die hiermit verbundenen außergewöhnlichen Umstände eine Beitragsleistung verhindert haben. Dieser versicherungsrechtliche Nachteil soll durch Ersatzzeiten ausgeglichen werden. Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten setzt somit voraus, dass Versicherte in der fraglichen Zeit zur Zahlung von Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen berechtigt waren. Ersatzzeiten können aber auch dann berücksichtigt werden, wenn Versicherte während dieser Zeiten keine Beiträge gezahlt hätten (zum Beispiel wegen Selbständigkeit oder wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze). Es kommt lediglich auf die theoretische Möglichkeit einer Beitragszahlung an.

Bestand keine gesetzliche Möglichkeit, für die Zeit des Ersatzzeittatbestandes Beiträge zu zahlen, kann eine Ersatzzeit grundsätzlich nicht erworben werden.

Ob eine Pflicht- oder freiwillige Beitragsleistung während eines Ersatzzeittatbestandes zulässig war, richtet sich nach dem Recht, das in dem Zeitpunkt gegolten hat, für den eine Ersatzzeit berücksichtigt werden soll (weitere Anwendung des Urteils des BSG vom 22.11.1974, AZ: 1 RA 13/74, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).

Bestand keine gesetzliche Möglichkeit, für die Zeit des Ersatzzeittatbestandes Beiträge zu zahlen, können Ersatzzeiten jedoch erworben werden, wenn die rechtliche Unmöglichkeit der Beitragszahlung durch den Ersatzzeittatbestand verursacht worden ist (weitere Anwendung BSG vom 20.12.1979, AZ: 4 RJ 50/78, BSGE 49, 236). Ein Ursachenzusammenhang ist immer dann anzunehmen, wenn der die Versicherungsfreiheit begründende Versicherungsfall während der Ersatzzeit eingetreten ist. Ob eine Ersatzzeit vorliegt, beurteilt sich nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB VI.

Siehe Beispiel 1

Ausnahme:

Verfolgtenersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, die nach Eintritt des Versicherungsfalles liegen oder die mit Rentenbezugszeiten zusammenfallen, werden bei Beginn einer späteren Rente uneingeschränkt berücksichtigt.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 1

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind als Ersatzzeiten anzuerkennen die Zeiten

  • des militärischen oder militärähnlichen Dienstes (§§ 2, 3 BVG), die aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden sind (vergleiche Abschnitte 3.1 und 3.2),
  • der Kriegsgefangenschaft (vergleiche Abschnitt 3.3),
  • des deutschen Minenräumdienstes nach dem 08.05.1945 (vergleiche Abschnitt 3.4),
  • der anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit (vergleiche Abschnitt 10, Besonderheiten, die im Zusammenhang mit den Ersatzzeittatsachen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 zu beachten sind, ergeben sich ergänzend aus Abschnitt 10.2.1, Punkt ‘Zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI’).

Das Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG) ist am 01.01.2024 außer Kraft getreten. Die Regelung stellt deshalb auf das Bundesversorgungsgesetz bis zum 31.12.2023 ab. Hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit von Ersatzzeiten gelten die Ausführungen im Abschnitt 2.

Da der Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI wegen Zeitablaufs keine große aktuelle Bedeutung mehr zukommt, werden im Folgenden nur die geläufigsten Ersatzzeittatbestände während des 2. Weltkrieges beschrieben.

Militärischer Dienst (§ 2 BVG in der Fassung bis zum 31.12.2023)

Militärischer Dienst im Sinne des § 2 BVG ist Ersatzzeit. Ein militärischer Dienst im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI liegt vor, wenn es sich um einen Dienst gemäß § 2 BVG handelt und dieser aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist. Sonstige militärische Dienste, für die die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, sind nicht als Ersatzzeiten anerkennungsfähig.

Ein anerkennungsfähiger militärischer Dienst kann sowohl im Zusammenhang mit dem 1. Weltkrieg als auch mit dem 2. Weltkrieg gegeben sein. Die nachfolgenden Abschnitte enthalten wegen Zeitablaufs nur noch die Grundsätze für Dienstleistungen während des 2. Weltkrieges:

  • Militärischer Dienst während des 2. Weltkrieges (Abschnitt 3.1.1).
  • Militärischer Dienst von Vertriebenen und Spätaussiedlern im Herkunftsland gemäß § 2 Abs. 2 BVG (Abschnitt 3.1.2).
  • Militärischer Dienst in einem verbündeten Staat gemäß § 2 Abs. 3 BVG (Abschnitt 3.1.3).

Militärischer Dienst während des 2. Weltkrieges

Der militärische Dienst im Sinne des § 2 BVG, der während des 2. Weltkrieges geleistet worden ist, ist Ersatzzeit. Dieser militärische Dienst kann frühestens ab 26.08.1939 (§ 5 der Verordnung über die Rentenversicherung vom 13.10.1939, RGBl. I S. 2030) als Ersatzzeit anerkannt werden. Er endete regelmäßig mit dem 08.05.1945 (Tag der Kapitulation).

Beurteilung einzelner Dienstleistungen:

Arbeitsurlaub

Während der Beurlaubung oder Abstellung einzelner Soldaten zur Verwendung in einem Staats-, Rüstungs-, gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb, im öffentlichen Dienst oder in freien selbständigen Berufen von mehr als vier Wochen wurde das Dienstverhältnis als Soldat nicht gelöst. Diese Urlaubszeiten sind somit Wehrdienstzeiten und - soweit Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht bestand - Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (BSG vom 30.05.1985, AZ: 11a RA 46/84).

Zeiten des Einsatzes von Soldaten in geschlossenen Teilen einer Einheit zur Arbeitsleistung außerhalb der Wehrmacht beziehungsweise Zeiten der Heranziehung einzelner Soldaten beziehungsweise geschlossener Teile einer Einheit bei Dienststellen der Wehrmacht sind ebenfalls Wehrdienstzeiten und daher Ersatzzeit.

Auch Zeiten der Zuordnung einzelner Soldaten oder geschlossener Teile einer Einheit bei Notständen sind Wehrdienstzeiten und daher Ersatzzeit.

Heimatflak

Der Dienst in den Heimatflakbatterien während des 2. Weltkrieges ist militärischer Dienst (§ 2 Abs. 1 Buchst. d BVG). Dennoch sind diese Zeiten regelmäßig keine Ersatzzeit.

Die Heimatflakbatterien waren überwiegend mit Zivilpersonen besetzt. Diese Zivilpersonen wurden grundsätzlich nur bei Luftgefahr sowie zum Bereitschaftsdienst und zur Ausbildung einberufen und übten ihre bisherige Berufstätigkeit regelmäßig weiterhin aus. Bei dieser Sachlage hat der militärische Dienst Zeit und Arbeitskraft des Herangezogenen nicht überwiegend in Anspruch genommen, sodass keine Ersatzzeit vorliegt (entsprechend BSG vom 22.08.1973, AZ: 12 RJ 102/73, SozR Nr. 69 zu § 1251 RVO).

Volkssturm

Der Dienst im Deutschen Volkssturm ist militärischer Dienst und damit Ersatzzeit.

Ein Dienst im Deutschen Volkssturm war frühestens ab Oktober 1944 möglich. Der Deutsche Volkssturm beruhte auf dem Erlass vom 25.09.1944 (RGBI. I S. 253), welcher im Oktober 1944 erstmals verkündet wurde. Zum Dienst im Volkssturm wurden alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren aufgerufen; es wurden aber auch Jugendliche vor vollendetem 16. Lebensjahr und Männer nach vollendetem 60. Lebensjahr eingesetzt. Die Angehörigen des Volkssturmes trugen eine Armbinde mit der Aufschrift „Deutscher Volkssturm - Wehrmacht“ und waren Soldaten im Sinne des Wehrgesetzes.

Keine Angehörigen des Deutschen Volkssturmes waren die mit dem Aufbau und der Organisation des Volkssturmes beauftragten Gau- und Kreisleiter der NSDAP. Diese Personen haben keinen militärischen Dienst geleistet (vergleiche BSG vom 22.03.1963, AZ: 11 RV 844/59, SozR Nr. 6 zu § 2 BVG). Ersatzzeiten können für diese Personen nur in den Ausnahmefällen anerkannt werden, in denen sie selbst als Befehlshaber von Volkssturmeinheiten tätig geworden sind.

Militärischer Dienst von Vertriebenen und Spätaussiedlern im Herkunftsland (§ 2 Abs. 2 BVG in der Fassung bis zum 31.12.2023)

Nach § 2 Abs. 2 BVG steht der von Vertriebenen im Sinne des § 1 BVFG und von Spätaussiedlern im Sinne des § 4 BVFG nach den Vorschriften des Herkunftslandes vor dem 09.05.1945 geleistete gesetzliche Wehrdienst dem Dienst in der deutschen Wehrmacht gleich. Zeiten der Ableistung der gesetzlichen Wehrpflicht in den Streitkräften eines ausländischen Staates nach dem 08.05.1945 sind jedoch keine Ersatzzeiten.

Zeiten einer freiwilligen Dienstleistung werden von § 2 Abs. 2 BVG ebenfalls nicht erfasst.

Militärischer Dienst in einem verbündeten Staat (§ 2 Abs. 3 BVG in der Fassung bis zum 31.12.2023)

Nach § 2 Abs. 3 BVG steht der Dienst von deutschen Staatsangehörigen in den Streitkräften eines mit dem Deutschen Reich verbündet gewesenen Staates während des 2. Weltkrieges dem Dienst nach deutschem Wehrrecht gleich, wenn der Berechtigte vor dem 09.05.1945 seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937 hatte. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Dienstzeit Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Folgende Zeiten in den Streitkräften eines mit dem Deutschen Reich verbündet gewesenen Staates sind als gleichgestellt im Sinne des § 2 Abs. 3 BVG anzusehen:

2. Weltkrieg

  • Bulgarien vom 06.04.1941 bis 07.09.1944 (ab Beginn des Balkanfeldzuges)
  • Finnland vom 26.06.1941 bis 14.09.1944 (Russlandfeldzug)
  • Italien vom 10.06.1940 bis 12.10.1943
  • Rumänien vom 22.06.1941 bis 25.08.1944 (Russlandfeldzug)
  • Slowakei vom 05.09.1939 bis 27.09.1939 (Polenfeldzug) und vom 23.06.1941 bis 17.02.1945 (Russlandfeldzug)
  • Ungarn vom 11.04.1941 bis 01.06.1941 (Balkanfeldzug) und vom 27.06.1941 bis 29.12.1944 (Russlandfeldzug)

Militärähnlicher Dienst (§ 3 BVG in der Fassung bis zum 31.12.2023)

Militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 BVG ist Ersatzzeit. Ein militärähnlicher Dienst im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI liegt vor, wenn es sich um einen Dienst gemäß § 3 BVG handelt und dieser aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist. Militärähnliche Dienste, für die die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, sind nicht als Ersatzzeiten anerkennungsfähig.

Der militärähnliche Dienst kann frühestens ab 26.08.1939 (§ 5 der Verordnung über die Rentenversicherung vom 13.10.1939, RGBl. I S. 2030) als Ersatzzeit anerkannt werden. Er endete regelmäßig mit dem 08.05.1945 (Tag der Kapitulation). Etwas anderes kann für den Endzeitpunkt eines Notdienstverhältnisses gelten (vergleiche nachfolgendes Stichwort: Notdienst).

Beurteilung einzelner Dienstleistungen:

Dienstleistungen für Zwecke der Wehrmacht; hier Schanzdienst

Der während des 2. Weltkrieges auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht - das heißt für typische militärische Aufgaben - geleistete Dienst ist militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG. Dazu gehören Schanzarbeiten - wie Auswerfen von Panzergräben und Schützengräben -, die etwa ab Sommer 1944, insbesondere von Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1928 und jünger geleistet worden sind. Dieser Dienst ist, soweit Versicherungspflicht nicht bestanden hat, Ersatzzeit.

Luftwaffenhelfer und Marinehelfer

Der Dienst der Luftwaffen- und Marinehelfer während des 2. Weltkrieges ist Ersatzzeit (militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. e BVG).

Die Luftwaffen- und Marinehelfer waren Schüler mittlerer und höherer Schulen, die ab 1943 nach Vollendung des 15. Lebensjahres zum Dienst bei der Luftwaffe beziehungsweise bei der Marine (zum Beispiel als Flakhelfer) verpflichtet waren. Neben dem Dienst als Luftwaffen- beziehungsweise Marinehelfer ist oftmals der Schulunterricht weitergeführt worden. Im Vordergrund hat aber der militärähnliche Dienst gestanden.

Notdienst

Der Notdienst aufgrund der Notdienstverordnung vom 15.10.1938 (RGBI. I S. 1441) - in Kraft getreten am 01.09.1938 - ist militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. k BVG. Die Zeiten der Notdienstverpflichtung vor Ausbruch oder während des 2. Weltkrieges (im Einzelfall auch über den 08.05.1945 hinaus) sind Ersatzzeit.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Notdienst die Arbeitskraft des Herangezogenen nicht überwiegend in Anspruch genommen hat. In diesem Fall ist die Zeit der Notdienstverpflichtung keine Ersatzzeit (vergleiche BSG vom 22.08.1973, AZ: 12 RJ 102/73, SozR Nr. 69 zu § 1251 RVO).

Die Zeit des Notdienstes ist auch dann keine Ersatzzeit, wenn ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (Notdienst mit Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses) bestanden hat. Hat allerdings während einer solchen Notdienstverpflichtung Versicherungsfreiheit aus besonderen Gründen - zum Beispiel bei kriegsbeschäftigten Ehefrauen von Beamten nach § 8 Abs. 1 der VO vom 13.09.1941 - vorgelegen, so sind diese Notdienstzeiten Ersatzzeiten (BSG vom 16.12.1981, AZ: 11 RA 84/80, SozR 2200 § 1251 Nr. 92).

Als Notdienst nach der Notdienstverordnung kommt zum Beispiel der Dienst in der technischen Nothilfe, im verstärkten Zollgrenzschutz, in der Polizeireserve, in der Luftschutzpolizei und im Wasserstraßenschutz in Frage.

Reichsarbeitsdienst und Kriegshilfsdienst

Zeiten der Zugehörigkeit zum Reichsarbeitsdienst (RAD) während des 2. Weltkrieges von männlichen und weiblichen Versicherten sind Ersatzzeit (militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. i BVG). Das gilt auch für RAD-Angehörige, die dem RAD während des 2. Weltkrieges berufsmäßig angehörten.

RAD-Dienstleistende, die am Entlassungstag Angehörige einer im Rahmen der Wehrmacht eingesetzten Einheit waren, hatten Anspruch auf Erholungsurlaub/Heimkehrurlaub von 14 Tagen. Bei Wehrsoldzahlung sind diese 14 Tage dem RAD hinzuzurechnen und mithin ebenfalls Ersatzzeit.

Der Kriegshilfsdienst (KHD) aufgrund des Erlasses über den weiteren Kriegseinsatz des RAD für die weibliche Jugend vom 29.07.1941 (RGBI. I S. 463) steht dem RAD gleich und ist daher militärähnlicher Dienst. Nach diesem Erlass wurden die weiblichen Angehörigen des RAD nach Ableistung ihrer RAD-Pflicht auf weitere sechs Monate zum KHD verpflichtet. Der KHD wurde vorwiegend in Bürobetrieben, bei Dienststellen der Wehrmacht und bei Behörden, bei gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen sowie bei hilfsbedürftigen Familien abgeleistet. Mit Erlass vom 08.04.1944 (RGBI. I S. 97) verlängerte sich die Dienstzeit im KHD für die in der Luftverteidigung eingesetzten Frauen auf ein Jahr. Der sich an den RAD anschließende KHD von einem halben Jahr beziehungsweise von einem Jahr ist ebenfalls Ersatzzeit.

Aktive „RAD-Maiden“ des RADwJ und auch ehemalige „Arbeitsmaiden“, die bereits ihrer RAD- und gegebenenfalls auch KHD-Pflicht genügt hatten, konnten ab Oktober 1944 auch als sogenannte Flakwaffenhelferin im Rahmen einer Dienstverpflichtung für den Wehrmachtseinsatz des RADwJ herangezogen werden. Diese Zeiten als Flakwaffenhelferin sind Ersatzzeit, soweit nicht eine Beitragsentrichtung durch die BKR bestätigt werden kann.

Nicht zum RAD gehören Landjahr, Landdienstzeiten, hauswirtschaftliches Jahr und Pflichtjahr. Diese Zeiten sind keine Ersatzzeit.

Waffen-SS

Der Dienst in der Waffen-SS während des 2. Weltkrieges ist Ersatzzeit, sofern er unter § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG fällt. Es muss sich danach um Einheiten gehandelt haben, die unter einem militärischen Befehlshaber für Zwecke der Wehrmacht eingesetzt worden sind. „Für Zwecke der Wehrmacht“ ist grundsätzlich der Dienst geleistet, der im Kriegseinsatz wie der Dienst eines Soldaten geleistet wurde (vergleiche BSG vom 15.11.1977, AZ: 10 RV 95/76, SozR 3100 § 2 Nr. 6, BSG vom 29.11.1979, AZ: 4 RJ 95/78, SozR 2200 § 1251 Nr. 73, und AZ: 4 RJ 113/78, BSG vom 30.06.1983, AZ: 11 RA 44/82, SozR 2200 § 1251 Nr. 104, und AZ: 11 RA 67/82, BSG vom 11.08.1983, AZ: 1 RA 63/82, SozR 2200 § 1251 Nr. 105).

Folgende Dienste in der Waffen-SS sind als militärähnlicher Dienst Ersatzzeit:

  • Dienst im Fronteinsatz,
  • Dienst in Ausbildungs- und Ersatzeinheiten,
  • Lazarettaufenthalt und Genesenden-Kompanien,
  • Schulen der Waffen-SS.

Folgende Dienste in der Waffen-SS sind kein militärähnlicher Dienst und damit keine Ersatzzeit:

  • Dienst bei einem Hauptamt oder einer anderen Verwaltungsstelle der SS,
  • Dienst in Konzentrationslagern; Ausnahme: Angehörige der Wehrmacht, die zum Bewachungsdienst in einem Konzentrationslager abkommandiert wurden, haben weiterhin militärischen Dienst geleistet (BSG vom 25.05.1960, AZ: 11/8 RV 301/57, BSGE 12, 172). Solche Abkommandierungen sind in größerer Zahl ab Sommer 1944 erfolgt.
  • SS-Totenkopf-Verbände.

Wehrertüchtigungslager

Die Teilnahme an Lehrgängen in Wehrertüchtigungslagern während des 2. Weltkrieges ist Ersatzzeit (militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. l BVG). Unter den Begriff „Wehrertüchtigungslager“ fallen alle Lager, die der vormilitärischen Ausbildung und damit der Wehrertüchtigung gedient haben sowie organisatorisch und personell mit der Wehrmacht verbunden waren (BSG vom 18.10.1962, AZ: 11 RV 300/62, SozR Nr. 19 zu § 3 BVG; BSG vom 08.07.1969, AZ: 9 RV 380/67, Praxis 1970, 79 ff.). Zu den Wehrertüchtigungslagern gehören zum Beispiel die Wehrertüchtigungslager der HJ.

Wehrmachthelferinnen

Zu den Wehrmachthelferinnen gehören zum Beispiel die Nachrichtenhelferinnen und Stabshelferinnen des Heeres, die Luftwaffenhelferinnen und Flakwaffenhelferinnen der Luftwaffe sowie die Marinehelferinnen der Kriegsmarine. Die Wehrmachthelferinnen haben regelmäßig einen militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. e BVG oder, soweit sie aufgrund der Notdienstverordnung vom 15.10.1938 herangezogen wurden, einen militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. k BVG geleistet. Die Dienstzeiten der Wehrmachthelferinnen sind regelmäßig nur dann Ersatzzeiten, wenn kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Die Zeiten des militärähnlichen Dienstes als Wehrmachthelferin sind allerdings Ersatzzeit, wenn zwar dem Grunde nach ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat, die Versicherte aber aus besonderen Gründen - zum Beispiel als kriegsbeschäftigte Ehefrau eines Beamten nach § 8 Abs. 1 der VO vom 13.09.1941 versicherungsfrei war (BSG vom 16.12.1981, AZ: 11 RA 84/80, SozR 2200 § 1251 Nr. 92).

Kriegsgefangenschaft

Zeiten der Kriegsgefangenschaft sind Ersatzzeiten. Der Begriff der Kriegsgefangenschaft ist im Sinne des Völkerrechts zu verstehen, wie er im Genfer Abkommen vom 12.08.1949 (BGBl. II 1954, 838) bestimmt ist (BSG vom 01.03.1967, AZ: 4 RJ 265/65, SozR Nr. 25 zu § 1251 RVO und BSG vom 07.07.1970, AZ: 12 RJ 130/70, SozR Nr. 47 zu § 1251 RVO). Kriegsgefangener ist danach, wer wegen militärischen Dienstes gefangengenommen und von einer ausländischen Macht festgehalten wurde. Eine Kriegsgefangenschaft kann folglich nur dann vorliegen, wenn Versicherte zuvor tatsächlich einen militärischen oder militärähnlichen Dienst im Sinne der §§ 2 oder 3 BVG geleistet hatten.

Der Begriff der Kriegsgefangenschaft ist dagegen nicht nach anderen Vorschriften, wie zum Beispiel nach dem Heimkehrergesetz oder dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KgfEG) zu beurteilen (BSG vom 20.09.1973, AZ: 11 RA 6/73, SozR Nr. 70 zu § 1251 RVO). Versicherte, die nach § 2 Abs. 2 KgfEG als Kriegsgefangene gelten, sind demnach keine Kriegsgefangenen im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Die Zeiten einer solchen Gefangenschaft sind keine Ersatzzeiten.

Die Kriegsgefangenschaft endet durch Entlassung bei Kriegsgefangenschaft im Inland, durch Freilassung und Heimschaffung bei Entlassung im Ausland oder durch geglückte Flucht.

Die Heimschaffung, mit der die Kriegsgefangenschaft endet, bedeutet die Rückführung des Kriegsgefangenen in seine Heimat. Für Kriegsgefangene deutscher Volkszugehörigkeit ist dies Deutschland, selbst wenn der deutsche Volkszugehörige früher im Ausland beheimatet war und auch die ausländische Staatsangehörigkeit besitzt (BSG vom 28.04.1989, AZ: 5/4a RJ 43/87, SozR 2200 § 1251 Nr. 131, und BSG vom 07.12.1989, AZ: 4 RA 110/88). Die Kriegsgefangenschaft endet somit erst mit der Heimschaffung nach Deutschland.

Ist der deutsche Volkszugehörige nach Beendigung der eigentlichen Gefangenschaft nicht unmittelbar nach Deutschland entlassen worden, ist ‘Heimschaffung’ gegebenenfalls erst die spätere Aussiedlung nach Deutschland.

Endet die Kriegsgefangenschaft im Einzelfall erst nach dem 31.12.1956, ist die Sonderregelung des § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI analog anzuwenden. Eine Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI kommt danach für den Zeitraum ab 01.01.1957 nur noch in Betracht, wenn keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist und das Nichtausüben der Beschäftigung oder Tätigkeit allein auf der Fortdauer der Kriegsgefangenschaft infolge nicht erfolgter Heimschaffung beruhte. Im Übrigen vergleiche Abschnitt 11.3.

Minenräumdienst nach dem 08.05.1945

Die Dienstzeit beim deutschen Minenräumdienst nach der Kapitulation ist Ersatzzeit.

Bei dem deutschen Minenräumdienst handelt es sich vorwiegend um den Dienst früherer Angehöriger der Kriegsmarine, die nach Verpflichtung durch die Alliierten unter deren Befehl auf deutschen Minenräumbooten eingesetzt waren.

Wurde für Minenräumdienste Entgelt gezahlt, von dem Lohnsteuer und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt worden sind, liegt eine Ersatzzeit nicht vor. Das gilt auch für die Angehörigen des Minenräumdienstes, die als Zivilbeamte, Angestellte oder Arbeiter geführt wurden und Gehalt nach RBO oder Vergütung nach ATO erhielten.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 2

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sind als Ersatzzeiten anzuerkennen die Zeiten

  • der Internierung (vergleiche Abschnitt 4.2),
  • der Verschleppung (vergleiche Abschnitt 4.3) und
  • der anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit (vergleiche Abschnitt 10),

wenn Versicherte als Deutsche wegen ihrer Volks- oder Staatsangehörigkeit oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt waren, nach dem 08.05.1945 entlassen wurden und innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 ihren ständigen Aufenthalt genommen hatten, wobei in die Frist von zwei Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht einzurechnen sind (vergleiche Abschnitte 4.1 und 4.4).

Hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit von Ersatzzeiten gelten die Ausführungen im Abschnitt 2.

Zu den Ausschlussregelungen des § 250 Abs. 2 SGB VI vergleiche Abschnitt 11.

Persönliche Anerkennungsvoraussetzungen

Die Anerkennung von Zeiten der Internierung oder Verschleppung sowie der ‘Anschlussersatzzeiten’ ist von den nachfolgenden persönlich durch die Versicherten zu erfüllenden Voraussetzungen abhängig. Für Hinterbliebene von Internierten oder Verschleppten siehe Abschnitt 4.1.1.

  • Versicherte müssen als Zivilperson (keine Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband) außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt worden sein,
  • die Internierung oder Verschleppung muss auf die deutsche Volkszugehörigkeit oder die deutsche Staatsangehörigkeit des Versicherten zurückzuführen sein und in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gestanden haben,
  • Versicherte dürfen erst nach dem 08.05.1945 aus der Internierung oder Verschleppung entlassen worden sein,
  • Versicherte müssen innerhalb bestimmter Fristen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 ihren ständigen Aufenthalt genommen haben.

Nur bei Erfüllung aller oben angeführten Voraussetzungen kommt die Anerkennung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI in Betracht. Diese Voraussetzungen entsprechen den Erfordernissen, die für die Anerkennung als Heimkehrer im Sinne des früheren § 1 Abs. 3 HkG nachgewiesen werden mussten.

Das Heimkehrergesetz ist durch das ‘Gesetz zur Aufhebung des Heimkehrergesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften’ vom 20.12.1991 (BGBl. I S. 2317) mit Wirkung vom 01.01.1992 außer Kraft getreten. Sind Versicherte noch vor dem 01.01.1992 als Heimkehrer im Sinne des § 1 Abs. 3 HkG anerkannt worden, kann davon ausgegangen werden, dass die oben angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Ist eine Anerkennung als Heimkehrer nach dem HkG infolge des Außerkrafttretens zum 01.01.1992 nicht mehr erfolgt, hat der Rentenversicherungsträger die oben angeführten Voraussetzungen in eigener Zuständigkeit zu prüfen (vergleiche hierzu auch Abschnitt 4.5).

Die frühere Anerkennung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Heimkehrer im Sinne des § 1 Abs. 1, 2 und 5 HkG führt nicht zur Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI.

Die in § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI enthaltene Formulierung ‘... oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen ...’ ist nicht als alternative Anerkennungsvoraussetzung zu verstehen. Die Internierung oder Verschleppung muss vielmehr nicht nur auf die deutsche Volkszugehörigkeit/Staatsangehörigkeit zurückzuführen sein, sondern muss auch in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen (2. Weltkrieg) gestanden haben.

Hinterbliebene von Internierten/Verschleppten

Zeiten der Internierung oder Verschleppung können auch bei einer Rente wegen Todes als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI anerkannt werden, wenn die versicherte Person

  • während der Internierung/Verschleppung oder
  • innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung aus der Internierung oder
  • während einer Zeit der unverschuldeten Verzögerung

verstorben ist.

Für das Vorliegen der Ersatzzeit ist es nicht erforderlich, dass die Hinterbliebenen selbst interniert oder verschleppt wurden. Sie müssen jedoch die Zuzugsvoraussetzungen erfüllen, das heißt, entweder innerhalb von zwei Monaten nach dem Tod der versicherten Person nach Deutschland zugezogen sein oder, wenn sie aus Gründen einer „unverschuldeten Verzögerung“ in ihrer Person diese Frist nicht einhalten konnten, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall dieser Hinderungsgründe.

Internierung

Internierung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist vorrangig das Festgehaltenwerden in einem Lager, Gefängnis oder Zuchthaus. Darüber hinaus kann eine Internierung aber auch bei einer einschneidenden Beschränkung der Bewegungsfreiheit vorliegen. Der Betreffende muss dann auf eng begrenztem Raum festgehalten worden sein, er darf nicht am Wirtschaftsleben des Gewahrsamsstaates teilgenommen haben und es müssen die Verfügungsgewalt über Geldmittel und die Beziehungen zur Außenwelt eingeschränkt gewesen sein (BSG vom 22.02.1961, AZ: 9 RV 946/58, BSGE 14,50).

Von § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werden nur Zeiten der Internierung im Ausland - das heißt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 - erfasst. Eine Internierung im Inland einschließlich in der ehemaligen DDR ist grundsätzlich keine Ersatzzeit (BSG vom 20.09.1973, AZ: 11 RA 6/73, SozR Nr. 70 zu § 1251 RVO). Etwas anderes gilt nur, wenn durch die Internierung im Inland lediglich eine ursprünglich im Ausland erfolgte Internierung fortgesetzt wird oder nach der Gewahrsamsnahme in der Bundesrepublik Deutschland zunächst im Inland begonnen hat. In diesen Fällen ist dann auch die weitere beziehungsweise beginnende Internierung im Inland Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI.

§ 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI findet nur auf Internierungen Anwendung, die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg erfolgt sind. Zeiten der Internierung vor dem 2. Weltkrieg sind daher auch dann keine Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, wenn die Internierung wegen der deutschen Staatsangehörigkeit beziehungsweise der deutschen Volkszugehörigkeit der Versicherten erfolgt ist.

In der ehemaligen UdSSR internierte Personen

Eine Vielzahl von Russlanddeutschen wurde bei Beginn des Ostfeldzuges (Juni 1941) aus ihren Wohngebieten verbracht und in Arbeitslagern überwiegend im asiatischen Teil der damaligen UdSSR interniert oder in die „Arbeitsarmee“ (Trud-Armee) eingezogen. Bei Wegfall der eigentlichen Internierung (grundsätzlich Ende 1955/Anfang 1956) durften diese Personen regelmäßig nicht mehr in ihr angestammtes Heimatgebiet zurückkehren. Sie waren wegen dieser durch das Rückkehrverbot hervorgerufenen dauernden Entwurzelung aus dem Heimatgebiet im besonderen Maße darauf angewiesen, nach Deutschland zu übersiedeln. In diesen Fällen ist der Ausreisewille nach Deutschland grundsätzlich zu unterstellen.

Russlanddeutsche, die bereits vor Ausbruch des 2. Weltkrieges ständig im Orenburger Gebiet oder in der asiatischen UdSSR gewohnt haben, unterlagen der Kommandanturaufsicht und waren somit ebenfalls interniert. Auch in diesen Fällen kann der Ausreisewille grundsätzlich unterstellt werden.

Die Zeit der Internierung ist Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die Zeit bis zum Wegfall der Kommandanturaufsicht kann Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 SGB VI sein.

Kinder von internierten Russlanddeutschen

Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI teilen Kinder von internierten Russlanddeutschen das rechtliche Schicksal ihrer Eltern. Somit kommt für Kinder von internierten Russlanddeutschen, die erst während der Internierung ihrer Eltern im jeweiligen Aufenthaltsgebiet geboren sind, grundsätzlich der Zeitraum nach Vollendung des 14. Lebensjahres bis zum Ende der Verhinderung der Ausreise nach Deutschland als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI in Betracht (BSG vom 29.09.1994, AZ: 4 RA 28/93, SozR 3-2200 § 1251 Nr. 6, und BSG vom 09.09.1998, AZ: B 13 RJ 63/97 R).

Verschleppung

Als verschleppt gilt, wer gegen seinen Willen in ein ausländisches Staatsgebiet verbracht worden ist und an seiner Rückkehr gehindert war.

Verschleppung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist aber nur die zwangsweise Verbringung von einem Ort innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937 in ein ausländisches Staatsgebiet.

Bei der Verschleppung kommt es nicht darauf an, dass Versicherte auch interniert, das heißt zum Beispiel auf eng begrenztem Raum festgehalten worden sind. Auch diejenigen sind als verschleppt anzusehen, die sich im Verschleppungsgebiet relativ frei bewegen konnten.

Die Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI findet nur auf Verschleppungen Anwendung, die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg erfolgt sind. Zeiten der Verschleppung vor dem 2. Weltkrieg sind daher auch dann keine Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, wenn die Verschleppung wegen der deutschen Staatsangehörigkeit beziehungsweise der deutschen Volkszugehörigkeit der Versicherten erfolgt ist.

In die ehemalige UdSSR verschleppte Personen

Bei Russlanddeutschen, die sich bei Kriegsende im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand vom 31.12.1937 aufgehalten haben und von dort in das Gebiet der ehemaligen UdSSR verschleppt wurden, kann grundsätzlich ein Ausreisewille nach Deutschland unterstellt werden. Der Tatbestand der Verschleppung dauert regelmäßig bis zum Tag des Eintreffens in der Bundesrepublik Deutschland (Rückkehr) an - längstens jedoch bis zum 31.12.1991 -, sodass auch von einer fristgerechten Aufenthaltsnahme ausgegangen werden kann (Anlehnung an das Urteil des BSG vom 08.04.1987, AZ: 5a RKn 13/86).

Kinder von verschleppten Russlanddeutschen

Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI teilen Kinder von verschleppten Russlanddeutschen das rechtliche Schicksal ihrer Eltern. Somit kommt für Kinder von verschleppten Russlanddeutschen, die erst während der Verschleppung ihrer Eltern im jeweiligen Aufenthaltsgebiet geboren sind, grundsätzlich der Zeitraum nach Vollendung des 14. Lebensjahres bis zum Ende der Verhinderung der Ausreise nach Deutschland als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI in Betracht (analog BSG vom 29.09.1994, AZ: 4 RA 28/93, SozR 3-2200 § 1251 Nr. 6, und BSG vom 09.09.1998, AZ: B 13 RJ 63/97 R).

Rumäniendeutsche, die zur Zwangsarbeit in die ehemalige UdSSR verschleppt wurden

Die Zeit der Verschleppung stellt grundsätzlich eine Internierung und damit einen Ersatzzeittatbestand dar. Allerdings kann der Ausreisewille nach Deutschland nach dem Ende der Verschleppung (= Rückkehr nach Rumänien) nicht grundsätzlich unterstellt werden. Er ist vielmehr im Einzelfall zu ermitteln und festzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass offizielle Ausreiseanträge erst ab dem Jahre 1956 gestellt werden konnten. Bis dahin kann ein behaupteter Ausreisewille als zutreffend angesehen werden, es sei denn, sonstige objektive Tatbestände sprechen dagegen.

Repatriierung von Rumäniendeutschen aus Österreich nach Rumänien

Rumäniendeutsche, die gegen Ende des 2. Weltkrieges auf der Flucht vor den heranrückenden sowjetischen Truppen in Österreich überrollt und anschließend zwangsweise in ihre Heimat nach Rumänien zurückgeführt wurden (Repatriierung), erfüllen nicht die für das Vorliegen einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI erforderlichen persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen. Es kommen weder Zeiten der Internierung noch der Verschleppung in Betracht.

Aufenthaltnahme im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

Für die Anerkennung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist unter anderem erforderlich, dass Versicherte innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 den ständigen Aufenthalt genommen hatten, wobei in die Zeit von zwei Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht einzurechnen sind.

Die Feststellung unverschuldeter Verzögerung kann nur von Fall zu Fall und unter Würdigung aller Umstände getroffen werden. Eine unverschuldete Verzögerung liegt vor, wenn Entlassene innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung den Entschluss gefasst hatten, in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 ständigen Aufenthalt zu nehmen (Ausreisewille), und wenn sie von der Ausführung dieses Entschlusses nur durch Umstände abgehalten wurden, die sie abzuwenden nicht in der Lage waren (zum Beispiel Krankheit, Transportschwierigkeiten, Verweigerung der Ausreisepapiere, erzwungener Abschluss eines Arbeitsvertrages). Eine unverschuldete Verzögerung kann auch dann angenommen werden, wenn die ständige Aufenthaltnahme durch die Suche nach Verwandten auf- und absteigender Linie, Geschwistern und Ehegatten nicht unangemessen verzögert wurde. Eine Verzögerung aus wirtschaftlichen Gründen kann nicht als unverschuldet angesehen werden. Die Aufenthaltnahme muss unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe erfolgen.

Hatten Versicherte innerhalb der oben angeführten Fristen nach der Entlassung aus der Internierung oder Verschleppung den ständigen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 genommen und waren die persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt (vergleiche hierzu Abschnitt 4.1), ist es unbeachtlich, wenn Versicherte gegebenenfalls später den ständigen Aufenthalt wieder im Ausland nehmen (BSG vom 28.06.1979, AZ: 1 RJ 92/78, SozR 2200 § 1251 Nr. 64).

Nachweis der persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen

Mit dem Außerkrafttreten des HkG mit Wirkung vom 01.01.1992 ist die Rechtsgrundlage für das Ausstellen von Heimkehrerbescheinigungen entfallen. Von diesem Zeitpunkt an hat der Rentenversicherungsträger selbst zu prüfen, ob die persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt sind.

Als Nachweis der einzelnen Anerkennungsvoraussetzungen kommen in Betracht: Bescheid über die Kriegsgefangenenentschädigung, Nachweis über den Wohnsitz vor der Verschleppung, amtliche Bescheinigungen über die Internierung, Arbeitsbücher, Zeugenerklärungen. An den Nachweis der unverschuldeten Rückkehrverzögerung sind dann keine strengen Anforderungen zu stellen, wenn Versicherte von den allgemeinen Ausreisesperren der Ostblockstaaten betroffen waren. In Zweifelsfällen kann das

Deutsche Rote Kreuz
Suchdienst
Amandastraße 72 - 74
20357 Hamburg

befragt werden, ob es mit der Rücksiedlung befasst war, gegebenenfalls wann und von wem das Rote Kreuz erstmals von dem Wunsch zur Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland Kenntnis erhalten hat. Weiter kann zur Prüfung der Frage, ob eine unverschuldete Verzögerung der Rückkehr (Zuzug) in das Bundesgebiet vorliegt das

Bundesverwaltungsamt
50728 Köln

befragt werden, wann und von wem der Antrag auf Übernahme in das Bundesgebiet gestellt wurde und wann er genehmigt worden ist.

Weisen Versicherte die Heimkehrereigenschaft noch durch Vorlage der Heimkehrerbescheinigung nach, die bis 31.12.1991 für Personen ausgestellt wurden, die ihren ständigen Aufenthalt nach dem 16.09.1952 im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) genommen haben, bedarf es grundsätzlich keiner weiteren Nachprüfung über die Erfüllung der persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen. Ergeben sich dennoch im Einzelfall begründete Zweifel über die Heimkehrereigenschaft beziehungsweise haben Versicherte den ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) vor diesem Stichtag genommen, hat der Rentenversicherungsträger ebenfalls selbst zu prüfen, ob die besonderen persönlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt sind.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 3

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI sind als Ersatzzeiten die Zeiten anzuerkennen, in denen Versicherte - ohne Kriegsteilnehmer zu sein - während oder nach dem Ende eines Krieges durch feindliche Maßnahmen bis zum 30.06.1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder nach dem 30.06.1945 aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Soweit in Gebieten die Reichsversicherungsgesetze gegolten haben - also auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR beziehungsweise in Berlin (Ost) -, kann ein Ersatzzeittatbestand nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI nicht vorliegen.

Etwaige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, die an Zeiten der Rückkehrverhinderung oder des Festgehaltenwerdens anschließen, sind keine Ersatzzeittatsache im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI.

§ 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI gilt für Deutsche im Sinne des Art. 116 GG und deutsche Volkszugehörige. Versicherte, die zum Zeitpunkt der feindlichen Maßnahmen weder als Deutsche im Sinne des Art. 116 GG noch als deutsche Volkszugehörige anzusehen waren, können Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI nicht erwerben (BSG vom 21.09.1971, AZ: 12/11 RA 142/70, und BSG vom 30.06.1971, AZ: 12/11 RA 8/70, SozEntsch X/B Art. 1 § 19 FRG Nr. 5).

Die Anerkennung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass Deutsche oder deutsche Volkszugehörige neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch diejenige des Aufenthaltslandes oder nur diejenige des Aufenthaltslandes besessen haben.

Die Voraussetzung „ohne Kriegsteilnehmer zu sein“ stellt allein auf die Gegebenheiten während der Rückkehrverhinderung beziehungsweise des Festgehaltenwerdens ab. Der Anerkennung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI steht nicht entgegen, dass Versicherte gegebenenfalls vor Beginn des als Ersatzzeit in Betracht kommenden Zeitraumes „Kriegsteilnehmer“ waren (BSG vom 08.03.1977, AZ: 11 RA 72/76, SozR 2200 § 1251 Nr. 33).

Die für die Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI maßgebenden Tatbestände sind grundsätzlich durch die Versicherten nachzuweisen. Gehören Versicherte zum Personenkreis des § 1 FRG, so genügt für die Feststellung, dass sie festgehalten oder an der Rückkehr gehindert worden sind, die Glaubhaftmachung (§ 4 FRG).

Hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit von Ersatzzeiten gelten die Ausführungen im Abschnitt 2.

Zu den Ausschlussregelungen des § 250 Abs. 2 SGB VI vergleiche Abschnitt 11.

Feindliche Maßnahmen

Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI können nur berücksichtigt werden, wenn die Rückkehrverhinderung oder das Festgehaltenwerden auf feindlichen Maßnahmen beruht. Als feindliche Maßnahme sind Hinderungsmaßnahmen anzusehen, die ein befreundeter Staat nicht getroffen hätte (BSG vom 30.06.1971, AZ: 12/11 RA 8/70). Erstreckt sich die Ersatzzeittatsache im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI auf Zeiten während des 2. Weltkrieges, sind als feindliche Maßnahmen generell alle Hinderungsmaßnahmen der ehemaligen Feindmächte anzusehen.

Feindliche Maßnahmen können zum Beispiel in einer Internierung oder in einem Ausreiseverbot bestanden haben. Sie brauchen aber nicht die des Aufenthaltsstaates gewesen zu sein. Es genügt auch der Aufenthalt in befreundeten oder neutralen Ländern, wenn feindliche Maßnahmen eines anderen Staates die Verkehrsverbindungen unterbrochen oder wenigstens zu Lasten des betreffenden Personenkreises unbillig gefährdet haben.

Als feindliche Maßnahmen im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI sind auch die Hinderungsmaßnahmen (zum Beispiel Einreiseverbote nach Deutschland) anzusehen, die nach Beendigung des 2. Weltkrieges durch die ehemaligen Besatzungsmächte veranlasst worden sind.

Eine feindliche Maßnahme im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI ist nur gegeben, wenn sich die Maßnahme gegen Berechtigte als Deutsche oder deutsche Volkszugehörige gerichtet hat. Sind Deutsche oder deutsche Volkszugehörige durch Maßnahmen eines ausländischen Staates, die sich nicht speziell gegen die in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Deutschen oder deutschen Volkszugehörigen, sondern unterschiedslos gegen die gesamte Bevölkerung gerichtet haben, an der Rückkehr verhindert gewesen, so liegt eine feindliche Maßnahme im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI nicht vor (BSG vom 24.11.1971, AZ: 4 RJ 55/69, SozR Nr. 57 zu § 1251 RVO). Somit sind die nach Beendigung des 2. Weltkrieges in den Ostblockstaaten bestehenden allgemeinen Ausreisesperren keine „feindlichen Maßnahmen“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Zeiten der Rückkehrverhinderung, die ihre Ursache in derartigen Ausreiseverboten haben, sind keine Ersatzzeit (Bestätigende Rechtsprechung für CSSR: BSG vom 15.06.1976, AZ: 11 RA 104/75; Rumänien: Urteil des LSG Niedersachsen vom 04.02.1977, AZ: L 1 An 191/75; Polen: Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.06.1976, AZ: L 3 An 29/72, und des LSG Berlin vom 21.10.1976, AZ: L 10 An 107/74).

Etwas anderes gilt bei Versicherten, die während des 2. Weltkrieges in die früheren deutschen Ostgebiete evakuiert worden sind und nach Beendigung des Krieges infolge der oben angeführten allgemeinen Ausreisesperren an der Rückkehr gehindert wurden. Für diesen Personenkreis stellt das Ausreiseverbot eine „feindliche Maßnahme“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI dar. Die dadurch bedingte Zeit der Rückkehrverhinderung ist Ersatzzeit (BSG vom 16.12.1981, AZ: 11 RA 82/80, SozR 2200 § 1251 Nr. 91, und BSG vom 15.10.1985, AZ: 11a RA 58/84, SozR 2200 § 1251 Nr. 115).

Für den Personenkreis der Russlanddeutschen, der anlässlich des deutsch-sowjetischen Krieges im Jahre 1941 innerhalb der UdSSR nach Sibirien verbracht worden ist, stellt der an die eigentliche Internierung (bis Mitte 1956) anschließende Zeitraum des weiteren Aufenthalts in der UdSSR eine Ersatzzeittatsache im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI (Zeit der Rückkehrverhinderung) dar (BSG vom 08.04.1987, AZ: 5a RKn 13/86, SozR 2200 § 1251 Nr. 126).

Sind Versicherte im Ausland oder in den unter fremder Verwaltung stehenden Gebieten nur deshalb festgehalten worden, weil sie Deutsche oder deutsche Volkszugehörige waren, handelte es sich hierbei grundsätzlich um „feindliche Maßnahmen“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Sie waren dann allein gegen diesen Personenkreis gerichtet und nicht gegenüber den eigenen Staatsbürgern.

Eine „feindliche Maßnahme“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI liegt nicht vor, wenn für die Rückkehrverhinderung oder das Festgehaltenwerden Gründe ausschlaggebend waren, die nicht auf der deutschen Staatsangehörigkeit oder der deutschen Volkszugehörigkeit beruhten.

Eine Verurteilung aus Gründen, die Betreffende selbst zu vertreten hatten (zum Beispiel Verurteilung wegen Kriegsverbrechen oder krimineller Vergehen), ist keine feindliche Maßnahme im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI.

Rückkehrverhinderung

Eine „Rückkehrverhinderung“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI liegt vor, wenn Deutsche oder deutsche Volkszugehörige die Absicht, den Mittelpunkt des persönlichen und wirtschaftlichen Lebensbereichs nach Deutschland zu verlegen, infolge feindlicher Maßnahmen nicht verwirklichen konnten.

Das Tatbestandsmerkmal „Rückkehrverhinderung“ setzt nicht einen tatsächlichen Zuzug ins Inland voraus. Erforderlich ist nur, dass die Rückkehrverhinderung durch feindliche Maßnahmen bedingt war und ein tatsächlicher Rückkehrwille bestanden hat. Zum Begriff „Rückkehrwille“ vergleiche Abschnitt 5.4. Für den Beginn des Ersatzzeittatbestandes ist somit der Zeitpunkt maßgebend, von dem an der Wille zur Rückkehr ins Inland bestand, aber wegen feindlicher Maßnahmen nicht verwirklicht werden konnte. Der Ersatzzeittatbestand endet mit dem Zeitpunkt, von dem an die Rückkehrverhinderung nicht mehr auf feindlichen Maßnahmen beruhte, also von dem Zeitpunkt an, zu dem nach Lage der Verhältnisse die Rückkehr möglich und zumutbar war, spätestens jedoch am 31.12.1991.

Eine Rückkehrverhinderung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI kann in aller Regel dann nicht mehr vorgelegen haben, wenn sich Deutsche oder deutsche Volkszugehörige im westlichen Ausland aufgehalten haben und im Aufenthaltsland eine konsularische oder diplomatische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet war. Eine Rückkehrmöglichkeit kann jedoch nicht schon allein aufgrund der Tatsache ausgeschlossen werden, dass eine Vertretung im Aufenthaltsland nicht bestanden hat.

Eine Rückkehrverhinderung, die auf Gründen beruhte, die Betreffende selbst zu vertreten hatten (zum Beispiel Verurteilung wegen Kriegsverbrechen oder krimineller Vergehen), kann nicht zur Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI führen.

Festgehaltenwerden

Der Begriff des „Festgehaltenwerdens“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI ist weit auszulegen. Unter „Festgehaltenwerden“ ist eine Internierung, Gefangennahme, Festnahme oder sonstige wesentliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit zu verstehen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit liegt dann vor, wenn Betroffene den Aufenthalt, die Lebensweise, die Bewegungen und alle sonstigen Lebensäußerungen im Aufenthaltsland nicht mehr ausschließlich nach eigenem Willen bestimmen konnten, sondern einschneidenden Beschränkungen unterworfen waren.

Ein „Festgehaltenwerden“ kommt für diejenigen in Betracht, die schon im Ausland geboren sind und schon immer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Festgehaltenwerdens oder in einem anderen ausländischen Gebiet hatten.

Der Begriff des „Festgehaltenwerdens“ setzt einen tatsächlichen Rückkehrwillen grundsätzlich nicht voraus (BSG vom 28.04.1971, AZ: 12 RJ 258/70, SozR Nr. 55 zu § 1251 RVO). Besonderheiten ergeben sich für die Dauer der Zeiten unter Kommandanturaufsicht in der früheren Sowjetunion (siehe unten).

Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI können somit im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal „Festgehaltenwerden“ auch dann anerkannt werden, wenn Deutsche oder deutsche Volkszugehörige weder den Willen hatten, in das Inland zurückzukehren, noch tatsächlich zurückgekehrt sind.

Waren Deutsche oder deutsche Volkszugehörige im Aufenthaltsland keinen besonderen Beschränkungen unterworfen und haben sich die Lebensverhältnisse von denen der übrigen Bevölkerung des Aufenthaltslandes nicht wesentlich unterschieden, muss der tatsächliche Rückkehrwille bei der Prüfung der Voraussetzungen einbezogen werden. Zum Begriff „Rückkehrwille“ vergleiche Abschnitt 5.4.

Die zeitliche Abgrenzung des Ersatzzeittatbestandes bestimmt sich danach, wann die Internierung, Gefangennahme, Festnahme oder sonstige wesentliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit begonnen hat beziehungsweise beendet worden ist. Endzeitpunkt einer anerkennungsfähigen Ersatzzeit ist aber in jedem Fall spätestens der 31.12.1991.

Der freiwillige Verzug in das Ausland hindert nicht die Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI, wenn von einem späteren Zeitpunkt an der Tatbestand des „Festgehaltenwerdens“ durch feindliche Maßnahmen tatsächlich erfüllt war.

Beruhte das „Festgehaltenwerden“ auf Gründen, die Betreffende selbst zu vertreten hatten und die nicht in der Eigenschaft als Deutsche oder deutscher Volkszugehörige zu suchen waren, kann eine Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI nicht anerkannt werden.

  • Verbrachte Spezialisten
    Zeiten, in denen Spezialisten und deren Angehörige nach Beendigung der Kampfhandlungen in die Sowjetunion verbracht und dort gegen ihren Willen zurückgehalten worden sind, können regelmäßig als Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI anerkannt werden, soweit sie nicht mit anrechenbaren Beitrags- oder Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG) zusammentreffen. Es liegt insoweit ein „Festgehaltenwerden“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI vor. Die Verbringung als „Spezialist“ in die UdSSR endete regelmäßig im Frühjahr 1952. Zu diesem Zeitpunkt bestand für den Personenkreis der „verbrachten Spezialisten“ grundsätzlich die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren. Der Tatbestand des „Festgehaltenwerdens“ endete daher regelmäßig zu diesem Zeitpunkt. Etwas anderes gilt nur, wenn nachgewiesen wird (zum Beispiel durch Eintragung im SV-Ausweis der ehemaligen DDR), dass Betreffende über das Frühjahr 1952 hinaus tatsächlich weiterhin gezwungen waren, als „verbrachte Spezialisten“ zur Arbeitsleistung in der UdSSR zu verbleiben. In diesen Fällen ist ein „Festgehaltenwerden“ im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI bis zur Beendigung der Tätigkeit als „verbrachter Spezialist“ gegeben.
    Verbleiben ursprünglich zur Arbeitsleistung verbrachte Versicherte jedoch freiwillig über den Endzeitpunkt der Tätigkeit als „verbrachte Spezialisten“ hinaus weiterhin in der UdSSR, liegt insoweit keine Ersatzzeittatsache mehr vor, auch wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt die gegebenenfalls dann beabsichtigte Rückkehr nach Deutschland infolge der bestehenden allgemeinen Ausreisesperre nicht verwirklichen ließ (vergleiche hierzu Abschnitt 5.1).
  • Zeiten der Kommandanturaufsicht in der früheren Sowjetunion
    In der früheren Sowjetunion wurde die deutschstämmige Bevölkerung, sogenannte Russlanddeutsche, in der Zeit nach dem 22.06.1941 aus ihren Heimatgebieten zwangsweise in Sondersiedlungen nach Kasachstan und Sibirien verbracht. Der zugewiesene Aufenthaltsort durfte ohne Sondergenehmigung nicht verlassen werden. Darüber hinaus mussten sich die betroffenen Personen regelmäßig bei der Ortsbehörde oder Ortskommandantur melden. Diese Aufenthaltsbeschränkungen im Rahmen der Kommandanturaufsicht dauerten grundsätzlich bis Anfang 1956 (teilweise auch bis Mitte 1956). In der Regel konnte die aus deutschen Siedlungsgebieten verbrachte deutschstämmige Bevölkerung auch nicht mehr in ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet zurückkehren. Wegen dieser durch das Rückkehrverbot hervorgerufenen dauernden Entwurzelung aus dem Heimatgebiet sind diese Personen in besonderem Maße darauf angewiesen, nach Deutschland zu übersiedeln. Die Entwurzelung erstreckt sich auch auf die Kinder der Entwurzelten, nicht jedoch auf deren Ehegatten.
    Diese Zeiten wurden bisher als Ersatzzeiten wegen Internierung/Verschleppung nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI berücksichtigt.
    Nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (BSG vom 17.02.2005, AZ: B 13 RJ 25/04 R) erfüllt die Zeit einer Kommandanturaufsicht (auch) den Tatbestand einer Ersatzzeit wegen „Festgehaltenwerdens aufgrund feindlicher Maßnahmen“ im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI.
    Die Berücksichtigung der Zeiten unter sowjetischer Kommandanturaufsicht als Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI setzt einen subjektiven Rückkehrwillen - bei Minderjährigen einen Rückkehrwillen der Eltern - für die Dauer der Kommandanturaufsicht, nicht jedoch für die Dauer bis zur Aufenthaltnahme in Deutschland voraus.
    Die Voraussetzungen für eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI sind damit weniger streng, weil für eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI eine (durchgehende) „unverschuldete Rückkehrverhinderung“ vorgelegen haben muss. Anschlussersatzzeiten können allerdings nur aufgrund einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI berücksichtigt werden.

Rückkehrwille

Ein Rückkehrwille setzt die ernsthafte Absicht Versicherter (bei Minderjährigen der Sorgeberechtigten) voraus, das Ausland zu verlassen, um dauernd Aufenthalt in Deutschland zu nehmen. Soweit bei einer Rückkehrverhinderung oder einem Festgehaltenwerden ein Rückkehrwille bestanden haben muss, gilt Folgendes:

Der Wille zur Rückkehr braucht nicht von vornherein bestanden zu haben. Er kann erst im Laufe der Zeit entstanden sein und (oder) nur zeitweilig und (oder) mit Unterbrechungen vorgelegen haben. Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI können in diesem Fall nur für die Zeiträume anerkannt werden, in denen jeweils ein tatsächlicher Rückkehrwille bestanden hat.

Der freiwillige Verzug in das Ausland - auch nach Kriegsende - hindert nicht die Anerkennung einer Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI, wenn später der Wille zur Rückkehr vorgelegen hat, aber infolge feindlicher Maßnahmen nicht verwirklicht werden konnte (BSG vom 24.09.1968, AZ: 11 RA 120/67).

Die maßgeblichen Tatbestände (Rückkehrwille sowie Verhinderung durch feindliche Maßnahmen) sind grundsätzlich durch die Versicherten nachzuweisen. Es kann nicht unterstellt werden, dass Deutsche oder deutsche Volkszugehörige, die sich während des Krieges im Ausland aufgehalten haben, in aller Regel den Willen hatten, ins Inland zurückzukehren (BSG vom 28.04.1971, AZ: 12 RJ 258/70, SozR Nr. 55 zu § 1251 RVO). Bei Deutschen oder deutschen Volkszugehörigen, die ihren Wohnsitz im Inland hatten und vom Kriegsausbruch im Ausland überrascht wurden, sind die Umstände des Einzelfalles maßgebend.

Die tatsächliche Rückkehr ins Inland kann als Indiz für einen tatsächlichen Rückkehrwillen dienen. Die Absicht, nach Deutschland zurückzukehren, ist anhand des Verhaltens der Betroffenen, gegebenenfalls auch deren Eltern, Geschwistern und Verwandten während des Aufenthaltes im Ausland zu prüfen. Der Nachweis ist grundsätzlich aufgrund der gesamten Lebensgestaltung zu führen. Dabei sind jedoch auch die objektiven Rückkehrhindernisse zu berücksichtigen. Zum Nachweis des Rückkehrwillens reicht es nicht aus, dass sich Deutsche oder deutsche Volkszugehörige bei der jeweiligen Botschaft im Ausland gemeldet hatten (BSG vom 16.08.1973, AZ: 4 RJ 159/73). Die Meldung bei einer deutschen Botschaft im Ausland zur Erfüllung der Wehrpflicht ist allein ebenfalls nicht ausreichend, den tatsächlichen Rückkehrwillen zu beweisen (BSG vom 28.04.1971, AZ: 12 RJ 258/70, SozR Nr. 55 zu § 1251 RVO).

Rückkehrverhinderung, Festgehaltenwerden und Rückkehrmöglichkeiten in einzelnen Staaten

Unter anderem in folgenden ausländischen Staaten waren Versicherte an der Rückkehr verhindert oder wurden festgehalten. Einzelheiten hierzu vergleiche Anlage 1.

Nach dem 2. Weltkrieg war die Rückkehr aus einer Reihe ausländischer Staaten möglich. Einzelheiten hierzu vergleiche Anlage 1.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 4

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind bei Versicherten, die zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (vergleiche hierzu Abschnitte 6.1 und 6.2) als Ersatzzeiten anzuerkennen die Zeiten

  • einer Freiheitseinschränkung im Sinne des § 47 BEG (vergleiche Abschnitt 6.3),
  • einer Freiheitsentziehung im Sinne des § 43 BEG (vergleiche Abschnitt 6.4),
  • einer an die Freiheitseinschränkung oder Freiheitsentziehung anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit (vergleiche Abschnitt 10),
  • einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit, längstens bis zum 31.12.1946 (vergleiche Abschnitt 6.5),
  • eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes aufgrund der Aufenthaltnahme im Ausland, längstens bis zum 31.12.1949 (vergleiche Abschnitte 6.7 und 6.7.1),
  • eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes aufgrund eines „Fernbleibens“ vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze, längstens bis zum 31.12.1949 (vergleiche Abschnitte 6.7 und 6.7.2).

Hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit von Ersatzzeiten gelten die Ausführungen im Abschnitt 2.

Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können dazu führen, dass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei sind (§ 3 Nr. 8a EStG). Versicherte können somit ein Interesse daran haben, speziell diese Ersatzzeiten anerkannt zu bekommen.

Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 BEG

Die Anerkennung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI setzt voraus, dass Versicherte die sogenannte Verfolgteneigenschaft besitzen, sie also Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind, und einen verfolgungsbedingten Schaden in der deutschen Rentenversicherung erlitten haben (zum verfolgungsbedingten Schaden vergleiche Abschnitt 6.2).

Nach § 1 Abs. 1 BEG besitzt die Verfolgteneigenschaft, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen (im Sinne von § 2 BEG) verfolgt worden ist (Verfolgungsgründe) und hierdurch Schaden an Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgungsschaden).

Nicht zu den NS-Verfolgten gehören die sogenannten “Nationalgeschädigten”, die nicht als politische Gegner des Nationalsozialismus oder wegen ihrer Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung, sondern wegen ihrer Staats- oder Volkstumszugehörigkeit verfolgt wurden (zum Beispiel für Polen (BSG vom 29.10.1975, AZ: 12 RJ 90/75, SozR 2200 § 1251 RVO Nr. 14).

Feststellung der Verfolgteneigenschaft:

Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft ist nicht von einem Entschädigungsanspruch nach dem BEG abhängig (BSG vom 14.08.2003, AZ: B 13 RJ 27/02 R, SozR 4-2200 § 1251 Nr. 1).

Grundsätzlich hat der Rentenversicherungsträger selbst zu entscheiden, ob Versicherte Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind.

Hat jedoch über die Verfolgteneigenschaft bereits ein Entschädigungsorgan (Entschädigungsbehörde oder Entschädigungsgericht) entschieden, kann im Allgemeinen ohne weitere Prüfung von dieser Entscheidung ausgegangen werden. Dies gilt auch, wenn die Verfolgteneigenschaft verneint worden ist. Für die Anerkennung von Ersatzzeiten reicht regelmäßig die Vorlage eines Bescheides über die Entschädigungsleistungen nach dem BEG aus. Sind in den Entschädigungsakten Unterlagen über die Dauer von Ersatzzeiten (zum Beispiel bei der Freiheitsentziehung) zu vermuten, kann es zweckmäßig sein, die Entschädigungsakten anzufordern.

In begründeten Ausnahmefällen ist es zulässig, von der Entscheidung eines Entschädigungsorgans abzuweichen.

Hat ein Entschädigungsorgan noch nicht über die Verfolgteneigenschaft entschieden, sind alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen durch den Rentenversicherungsträger selbst zu ermitteln und alle Beweise beziehungsweise Mittel der Glaubhaftmachung selbst zu erheben. Bei zweifelhafter Rechtslage ist vor der Entscheidung eine gutachtliche Stellungnahme der zuständigen Entschädigungsbehörde einzuholen. Die Entschädigungsbehörden sind nach §§ 3 ff. SGB X verpflichtet, den Ersuchen der Rentenversicherungsträger zu entsprechen (vergleiche § 2 WGSVG). Welche Entschädigungsbehörde zuständig ist, richtet sich nach § 185 BEG. Die gutachtliche Stellungnahme ist schriftlich vom Rentenversicherungsträger (nicht von den Versicherten) zu beantragen. Dem Antrag sind die vorliegenden Beweismittel beziehungsweise Mittel der Glaubhaftmachung beizufügen. Ist die Rechtslage zweifelsfrei, kann über die Verfolgteneigenschaft ohne Anhören der Entschädigungsbehörde entschieden werden.

Schaden in der Rentenversicherung

Nach der Rechtsprechung (BSG vom 14.08.2003, AZ: B 13 RJ 27/02 R, SozR 4-2200 § 1251 Nr. 1 und BSG vom 08.09.2005, AZ: B 13 RJ 20/05 R) kommt es für die im Rentenrecht zu entscheidende Frage, ob Versicherte Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind, nicht nur auf die Entschädigungsberechtigung nach § 1 BEG an (vergleiche Abschnitt 6.1), sondern auch darauf, ob die Betroffenen einen Schaden in der deutschen Rentenversicherung erlitten haben (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.02.2008, AZ: L 3 R 134/06 und Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.04.2009, AZ: L 16 R 125/09 WA).

Ein solcher rentenrechtlicher Schaden liegt danach vor, wenn ohne die Verfolgung oder die Ausweitung der Verfolgung im jeweiligen Herkunftsgebiet Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung hätten zurückgelegt oder angerechnet werden können. Für die Beurteilung der Frage eines solchen Schadens ist ausschließlich auf die tatsächliche Situation der einzelnen Versicherten bei Beginn der Verfolgung abzustellen.

Von einem rentenrechtlichen Schaden ist auch auszugehen, wenn Versicherte zum Personenkreis des FRG, des § 20 WGSVG oder des ZRBG gehören und aus Verfolgungsgründen keine (weiteren) Beitragszeiten im Sinne von § 55 SGB VI erwerben konnten.

Bei den ZRBG-Berechtigten, die sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben und dort eine freiwillige und entgeltliche Beschäftigung ausgeübt haben, ist der rentenrechtliche Schaden durch die Ausweitung der Verfolgungsmaßnahmen (insbesondere durch Verbringung in ein Konzentrations- beziehungsweise Zwangsarbeitslager) oder durch die Flucht in ein anderes Land eingetreten, denn sie hätten ohne diese zusätzlichen Maßnahmen beziehungsweise Ereignisse gegebenenfalls weitere Beitragszeiten aufgrund einer freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigung im Ghetto zurückgelegt.

Sind in der Vergangenheit Verfolgungsersatzzeiten in einer Rente berücksichtigt worden, ohne dass dabei geprüft wurde, ob ein verfolgungsbedingter Schaden in der deutschen Rentenversicherung eingetreten ist, verbleibt es dabei. Weitere gegebenenfalls erneut geltend gemachte Verfolgungsersatzzeiten sind jedoch nur anerkennungsfähig, wenn ein solcher Schaden eingetreten ist.

Näheres hierzu siehe die nachfolgenden Abschnitte 6.2.1 und 6.2.2.

Gewöhnlicher Aufenthalt im Deutschen Reich oder in den eingegliederten Gebieten

Hatten Verfolgte bei Beginn der Verfolgung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Deutschen Reich (Gebietsstand 31.12.1937) oder in den eingegliederten Gebieten, können Verfolgungsersatzzeiten wie bisher ohne weitere persönliche Voraussetzungen berücksichtigt werden. Bei diesen Personen wird ein verfolgungsbedingter Schaden in der deutschen Rentenversicherung unterstellt, weil sie ohne Verfolgung deutsche Beitragszeiten beziehungsweise übergangene Beitragszeiten im Sinne von § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG hätten erwerben können. Dabei reicht die Möglichkeit des Erwerbs entsprechender Beitragszeiten aus.

Haben diese Personen das Deutsche Reich oder die eingegliederten Gebiete aus Verfolgungsgründen oder wegen drohender Verfolgungsmaßnahmen verlassen und ihren Aufenthalt ins Ausland (zum Beispiel in das Innere der Sowjetunion) verlegt, können diese Zeiten grundsätzlich weiterhin als Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts berücksichtigt werden.

Bei Verfolgten mit Aufenthalt in den eingegliederten Gebieten oder in den früheren deutschen Ostgebieten, die nicht zum Personenkreis der §§ 1, 17a FRG oder des § 20 WGSVG gehören, ist die Berücksichtigung von Verfolgungsersatzzeiten jedoch auf die Zeit bis 08.05.1945 beschränkt, weil sie nach diesem Zeitpunkt in diesen Gebieten Beitragszeiten nach dem deutschen Recht nicht mehr hätten zurücklegen können. Entsprechendes gilt für Verfolgungsersatzzeiten, wenn diese Personen ihren Aufenthalt aus den eingegliederten Gebieten oder den früheren deutschen Ostgebieten in das Ausland verlegt haben.

Gewöhnlicher Aufenthalt außerhalb des Deutschen Reiches oder der eingegliederten Gebiete

Berechtigte nach dem FRG, WGSVG oder ZRBG

Hatten Verfolgte bei Beginn der Verfolgung ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Deutschen Reiches (Gebietsstand 31.12.1937) und außerhalb der eingegliederten Gebiete, können Verfolgungsersatzzeiten nur berücksichtigt werden, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1, 17a FRG, des § 20 WGSVG oder des ZRBG gehören. Bei diesen Personen kann von einem verfolgungsbedingten Schaden in der deutschen Rentenversicherung ausgegangen werden, weil sie ohne die Verfolgung (weitere) Beitragszeiten im Sinne von § 55 SGB VI hätten erwerben können.

Haben diese Personen Gebiete, die vom Deutschen Reich besetzt waren oder in deren Einflussbereich gerieten, aus Verfolgungsgründen oder wegen drohender Verfolgungsmaßnahmen verlassen und ihren Aufenthalt in ein anderes ausländisches Gebiet (zum Beispiel in das Innere der Sowjetunion) verlegt, können diese Zeiten grundsätzlich weiterhin als Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt berücksichtigt werden.

Keine Berechtigung nach dem FRG, WGSVG oder ZRBG

Hatten Verfolgte bei Beginn der Verfolgung ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Deutschen Reiches (Gebietsstand 31.12.1937) und außerhalb der eingegliederten Gebiete und gehörten nicht zum Personenkreis der §§ 1, 17a FRG, des § 20 WGSVG oder des ZRBG, können Verfolgungsersatzzeiten nicht berücksichtigt werden, weil im Herkunftsland ein verfolgungsbedingter Schaden in der deutschen Rentenversicherung nicht eintreten konnte. Die theoretische Möglichkeit einer Übersiedlung nach Deutschland und des damit verbundenen Erwerbs deutscher Beitragszeiten reicht für die Annahme eines verfolgungsbedingten Schadens in der deutschen Rentenversicherung nicht aus.

Zeiten der Freiheitseinschränkung (§ 47 BEG)

Wann eine Freiheitseinschränkung vorliegt, beurteilt sich nach § 47 BEG. Danach liegt eine Freiheitseinschränkung vor, wenn Verfolgte in der Zeit vom 30.01.1933 bis 08.05.1945 eine diskriminierende Zwangskennzeichnung für Juden (zum Beispiel eine Armbinde mit entsprechender Kennzeichnung oder den Judenstern) getragen haben. Allein die Verpflichtung zum Tragen eines solchen Kennzeichens erfüllt den Ersatzzeittatbestand noch nicht; das Kennzeichen musste tatsächlich getragen werden.

Das Tragen von diskriminierenden Zwangskennzeichen für Juden war unter anderem vorgeschrieben:

  • in Deutschland und im Protektorat Böhmen und Mähren ab 19.09.1941 (Polizei-VO vom 01.09.1941 - RGBl. I S. 547),
  • im Generalgouvernement ab 01.12.1939 (VO vom 23.11.1939 - VOBl. GG 1939 S. 61),
  • in den eingegliederten Ostgebieten ab Oktober/November 1939, im Gebiet Lemberg und im Distrikt Galizien ab 15.09.1941,
  • in Rumänien regelmäßig frühestens ab 14.07.1941 (Dekret-Gesetz Nr. 2030 vom 12.07.1941 - M.O. Nr. 164 vom 14.07.1941) und in den folgenden Gebieten:
    • Moldauprovinz (Galatz): vom 25.08.1941 bis 31.12.1945,
    • Dorohon: vom 25.08.1941 bis 31.12.1943,
    • Jassy: vom 08.08.1941 bis 31.12.1943,
    • Bukowina: vom 30.07.1941 bis 18.03.1944, (in Ausnahmefällen bis 23.08.1944),
    • Czernowitz: vom 30.07.1941 bis 26.01.1944,
    • Bessarabien: vom 30.07.1941
    • Transnistrien: vom 30.08.1941 bis 18.03.1944, (in Ausnahmefällen bis 23.08.1944),

In Altrumänien (Rogat) - mit Ausnahme des Moldaugebietes - ist kein Judensterntragen angeordnet worden.

  • in Bulgarien:
    Dobrudscha vom 15.05.1942 bis 31.12.1943 (VO des bulgarischen Ministerrates vom 18.05.1942),
    Sofia vom 29.06.1942 bis 31.12.1943 (eingeführt durch die bulgarische Regierung),
    im gesamten bulgarischen Staatsgebiet vom 29.09.1942 bis 31.12.1943 (VO des bulgarischen Ministerrates vom 29.08.1942); in Ausnahmefällen bis 20.09.1944,
  • in Ungarn ab 05.04.1944,
  • in den Niederlanden ab 02.05.1942,
  • in Frankreich und Belgien ab 27.07.1942.

Eine Freiheitseinschränkung liegt auch vor, wenn Verfolgte in der Zeit vom 30.01.1933 bis 08.05.1945 unter menschenunwürdigen Bedingungen im Inland und/oder Ausland in der Illegalität gelebt haben.

In der Illegalität lebte, wer alle auf seinen Aufenthalt oder seinen Verbleib hinweisende Spuren verwischt und sich damit insbesondere den für ihn geltenden Überwachungsmaßnahmen entzogen hat. Verfolgte mussten aber darüber hinaus wegen der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt haben. Solche Bedingungen lagen vor, wenn sich die Lebensführung auf oder unter der Stufe von Häftlingen bewegte (BGH in RzW 1956, 334).

Zur Frage der verfolgungsbedingten Freiheitseinschränkung im Ausland vergleiche Abschnitt 6.6.

Zeiten der Freiheitsentziehung (§ 43 BEG)

Wann eine Freiheitsentziehung vorliegt, beurteilt sich nach § 43 BEG. Freiheitsentziehung sind danach insbesondere polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto. Der Freiheitsentziehung gleichgestellt sind zum Beispiel das Leben oder die Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen sowie die Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht.

Zeiten der Freiheitsentziehung können nur dann Ersatzzeiten sein, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Zeiten und Verfolgungsmaßnahmen besteht, weil Verfolgte in diesem Falle Schaden an ihrer Freiheit im Sinne des § 1 BEG erlitten haben. So erfüllt zum Beispiel eine Strafhaft aufgrund eines rechtskräftigen Urteils die Voraussetzungen für eine Ersatzzeit, wenn das Urteil oder Strafmaß auf Verfolgungsgründen beruht. Dagegen liegt eine Ersatzzeit nicht vor, wenn das Urteil oder Strafmaß von Verfolgungsmaßnahmen nicht beeinflusst wurde.

Als Ersatzzeiten kommen auch Freiheitsentziehungen im Ausland in Betracht, wenn ein ausländischer Staat unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat und die Freiheitsentziehung entweder durch den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beziehungsweise den Verlust des Schutzes des Deutschen Reichs ermöglicht oder wenn die Regierung des ausländischen Staates von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu der Freiheitsentziehung veranlasst wurde (§ 43 Abs. 1 BEG). Zur Frage der verfolgungsbedingten Freiheitsentziehung im Ausland vergleiche Abschnitt 6.6.

Ersatzzeiten wegen Freiheitsentziehung sind grundsätzlich auf den Zeitraum vom 30.01.1933 bis 08.05.1945 beschränkt (§ 43 Abs. 1 BEG).

Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit

Zeiten einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit sind Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a SGB VI.

Die Arbeitslosigkeit muss entweder

  • durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden sein (längstens bis zum 08.05.1945) oder
  • infolge von Verfolgungsmaßnahmen angedauert haben (längstens bis zum 31.12.1946).

Die Arbeitslosigkeit ist durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen, wenn zwischen den Verfolgungsmaßnahmen und der Arbeitslosigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hat. Dieser ursächliche Zusammenhang muss während der gesamten Zeit der Arbeitslosigkeit bestanden haben und nicht nur zu deren Beginn. Ist der Beginn der Arbeitslosigkeit durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden, kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass auch die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit in ursächlichem Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen gestanden hat. Da Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des BEG spätestens mit dem 08.05.1945 als beendet anzusehen sind, können Zeiten der durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufenen Arbeitslosigkeit längstens bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen (BSG 10, 173).

Ursächlich für eine durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufene Arbeitslosigkeit kann auch eine nationalsozialistische Gewaltmaßnahme gewesen sein, die sich nicht unmittelbar gegen die Betroffenen, sondern gegen deren Arbeitgeber richtete (BSG vom 19.01.1978, AZ: 4 RJ 39/77). Es muss jedoch ausschließlich die gegen den Arbeitgeber gerichtete Maßnahme (zum Beispiel Boykott jüdischer Unternehmer) zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt haben. Für die weitere Arbeitslosigkeit bis Kriegsende (08.05.1945) ist dann ein Ursachenzusammenhang zu unterstellen.

Nach dem 08.05.1945 zurückgelegte Zeiten der Arbeitslosigkeit können Ersatzzeiten sein, wenn die Arbeitslosigkeit infolge von Verfolgungsmaßnahmen angedauert hat. Zeiten der Arbeitslosigkeit haben zum Beispiel dann infolge von Verfolgungsmaßnahmen angedauert, wenn eine vor dem 09.05.1945 durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufene Arbeitslosigkeit über den 08.05.1945 hinaus fortbestand. Auch wenn die Arbeitslosigkeit ursprünglich nicht durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden ist, später aber Verfolgungsmaßnahmen für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit maßgebend waren, können Ersatzzeiten vorliegen. Ersatzzeiten sind in diesen Fällen jedoch erst von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, von dem an die Arbeitslosigkeit durch die Verfolgungsmaßnahmen angedauert hat. Im Allgemeinen kann unterstellt werden, dass mit dem Einsetzen der Verfolgung die weitere Arbeitslosigkeit auf Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführen ist.

Beginnt die Arbeitslosigkeit erst nach dem 08.05.1945, hat sie in aller Regel nicht infolge von Verfolgungsmaßnahmen angedauert. Diese Arbeitslosigkeit ist dann keine Ersatzzeit. Eine nach dem 08.05.1945 begonnene Arbeitslosigkeit kann ausnahmsweise dann Ersatzzeit sein, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit einer durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufenen oder andauernden Arbeitslosigkeit steht. Der zeitliche Zusammenhang ist gewahrt, wenn der durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufenen oder andauernden Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung oder Krankheit von höchstens drei Monaten folgt und „anschließend“ die Arbeitslosigkeit erneut beginnt. Ein „Anschluss“ liegt vor, wenn die erneute Arbeitslosigkeit bis zum Ablauf des der Aufgabe der Beschäftigung oder des dem Ende der Krankheit folgenden Kalendermonats begonnen hat. Ist das der Fall, wird unterstellt, dass die Versicherten bereits seit dem auf das Ende der Beschäftigung oder dem Ende der Krankheit folgenden Tag arbeitslos waren. Zu beachten ist jedoch, dass auch in diesem Fall die Arbeitslosigkeit längstens bis zum 31.12.1946 Ersatzzeit sein kann.

Zur Frage der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit im Ausland vergleiche Abschnitt 6.6.

Begriff der Arbeitslosigkeit

Die Auslegung des Begriffs „Arbeitslosigkeit“ richtet sich nach den Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung. Es ist jedoch besonders den Verhältnissen, in denen sich die Verfolgten befanden, sowie dem Entschädigungs- und Wiedergutmachungsgedanken Rechnung zu tragen (BSG vom 21.07.1959, AZ: 1 RA 12/58, BSG 10, 113; BGH in RzW 1963, 277). Hierzu gehört auch, dass Arbeitslosigkeit für die Zeit vor dem 01.01.1947 nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Versicherten sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestellt haben.

Als arbeitslos ist anzusehen, wer

  • objektiv arbeitslos war; das sind die Arbeitnehmer, die aus Verfolgungsgründen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis standen und die keine Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als Selbständige ausübten, und
  • subjektiv arbeitslos war, das heißt, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte und bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Zu den Voraussetzungen

  • ‘Arbeitnehmer’ siehe Abschnitt 6.5.1.1,
  • ‘aus Verfolgungsgründen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis oder nicht selbständig tätig’ siehe Abschnitt 6.5.1.2 und
  • ‘Fähigkeit und Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen’ siehe Abschnitt 6.5.1.3.
Arbeitnehmer

Als Arbeitnehmer sind grundsätzlich alle Verfolgten anzusehen, die eine abhängige Beschäftigung ausüben wollten, jedoch hierzu allein aus Verfolgungsgründen keine Möglichkeit hatten.

Die Verfolgten mussten nicht zuletzt Arbeitnehmer gewesen sein. Auch wer sich erstmalig um die Erlangung unselbständiger Arbeit bemühte oder sich zu ihrer Wiederaufnahme entschlossen hatte, kann als Arbeitnehmer angesehen werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sie tatsächlich bereit waren, als Arbeitnehmer tätig zu sein. Bei der Prüfung dieser Frage ist auf die besonderen Verhältnisse, in denen sich die Verfolgten befanden, Rücksicht zu nehmen. Arbeitnehmer können danach auch Verfolgte sein, die als Selbständige erwerbstätig waren, wenn sie die selbständige Tätigkeit aufgegeben und sich entschlossen haben, als Arbeitnehmer tätig zu werden.

Haben Verfolgte aus Verfolgungsgründen ihre selbständige Tätigkeit aufgeben müssen, spricht das für ihre Bereitschaft, Arbeitnehmer zu werden. Die Arbeitnehmereigenschaft ist zu bejahen, wenn entsprechende Zeugenerklärungen oder eigene Angaben der Verfolgten vorliegen. Die Arbeitnehmereigenschaft ist zu verneinen, wenn der Akteninhalt oder die sonstigen Unterlagen offensichtlich gegen die Bereitschaft sprechen, Arbeitnehmer zu werden.

Aus Verfolgungsgründen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis oder nicht selbständig tätig

Die Verfolgten dürfen für die Dauer der fraglichen Ersatzzeit in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben oder selbständig tätig gewesen sein, auch nicht als mithelfende Familienangehörige. Allerdings steht eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, die den Verfolgten keine ausreichende, der früheren Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit gleichwertige Lebensgrundlage bot, der Annahme von Beschäftigungslosigkeit auch für die Dauer dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nicht entgegen. Eine Berücksichtigung dieser Zeiten als Ersatzzeit kommt jedoch nur in Betracht, wenn während dieser Zeiten keine Versicherungspflicht bestanden hat (vergleiche Abschnitt 2.1).

Fähigkeit und Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen

Die Verfolgten mussten die körperlichen und geistigen Fähigkeiten haben, den Anforderungen eines Arbeitsverhältnisses zu genügen.

Waren Verfolgte arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, wird im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass sie nach ihrem Leistungsvermögen nicht imstande waren, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Im Falle der Invalidität kann das Leistungsvermögen jedoch eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes durchaus zulassen.

Die Verfolgten dürfen ferner nicht durch außerhalb der Verfolgung liegende sonstige Umstände gehindert gewesen sein, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Dies kann zum Beispiel bei Hausfrauen durch die Führung des Haushaltes und die Fürsorge für die Kinder der Fall sein.

An den Beweis der Arbeitsbereitschaft sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Arbeitsbereitschaft liegt auch dann vor, wenn sich Verfolgte aus Sorge vor einer Verfolgung nicht um eine Arbeitsvermittlung bemühten.

Zeiten zwischen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und der Auswanderung als Arbeitslosigkeit

Für Zeiten zwischen der verfolgungsbedingten Aufgabe der Beschäftigung und der Auswanderung (Beginn des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts) ist regelmäßig Arbeitslosigkeit anzunehmen.

Wenn auch im Einzelfall die Vorbereitungen für die Auswanderung im Vordergrund gestanden haben werden, schließt das die Annahme von Arbeitslosigkeit nicht aus. Zu berücksichtigen ist, dass die Betroffenen aus Verfolgungsgründen ihre Beschäftigung verloren haben, also arbeitslos wurden und nur unter dem Druck der besonderen Verhältnisse, in denen sie sich befanden, die Auswanderung anstrebten. Das beseitigt aber nicht die verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit, sondern lässt sie bestehen. Es muss davon ausgegangen werden, dass - ohne die besonderen Verhältnisse - die Bereitschaft bestand, in Deutschland eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.

Die vorstehenden Ausführungen gelten für Selbständige entsprechend, wenn sie wie „Arbeitnehmer“ anzusehen sind (vergleiche Abschnitt 6.5.1.1).

Berufsumschichtung von Arbeitslosen

Von der Berufsumschichtung waren jüdische Personen betroffen, die ihre Beschäftigung oder Tätigkeit aus Verfolgungsgründen verloren hatten, also zunächst „arbeitslos“ wurden. Diese Berufsumschichtung (auch unter der hebräischen Bezeichnung „Hachscharah“ bekannt) hatte den Zweck, auf manuelle Berufe umzuschulen, weil es mit diesen Berufen eher möglich war, einen neuen Arbeitsplatz zu erhalten; insbesondere boten sich dann aber bessere Auswanderungsmöglichkeiten. Die Berufsumschichtung wurde in verschiedener Weise in Umschichtungsstellen des Handwerks, der Landwirtschaft und der Hauswirtschaft durchgeführt (zum Beispiel auf Bauernhöfen, Gütern, landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Schulen). Die Zeit der Berufsumschichtung ist als weitere verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit anzuerkennen. Dass eine Ausbildung durchgeführt wurde, steht der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegen, weil die Berufsumschichtung keine dem vor der Verfolgung angestrebten oder ausgeübten Beruf entsprechende Lebensgrundlage bot.

Freiheitseinschränkung, Freiheitsentziehung und Arbeitslosigkeit im Ausland

Nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen sind nur solche Maßnahmen, die aus Verfolgungsgründen des § 1 BEG von deutschen Stellen veranlasst wurden. Maßnahmen - zum Beispiel Verfolgungen aus rassischen Gründen - selbständiger Staaten sind daher keine Ersatzzeittatbestände im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, es sei denn, diese Staaten waren während des 2. Weltkrieges bereits so abhängig vom Deutschen Reich, dass sie ihre inneren Verhältnisse nicht mehr selbständig regeln konnten.

Zu den Verfolgungsmaßnahmen in einzelnen Staaten:

  • Bulgarien
    Bulgarien ist während des 2. Weltkrieges ein in seiner Judenpolitik unabhängiger Staat geblieben (OLG Zweibrücken vom 29.01.1969, AZ: 4 U (WG) 126/68, RzW 1969, 324). Verfolgungsmaßnahmen in diesem Staat sind daher nur insoweit nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen, als für sie gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG die deutsche Veranlassung gilt. Daraus folgt:
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung vor dem 06.04.1941 sowie Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit sind keine Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung ab 06.04.1941 sind Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Der bulgarische Arbeitsdienst, zu dem die jüdische Bevölkerung dieses Staates herangezogen wurde, stellt eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 43 BEG dar. Solche Zeiten sind ab 06.04.1941 Ersatzzeiten.
    • Für das gesamte bulgarische Staatsgebiet ist ab 29.09.1942 die Verpflichtung zum Tragen eines Judenkennzeichens eingeführt worden. Vorher waren vereinzelt in der Dobrudscha (ab 15.05.1942) und in Sofia (ab 29.06.1942) Judenkennzeichen zu tragen. Die Verpflichtung zum Tragen des Judenkennzeichens ist zum 31.12.1943 aufgehoben worden. Die Zeiten des Judenkennzeichentragens (regelmäßig für die Zeit vom 29.09.1942 bis 31.12.1943) sind als Zeiten der Freiheitseinschränkung Ersatzzeiten.
  • Rumänien
    Rumänien ist während des 2. Weltkrieges ein in seiner Judenpolitik unabhängiger Staat geblieben (BVerwG vom 13.06.1975, AZ: III C 81.70, RzW 1976, 71). Die rumänischen Verfolgungsmaßnahmen aus rassischen Gründen sind daher nur insoweit nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen, als für sie gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG die deutsche Veranlassung gilt. Daraus folgt:
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung vor dem 06.04.1941 sowie Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit sind keine Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung ab 06.04.1941 sind Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Der rumänische Arbeitsdienst, zu dem die jüdische Bevölkerung dieses Staates herangezogen wurde, stellt eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 43 BEG dar. Solche Zeiten sind ab 06.04.1941 Ersatzzeiten.
    Die nördliche Bukowina war in der Zeit vom 06.07. bis 11.07.1941 von deutschen Truppen besetzt. Während dieser Zeit kam es zu Judenverfolgungen durch deutsche Stellen (BVerwG vom 13.06.1975, AZ: III C 81.70, RzW 1976, 71). Zeiten der Arbeitslosigkeit aus rassischen Gründen sind daher in der nördlichen Bukowina für die Zeit vom 06.07. bis 11.07.1941 ebenfalls Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
  • Slowakei
    Die Slowakei gehörte bereits seit ihrer Gründung (14.03.1939) zum Herrschaftsbereich des nationalsozialistischen Deutschland (Urteil des BGH vom 19.01.1966, AZ: IV ZR 309/64, RzW 1966, 214 und RzW 1966, 554; bestätigt durch Urteile des LSG Berlin vom 15.02.1984, AZ: L 5 J 149/83, LSG Berlin vom 23.04.1986, AZ: L 15 An 22/83, und LSG Berlin vom 29.07.1988, AZ: L 1 An 114/87).
    Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung sowie Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit sind ab 14.03.1939 Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
  • Ungarn
    Ungarn war während des 2. Weltkrieges bis zum 18.03.1944 ein in seiner Judenpolitik unabhängiger Staat (BGH vom 01.07.1976, AZ: IX ZR 99/75, RzW 1976, 214). Seine Unabhängigkeit verlor der Staat erst mit der deutschen Besetzung am 19.03.1944. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Verfolgungsmaßnahmen nur insoweit nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen, als für sie gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 BEG die deutsche Veranlassung gilt. Daraus folgt:
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung vor dem 06.04.1941 sind keine Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung ab 06.04.1941 sind Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit sind erst ab 19.03.1944 Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI.
    • Der ungarische Arbeitsdienst, zu dem die jüdische Bevölkerung dieses Staates herangezogen wurde, stellt eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 43 BEG dar. Solche Zeiten sind ab 06.04.1941 Ersatzzeiten.

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt

Voraussetzungen für die Anerkennung von Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b SGB VI sind die Aufenthaltnahme im Ausland (vergleiche Abschnitt 6.7.1) oder das „Fernbleiben“ vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze (vergleiche Abschnitt 6.7.2) und der Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt.

Zeiten des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts können längstens bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeiten anerkannt werden.

Aufenthaltnahme im Ausland

Die Aufenthaltnahme im Ausland liegt regelmäßig vor, wenn Versicherte aus Verfolgungsgründen das „Inland“ verlassen hatten und ins „Ausland“ gegangen sind.

Ausland ist alles, was nicht „Inland“ ist. „Inland“ ist grundsätzlich das Gebiet des Deutschen Reichs in seinen jeweiligen Grenzen. Vergleiche hierzu

  • Abschnitt 6.7.1.1 ‘Deutsches Reich (Gebietsstand 31.12.1937)’,
  • Abschnitt 6.7.1.2 ‘Eingegliederte Gebiete’ und
  • Abschnitt 6.7.1.3 ‘Gebiete im Einflussbereich des Deutschen Reichs’.

Ein Auslandsaufenthalt ist verfolgungsbedingt, wenn das Inland aufgrund von NS-Maßnahmen verfolgungsbedingt legal, illegal oder durch Ausweisung verlassen worden ist. Es kommt nur darauf an, dass der Auslandsaufenthalt bei seinem Beginn verfolgungsbedingt war, nicht aber darauf, ob auch für den weiteren Auslandsaufenthalt Verfolgungsmaßnahmen ursächlich waren (BSG vom 13.09.1978, AZ: 5 RJ 86/77, SozR 2200 § 1251 Nr. 51).

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt kann auch vorliegen, wenn Ausländer vom Deutschen Reich ins Ausland (auch in ihr Heimatland) zurückgekehrt sind.

Ein Auslandsaufenthalt hat verfolgungsbedingt angedauert, wenn Verfolgte bereits vor Beginn der Verfolgungsmaßnahmen das Inland - gleichgültig aus welchen Gründen - verlassen haben und es ihnen später aus Verfolgungsgründen nicht mehr möglich beziehungsweise zumutbar war, zurückzukehren. In diesem Fall muss glaubhaft gemacht werden, dass ein ernsthafter beziehungsweise konkreter Rückkehrwille vorgelegen hat und Verfolgte ohne die Verfolgungsmaßnahmen ins Inland zurückgekehrt wären.

Eine bloße Bekundung des Rückkehrwillens reicht nicht aus. Die Ersatzzeit beginnt mit dem Zeitpunkt, von dem ab ein Rückkehrwille glaubhaft ist und eine Rückkehr nicht mehr möglich beziehungsweise zumutbar war, das heißt frühestens mit dem 30.01.1933, dem Zeitpunkt der Ein- oder Angliederung in beziehungsweise an das Deutsche Reich oder mit dem Zeitpunkt, von dem ab ein ausländischer Staat in die Abhängigkeit zur deutschen NS-Regierung beziehungsweise in deren Einflussbereich geraten ist.

Die Ersatzzeit endet spätestens mit dem 31.12.1949 oder mit einer früheren Rückkehr ins Inland (BSG vom 05.02.1976, AZ: 11 RA 44/75, SozR 2200 § 1251 Nr. 17).

Deutsches Reich (Gebietsstand 31.12.1937)

„Inland“ ist hier das Gebiet des Deutschen Reichs in den Reichsgrenzen vom 31.12.1937.

Liegt das Verlassen des Deutschen Reichs in der Zeit vom 30.01.1933 bis 08.05.1945, kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass hierfür Verfolgungsmaßnahmen ursächlich waren.

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt liegt auch vor, wenn das Deutsche Reich aus Angst vor drohender Verfolgungsmaßnahmen (zum Beispiel vor dem 30.01.1933) verlassen wurde. Der Auslandsaufenthalt ist dann bereits von Beginn an verfolgungsbedingt.

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt kann auch bei Versicherten vorliegen, deren Auslandsaufenthalt zunächst nicht verfolgungsbedingt war (zum Beispiel Beschäftigung seit 1930 im Ausland bei einer deutschen Firma). In diesem Fall liegt verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt jedoch erst von dem Zeitpunkt an vor, von dem an Versicherte ins Deutsche Reich zurückkehren wollten, aber allein wegen der Gefahr der Verfolgung nicht zurückkehren konnten.

Wurde Deutschland erst nach dem 08.05.1945 verlassen, sind hierfür im Allgemeinen keine Verfolgungsgründe maßgebend. Eine Ersatzzeit ist dann nicht anzuerkennen. Ein nach dem 08.05.1945 begründeter Auslandsaufenthalt kann ausnahmsweise dann Ersatzzeit sein, wenn er durch Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufen worden ist (BSG vom 01.07.1970, AZ: 4 RJ 353/69, SozR Nr. 46 zu § 1251 RVO).

Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen können zum Beispiel angenommen werden, wenn eine Familienzusammenführung mit bereits früher ausgewanderten Angehörigen erfolgte, in verfolgungsbedingten Krankheitsfällen beziehungsweise wegen höheren Alters eine Pflege durch Angehörige oder nahe Bekannte im Ausland erforderlich schien und derartige Pflegepersonen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vorhanden waren oder durch Minderjährige eine Auswanderung betrieben worden ist, nachdem sie nach Kriegsende festgestellt hatten, dass ihre Familienangehörigen in der Deportation umgekommen waren.

Sind Versicherte infolge der Verfolgungsmaßnahmen nach Deutschland gekommen (zum Beispiel nach der Auflösung eines Ghettos oder KZ-Lagers in den von den NS-Machthabern besetzten Gebieten), ist eine nach dem 08.05.1945 erfolgte Auswanderung aus dem Nachkriegsdeutschland grundsätzlich als verfolgungsbedingt im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzusehen. In aller Regel ist davon auszugehen, dass Nachwirkungen des Verfolgungsschicksals maßgebend für die Auswanderung waren. Dies gilt auch dann, wenn Betroffene sich außerhalb eines Lagers für „Displaced Persons“ (DP-Lager) aufgehalten oder nicht versicherungspflichtig gearbeitet haben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahmen und Nachkriegsauswanderung scheidet nur dann aus, wenn sich (ausnahmsweise) im Einzelfall schwerwiegende Erkenntnisse ergeben, die an einer verfolgungsbedingten Ausreise zweifeln lassen (Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.05.2003, AZ: L 14 RJ 190/02 und BSG vom 04.07.2003, AZ: L 13 RJ 118/02).

Eingegliederte Gebiete

Die in das Deutsche Reich eingegliederten Gebiete sind nur bis zu ihrer Eingliederung Ausland. Vom Zeitpunkt der Eingliederung an sind diese Gebiete Inland (zum Beispiel Österreich ab 12.03.1938, Sudetenland ab 01.10.1938, Protektorat Böhmen und Mähren ab 16.03.1939). Das bedeutet, verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt liegt bei Versicherten, die aus Verfolgungsgründen ihren Aufenthalt vom Deutschen Reich (Gebietsstand 31.12.1937) in ein später eingegliedertes Gebiet verlegt haben, nur bis zur Eingliederung vor (Urteile des Hessischen LSG vom 09.05.1967, AZ: L 2 An 641/64, und des LSG Berlin vom 10.11.1970, AZ: L 12 An 30/70).

Die eingegliederten Gebiete sind dann wieder Ausland, wenn die Eingliederung beendet ist. Grundsätzlich endet die Eingliederung spätestens mit dem 08.05.1945. Österreich ist bereits vom 10.04.1945 an wieder Ausland. Das bedeutet, dass vom Ende der Eingliederung an ein Aufenthalt in diesen Gebieten wieder eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI wegen Auslandsaufenthalts begründen kann.

Sind Versicherte von einem eingegliederten Gebiet nach dessen Eingliederung ins Ausland gegangen, kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass hierfür Verfolgungsmaßnahmen ursächlich waren (zum Beispiel Verlassen Österreichs nach dem 12.03.1938).

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt liegt auch vor, wenn die eingegliederten Gebiete aus Angst vor drohenden Verfolgungsmaßnahmen bereits vor der Eingliederung verlassen wurden. Der Auslandsaufenthalt ist dann bereits von Beginn an verfolgungsbedingt (zum Beispiel Verlassen Österreichs im Januar 1938).

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt kann auch bei Versicherten vorliegen, deren Auslandsaufenthalt außerhalb der eingegliederten Gebiete zunächst nicht verfolgungsbedingt war (zum Beispiel Beschäftigung eines Österreichers seit 1935 im Ausland für eine österreichische Firma). In diesem Fall liegt verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt erst von dem Zeitpunkt an vor, von dem an Versicherte in das eingegliederte Gebiet zurückkehren wollten, aber allein wegen der Gefahr der Verfolgung nicht zurückkehren konnten.

Ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt kann auch in den Fällen vorliegen, in denen Versicherte ein (ehemals) eingegliedertes Gebiet - zum Beispiel ein ehemals besetztes polnisches Gebiet - mit dem Ziel der Auswanderung verlassen haben und erst nach zwischenzeitlicher Begründung eines gewöhnlicher Aufenthaltes in Deutschland nach dem 30.06.1945 tatsächlich ausgewandert sind. Diese spätere Auswanderung ist längstens bis 31.12.1949 als verfolgungsbedingt anzusehen (BSG vom 29.03.2006, AZ: B 13 RJ 7/05 R).

Elsaß-Lothringen ist nicht eingegliedert, sondern nur angegliedert worden. Trotzdem wurde dieses Gebiet vom 22.06.1940 bis Herbst 1944 (Besetzung durch alliierte Truppen) als Bestandteil des Deutschen Reichs betrachtet. Während dieser Zeit ist Elsaß-Lothringen kein Ausland.

Gebiete im Einflussbereich des Deutschen Reichs

Gebiete, die nicht in das Deutsche Reich eingegliedert worden sind, die jedoch in seinen Einflussbereich gerieten, das heißt, die sich in Abhängigkeit zur NS-Regierung befanden und deutsche Maßnahmen ausführten, bleiben Ausland. Das bedeutet, verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt liegt auch bei Versicherten vor, die aus Verfolgungsgründen ihren Aufenthalt vom Deutschen Reich (Gebietsstand 31.12.1937) oder von den eingegliederten Gebieten in ein vom Deutschen Reich abhängiges Gebiet genommen haben.

Ausnahme:

Haben Versicherte die in den Einflussbereich des Deutschen Reichs gelangten Gebiete aus Verfolgungsgründen verlassen und Aufenthalt in einem anderen ausländischen Gebiet genommen, ist das verlassene Gebiet als „Inland“ anzusehen. Von welchem Zeitpunkt an Gebiete in den Einflussbereich des Deutschen Reichs gelangt sind, ist in Anlehnung an § 43 Abs. 1 S. 2 BEG zu prüfen (vergleiche auch Abschnitt 6.6).

Sind Versicherte von einem vom Deutschen Reich abhängigen Gebiet in der Zeit von der Abhängigkeit an in ein anderes ausländisches Gebiet gegangen, kann im Allgemeinen unterstellt werden, dass hierfür Verfolgungsmaßnahmen ursächlich sind.

Verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt liegt auch vor, wenn das vom Deutschen Reich abhängige Gebiet aus Angst vor drohender Verfolgungsmaßnahmen bereits vor der Abhängigkeit verlassen wurde. Der Auslandsaufenthalt ist dann bereits von Beginn an verfolgungsbedingt.

Für das Gebiet der Tschechoslowakei ist davon auszugehen, dass drohende Verfolgungsmaßnahmen vom 12.03.1938 an (Anschluss Österreichs) erkennbar waren; für das Memelgebiet von November 1938 und in verstärktem Maße vom 11.12.1938 an und in den Niederlanden von August 1939 an.

„Fernbleiben“ vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze

Ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b SGB VI kann auch durch ein „Fernbleiben“ vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze erfüllt sein (BSG vom 19.05.2009, AZ: B 5 R 14/08 R, SozR 4-2600 § 250 Nr. 6, und AZ: B 5 R 96/07 R). Die Verfolgten müssen sich - anders als bei der in Abschnitt 6.7.1 beschriebenen Aufenthaltnahme im Ausland - nicht zuvor in einem Territorium aufgehalten haben, in dem Reichsrecht galt. Voraussetzung ist auch hier, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Verfolgung und dem Auslandsaufenthalt besteht (Verfolgungszusammenhang, vergleiche Abschnitt 6.7.2.2).

Von der Rechtsauslegung des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts durch „Fernbleiben“ werden folgende Personengruppen erfasst:

Die Rechtsstellung nach §§ 1, 17a FRG und § 20 WGSVG setzt ein Verlassen des Herkunftsgebietes voraus. Sind diese Personen in ihrem Herkunftsgebiet verblieben, sind sie keine FRG-Berechtigten. Sie können daher schon aus diesem Grunde keine Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts durch „Fernbleiben“ erwerben. Für den Erwerb entsprechender Ersatzzeiten reicht die bloße Rechtsstellung als FRG-Berechtigter aus. Die Berechtigten müssen nicht auch Beitragszeiten nach dem FRG erworben haben. Soweit es um den Status „Versicherte“ im Sinne von § 250 SGB VI geht, kann dieser auch durch andere Beitragszeiten nach deutschem Recht erworben werden (zum Beispiel durch Kindererziehungszeiten oder später nachgezahlte Beiträge).

Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können nur berücksichtigt werden, wenn ein verfolgungsbedingter Schaden in der deutschen Rentenversicherung eingetreten ist; Näheres hierzu vergleiche Abschnitt 6.2. Deshalb ist auch in den Fällen des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes durch „Fernbleiben“ grundsätzlich ein verfolgungsbedingter Schaden in der deutschen Rentenversicherung zu prüfen. Die BSG-Urteile vom 19.05.2009 zur Anrechnung von Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts durch „Fernbleiben“ knüpfen bereits an die Rechtsstellung als FRG-Berechtigter an. Insofern kann grundsätzlich unterstellt werden, dass ohne den Ersatzzeittatbestand FRG-Zeiten erworben worden wären und damit für den Verfolgten ein Schaden in der deutschen Rentenversicherung eingetreten ist. Eine weitergehende Prüfung nach Abschnitt 6.2 ist insoweit entbehrlich. Dies gilt für Berechtigte nach §§ 1, 17a FRG und § 20 WGSVG uneingeschränkt. Für Berechtigte nach § 17 Abs. 1 Buchst. b FRG (die nicht gleichzeitig Berechtigte nach §§ 1, 17a FRG oder § 20 WGSVG sind) ist dagegen die Anerkennung entsprechender Ersatzzeiten auf die Zeit bis 08.05.1945 beschränkt, da diese Personen FRG-Zeiten nach dem 08.05.1945 nicht mehr erwerben können.

Für ZRBG-Berechtigte sind Ersatzzeiten wegen eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes bis zum 31.12.1949 ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls anzuerkennen, soweit die Versicherten in dieser Zeit nicht in Deutschland beziehungsweise in den eingegliederten Gebieten gewesen sind.

Aufgrund der Rechtsauslegung des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes durch „Fernbleiben“ können weitere Ersatzzeiten berücksichtigt werden. Grundsätzlich sind entsprechende Fälle nur auf Antrag zu überprüfen. Die Fälle können aber auch von Amts wegen aufgegriffen werden. Bei der Neufeststellung einer Rente findet § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung.

Territoriale Voraussetzung für ein verfolgungsbedingtes „Fernbleiben“

Ein verfolgungsbedingtes „Fernbleiben“ kann nur vorliegen, wenn sich Versicherte bei Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen in Gebieten außerhalb des Deutschen Reiches aufgehalten haben, die in den nationalsozialistischen Einflussbereich geraten sind (zum Beispiel Polen oder Rumänien). Haben sich Versicherte bei Beginn der Verfolgungsmaßnahmen außerhalb dieser Gebiete aufgehalten (zum Beispiel im Inneren der Sowjetunion), liegt kein Tatbestand eines verfolgungsbedingten „Fernbleibens“ vor. Von einem weiteren „Fernbleiben“ ist jedoch auszugehen, wenn Versicherte ihren Aufenthalt von einem in den nationalsozialistischen Einflussbereich geratenen Gebiet in ein anderes ausländisches Gebiet verlegt haben (zum Beispiel Flucht von Rumänien in das Innere der Sowjetunion). Entsprechendes gilt, wenn die Verlegung aus Angst vor drohender Verfolgung schon vor der Einflussnahme erfolgte.

Beginn und Ende des verfolgungsbedingten „Fernbleibens“

Beginn der Ersatzzeit

Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten „Fernbleibens“ beginnen regelmäßig nach Beendigung einer Freiheitseinschränkung oder Freiheitsentziehung (vergleiche Abschnitte 6.3 und 6.4), frühestens jedoch vom Zeitpunkt der Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereichs auf das betreffende Gebiet. Haben Versicherte dieses Gebiet aus Angst vor drohender Verfolgung schon zuvor verlassen und ihren Aufenthalt in einem anderen ausländischen Gebiet genommen (zum Beispiel Flucht von Rumänien in das Innere der Sowjetunion), können Ersatzzeiten wegen „Fernbleibens“ schon von diesem Zeitpunkt an berücksichtigt werden. Hinsichtlich des jeweiligen Beginns der nationalsozialistischen Einflussnahme gelten die zu § 17a FRG getroffenen Festlegungen (vergleiche GRA zu § 17a FRG, Abschnitt 2.4).

Ende der Ersatzzeit

Allgemeines - Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt

Sinn und Zweck der Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b SGB VI ist es, Versicherten während eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts längstens bis 31.12.1949 eine „Überlegungsfrist“ zu gewähren, ob sie dem Land, von dem die Verfolgungsmaßnahmen ausgingen, dauerhaft den Rücken kehren wollten, ohne dadurch Schaden in der Rentenversicherung zu nehmen. Hierdurch sollen Verfolgte dafür entschädigt werden, dass der (erzwungene) Aufenthalt im Ausland dem Erwerb inländischer Versicherungszeiten entgegenstand (vergleiche hierzu unter anderem Urteil des BSG vom 01.07.1970, AZ: 4 RJ 353/69, SozR Nr. 46 zu § 1251 RVO).

Verfolgte, die dem Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze „ferngeblieben“ sind, können für die Erfüllung des Kausalzusammenhangs zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt nur die reine „Möglichkeit“ einer Auswanderung nach Deutschland in Anspruch nehmen (vergleiche hierzu Ausführungen im Urteil des BSG vom 29.03.2006, AZ: B 13 RJ 7/05 R, SozR 4-2600 § 250 Nr. 2). Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den betroffenen FRG-Berechtigten überwiegend um deutschsprachige Verfolgte handelt, kann die „Möglichkeit“ einer Auswanderung nach Deutschland generell in Betracht gezogen werden. Die Verfolgten müssen daher nicht konkret darlegen, dass sie nach Beendigung der Verfolgung während der „Überlegungsfrist“ in Erwägung zogen, ihren Aufenthalt nach Deutschland zu verlegen. Voraussetzung ist lediglich ein Kausalzusammenhang zwischen der Verfolgung und dem Auslandsaufenthalt. Dies gilt auch für Zeiten, in denen in Deutschland keine nationalsozialistische Verfolgung mehr stattgefunden hat.

Für die Frage, ab wann der Kausalzusammenhang nicht mehr vorlag, ist allein zu prüfen, von welchem Zeitpunkt an Verfolgte ihren Herkunftsort oder einen anderen beliebigen Ort im Ausland zum Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse gemacht haben.

Für die Bejahung der Kausalität müssen objektive Umstände vorliegen, welche die Wahl des Aufenthalts außerhalb Deutschlands aus Verfolgungsgründen maßgeblich bestimmen. Dabei spielt der zeitliche Zusammenhang als Indiz für den ursächlichen Zusammenhang insofern eine Rolle, als um so deutlichere Anhaltspunkte zu finden sind, je länger das Kriegsende zurückliegt. Allein die Rückkehr von Verfolgten an ihren Wohnort vor dem Krieg genügt nicht für den Schluss, dass die Verfolgung für ein weiteres Verbleiben im Ausland unmaßgeblich geworden sei. Ein Aufenthalt am Herkunftsort steht einer weiteren Ersatzzeit nicht entgegen, wenn er sich als „Zwischenstation“ darstellt.

Ein Kausalzusammenhang liegt nicht mehr vor, wenn der Aufenthalt am Herkunftsort mit dem Ziel erfolgt, diesen (wieder) frei vom Druck der Verfolgung oder ihrer Nachwirkungen zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Insofern geht es um ein zeitliches Moment, das sich nicht nur bei einem Aufenthalt am Herkunftsort stellen kann: Je länger sich Verfolgte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft an einem (beliebigen) Ort im Ausland aufhalten, desto eher kommt ein Ende des Verfolgungszusammenhangs in Betracht. Dazu müssen äußere Umstände treten wie die nicht nur vorübergehende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer Ausbildung, die Gründung einer Familie oder der Grunderwerb, um die Schlussfolgerung zu erlauben, dass mehr Gesichtspunkte für als gegen die Begründung eines Lebensmittelpunktes und eine dauerhafte Eingliederung in das gesellschaftliche und soziale Leben der früheren beziehungsweise einer neuen Heimat sprechen.

Die vom BSG beispielhaft aufgezeigten äußeren Umstände lassen jedoch nicht in jedem Fall darauf schließen, dass die Begründung des Lebensmittelpunktes in der "Heimat" beabsichtigt war. Dies gilt insbesondere in den Fällen der vorübergehenden Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder der Gründung einer Familie (Heirat). Der Aufenthalt im Herkunftsgebiet kann trotz des Vorhandenseins derartiger äußerer Umstände durchaus eine "Zwischenstation" gewesen sein, die den Verfolgungszusammenhang nicht enden lässt. Voraussetzung hierfür ist aber ein zeitnahes Verlassen des Herkunftsgebietes.

Vorrangiges Kriterium für die Feststellung des Verfolgungszusammenhangs ist daher das zeitliche Moment. Dabei ist es durchaus gerechtfertigt, von der Annahme der Begründung eines Lebensmittelpunktes auszugehen, je länger sich Verfolgte nach dem Ende der Verfolgung in ihrem Heimatgebiet aufgehalten haben; und zwar gegebenenfalls auch ohne die Existenz von äußeren Umständen wie der (vorübergehenden) Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise der Gründung einer Familie. Mögliche Ausreisebeschränkungen im Herkunftsgebiet, von denen die gesamte einheimische Bevölkerung betroffen war oder zunehmender Antisemitismus im Herkunftsgebiet, können allerdings nicht als Begründung der nicht mehr unmittelbar gegebenen zeitlichen Nähe zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt gelten, da die frühere Verfolgung gerade dann nicht ursächlich für die verspätete Ausreise ist.

Es ist somit zu prüfen, ob Verfolgte ihren Herkunftsort oder einen anderen beliebigen Ort im Ausland ab einem bestimmten Zeitpunkt zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse gemacht haben. Ab diesem Zeitpunkt endet der Verfolgungszusammenhang. Dies hat zur Folge, dass eine (weitere) Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts nicht anzuerkennen ist.

Umsetzung

Nach den BSG-Urteilen spielt bei der Prüfung des Verfolgungszusammenhangs der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle. Je länger sich Verfolgte nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft an einem beliebigen Ort im Ausland aufgehalten haben, desto eher ist dieser Zusammenhang zu verneinen. Wichtige Rückschlüsse für die Prüfung des Verfolgungszusammenhangs lässt daher der Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsgebietes zu. Einen zeitlichen Anknüpfungspunkt bieten dabei die Pauschalregelungen des Ersatzzeitenrechts und des WGSVG mit dem Datum 31.12.1946 (vergleiche § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a SGB VI, § 11 WGSVG). Dieser Zeitpunkt steht gleichsam für ein Ende der Verfolgungsnachwirkungen; von da an war wieder eine gewisse Lebensplanung möglich. Ein weiterer zeitlicher Anknüpfungspunkt ist das Ende der „Überlegungsfrist“ nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b SGB VI mit dem Datum 31.12.1949. In Anlehnung an diese Zeitpunkte ist daher bei der Prüfung des Verfolgungszusammenhangs wie folgt zu verfahren:

  • Verlassen des Herkunftsgebiets bis 31.12.1946
    Haben Verfolgte nach der Verfolgung ihr Herkunftsgebiet bis 31.12.1946 verlassen und ihren Aufenthalt in einem anderen ausländischen Gebiet genommen (zum Beispiel Ausreise von Rumänien nach Palästina), kann davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt im Herkunftsgebiet nur eine „Zwischenstation“ darstellte und dort noch kein Lebensmittelpunkt begründet wurde. Durch die Verlegung des Aufenthalts verlängert sich die „Überlegungsfrist“ bis zur Begründung eines Lebensmittelpunktes bis 31.12.1949. Die gesamte Zeit vom Ende der Verfolgung bis 31.12.1949 ist daher ohne weitere Prüfung als Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts zu berücksichtigen.
  • Verlassen des Herkunftsgebietes vom 01.01.1947 bis 31.12.1949
    Haben Verfolgte ihr Herkunftsgebiet in der Zeit vom 01.01.1947 bis 31.12.1949 verlassen und ihren Aufenthalt in einem anderen ausländischen Gebiet genommen (zum Beispiel Ausreise 1947 von Rumänien nach Palästina), kann nicht mehr pauschalierend unterstellt werden, dass der Aufenthalt im Herkunftsgebiet nach der Verfolgung nur eine „Zwischenstation“ darstellte. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob und gegebenenfalls wann im Herkunftsgebiet bereits ein Lebensmittelpunkt begründet wurde.
    Machen Verfolgte glaubhaft, bis zur Verlegung des Aufenthalts in das andere ausländische Gebiet ihren Lebensmittelpunkt im Herkunftsgebiet noch nicht begründet zu haben, verlängert sich durch die Verlegung des Aufenthalts die „Überlegungsfrist“ bis zur Begründung eines Lebensmittelpunktes bis 31.12.1949. In diesem Fall ist die gesamte Zeit vom Ende der Verfolgung bis 31.12.1949 als Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts zu berücksichtigen.
    Wurde dagegen ein Lebensmittelpunkt im Herkunftsgebiet bereits vor der Verlegung in ein anderes ausländisches Gebiet begründet, endet der Verfolgungszusammenhang zu diesem Zeitpunkt. Er verlängert sich auch nicht mehr für die Zeit des späteren Aufenthalts in dem anderen ausländischen Gebiet bis 31.12.1949.
    Wurde ein Lebensmittelpunkt im Herkunftsgebiet bereits unmittelbar nach der Verfolgung begründet, kommt eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts nicht in Betracht. Dies gilt auch für die Zeit eines späteren Aufenthalts in dem anderen ausländischen Gebiet bis 31.12.1949.
  • Verlassen des Herkunftsgebietes nach dem 31.12.1949
    Haben Verfolgte ihr Herkunftsgebiet erst nach dem 31.12.1949 (teilweise auch Jahrzehnte später) verlassen und ihren Aufenthalt in einem anderen ausländischen Gebiet genommen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufenthalt im Herkunftsgebiet nach der Verfolgung von Beginn an mit dem Ziel erfolgte, diesen wieder frei von Verfolgung zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. In diesem Fall kann für die gesamte Zeit bis 31.12.1949 grundsätzlich nicht von einem verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt ausgegangen werden. Diese Vermutung ist nur in Ausnahmefällen widerlegbar.
    Machen Verfolgte glaubhaft, dass sie nach der Verfolgung im Herkunftsgebiet erst zu einem späteren Zeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt begründeten, kann bis zu diesem Zeitpunkt (längstens aber bis 31.12.1949) eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts berücksichtigt werden. Diese Annahme ist allerdings nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. An die Glaubhaftmachung sind strenge Anforderungen zu stellen. Je länger sich Verfolgte über den 31.12.1949 hinaus in ihrem Heimatgebiet aufgehalten haben, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, dass sie dort ihren Lebensmittelpunkt begründet hatten (vergleiche hierzu die Ausführungen in diesem Abschnitt zu „Allgemeines - Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Auslandsaufenthalt“).
    Sind Verfolgte im Herkunftsgebiet verblieben, scheitert eine Anrechnung von Zeiten des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts wegen „Fernbleibens“ als Ersatzzeiten schon an der fehlenden FRG-Berechtigung.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 5

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI sind bei Versicherten, die zum Personenkreis des § 1 HHG gehören (vergleiche Abschnitt 7.1), als Ersatzzeiten anzuerkennen die Zeiten

  • des Gewahrsams (vergleiche Abschnitt 7.2),
  • der anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit (vergleiche Abschnitt 10).

Die Regelung gilt auch für Versicherte, die nur deshalb nicht zum Personenkreis des § 1 HHG gehören, weil sie vor dem 03.10.1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen haben.

Hinsichtlich der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit von Ersatzzeiten gelten die Ausführungen in Abschnitt 2.

Zu den Ausschlussregelungen des § 250 Abs. 2 SGB VI vergleiche Abschnitt 11.

Für Zeiten des Gewahrsams im Sinne des § 1 HHG, die nach dem 31.12.1991 zurückgelegt sind, gilt § 21 FRG. Danach kommt insoweit die Anerkennung als Anrechnungszeit in Betracht.

Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 HHG

Zum Personenkreis des § 1 HHG gehören Versicherte, die

  • deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige sind und
  • nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 08.05.1945
  • entweder in der ehemaligen DDR oder in Berlin (Ost) oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebieten (das sind die ehemaligen deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien, China)
  • aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen
  • in Gewahrsam genommen wurden
  • und den gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des HHG genommen haben.

Auch die Hinterbliebenen solcher Versicherten gehören zum Personenkreis des § 1 HHG. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Versicherten selbst den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des HHG genommen hatten. Den Hinterbliebenen von Versicherten im Sinne des § 1 Abs. 1 HHG können daher Ersatzzeiten auch dann anerkannt werden, wenn Versicherte im Gewahrsamsland verstorben sind. Zur Frage der Aufenthaltnahme vor dem 03.10.1990 im Beitrittsgebiet vergleiche Abschnitt 7.1.2.

Feststellung der Zugehörigkeit zum § 1 HHG

Die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 HHG wird regelmäßig durch eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG nachgewiesen, in der auch die Dauer des Gewahrsams bescheinigt ist. Diese Bescheinigung enthebt alle sonstigen Stellen einer weiteren Nachprüfung.

Seit dem 01.01.1993 werden HHG-Bescheinigungen regelmäßig nicht mehr ausgestellt. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach dem HHG wird nur noch auf Ersuchen des Rentenversicherungsträgers festgestellt.

Kann der Nachweis durch eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG nicht geführt werden, kann der Rentenversicherungsträger die Feststellung der Voraussetzungen nach § 1 HHG bei der für das HHG zuständigen Behörde, in deren Bereich die Versicherten oder Hinterbliebenen ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, unter Darlegung des Sachverhalts und Übersendung von Kopien der den Sachverhalt stützenden Unterlagen beantragen.

Zugehörigkeit zum HHG bei Aufenthalt im Beitrittsgebiet

In der Anlage I des Einigungsvertrages (Anlage I des Einigungsvertrages vom 28.09.1990 Kapitel II Sachgebiet D. Abschnitt III Nr. 3 Buchst. a) ist geregelt, dass für einen Gewahrsam in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebieten (vergleiche insoweit Abschnitt 7.1) das HHG im Beitrittsgebiet nur auf Personen Anwendung findet, die nach dem 02.10.1990 und vor dem 01.01.1992 dort ihren ständigen Aufenthalt begründet haben.

Versicherte, die ihren ständigen Aufenthalt im Beitrittsgebiet vor dem 03.10.1990 begründet haben, gehören damit nicht zum Personenkreis des § 1 HHG. Durch das RÜG wurde § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI jedoch neu gefasst (vergleiche Historie). Abweichend von den oben genannten Regelungen des Einigungsvertrages findet das HHG damit auch auf Personen Anwendung, die vor dem 03.10.1990 und nach dem 31.12.1991 im Beitrittsgebiet ihren ständigen Aufenthalt begründet haben (Gesetz zur Regelung des Verhältnisses von Kriegsfolgengesetzen zum Einigungsvertrag vom 20.12.1991, BGBl. I, Seite 2270, und Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen vom 21.12.1992, BGBl. I, Seite 2094).

Gewahrsam

Nach § 1 Abs. 5 S. 1 HHG ist Gewahrsam ein Festgehaltenwerden auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung. Der Gewahrsam im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI entspricht im Wesentlichen dem der Internierung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Auf die entsprechenden Ausführungen im Abschnitt 4 wird verwiesen.

Darüber hinaus gilt bei Versicherten, die gegen ihren Willen in ein ausländisches Staatsgebiet verbracht worden sind, nicht nur die Dauer des tatsächlichen Festgehaltenwerdens als Gewahrsam, sondern die gesamte Zeit, während der sie an der Rückkehr aus dem Ausland gehindert wurden (§ 1 Abs. 5 S. 2 HHG). Endzeitpunkt dieser als Ersatzzeit zu wertenden Rückkehrverhinderung ist spätestens der 31.12.1989 (§ 1 Abs. 5 S. 2 HHG in der Fassung des Eingliederungsanpassungsgesetzes (EinglAnpG) vom 22.12.1989, BGBl. I S. 2398).

Versicherte, die - ohne das Gebiet der ehemaligen UdSSR vorher verlassen zu haben - aus diesen Gebieten während des Krieges in Arbeitslager oder Sondersiedlungen verbracht haben, werden von der Regelung des § 1 Abs. 5 S. 2 HHG nicht erfasst. Für diese Sachverhalte können Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI oder § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI in Betracht kommen.

Für Zeiten eines Gewahrsams oder eines Freiheitsentzugs im Beitrittsgebiet nach dem 31.12.1956 kommt auch eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI in Betracht. Dies ist insbesondere wegen der für den Ersatzzeittatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI geltenden Ausschlussregelung des § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI von Bedeutung (vergleiche Abschnitt 8 „Beachte“).

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 5a

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI sind als Ersatzzeiten anzuerkennen die Zeiten

  • des Freiheitsentzuges im Zeitraum vom 08.05.1945 bis 30.06.1990 im Beitrittsgebiet, soweit eine auf Rehabilitierung oder Kassation erkennende Entscheidung ergangen ist,
  • der anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit (vergleiche Abschnitt 10).

Die Rechtsinstitute der Rehabilitierung und der Kassation dienen im Wesentlichen dem Zweck der Beseitigung rechtsstaatswidriger Entscheidungen der SED-Strafjustiz, die sich zur Durchsetzung der willkürlichen Rechtspraxis der ehemaligen DDR sowohl des politischen als auch des ‘gewöhnlichen’ Strafrechts bediente.

Die Rehabilitierung erfolgte zunächst aufgrund des Rehabilitierungsgesetzes vom 06.09.1990, das durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 1240) mit geringfügigen Änderungen zunächst in Kraft geblieben ist und durch das 1. SED-UnBerG vom 29.10.1992 BGBl. I S. 1814 (hier: Strafrechtliches Rehabilitationsgesetz - StrRehaG -) aufgehoben wurde. Die Rehabilitierung erfolgt seitdem nach dem StrRehaG vom 29.10.1992.

Von der Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI werden Rehabilitierungen nach anderen Rehabilitierungsgesetzen, zum Beispiel Rehabilitierung durch die Russische Förderation, nicht erfasst.

Die Kassation erfolgte nach §§ 311 ff. StPO-DDR. Diese Bestimmungen fanden nach Maßgabe des Einigungsvertragsgesetzes als Bundesrecht weiterhin Anwendung. Ein Kassationsantrag konnte nur bis zum 31.12.1991 gestellt werden.

Für die Frage der Anerkennung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI ist, anders als bei der Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI (vergleiche Abschnitt 7), die Ursache des Freiheitsentzuges ohne Bedeutung, wenn und soweit eine Rehabilitierung beziehungsweise Kassation tatsächlich erfolgt ist.

Der Nachweis ist durch die Entscheidung des entsprechenden Gerichts über die Rehabilitierung beziehungsweise Kassation zu führen. Der Umfang der Ersatzzeit ergibt sich aus der gerichtlichen Entscheidung. Geht der darin festgestellte Freiheitsentzug über den 30.06.1990 hinaus, kann die Zeit ab 01.07.1990 bis längstens 31.12.1991 nur nach § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI anerkannt werden, sofern die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (vergleiche Abschnitt 7).

Bei einer Teilrehabilitierung ist der Zeitabschnitt der Rehabilitierung an das Ende der Gesamthaftzeit zu legen. Bei mehreren Haftzeiträumen wird die rehabilitierte Zeit grundsätzlich im Verhältnis zu den Gesamttagen der Haftzeiträume auf die verschieden Zeiträume aufgeteilt und dort an das Ende des jeweiligen Zeitraumes gelegt.

Siehe Beispiel 2

Beachte:

Liegt nur eine Häftlingshilfebescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG vor, kann auch diese als Nachweis berücksichtigt werden, sofern Sachverhalt und Zeitraum der geltend gemachten Ersatzzeit übereinstimmen. Insoweit kann die Häftlingshilfebescheinigung mit einer Kassationsbescheinigung gleichgestellt werden.

Ersatzzeiten nach Absatz 1 Nummer 6

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI sind bei Versicherten, die dem Personenkreis der §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes - BVFG angehören, folgende Zeiten als Ersatzzeiten anzuerkennen:

  • Zeiten der Vertreibung, Umsiedlung und Aussiedlung (siehe Abschnitt 9.2),
  • Zeiten der Flucht (siehe Abschnitt 9.3),
  • Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder der unverschuldeten Arbeitslosigkeit, sofern diese an die Vertreibung, Umsiedlung, Aussiedlung oder Flucht anschließen (siehe Abschnitt 10),
  • als pauschale Ersatzzeit der Zeitraum vom 01.01.1945 bis 31.12.1946 (siehe Abschnitt 9.4).

Zu den allgemeinen Tatbestandsmerkmalen für die Anerkennung von Ersatzzeiten siehe Abschnitt 2.

Der Personenkreis der §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetz – BVFG setzt sich zusammen aus:

I. Vertriebenen im Sinne des § 1 BVFG,

einschließlich der dort genannten Verfolgten, Umsiedler, Aussiedler, Ehegatten und nachgeborenen Kinder (zum Personenkreis siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.1).

II. Heimatvertriebenen im Sinne des § 2 BVFG,

(zum Personenkreis siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.1).

III. Sowjetzonenflüchtlingen im Sinne des § 3 BVFG,

oder nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages auch sogenannte "DDR-Flüchtlinge". Dies sind deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in der Sowjetischen Besatzungszone, in der ehemaligen DDR oder Berlin (Ost) hatten und von dort vor dem 01.07.1990 geflüchtet sind, um sich einer von ihnen nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen. Wobei nicht jede Zwangslage, in die ein Bewohner der DDR geraten konnte und die ihn zur Flucht veranlasste, von den Flüchtlingsämtern als besondere Zwangslage in diesem Sinne qualifiziert werden konnte. Eine Zwangslage war nur dann eine „besondere“, wenn sie über die Beschwernisse und Gefährdungen hinausging, welche die Bevölkerung der DDR aufgrund der dort herrschenden Verhältnisse allgemein erdulden musste. Zudem musste die Flucht Folge der besonderen Zwangslage sein (LSG Berlin-Brandenburg vom 10.12.2020, AZ: L 3 R 641/17). Die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 3 BVFG konnte bei Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen auch dann begründet werden, wenn der Zuzug aus der ehemaligen DDR nach Öffnung der Grenzen bis einschließlich zum 30.06.1990 erfolgt ist.

Beachte:

Bei Zuzug nach dem 30.06.1990 ist die Eigenschaft als „Sowjetzonenflüchtling“ im Sinne des § 3 BVFG in keinem Fall gegeben (Änderung durch Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Aufnahmeverfahrens für Aussiedler - Aussiedleraufnahmegesetz - AAG vom 28.06.1990, BGBl. I S. 1247).

IV. Spätaussiedlern im Sinne des § 4 BVFG,

Spätaussiedler müssen wegen der Voraussetzung der Vollendung des 14. Lebensjahres rechnerisch den Geburtsjahrgängen vor 1933 angehören, um zumindest eine pauschale Ersatzzeit (1945 bis 1946) anerkannt zu bekommen. Die Zeit der Aussiedlung nach dem 31.12.1991 ist keine Ersatzzeit (zum Personenkreis siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.2).

Beachte:

Den Vertriebenen im Sinne des BVFG stehen die in § 20 WGSVG genannten Personen gleich (siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.1). Somit können für vertriebene Verfolgte - neben FRG-Zeiten -  auch Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI anerkannt werden (siehe auch BSG vom 14.12.2006, AZ: B 4 RA 52/05 R, SozR 4-5050 § 17a Nr. 4). In diesen Fällen haben die Rentenversicherungsträger selbst über die Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis entschieden. In der Praxis dürften diese Fälle heute grundsätzlich nicht mehr auftreten, da die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 20 WGSVG mit Nachentrichtungsmöglichkeiten verbunden waren und die Fristen zur Beantragung der Nachentrichtung am 31.12.1990 abgelaufen sind.

Für die Anerkennung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI ist Voraussetzung, dass der Versicherte zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehört, allein der Status des Hinterbliebenen reicht dafür grundsätzlich nicht aus (AGFAVR 1/96, TOP 5). Etwas anderes galt, wenn der Versicherte vor seiner individuellen Vertreibung vor dem 01.01.1993 im Vertreibungsgebiet verstorben war. Zur Vermeidung von Härtefällen konnte in einem solchen Ausnahmefall dann auch der Status des Hinterbliebenen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG zur Anerkennung von Ersatzzeiten in der Hinterbliebenrente führen (BSG vom 22.04.1986, AZ: 1 RA 73/84, SozR 2200 § 1251 Nr. 119, AGFAVR 4/86, TOP 9).

Siehe Beispiel 3

Nachweis

Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG, für die Anerkennung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI, wird im Einzelfall durch die Vorlage des von den Vertriebenen-, Flüchtlings- oder Ausgleichsämtern ausgestellten Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge oder einer (Spätaussiedler-) Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes nachgewiesen (rvText-Vorlage V1085). Deren Feststellungs- und Bestandswirkung ist statusrechtlich bindend, auch wenn eine Ablehnung erfolgt ist (siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.3.10):

Ausweis A – Heimatvertriebener im Sinn des § 2 BVFG (Zuzug bis 31.12.1992),

Ausweis B – Vertriebener im Sinne des § 1 BVFG, der nicht Heimatvertriebener ist (Zuzug bis 31.12.1992),

Ausweis C – Sowjetzonen-/DDR-Flüchtling im Sinne des § 3 BVFG, der nicht gleichzeitig Vertriebener war (Zuzug bis 30.06.1990),

Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG – Spätaussiedler (Zuzug ab 01.01.1993).

Auch als Nachweis wurden Kinder unter 16 Jahren auf Antrag der Eltern in den Vertriebenenausweis eines Elternteils eingetragen. Zu Mustern der Beweismittel siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 9.

Besonderheiten:

  • Vertriebene im Beitrittsgebiet

In der DDR gab es kein Aussiedleraufnahmeverfahren. Vertriebene im Sinne des § 1 BVFG, die nach der Vertreibung oder Aussiedlung vor dem 03.10.1990 ihren ständigen Wohnsitz im Beitrittsgebiet genommen und dort bis zum Beitritt ohne Unterbrechung gewohnt haben, konnten keinen Vertriebenenausweis beantragen. Ab dem 03.10.1990 konnten diese Personen bis zum 30.09.1995 einen Antrag auf eine einmalige Zuwendung nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz (VertrZuwG) stellen. Der Bewilligungsbescheid nach dem VertrZuwG enthält die verbindliche Feststellung der Vertriebeneneigenschaft und ist wie ein Vertriebenenausweis zu würdigen (siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 9.1.4).

  • (Heimat-)Vertriebene, die gleichzeitig DDR-Flüchtlinge sind

Waren (Heimat-)Vertriebene zugleich DDR-Flüchtlinge, so ist der Ausweis A oder B von der zuständigen Behörde auf Antrag durch einen entsprechenden Vermerk (sogenannter C-Vermerk) gekennzeichnet (§ 15 Abs. 3 BVFG in der Fassung bis zum 31.12.1992). Mit diesem Vermerk wurde bescheinigt, dass gleichzeitig der Status eines Sowjetzonen-/DDR-Flüchtlings nach § 3 BVFG gegeben ist:

  • „Zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 5 BVFG berechtigt“ (in der Fassung bis zum 31.12.1992 war dort der Personenkreis der Sowjetzonenflüchtlinge genannt),
  • „Inhaber hat nach dem 31.12.1952 seinen ständigen Aufenthalt als Sowjetzonenflüchtling - § 3 BVFG - genommen“,
  • „Ausweisinhaber ist auch Sowjetzonenflüchtling nach § 3 BVFG“.

Ein Ausweis C ist in diesen Fällen nicht ausgestellt worden.

Die Eigenschaft als DDR-Flüchtling (Sowjetzonenflüchtling) im Sinne des § 3 BVFG ergibt sich aber nicht aus einer Eintragung, wie zum Beispiel:

  • „Zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen berechtigt aufgrund des § 10 Abs. 2 Nr. 7 BVFG“ (in der Fassung bis zum 31.12.1992 war dort der Personenkreis der Zuzügler aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder aus dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin bis zum 31.12.1964 genannt).
  • Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern

Die Vertriebenen- oder Ausgleichsämter stellten in der Regel nur eine gemeinsame (Spätaussiedler-)Bescheinigung für Ehepaare und Familien (Eltern und deren ledige Abkömmlinge) aus. Erst seit 2005 stellt das Bundesverwaltungsamt, Außenstelle Friedland für jede Person eine eigene Bescheinigung aus. Die (Spätaussiedler-)Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG für Ehegatten und Abkömmlinge (§ 7 BVFG) bescheinigt nicht die Rechtsstellung als Spätaussiedler (siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 3.2.2).

Nachweis nicht mehr auffindbar (Zuzug vor 2005)

Können Vertriebene, Heimatvertriebene, Sowjetzonen-/DDR-Flüchtlinge oder Spätaussiedler, die bis 31.12.2004 zugezogen sind, den Nachweis nicht mehr erbringen, weil sie ihren Vertriebenen-/Flüchtlingsausweis oder ihre Spätaussiedlerbescheinigung als Beweismittel nicht mehr besitzen, müssen sie sich selbst um eine Zweitausfertigung bemühen (soweit dies für die Anerkennung einer Ersatzzeit bis 12/1991 relevant ist). Die Ausstellung erfolgt durch die Behörde, die den ursprünglichen Ausweis oder die Bescheinigung ausgestellt hat beziehungsweise durch deren Nachfolgebehörde (§ 15 Abs. 3 BVFG). Da die Vertriebenen-, Flüchtlings- oder Ausgleichsämter in den Bundesländern heute vielfach nicht mehr existieren, müssen sich die Betroffenen an das Sozialamt der Stadt, der Gemeinde oder des Landkreises wenden, in dem sie nach dem Zuzug in die Bundesrepublik und dem Aufnahmeverfahren ihren ersten Wohnsitz genommen haben (rvText-Vorlage V1085). Der Anfrage sind alle noch vorhandenen Unterlagen (zum Beispiel Registrierschein, Aufnahmebescheid) beizufügen.

Beachte:

Für Zweitausfertigungen der von bayerischen Behörden ausgestellten Ausweise und Bescheinigungen gibt es heute eine Zentralstelle:

Regierung von Mittelfranken
Sachgebiet 15
Marienstr. 21
90402 Nürnberg


In Nordrhein-Westfalen wurden Ausweise und Bescheinigungen auch in der Landesaufnahmeeinrichtung Unna-Massen ausgestellt. Zweitausfertigungen können dann dort beantragt werden:

Kreisstadt Unna
Vertriebenenamt/Standesamt
Klosterstr. 12
59423 Unna


Vertriebene, die bis 30.06.1990 direkt in einen Drittstaat (außerhalb Deutschland) zugezogen sind, wenden sich für eine Zweitausfertigung an die:

Bezirksregierung Köln
Zeughausstr. 2
50667 Köln

Nachweis nicht mehr auffindbar (Zuzug ab 2005)

Können Spätaussiedler, die seit 01.01.2005 zugezogen sind, den Nachweis nicht mehr erbringen, weil sie ihre Spätaussiedlerbescheinigung nicht mehr besitzen, müssen sie sich selbst um eine Zweitausfertigung bemühen. Zweitausfertigungen von Spätaussiedlerbescheinigungen für Personen, die ab 01.01.2005 zugezogen sind (soweit dies für die Anerkennung einer Ersatzzeit bis 12/1991 überhaupt relevant ist - Geburtsjahrgänge vor 1933) stellt aus das:

Bundesverwaltungsamt
Heimkehrerstr.16
37133 Friedland


Der Anfrage sind alle noch vorhandenen Unterlagen (zum Beispiel Registrierschein, Aufnahmebescheid) beizufügen.

Anerkennungsverfahren nicht betrieben (Zuzug vor 1993)

Bei Verlassen der Vertreibungsgebiete seit dem 01.07.1990 war eine Anerkennung als Vertriebener oder Heimatvertriebener nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) grundsätzlich nur noch möglich, wenn vor dem Zuzug in das Bundesgebiet entweder vor dem 01.07.1990 eine Übernahmegenehmigung oder ab dem 01.07.1990 ein Aufnahmebescheid erteilt wurde. Ohne Übernahmegenehmigung oder Aufnahmebescheid war eine Anerkennung als (Heimat-)Vertriebener dann regelmäßig nicht mehr möglich. Die Anerkennung als Sowjetzonen-/DDR-Flüchtling nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) war von einer Flucht vor dem 01.07.1990 abhängig. Darüber hinaus wurden Ausweise nur noch ausgestellt, wenn sie

  • für (Heimat-)Vertriebene und für DDR-Flüchtlinge vor dem 01.01.1993 beantragt oder
  • für (Heimat-)Vertriebene bis zum 31.12.1993 beantragt wurden, wenn der ständige Aufenthalt im Bundesgebiet in der Zeit vom 03.10.1990 bis zum 31.12.1992 begründet wurde.

Wer es versäumt hat, innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Ausweis zu beantragen, kann dies heute nicht mehr tun.

Soweit dies für die Anerkennung einer Ersatzzeit bis 12/1991 relevant ist, kann nur der Rentenversicherungsträger im Ausnahmefall nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG beim

Bundesverwaltungsamt
Referat TS II 6
Hannoversche Str. 6 - 8
49084 Osnabrück


auf Feststellung der Vertriebenen-, Heimatvertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft nach den §§ 1 bis 3 BVFG ersuchen (rvText-Vorlage V1086). Dies ist aber nur möglich, wenn

  • der Sowjetzonen-/DDR-Flüchtling vor dem 01.07.1990 in die Bundesrepublik geflüchtet ist und es versäumt hat vor dem 01.01.1993 einen Antrag auf Anerkennung zu stellen oder
  • der (Heimat-)Vertriebene seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik vor dem 01.01.1993 begründet hat und es versäumt hat bis 31.12.1993 einen Antrag auf Anerkennung zu stellen

und die Höhe der Rente von der Anerkennung als Person im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG abhängt, das heißt, die Ersatzzeiten - die nur in der Zeit bis 31.12.1991 entstehen können - müssen dem Grunde nach anerkennungsfähig sein (siehe Abschnitt 2). Die Feststellung des Bundesverwaltungsamts ist kein Verwaltungsakt gegenüber der Person, sondern eine behördeninterne, sachverständige Auskunft an den Rentenversicherungsträger (siehe GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 9.1.2).

Beachte:

Ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist nicht zulässig, wenn

  • nach dem Zuzug bereits die Beantragung eines Vertriebenenausweises erfolgt ist, die zuständige Behörde aber über diesen Antrag bisher nicht abschließend durch rechtsmittelfähigen Bescheid entschieden hat oder
  • der Antrag auf Erteilung eines Vertriebenenausweises durch die damals zuständige Behörde bereits bestands- oder rechtskräftig abgelehnt wurde.

Bei einem zwar gestellten, aber noch nicht beschiedenen Antrag ist die ursprünglich zuständige Behörde auch heute noch für die abschließende Entscheidung zuständig. Für Verstorbene ist ebenfalls kein Ersuchen beim Bundesverwaltungsamt mehr möglich.

Die Person hat vor dem Ersuchen des Rentenversicherungsträgers zu erklären, dass ein Anerkennungsverfahren noch nie durchgeführt wurde und warum dies seinerzeit unterblieb (rvText-Vorlage V1085). Bei Sowjetzonen-/DDR-Flüchtlingen kann unterstellt werden, dass die in § 3 BVFG geforderte „besondere Zwangslage“ nicht erfüllt war, da sie ansonsten das Anerkennungsverfahren betrieben hätten. Soll der Rentenversicherungsträger dennoch ein Ersuchen stellen, muss die Person zuvor darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies Ermittlungen des Bundesverwaltungsamts zur Folge haben kann. Diese können unter Umständen psychisch belastend sein, etwa wenn bislang unbekannte Tatsachen aus Stasiunterlagen zu Tage treten. Die Person entscheidet dann, ob das Verfahren eingeleitet werden soll (rvText-Vorlage V1085), wenn beispielsweise lediglich für einen Kalendermonat Ersatzzeiten für den Tag der Flucht (siehe Abschnitt 9.3) zu berücksichtigen wären und keine Lücken durch unmittelbar anschließende Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit vorliegen (siehe Abschnitt 10).

Anerkennungsverfahren nicht betrieben (Zuzug ab 1993)

Für ab dem 01.01.1993 zugezogene Spätaussiedler wurden anstelle des Vertriebenausweises die (Spätaussiedler-)Bescheinigungen nach § 15 Abs. 1 BVFG ausgestellt. Ist dies versäumt worden, können die Personen selbst beim

Bundesverwaltungsamt
Referat TS II 6
Hannoversche Str. 6 - 8
49084 Osnabrück


prüfen lassen, ob sie als Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG anerkannt werden können (rvText-Vorlage V1085), soweit dies für die Anerkennung einer Ersatzzeit bis 12/1991 überhaupt relevant ist (Geburtsjahrgänge vor 1933). Der Anfrage sind alle vorhandenen Unterlagen (zum Beispiel Aufnahmebescheid, Registrierschein) beizufügen.

Zeiten der Vertreibung, Umsiedlung und Aussiedlung

Als Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI kommen Zeiten der Vertreibung, Umsiedlung oder Aussiedlung in Betracht.

  • Beginn und Ende der Vertreibung
    Als Beginn der Vertreibung ist derjenige Zeitpunkt anzusehen, in dem die Versicherten ihren Wohnsitz im Vertreibungsgebiet verlassen haben.
    Die Vertreibung endet in der Regel mit dem Zeitpunkt, in dem die Vertriebenen ihren Wohnsitz oder nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) oder im Gebiet der ehemaligen DDR oder in Berlin (Ost) genommen haben. War dagegen die Vertreibung nicht auf Deutschland, sondern auf einen ausländischen Staat gerichtet, so endet sie mit dem Zeitpunkt, in dem der Wohnsitz oder nicht nur vorübergehende Aufenthalt in diesem Staat genommen wurde. Die Zeit von der Aufenthaltnahme in diesen Gebieten bis zur wirtschaftlichen Eingliederung rechnet nicht als Zeit der Vertreibung.
    Kurze Zwischenaufenthalte nach dem Verlassen des Vertreibungsgebietes und vor der Wohnsitz-/Aufenthaltsnahme im Aufnahmeland sind in die Zeit der Vertreibung einzubeziehen. War Versicherten ständig die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht möglich, etwa weil eine hierfür notwendige Arbeitserlaubnis versagt worden war oder weil andere hoheitliche Maßnahmen die Teilnahme am allgemeinen Erwerbsleben ausschlossen, gilt dies auch bei längeren Zwischenaufenthalten.
  • Beginn und Ende der Umsiedlung
    Umsiedler sind deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige, die aufgrund der während des 2. Weltkrieges geschlossenen zwischenstaatlichen Verträge aus außerdeutschen Gebieten oder während des gleichen Zeitraums aufgrund von Maßnahmen deutscher Dienststellen aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten umgesiedelt worden sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG).
    Aus dieser Begriffsbestimmung ergibt sich, dass Zeiten der Umsiedlung frühestens ab Beginn des 2. Weltkrieges (26.08.1939) Ersatzzeiten sein können. Im Einzelfall ist für den Beginn der Ersatzzeit der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Umsiedler ihren Wohnsitz im Zuge der Umsiedlungsaktion verlassen haben. Formvorschriften, die als Voraussetzungen für die Umsiedlung zu erfüllen waren (zum Beispiel Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit), sind für den Zeitpunkt des Beginns der Umsiedlung unbeachtlich.
    Als Ende der Umsiedlung ist der Zeitpunkt anzusehen, zu dem Umsiedler nach Verlassen eines Sammellagers oder einer sonstigen vorläufigen Unterkunft an dem ihnen zugewiesenen Wohnsitz eingetroffen sind. Ein Lageraufenthalt gehört regelmäßig zur Umsiedlung, es sei denn, die Umsiedler waren im Lager beschäftigt und hatten dort ihren Wohnsitz.
    Die Zeit nach dem Eintreffen am zugewiesenen Wohnsitz bis zur wirtschaftlichen Eingliederung rechnet nicht als Zeit der Umsiedlung.
    Die hauptsächlichsten Umsiedlungsaktionen fanden statt aus
    • Wollhynien, Galizien und dem Narewgebiet von November 1939 bis März 1940,
    • Bessarabien und Nordbukowina von September 1940 bis November 1940,
    • Estland von Oktober 1939 bis März 1940 und von Januar 1941 bis März 1941,
    • Lettland von Oktober 1939 bis Dezember 1939 und von Januar 1941 bis März 1941,
    • Litauen von Januar 1941 bis März 1941.
  • Beginn und Ende der Aussiedlung
    Aussiedler und Spätaussiedler sind deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige, die nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebiete verlassen haben.
    Der Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ist etwa auf die Jahreswende 1946/1947 festzulegen (vergleiche Urteil des LSG Berlin vom 19.10.1966, AZ: L 2 An 83/66, und Ehrenforth, Kommentar zum BVFG, Auflage 1959, zu § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG, Seite 79). Vor diesem Zeitpunkt können daher Zeiten der Aussiedlung nicht zurückgelegt worden sein.
    Nur eine bis zum 31.12.1991 liegende Aussiedlung kann Ersatzzeit sein. Eine nach dem 31.12.1991 erfolgte Aussiedlung ist selbst keine Ersatzzeit. Sie führt allerdings zur Anerkennung der pauschalen Ersatzzeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946, soweit dieser Zeitraum nach Vollendung des 14. Lebensjahres liegt und keine Versicherungspflicht bestanden hat (vergleiche Abschnitte 2 und 2.1).

Zeiten der Flucht

Zeiten der Flucht aus der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) sind nur dann Ersatzzeit, wenn die Versicherten zum Personenkreis des § 3 BVFG gehören, also vor dem 01.07.1990 aus der ehemaligen DDR oder Berlin (Ost) geflüchtet sind (vergleiche Abschnitt 9.1). Dabei besagt das Wort "geflüchtet" nicht, dass die ehemalige DDR gegen den Willen der dortigen Behörden oder jedenfalls heimlich verlassen worden sein muss. Es genügt, dass ehemalige DDR-Bewohner in der Absicht und zu dem Zweck gehandelt haben, sich durch den Aufenthaltswechsel aus dem räumlichen Bereich einer ihm drohenden Gefahr oder sonstiger Bedrängnisse zu entfernen (vergleiche Urteil des BVerwG vom 16.12.1959, AZ: VIII C 178.59, und RdErl. d. Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 15.05.1982 - IV C 1 - 9010.1.17, MBl. NW. 1982 S. 942).

Gehören Versicherte zum Personenkreis des § 3 BVFG und sind sie zugleich Vertriebene oder Heimatvertriebene, können sie Ersatzzeiten sowohl nach diesem Abschnitt aufgrund der Flucht als auch nach Abschnitt 9.2 aufgrund der Vertreibung erwerben.

  • Beginn und Ende der Flucht
    Bei Flüchtlingen aus der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) beginnt die Flucht mit dem Zeitpunkt des Verlassens des Wohnsitzes in der ehemaligen DDR oder in Berlin (Ost).
    Sie endet regelmäßig mit der Aufenthaltnahme im Bundesgebiet nach dem Stand vom 02.10.1990 einschließlich Berlin (West). Wurde nach der Flucht der nicht nur vorübergehende Aufenthalt im Ausland genommen, so endet die Flucht mit dieser Aufenthaltnahme. Die Zeit bis zur wirtschaftlichen Eingliederung oder des anschließenden Notaufnahmeverfahren rechnet nicht als Zeit der Flucht.

Pauschale Ersatzzeit

Die Zeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946 ist als pauschale Ersatzzeit bei allen Versicherten anzuerkennen, die zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehören. Dies gilt unabhängig davon, ob Versicherte schon vor dem 01.01.1945 oder erst nach dem 31.12.1946 vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt wurden; auch bei Flüchtlingen aus der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) unabhängig vom Zeitpunkt der Flucht.

Die Anerkennung der pauschalen Ersatzzeit kommt auch bei Aussiedlern beziehungsweise Spätaussiedlern (§ 4 BVFG) in Betracht, selbst wenn die Aussiedlung erst nach dem 31.12.1991 erfolgte (vergleiche Abschnitt 9.2).

Anschlussersatzzeiten

Als Ersatzzeiten sind auch die Zeiten anzuerkennen, in denen Versicherte

  • wegen Krankheit arbeitsunfähig (Abschnitt 10.1) oder
  • unverschuldet arbeitslos (Abschnitt 10.2) waren,

wenn diese Zeiten an die eigentlichen (Primär-)Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 SGB VI

  • Nummer 1 (militärischer oder militärähnlicher Dienst, Kriegsgefangenschaft, Minenräumdienst),
  • Nummer 2 (Internierung, Verschleppung),
  • Nummer 4 (Freiheitseinschränkung, Freiheitsentziehung),
  • Nummer 5 (Gewahrsam),
  • Nummer 5a (Freiheitsentzug mit anschließender Rehabilitierung oder Kassation),
  • Nummer 6 SGB VI (Vertreibung, Umsiedlung, Aussiedlung, Flucht)

 anschließen.

Die im Rahmen des § 250 Abs. 1 SGB VI geltende Voraussetzung „keine Versicherungspflicht während der Ersatzzeit“ (vergleiche Abschnitt 2.1) gilt auch für Anschlussersatzzeiten. Deshalb ist eine Anschlussersatzzeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeter Arbeitslosigkeit, in der Versicherte wegen des Leistungsbezugs nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a oder 12 AVG, § 1227 Abs. 1 Nr. 8a oder 10 RVO, § 29 Abs. 1 RKG versicherungspflichtig waren, nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt auch, wenn Beiträge für Ausfallzeiten nach § 112b AVG, § 1385b RVO, § 130b RKG gezahlt und diese von den Versicherten mitgetragen wurden. Schließt sich an derartige Beitragszeiten eine weitere beitragsfreie krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldete Arbeitslosigkeit an, sind diese Zeiten Anschlussersatzzeiten.

Beachte bei Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI:

Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und Zeiten einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit sind nur dann Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI, wenn sie sich an Zeiten der Vertreibung, Umsiedlung, Aussiedlung oder Flucht (Primärersatzzeit) anschließen. Schließen sich die Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit nicht an die Primärersatzzeit an, sondern nur an die pauschale Ersatzzeit (vom 01.01.1945 bis 31.12.1946), sind sie keine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI (Entsprechend Urteil des BSG vom 05.08.1970, AZ: 4 RJ 79/70, SozR Nr. 48 zu § 1251 RVO).

Auch wenn eine Zeit der Vertreibung, Umsiedlung, Aussiedlung oder Flucht nicht als Primärersatzzeit anerkannt werden kann, weil sie vor dem 14. Lebensjahr liegt oder zeitgleich eine die Ersatzzeit verdrängende Pflichtbeitragszeit vorliegt, ist eine anschließende Krankheit oder unverschuldete Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 14. Lebensjahres dennoch als Anschlussersatzzeit zu berücksichtigen.

Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig waren

Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig waren, sind als Anschlussersatzzeiten anzuerkennen, wenn sie an eine Primärersatzzeit anschließen (vergleiche Abschnitt 10).

Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vergleiche BSG vom 30.05.1967, AZ: 3 RK 15/65, 26, 288). Nur die Krankheit, die tatsächlich zur Arbeitsunfähigkeit führt, bedingt eine Ersatzzeittatsache. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist wie der im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung gebrauchte Begriff der ‘krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit’ auszulegen (vergleiche Beschluss des Großen Senats des BSG vom 16.12.1981, AZ: GS 3/78 und 4/78, SozR 2200 § 1259 Nr. 59). Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn Versicherte aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht fähig sind, die zuletzt ausgeübte oder eine ähnlich geartete Beschäftigung auszuüben. Unbeachtlich dagegen ist, ob Versicherte noch in der Lage sind, eine sonstige zumutbare Tätigkeit (zum Beispiel Verweisungsberufe im Sinne der §§ 43, 44 SGB VI) zu verrichten. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit kann nicht auf Krankheitszustände von kurzer zeitlicher Dauer beschränkt werden.

Das Vorliegen einer Krankheit im Sinne des § 250 Abs. 1 SGB VI ist dann zu verneinen, wenn ein Gebrechen bestand, das nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Hat das Gebrechen jedoch Arbeitsunfähigkeit bedingt, ist auch insoweit eine Anschlussersatzzeit gegeben.

Nur eine anschließende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist Ersatzzeit. Es muss ein zeitlicher Zusammenhang (Anschluss) zwischen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und der Primärersatzzeit bestanden haben. Der zeitliche Zusammenhang ist gewahrt, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats beginnt, der dem Kalendermonat der Beendigung der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft) folgt. Der zeitliche Zusammenhang ist auch gewahrt, wenn bis zum Ablauf des der Beendigung der Primärersatzzeit folgenden Kalendermonats eine Beschäftigung (Tätigkeit) bis zu drei Monaten und unmittelbar danach die Arbeitsunfähigkeit folgt. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit folgt dann noch unmittelbar, wenn zwischen der Beschäftigung (Tätigkeit) und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit selbst eine Lücke von nicht mehr als drei Tagen besteht. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit folgt dann nicht mehr unmittelbar, wenn zwischen der Beschäftigung (Tätigkeit) und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine größere Lücke liegt.

Der zeitliche Zusammenhang ist auch dann noch gewahrt, wenn die bis zum Ablauf des der Beendigung der Primärersatzzeit folgenden Kalendermonats beginnende Beschäftigung (Tätigkeit) zwar länger als drei Monate, aber nicht länger als zwölf Monate angedauert hat und es sich insoweit um den Versuch einer beruflichen Wiedereingliederung handelte (vergleiche BSG vom 04.05.1976, AZ: 1 RA 49/75, SozR 2200 § 1251 Nr. 21, 07.12.1976, AZ: 1 RA 23/76, und BSG vom 05.07.1978, AZ: 1 RA 15/78). Beschäftigungen (Tätigkeiten), die auch diese Dauer überschreiten, wahren grundsätzlich nicht mehr den zeitlichen Anschluss zwischen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft).

Entsprechendes gilt, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch eine Beschäftigung (Tätigkeit) unterbrochen wird. Der Anschluss zwischen der Primärersatzzeit und der nach der Beschäftigung (Tätigkeit) liegenden weiteren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist dann stets gewahrt, wenn die Beschäftigung (Tätigkeit) nicht länger als drei Monate gedauert hat. Beschäftigungen (Tätigkeiten) bis zu zwölf Monaten wahren den Anschluss, sofern es sich insoweit um den Versuch einer beruflichen Wiedereingliederung gehandelt hat. Die Beschäftigungen (Tätigkeiten) selbst sind keine Ersatzzeiten.

Bei der Prüfung des Anschlusses zwischen der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft) und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze steht eine schulische Ausbildung (Schule, Fachschule oder Hochschule) bis zu zwölf Monaten einer Beschäftigung (Tätigkeit) gleich. Die schulische Ausbildung ist stets als ein Versuch der beruflichen Wiedereingliederung anzusehen.

Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sind auch Ersatzzeiten, wenn sie sich an Zeiten der Arbeitslosigkeit anschließen, sofern die Arbeitslosigkeit Ersatzzeit ist. Der erforderliche Anschluss ist jedoch nur dann gewahrt, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf des der Beendigung der Arbeitslosigkeit folgenden Kalendermonats beginnt.

Bei der Prüfung des Anschlusses unter Berücksichtigung der oben angeführten Grundsätze sind Schutzfristen im Sinne des jeweiligen Mutterschutzgesetzes und Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten im Sinne der §§ 56, 57 SGB VI stets ein ‘Anschluss wahrender Überbrückungstatbestand’. Der ‘Anschluss’ zwischen der Primärersatzzeit und der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist somit zum Beispiel auch dann noch gegeben, wenn nach der Primärersatzzeit zunächst eine Beschäftigung (Tätigkeit) zur beruflichen Wiedereingliederung bis zu 12 Monaten gegeben ist, dieser die Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz sowie die Kindererziehungszeit/Berücksichtigungszeit folgen und hieran die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit unmittelbar anschließt.

Zeiten, in denen Versicherte unverschuldet arbeitslos waren

Zeiten, in denen Versicherte unverschuldet arbeitslos waren, sind als Anschlussersatzzeiten anzuerkennen, wenn sie an eine Primärersatzzeit anschließen (vergleiche Abschnitt 10).

Hinsichtlich des Begriffs ‘arbeitslos’ vergleiche GRA zu § 237 SGB VI, Abschnitt 5.3. Eine „Arbeitslosigkeit“ liegt somit vor, wenn Versicherte ohne Arbeit, arbeitsfähig und arbeitswillig gewesen sind. Versicherte müssen willens und fähig gewesen sein, eine ihrem Leistungsvermögen entsprechende Arbeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben (vergleiche BSG vom 30.01.1969, AZ: 5 RKn 133/65, SozR Nr. 37 zu § 1251 RVO). Versicherte, die sich zum Beispiel nur um die Wiederbeschäftigung bei dem früheren Arbeitgeber bemüht haben, waren somit nicht arbeitslos, weil sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen.

Eine im Ausland zurückgelegte Arbeitslosigkeit ist keine Anschlussersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 SGB VI (vergleiche BSG vom 07.09.1982, AZ: 1 RA 41/81, SozR 2200 § 1251 Nr. 97, und BSG vom 29.08.1984, AZ: 1 RA 73/83).

Zeiten einer Arbeitslosigkeit, die an eine Primärersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 SGB VI anschließen und im Gebiet der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) zurückgelegt wurden, sind Anschlussersatzzeit im Sinne dieser Vorschrift, sofern alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Nur eine anschließende unverschuldete Arbeitslosigkeit ist Ersatzzeit. Es muss ein zeitlicher Zusammenhang (Anschluss) zwischen der Arbeitslosigkeit und der Primärersatzzeit bestanden haben. Der zeitliche Zusammenhang ist gewahrt, wenn die Arbeitslosigkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats beginnt, der dem Kalendermonat der Beendigung der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft) folgt. Ist das der Fall, wird unterstellt, dass Versicherte seit dem auf das Ende der Primärersatzzeit folgenden Tag arbeitslos waren, es sei denn, es ist offenkundig, dass Versicherte in dieser Zeit nicht arbeitslos waren (zum Beispiel, weil eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde). Der zeitliche Zusammenhang ist auch gewahrt, wenn bis zum Ablauf des der Beendigung der Primärersatzzeit folgenden Kalendermonats eine Beschäftigung (Tätigkeit) bis zu drei Monaten und ‘anschließend’ die Arbeitslosigkeit folgt. Ein ‘Anschluss’ liegt vor, wenn die Arbeitslosigkeit bis zum Ablauf des der Aufgabe der Beschäftigung (Tätigkeit) folgenden Kalendermonats ausgelöst wurde. Ist das der Fall, wird unterstellt, dass Versicherte bereits seit dem auf das Ende der Beschäftigung (Tätigkeit) folgenden Tag arbeitslos waren.

Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und der Primärersatzzeit ist auch dann noch gewahrt, wenn die bis zum Ablauf des der Beendigung der Primärersatzzeit folgenden Kalendermonats beginnende Beschäftigung (Tätigkeit) zwar länger als drei Monate, aber nicht länger als zwölf Monate angedauert hat und es sich insoweit um den Versuch einer beruflichen Wiedereingliederung handelte (vergleiche BSG vom 04.05.1976, AZ: 1 RA 49/75, SozR 2200 § 1251 Nr. 21, 07.12.1976, AZ: 1 RA 23/76, und BSG vom 05.07.1978, AZ: 1 RA 15/78). Beschäftigungen (Tätigkeiten), die auch diese Dauer überschreiten, wahren grundsätzlich nicht mehr den zeitlichen Anschluss zwischen der Arbeitslosigkeit und der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft).

Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitslosigkeit durch eine Beschäftigung (Tätigkeit) unterbrochen wird. Der Anschluss zwischen der Primärersatzzeit und der nach der Beschäftigung (Tätigkeit) liegenden weiteren Arbeitslosigkeit ist dann stets gewahrt, wenn die Beschäftigung (Tätigkeit) nicht länger als drei Monate gedauert hat. Beschäftigungen (Tätigkeiten) bis zu 12 Monaten wahren den Anschluss, sofern es sich insoweit um den Versuch einer beruflichen Wiedereingliederung gehandelt hat. Die Beschäftigungen (Tätigkeiten) selbst sind keine Ersatzzeiten.

Bei der Prüfung des Anschlusses zwischen der Primärersatzzeit (zum Beispiel der Kriegsgefangenschaft) und der Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze steht eine schulische Ausbildung (Schule, Fachschule oder Hochschule) bis zu 12 Monaten einer Beschäftigung (Tätigkeit) gleich. Die schulische Ausbildung ist stets als ein Versuch der beruflichen Wiedereingliederung anzusehen.

Zeiten der Arbeitslosigkeit sind auch Ersatzzeiten, wenn sie sich an Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit anschließen, sofern die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Ersatzzeit ist. Der erforderliche Anschluss ist jedoch nur dann gewahrt, wenn die Arbeitslosigkeit bis zum Ablauf des der Beendigung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgenden Kalendermonats beginnt. Ist der Anschluss gegeben, wird unterstellt, dass Versicherte seit dem auf das Ende der Krankheit folgenden Tag arbeitslos waren.

Bei der Prüfung des Anschlusses unter Berücksichtigung der oben angeführten Grundsätze sind Schutzfristen im Sinne des jeweiligen Mutterschutzgesetzes und Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten im Sinne der §§ 56, 57 SGB VI stets ein ‘Anschluss wahrender Überbrückungstatbestand’. Der ‘Anschluss’ zwischen der Primärersatzzeit und der Arbeitslosigkeit ist somit zum Beispiel auch dann noch gegeben, wenn nach der Primärersatzzeit zunächst eine Beschäftigung (Tätigkeit) zur beruflichen Wiedereingliederung bis zu 12 Monaten gegeben ist, dieser die Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz sowie die Kindererziehungszeit/Berücksichtigungszeit folgen und hieran die Arbeitslosigkeit anschließt.

Besonderheiten

Bei der Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI (Vertreibung, Umsiedlung, Aussiedlung, Flucht) sind die folgenden Besonderheiten zu beachten:

  • Verspätete Meldung beim Arbeitsamt
    Für die Meldung beim Arbeitsamt genügte die Vorlage des Registrierscheins, sodass sich Aussiedler unverzüglich nach dem Eintreffen im Bundesgebiet arbeitslos melden konnten. Meldeten sie sich verspätet, weil sie der irrtümlichen Meinung waren, hierfür den Bundesvertriebenenausweis vorlegen zu müssen, so ist auch die Zeit vom Eintreffen im Bundesgebiet bis zur Meldung beim Arbeitsamt Anschlussersatzzeit wegen Arbeitslosigkeit, wenn die Meldung unverzüglich nach Erhalt des Bundesvertriebenenausweises erfolgt ist.
  • Arbeitslosigkeit während des Notaufnahmeverfahrens
    Sind ‘DDR-Flüchtlinge’ während des früheren Notaufnahmeverfahrens bis zu ihrer Anerkennung ohne Arbeit geblieben, weil die Arbeitsämter diese Personen mangels eines festen Wohnsitzes nicht als Arbeitsuchende registriert haben, genügt es für die Annahme einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit, wenn Versicherte in der fraglichen Zeit dem Grunde nach als arbeitslos angesehen werden können (vergleiche GRA zu § 237 SGB VI) und nachgewiesen ist, dass sie sich unverzüglich nach ihrer Anerkennung entweder als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt gemeldet oder aber eine Beschäftigung aufgenommen haben.
  • Arbeitslosigkeit bei Asylbewerbern/Asylberechtigten
    Bei Asylbewerbern/Asylberechtigten, die zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehören, stellt der Tag des Zuzugs beziehungsweise Aufenthaltnahme in das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) eine Ersatzzeittatsache im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI dar, auch wenn die Anerkennung als Vertriebener/Heimatvertriebener (§§ 1 bis 2 BVFG) gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist. Eine sich anschließende unverschuldete Arbeitslosigkeit ist Ersatzzeit.
    Dieser Personenkreis kann eine Arbeitslosigkeit regelmäßig erst dann nachweisen, wenn die Anerkennung als Asylberechtigter oder als Vertriebener/Heimatvertriebener (§§ 1 bis 2 BVFG) erfolgt ist, da die Arbeitsämter diesen Personenkreis vorher infolge aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlicher Hinderungsgründe nicht als Arbeitsuchende registriert haben. In diesen Fällen reicht es für die Annahme einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit für den Zeitraum bis zum Wegfall der oben angeführten Hinderungsgründe aus, wenn Versicherte dem Grunde nach als arbeitslos angesehen werden können (vergleiche GRA zu § 237 SGB VI) und nachgewiesen ist, dass sie sich unverzüglich nach einer Anerkennung als Asylberechtigte (Vertriebene/Heimatvertriebene) oder - gegebenenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt - nach Wegfall der aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlichen Hinderungsgründe entweder als Arbeitsuchende beim Arbeitsamt gemeldet oder aber eine Beschäftigung aufgenommen haben.
  • Arbeitslosigkeit bei Bezug von Eingliederungsgeld
    Nach §§ 62a, 62b und 62c AFG in der Fassung vom 01.07.1990 erhielten Aussiedler, die nach dem 31.12.1989 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) genommen haben, anstelle des Arbeitslosengeldes ein Eingliederungsgeld. Bei Versicherten, die zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehören, liegt für die Dauer des Bezugs von Eingliederungsgeld nach §§ 62a Abs. 1, 62b oder 62c Abs. 1 AFG eine Anschlussersatzzeit wegen Arbeitslosigkeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI vor, sofern alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.
    Wurde für die ersten beiden Monate nach dem Zuzug in das Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) jedoch Eingliederungsgeld nach § 62a Abs. 4 AFG gezahlt, weil der Betreffende gegenüber dem Arbeitsamt seine Verfügungsbereitschaft eingeschränkt hatte, ist insoweit keine Arbeitslosigkeit und damit keine Anschlussersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI gegeben. Die Zeit des Bezugs von Eingliederungsgeld nach § 62a Abs. 4 AFG ist aber ‘Anschluss wahrender Überbrückungstatbestand’ für nachfolgende weitere Anschlussersatzzeittatsachen. Der Bezug von Eingliederungsgeld nach § 62a Abs. 4 AFG ist jedoch regelmäßig Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI beziehungsweise § 252 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI.
    Soweit Übersiedler in der Zeit vom 01.01.1990 bis 30.06.1990 Eingliederungsgeld nach §§ 62a, 62b und 62c AFG erhalten haben, gelten die oben angeführten Grundsätze entsprechend.

Nachweis

Die anschließende unverschuldete Arbeitslosigkeit muss nachgewiesen sein (eine Glaubhaftmachung ist lediglich im Rahmen des § 4 Abs. 2 FRG möglich). Der Nachweis wird in aller Regel durch Arbeitslosenmeldekarte, Bescheinigungen des Arbeitsamtes oder sonstige amtliche Bescheinigungen geführt. Das gilt jedenfalls dann, wenn Versicherte bei einem Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet waren.

Die Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitsuchender ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Es genügt, wenn Versicherte tatsächlich arbeitslos waren. In diesem Fall haben Versicherte über die Arbeitslosigkeit andere geeignete Nachweise (zum Beispiel Antwortschreiben auf Bewerbungen) einzureichen (vergleiche auch GRA zu § 237 SGB VI).

Für die erste Nachkriegszeit (Zeit vom 09.05.1945 bis zur Währungsreform im Juni 1948) sind jedoch an den Nachweis einer Arbeitslosigkeit keine strengen Anforderungen zu stellen. Als Nachweis können - insbesondere für kürzere Zeiten der Arbeitslosigkeit - auch eigene Erklärungen des Versicherten oder Zeugenerklärungen dienen. Die Arbeitslosigkeit in der Nachkriegszeit kann sich unter anderem auch aus den von den Arbeitsämtern ausgestellten Ausweiskarten für die Ausgabe von Lebensmittelkarten ergeben. Weiterer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Arbeitslosigkeit kann die Tatsache sein, dass Versicherte bis zur Währungsreform im Juni 1948 eine Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt bei einem Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet hatten. Aus den von dem Versicherten dargelegten Umständen muss sich allerdings die Arbeitslosigkeit ergeben.

Hinsichtlich der Nachweisführung finden im Übrigen die §§ 20, 21 SGB X Anwendung.

Ausschluss von Ersatzzeiten (Absatz 2)

Nach § 250 Abs. 2 SGB VI sind als Ersatzzeit nicht anzuerkennen die Zeiten,

  • für die eine Nachversicherung durchgeführt oder nur wegen eines fehlenden Antrages der Berechtigten nicht durchgeführt worden ist (vergleiche Abschnitt 11.1),
  • in denen außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet eine Altersrente oder eine andere Leistung bezogen worden ist (vergleiche Abschnitt 11.2) und
  • Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI (Internierung, Verschleppung, Rückkehrverhinderung, Festgehaltenwerden, Gewahrsam), in denen nach dem 31.12.1956 eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit auch aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt worden ist (vergleiche Abschnitt 11.3).

Keine Ersatzzeit bei Nachversicherung (Absatz 2 Nummer 1)

Nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI sind Ersatzzeiten ausgeschlossen für Zeiten,

  • für die tatsächlich eine Nachversicherung durchgeführt worden ist oder
  • für die eine Nachversicherung zwar möglich, aber wegen eines fehlenden Antrags nicht durchgeführt worden ist.

Ist die Nachversicherung tatsächlich durchgeführt worden, ergeben sich die nachversicherten Zeiträume aus der jeweiligen Nachversicherungsbescheinigung.

Wurde eine Nachversicherung nicht durchgeführt, hat der Rentenversicherungsträger zu prüfen, ob eine Nachversicherung möglich ist. Ist dies der Fall ist, sind die Berechtigten aufzufordern, einen Nachversicherungsantrag zu stellen. Gleichzeitig sind sie darauf hinzuweisen, dass entsprechende Zeiten auch dann nicht als Ersatzzeiten berücksichtigt werden können, wenn der Nachversicherungsantrag nicht gestellt wird und dass die entstehende Lücke im Versicherungsverlauf auch nicht durch die Pauschale Anrechnungszeit geschlossen werden kann (vergleiche § 253 Abs. 1 S. 2 SGB VI).

Wird trotz Aufklärung der Nachversicherungsantrag nicht gestellt, sind die Ersatzzeiten, die von einer möglichen Nachversicherung erfasst werden, unter Hinweis auf § 250 Abs. 2 SGB VI abzulehnen. Die Anerkennung der nachversicherungsfähigen Zeiten als Ersatzzeiten ist jedoch dann zulässig, wenn die Versorgungsdienststelle die beantragte Nachversicherung abgelehnt hat.

Nachversicherungen kommen nach folgenden Vorschriften in Betracht:

Diese Vorschriften regeln die fiktive Nachversicherung, bei der Pflichtbeiträge als gezahlt gelten. Einzelheiten hierzu vergleiche GRAen zur fiktiven Nachversicherung beziehungsweise zu § 233a Abs. 1 SGB VI.

Keine Ersatzzeit bei Altersrente im Ausland (Absatz 2 Nummer 2)

Nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI sind mit Wirkung ab 01.07.1993 Ersatzzeiten - unabhängig vom Lebensalter - für Zeiten ausgeschlossen, in denen Versicherte außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet eine Rente wegen Alters oder anstelle einer solchen eine andere Leistung bezogen haben.

Eine ‘Rente wegen Alters’ im vorstehend genannten Sinne liegt vor, wenn die Rente nach den Vorschriften eines ausländischen Staates als ‘Altersrente’ geleistet wird.

Wird an Stelle der eigentlich zustehenden Altersrente eine andere Leistung zum Beispiel deswegen geleistet, weil sie im Zahlbetrag höher ist oder die ausländischen Regelungen eine „Umwandlung“ dieser Leistung in eine Altersrente nicht vorsehen, schließt auch diese Leistung Ersatzzeiten aus.

Auch der Bezug einer Altersrente, die nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes festgestellt worden ist, steht der Anerkennung einer Ersatzzeit entgegen.

Keine Ersatzzeit für bestimmte Ersatzzeittatbestände nach dem 31.12.1956 (Absatz 2 Nummer 3)

Nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI sind mit Wirkung ab 01.07.1993 Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI (Internierung, Verschleppung, Rückkehrverhinderung, Festgehaltenwerden, Gewahrsam) für Zeiten nach dem 31.12.1956 ausgeschlossen, in denen eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist.

Wurde nach dem 31.12.1956 eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt, kommt die Anerkennung von Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI nur dann in Betracht, wenn das Nichtausüben einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit allein auf den Ersatzzeittatbeständen der Internierung, Verschleppung, Rückkehrverhinderung, dem Festgehaltenwerden oder Gewahrsam beruhte beziehungsweise bei Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 und 5 SGB VI seine Ursache in einer an diese als Ersatzzeit berücksichtigten Tatsache anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit hatte.

Ist dagegen aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen schulischer Ausbildung, Kindererziehung, Hausfrauentätigkeit oder Rentenbezugs) eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden, sind Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 SGB VI ausgeschlossen. Für Zeiten nach dem 31.12.1956 besteht die widerlegbare Vermutung, dass auch andere Gründe für die Nichtausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit im jeweiligen Gebiet maßgebend waren.

Wurde eine Beschäftigungszeit im Herkunftsgebiet vor dem 17. Lebensjahr ausgeübt und kann diese nach § 16 FRG in der Fassung ab 01.01.1997 nicht berücksichtigt werden, kann für Zeiten nach dem 31.12.1956 nicht an deren Stelle eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 5 SGB VI berücksichtigt werden. Liegen derartige Zeiten dagegen vor dem 01.01.1957, ist eine zeitgleiche Ersatzzeit zu berücksichtigen.

Beispiel 1: Ersatzzeittatbestand als Ursache der rechtlichen Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung

(Beispiel zu Abschnitt 2.2)

a)

Kriegsdienst vom 28.01.1942 bis 15.10.1944

Versicherungsfall: 25.04.1944

Rentenbezug vom 01.08.1944 bis 31.12.1950

b)

Kriegsdienst vom 28.01.1942 bis 15.10.1944

Anschließende Krankheit vom 16.10.1944 bis 25.05.1945

Versicherungsfall: 10.02.1945

Rentenbezug vom 01.03.1945 bis 31.12.1950

c)

Kriegsdienst vom 28.01.1942 bis 08.05.1945

Pauschale Ersatzzeit: vom 09.05.1945 bis 31.12.1946

Versicherungsfall: 10.08.1945

Rentenbezug vom 01.10.1948 bis 30.09.1950

d)

Kriegsdienst vom 28.01.1942 bis 24.04.1944

Pauschale Ersatzzeit: vom 01.01.1945 bis 31.12.1946

Versicherungsfall: 25.04.1944

Lösung:

a)

Ersatzzeit vom 28.01.1942 bis 15.10.1944

b)

Ersatzzeit vom 28.01.1942 bis 25.05.1945

c)

Ersatzzeit vom 28.01.1942 bis 31.12.1946

In den Fällen a) bis c) steht der Eintritt des Versicherungsfalles beziehungsweise der Rentenbezug der Berücksichtigung der Ersatzzeiten in dem genannten Umfang nicht entgegen; ein Ursachenzusammenhang ist gegeben.

d)

Ersatzzeit vom 28.01.1942 bis 24.04.1944

Im Fall d) ist der Versicherungsfall nicht während des Ersatzzeittatbestandes eingetreten; die pauschale Ersatzzeit kann nur berücksichtigt werden, wenn die Möglichkeit bestand, Pflicht- oder freiwillige Beiträge zur Angestellten- oder zur Arbeiterrentenversicherung zu entrichten.

 

Beispiel 2: Teilrehabilitierung - mehrere Haftzeiträume

(Beispiel zu Abschnitt 8)

a)

Haftzeitraum vom 29.10.1970 bis 08.08.1972 ist gleich 641 Tage

b)

Haftzeitraum vom 27.01.1973 bis 15.12.1973 ist gleich 320 Tage

Rehabilitierte Zeit laut Rehabilitierungsentscheidung: 1 Jahr (360 Tage)

Lösung:

Die rehabilitierte Zeit von 360 Tagen ist im Verhältnis zu den Gesamttagen der Haftzeiträume (961 Tage) auf beide Haftzeiträume aufzuteilen, damit das Rehabilitierungsurteil gleichmäßig auf die gesamten Zeiträume umgesetzt werden kann.

a)

360 Tage geteilt durch 961 Tage mal 641 Tage ist gleich 240 Tage

b)

360 Tage geteilt durch 961 Tage mal 320 Tage ist gleich 120 Tage

Zuordnung der Ersatzzeit:

a)

vom 10.12.1971 bis 08.08.1972

b)

vom 17.08.1973 bis 15.12.1973

 

Beispiel 3: Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 BVFG

(Beispiel zu Abschnitt 9.1)

Ein Versicherter ist in Gleiwitz (früher Oberschlesien) gestorben am 05.09.1975

Aussiedlung der Witwe des Versicherten nach Nürnberg am 01.04.1992

Lösung:

Die Witwe gehört zum Personenkreis im Sinne des § 1 BVFG. Der Tatbestand des Beitragsausfalls in der pauschalen Ersatzzeit 1945/1946 liegt in der Person des Versicherten vor. Dass der Versicherte nicht selbst Vertriebener im Sinne der genannten Vorschriften geworden ist, weil er vor der Aussiedlung gestorben ist, steht der Anerkennung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI nicht entgegen.

Achtes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-ÄndG) vom 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759)

Inkrafttreten: 29.12.2022 (Artikel 34 Abs. 3)

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 20/3900 S. 49, 121

Mit Artikel 22 Nr. 3 des 8. SGB IV-ÄndG wurde das Inkrafttreten der Änderung durch „Artikel 40 Nr. 19 des Gesetzes über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts“ durch Aufnahme in dessen Artikel 90 Abs. 5 vom 01.01.2025 auf den 01.01.2024, dem Außerkrafttreten des BVG, richtiggestellt.

Gesetz über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts vom 20.08.2021 (BGBl. I S. 3932)

Inkrafttreten: 01.01.2025 (Artikel 90 Abs. 1)

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/27523 S. 161, 278

Mit Artikel 40 Nr. 19 des Gesetzes über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts vom 20.08.2021 wurde das fehlerhafte Datum wegen des Außerkrafttretens des Bundesversorgungsgesetzes in § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf den „31.12.2023“ berichtigt. Diese Änderung sollte allerdings fehlerhaft zum 01.01.2025 in Krafttreten.

Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652)

Inkrafttreten: 01.01.2024 (Artikel 60 Abs. 7)

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 19/13824 S. 119, 260

Das Soziale Entschädigungsrecht wurde zum 01.01.2024 in einem eigenen Buch, dem Sozialgesetzbuch - Vierzehntes Buch (SGB XIV) geregelt. Das Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) trat zum 01.01.2024 außer Kraft. Daher wurden mit Artikel 34 Nr. 13 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 der § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI so geändert, dass er fehlerhaft auf das BVG „in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung“ abstellte.

Rü-ErgG vom 24.06.1993 (BGBl. I S. 1038)

Inkrafttreten: 01.07.1993

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/4810

Durch das ‘Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung’ (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz - Rü-ErgG) ist die Möglichkeit der Berücksichtigung von Ersatzzeiten eingeschränkt worden. Absatz 2 ist dahingehend geändert worden, dass

  • die Berücksichtigung von Ersatzzeiten für Zeiten des Bezugs einer Altersrente außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet generell und nicht wie bisher nur von der Vollendung des 65. Lebensjahres an ausgeschlossen ist (Absatz 2 Nummer 2) und
  • die Berücksichtigung von Ersatzzeiten im Sinne des Absatzes 1 Nummern 2, 3 und 5 für Zeiten nach dem 31.12.1956 grundsätzlich nicht in Betracht kommt, es sei denn, die Nichtausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit hatte ihre Ursache ausschließlich in der Internierung, Verschleppung, Rückkehrverhinderung, dem Festgehaltenwerden oder dem Gewahrsam beziehungsweise einer anschließenden Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit (Absatz 2 Nummer 3).
RÜG vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/405

Durch Art. 1 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) wurden

  • in Absatz 1 Nummer 2 die Wörter ‘außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes’ durch die Wörter ‘außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland’ und die Wörter ‘im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs’ durch die Wörter ‘im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland’ ersetzt,
  • in Absatz 1 Nummer 3 die Wörter ‘das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik oder Berlin (Ost)’ durch die Wörter ‘das Beitrittsgebiet’ ersetzt,
  • Absatz 1 Nummer 5 neu gefasst,
  • Absatz 1 Nummer 5a neu eingefügt und
  • in Absatz 2 die Wörter ‘außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs’ durch die Wörter ‘außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet’ ersetzt.
RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

Mit § 250 SGB VI in der Fassung des RRG 1992 wurde die Ersatzzeitenregelung aus den früheren § 28 AVG und § 1251 RVO übernommen, wobei allerdings der Erwerb von Ersatzzeiten für Zeiten nach dem 31.12.1991 ausgeschlossen wurde. In Absatz 2 wurden weitere Ausschlussgründe aufgenommen.

Anlage 1Übersichten zur Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 250 SGB VI