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1 RA 12/58

Aus den Gründen:

Der Versicherte wurde 1883 geboren und ist 1957 gestorben. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Tschechoslowakei im Oktober 1938 mußte er wegen seiner politischen Haltung sein Arbeitsverhältnis aufgeben; Versicherungsbeiträge wurden für ihn bis einschließlich Mai 1940 entrichtet. Er war als Verfolgter im Sinne des § 1 VerfolgtenG anerkannt. Vom 1.7.1950 an bis zu seinem Tode bezog er ein Ruhegeld aus der Rent.Vers. der Angestellten. Bei der Berechnung des Ruhegeldes wurden für die Zeit von Juni 1940 bis Mai 1945 Steigerungsbeträge auf Grund des § 4 Abs. 1 VerfolgtenG gewährt. Der Versicherte erstrebte jedoch darüber hinaus die Anrechnung von Steigerungsbeträgen nach dem VerfolgtenG auch für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Reichs bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahrs, das heißt für die Zeit von Juni 1945 bis März 1948. Er machte geltend, daß er ohne die erzwungene Lösung seines Arbeitsverhältnisses bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres im Dienst geblieben wäre und Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hätte. Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, daß das VerfolgtenG nicht gestatte, Zeiten der Arbeitslosigkeit, die nach dem 8.5.1945 liegen, rentensteigernd anzurechnen; im übrigen sei der Versicherte während dieser Zeit auch nicht arbeitslos gewesen, weil er sich nicht um Arbeit bemüht habe. Seine Witwe, die Klägerin, setzt das Verfahren, das noch von dem Versicherten eingeleitet worden ist, fort.

Das SG. wies die Klage ab, das LSG. bestätigte diese Entscheidung. Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 VerfolgtenG werden Verfolgten des Nationalsozialismus in den Rent.Vers.en für die Zeiten der durch die erzwungene Aufgabe des Arbeitsverhältnisses hervorgerufenen Arbeitslosigkeit Steigerungsbeträge gewährt, wenn die Versicherung vorher bestanden hat. Danach dürfen einem Verfolgten Zeiten einer Arbeitslosigkeit nur dann rentensteigernd angerechnet werden, wenn sie auf der erzwungenen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses beruhen. Es muß also zwischen der Verfolgungsmaßnahme und der Arbeitslosigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. In den Rent.Vers.en ist der ursächliche Zusammenhang zwischen einem bestimmten Ereignis und einer Folge nur ausnahmsweise zu berücksichtigen (vgl. zum Beispiel § 1263a RVO a.F., § 28 AVG n.F.), in der Regel kommt es in diesen Vers.Zweigen nicht auf die Art der Verursachung an. Ist aber - wie im vorliegenden Rechtsstreit - der ursächliche Zusammenhang einmal zu prüfen, so sind dabei, wie das BSG. bereits klargestellt hat, die Grundsätze zu verwerten, die dazu im übrigen Sozialrecht, zum Beispiel in der UV. und der KOV., entwickelt worden sind (BSG., SozR., § 1263 a RVO a.F. Bl. Aa 5 Nr. 5). Nach diesen ist der ursächliche Zusammenhang dann gegeben, wenn das vom Gesetz bestimmte Ereignis die wesentlich mitwirkende Ursache für die tatbestandsmäßige Folge darstellt. Es genügt also nicht, daß das in Betracht kommende Ereignis nur irgendwie den Erfolg ausgelöst hat. Es kommt auf die Wesentlichkeit der Mitverursachung durch einen bestimmten Umstand an; eine nur lose Verbindung des Erfolges mit diesem reicht nicht aus (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 5. Aufl., S. 680b).

Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit und der erzwungenen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses muß während der gesamten Zeit, für die zusätzliche Steigerungsbeträge nach dem VerfolgtenG beansprucht werden, bestanden haben, nicht nur zu Beginn der Arbeitslosigkeit. Vor der Gewährung eines Steigerungsbetrags muß für jeden Monat der Arbeitslosigkeit geprüft werden, ob sie noch auf der politisch bedingten Entlassung beruhte. Einen Endtermin, bis zu dem hin Zeiten der Arbeitslosigkeit als Verfolgungszeiten berücksichtigt werden dürfen, nennt das VerfolgtenG nicht. Für die politischen Emigranten hat der Gesetzgeber später einen Tag (31.12.1949) bestimmt, von dessen Ablauf an die Zeiten eines weiteren Auslandsaufenthalts nicht mehr als Ersatzzeiten nach dem VerfolgenG anzurechnen sind (vgl. § 17 Abs. 5 FremdRG, § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG n.F.). Dieser Stichtag bezieht sich nach dem Wortlaut der erwähnten Vorschriften eindeutig auf den durch nationalsozialistische Maßnahmen herbeigeführten Aufenthalt im Ausland und nicht, wie die Klägerin annimmt, auch auf Zeiten der erzwungenen Arbeitslosigkeit (vgl. Kommentar des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger zum 4. und 5. Buch der RVO, 6. Aufl., § 1251 Anm. 19). Diese enden einmal mit dem Wegfall der Arbeitslosigkeit als solcher und zum anderen - beim Weiterbestehen der Arbeitslosigkeit- auch mit dem Verlust des Zusammenhangs zwischen der Arbeitslosigkeit und der Verfolgungsmaßnahme. Die Arbeitslosigkeit beruht im letzteren Fall nicht mehr auf der erzwungenen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses. Die Lösung der Arbeitslosigkeit von ihrer ursprünglichen Ursache vollzog sich bei Verfolgten in der Regel mit dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft. Nach dieser Zeit war eine frühere Entlassung aus politischen Gründen nicht mehr bestimmend für eine etwa fortbestehende Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit eines Verfolgten hatte nunmehr nicht länger ihre wesentliche Ursache in den früheren Gründen; sie beruhte, wenn sie überhaupt noch vorlag, wenn also Arbeitswille und Arbeitsfähigkeit tatsächlich vorhanden waren, auf anderen - vielleicht wirtschaftlichen - Gründen oder auf den besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit, von denen Verfolgte und Nichtverfolgte in gleicher Weise betroffen wurden. Die Verfolgten wurden bevorzugt eingestellt und in Arbeitsverhältnisse vermittelt; eine Berücksichtigung der früheren Entlassung zuungunsten des Stellenbewerbers war schlechthin undenkbar. Die Tatsache, daß die Arbeitslosigkeit einmal durch eine Verfolgungsmaßnahme ausgelöst worden war, wirkte neben den neuen Ursachen nur noch unwesentlich weiter und reicht nicht aus, um im Sinn des Sozialrechts einen ursächlichen Zusammenhang zwischen bei den für die Zeit nach Mai 1945 zu bejahen. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben es deshalb mit Recht abgelehnt, Steigerungsbeträge nach § 4 Abs. 1 VerfolgtenG für die später liegenden Zeiten anzurechnen (im Ergebnis ebenso: Pauli, Die Angestelltenversicherung 1956 S. 194).

Dieses Ergebnis widerspricht nicht - wie die Revision annimmt - de Grundsätzen des allgemeinen Entschädigungsrechts. Die Prinzipien dieses Rechtsgebiets müssen auch nach der Ansicht des erkennenden Senats bei der Anwendung des VerfolgtenG berücksichtigt werden (vergl. BSG. 10 S. 113 Im Entschädigungsrecht wird gleichfalls fortlaufend ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verfolgungsmaßnahme und dem Verfolgungsschaden verlangt (Blessin-Wilden, Bundesentschädigungsgesetz § 1 Anm. 3). Bei Schäden aus einer Berufsverdrängung wird dieser Zusammenhang verneint, wenn trotz des Wegfalls der ursprünglichen Behinderung keine Tätigkeit aufgenommen wird (OLG. Hamburg, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1956 S. 261).

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