B 5 R 14/08 R
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger bewilligten Regelaltersrente (RAR); die Beklagte wendet sich gegen die Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit vom Januar 1947 bis Dezember 1949.
Der am 1918 in P., Kreis Lemberg (damals Polen) geborene Kläger ist als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt und hat Entschädigungsleistungen wegen Freiheitsschadens für die Zeit vom 18.11.1939 bis 18.1.1945 erhalten. Er lebt jetzt in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Zu Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung wohnte er in seinem Geburtsort. Als der Krieg ausbrach, befand er sich auf einer Geschäftsreise nach Krakau und blieb deshalb an diesem Ort. Bis März 1943 war er im dortigen Ghetto inhaftiert; es folgten Aufenthalte in mehreren Arbeitslagern im sog Generalgouvernement, bis er im Januar 1945 durch die russische Armee befreit wurde. In der Hoffnung noch Familienangehörige zu finden, reiste er anschließend nach Krakau, Sosnowicz und seinen Geburtsort, um erfahren zu müssen, dass Eltern, Schwester und Brüder ums Leben gekommen waren. Er verließ dann mit einer Gruppe Jugendlicher Polen und gelangte über mehrere Zwischenstationen außerhalb Deutschlands im Dezember 1946 nach Palästina.
Einem ersten Antrag auf Zahlung von Altersrente wurde nicht entsprochen, weil der Kläger keine Beitragszeiten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt hatte (Bescheid vom März 1993). Auch den damals gestellten Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom November 1992 ab. Sie erkannte aber Beschäftigungszeiten nach § 16 Fremdrentengesetz (FRG) vom 14.7.1934 bis 31.12.1935 sowie eine Ersatzzeit von Oktober 1939 bis Dezember 1946 an.
Im Rahmen des erneuten Antrags auf Zahlung einer Altersrente erkannte die Beklagte nach zunächst ablehnendem Bescheid vom 24.9.1997 und Widerspruchsbescheid vom 3.2.1998 im anschließenden Klageverfahren mit Bescheid vom 9.5.2003 einen Anspruch des Klägers auf Altersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ab dem 1.1.1997 an. Sie berücksichtigte hierbei ua Pflichtbeitragszeiten vom 1.3.1941 bis zum 15.3.1943 sowie eine anschließende Ersatzzeit in der Form der Verfolgungszeit iS von § 15 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bis zum 31.12.1946. Der Kläger hat die Klage aufrechterhalten, weil weitere Verfolgungszeiten vom 1.1.1947 bis 31.12.1949 zu berücksichtigen seien. Die Zeit der Auswanderung sei auf Verfolgungsereignisse zurückzuführen.
Durch Urteil vom 21.1.2004 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers war erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 9.5.2003 verurteilt, die Zeit vom 1.1.1947 bis 31.12.1949 bei der Berechnung der Altersrente des Klägers als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen.
Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe um die Jahreswende 1946/1947 seinen Wohnsitz in Israel und damit im Ausland begründet und diesen Wohnsitz über den 31.12.1949 beibehalten. Die Wohnsitznahme bzw der Auslandsaufenthalt des Klägers in Israel sei durch Verfolgungsmaßnahmen verursacht. Die auch gegen den Kläger gerichteten nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen, die ihn in verschiedene Ghettos und Lager im Generalgouvernement gebracht hätten, seien die wesentliche Ursache für die Auswanderung bzw den Auslandsaufenthalt. Der Kläger sei in diesen Lagern und Orten von der Familie getrennt inhaftiert gewesen und schließlich in Sulejow befreit worden. Das im Distrikt Radom gelegene Sulejow sei weit vom Geburtsort bzw seiner Heimatstadt P. entfernt. Ganz abgesehen von der räumlichen Entfernung erscheine nachvollziehbar, dass die Suche nach Angehörigen nach der Odyssee, die der Kläger und möglicherweise auch die Angehörigen durchgemacht hätten, eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch genommen habe. Daher sei verständlich, dass sich der Kläger erst nach der erfolglosen Suche und nach Vergewisserung über das Schicksal seiner Angehörigen zur Auswanderung entschlossen habe. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, dass nicht der Umstand der Suche nach den Angehörigen die wesentliche Ursache für den Entschluss zur Auswanderung gewesen sei, sondern die Aus- und Nachwirkungen der Verfolgung. Mit der Verfolgteneigenschaft und der Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten sei bereits ein Tatbestand erfüllt, der eine anschließende Anerkennung einer Ersatzzeit ermögliche. Der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto impliziere nach der Regelung des ZRBG, dass sich der Verfolgte in einem Gebiet befunden habe, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert gewesen sei. § 2 Abs. 1 ZRBG unterstelle für Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto, die nach § 1 ZRBG zu berücksichtigen seien, eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Für die Berechnung der Rente gälten diese Zeiten als Reichsgebietsbeitragszeiten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt worden seien. Damit diese Rente ins Ausland gezahlt werden könne, werde bei der Ermittlung der "Auslandsrente" nach §§ 110 ff SGB VI unterstellt, dass die Ghetto-Beitragszeiten als Bundesgebiets-Beitragszeiten gelten. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen und im Hinblick darauf, dass die Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI die Anrechnung von Ersatzzeiten allein auf Grund der Tatsache vorsehe, dass der Kläger sich infolge von Verfolgungsmaßnahmen im Ausland aufgehalten habe, könne es auf den Aufenthaltsort des Versicherten zur Erfüllung des Ersatzzeittatbestandes nicht entscheidend ankommen, zumal der Bezug zur deutschen Rentenversicherung durch das ZRBG hergestellt sei.
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung von § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI. Das Gesetz knüpfe die Zuerkennung einer Ersatzzeit bei einem Aufenthalt in den eingegliederten Ostgebieten an ein Verlassen dieses Gebiets bis zum angegebenen Stichtag. Die Stichtagsregelung 30.6.1945 stelle auf den dem früheren Fremdrentenrecht entliehenen Zeitpunkt der innerdeutschen Rechtsspaltung ab und bedeute keinesfalls, dass sämtliche Gebiete, in denen die Reichsversicherungsgesetze gegolten hätten, bis zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt als Inland iS des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI angesehen werden könnten. Die Stichtagsregelung beschreibe lediglich die räumliche Veränderung vom Deutschen Reich zur heutigen Bundesrepublik Deutschland, ohne eigenständige Ersatzzeittatbestände regeln zu wollen. Verlasse ein Verfolgter die eingegliederten Ostgebiete bis zum 8.5.1945, sei der Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI erfüllt, wenn dies infolge von Verfolgungsmaßnahmen geschehe. Bei einer Auswanderung nach dem 8.5.1945 komme dagegen die Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit nur noch in Betracht, wenn Deutschland in den Grenzen verlassen werde, für die nun noch Reichsgesetze gegolten hätten. Auf diesen jeweiligen Geltungsbereich der Reichsgesetze hätte nicht abgestellt werden müssen, wenn auch nach dem 8.5.1945 ein Verlassen aus einem Gebiet ausreichen würde, in dem "nur" bis zum 8.5.1945 die Reichsgesetze Geltung beansprucht hätten oder auf das sich der Herrschaftsbereich des Deutschen Reiches erstreckt habe. Mit dem Tag der Kapitulation, dem 8.5.1945 sei formal die Geltung der Reichsgesetze in den außerhalb der heutigen Bundesrepublik Deutschland liegenden ehemaligen deutschen Gebieten (Pommern, Schlesien, Ostpreußen) und in den eingegliederten Gebieten (ua Ostoberschlesien, Warthegau) weggefallen. Bezogen auf die Erfordernisse des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI habe dies zur Folge, dass diese Gebiete mit dem Ausscheiden aus dem deutschen Staatsverbund ab dem 9.5.1945 (wieder) Ausland geworden seien. Folglich könnten aus diesen Gebieten nur Auswanderungen bis zum 8.5.1945 "Inlandsauswanderungen" sein. Bei späteren Auswanderungen (auch bis zum 30.6.1945 und danach) hätten die Reichsversicherungsgesetze in den oben genannten ehemaligen deutschen Gebieten und den zeitweise eingegliederten Gebieten nicht mehr gegolten. Der für die Norm erforderliche Auslandsaufenthalt liege nur vor, wenn ein Versicherter vom "Inland" in das "Ausland" gegangen sei.
Der Kläger sei vor Kriegsbeginn in Polen beheimatet gewesen. Es treffe zwar zu, dass mit der Verfolgteneigenschaft ein notwendiges Tatbestandsmerkmal für die Anerkennung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt sei. Es müssten aber weitere Voraussetzungen vorliegen, wie etwa bei Nr. 4 Buchst b die Auswanderung. Das Vorliegen von Beitragszeiten nach dem ZRBG ersetze nicht das Tatbestandsmerkmal eines Verlassens Deutschlands. Impliziert sei mit der Anerkennung nach dem ZRBG lediglich die Verfolgteneigenschaft. Dem Kläger fehle es an einer Ausreise aus dem Inland als notwendiger Voraussetzung für die Anrechnung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI.
Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 2004 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
- die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit vom 1.1.1947 bis 31.12.1949 bei der Berechnung seiner RAR zu Recht bestätigt.
Anspruchsgrundlage ist § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI, wonach Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1.1.1992 sind, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr infolge Verfolgungsmaßnahmen bis zum 30.6.1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30.6.1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31.12.1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (gleichzeitig Verfolgungszeit iS von § 15 WGSVG).
Der Kläger erfüllt zunächst die allgemeinen Voraussetzungen, die bei allen Ersatzzeittatbeständen des § 250 SGB VI gegeben sein müssen. Die von ihm geltend gemachte Ersatzzeit betrifft eine Zeit nach der Vollendung seines 14. Lebensjahres und liegt vor dem 1.1.1992. Während des streitigen Zeitraums hat keine Versicherungspflicht bestanden.
Der Kläger ist auch Versicherter iS des § 250 SGB VI. Auf seinem Rentenkonto sind Beitragszeiten für die Zeiträume vom 14.7.1934 bis zum 31.12.1935 bzw vom 1.3.1941 bis zum 15.3.1943 zu berücksichtigen. Die Erfüllung der Voraussetzung "Versicherter" nach § 250 SGB VI erfordert zumindest einen wirksamen Beitrag (Pflichtbeitrag oder freiwilligen Beitrag) zur Rentenversicherung; versichert ist auch die Person, zu deren Gunsten Beiträge als gezahlt gelten (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr. 1, Stand IV/2009; Krauß in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Rentenversicherungsrecht, 1999, § 56 RdNr. 23). Der Kläger hat zwar tatsächlich weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet; doch werden für ihn als Berechtigten nach § 20 WGSVG seine polnischen Beschäftigungszeiten nach §§ 17a, 16 FRG den in der deutschen Rentenversicherung nach den damaligen Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Zeiten gleichgestellt. Die anerkannte Arbeitszeit im Ghetto gilt kraft gesetzlicher Fiktion nach § 2 Abs. 1 ZRBG ebenfalls als Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung. Ebenso wie bei den im Rahmen des FRG gleichgestellten Beiträgen ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten. Hätte die Beitragsfiktion für die Berücksichtigung von Ersatzzeiten andere Folgen haben sollen als eine tatsächliche Beitragszahlung, hätte das ZRBG eine entsprechende Klarstellung enthalten müssen.
Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen des Ersatzzeittatbestandes des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI. Er ist Verfolgter iS des § 1 BEG und er hat infolge von Verfolgungsmaßnahmen seinen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze beibehalten.
Sieht man zunächst von Kausalitätsüberlegungen ab, erfasst der "äußere" Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI alle Verfolgten, die den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze verlassen haben oder ihm ferngeblieben sind. Eine bestimmte rechtliche Qualität des "Aufenthalts" im Ausland setzt die Vorschrift nicht voraus, ohne dass es der Klärung bedarf, ob schon der Wortlaut des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI wegen Fehlens des in § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verwendeten Adjektivs "gewöhnlich" als Andeutung in dieser Richtung zu verstehen ist. Der Betroffene darf sich während der geltend gemachten Ersatzzeit nur nicht in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze begeben haben, denn es geht um die Erfassung derjenigen Personen, die aus territorialen Gründen aus der deutschen Rentenversicherung ausgeschlossen waren (heutige Parallele: § 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) und infolgedessen keine Beitragszeiten zurücklegen konnten. Hierfür sind Qualität und nähere Umstände des Auslandsaufenthalts irrelevant. Lediglich wenn der Verfolgte sich während der geltend gemachten Ersatzzeit in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze begeben haben sollte, könnte es darauf ankommen, ob es sich um einen "Aufenthalt" iS von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I handelt, der die Ersatzzeit ausschließt oder unterbricht, oder etwa um eine Besuchsreise, die am rentenversicherungsrechtlichen Status nichts ändert. Da sich der Kläger während der geltend gemachten Zeit dem Territorium ferngehalten hat, in dem die Reichsversicherungsgesetze galten, braucht über die damit zusammenhängenden Fragen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden.
Der Beklagten ist einzuräumen, dass der im aufgezeigten Sinne "äußere" Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI nicht nur das Verlassen des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze bzw das Fernbleiben von diesem voraussetzt. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal enthält die genannte Vorschrift die Voraussetzung, dass sich der Verfolgte vor der geltend gemachten Ersatzzeit in einem Territorium aufgehalten haben muss, in dem zum fraglichen Zeitpunkt die Reichsversicherungsgesetze gegolten haben. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal entnimmt der Senat bei der Alternative der "Aufenthaltnahme" dem Wortsinn des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI; denn einen Aufenthalt in Gebieten "außerhalb … genommen … haben" kann nur jemand, der sich bis dahin innerhalb der fraglichen Gebiete befand, sodass es sich um Personen handeln muss, die sich vor der geltend gemachten Ersatzzeit im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze aufgehalten haben. Dabei ist vor allem an Verfolgte zu denken, die beispielsweise vor der Verfolgung Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung erworben haben und durch die Verfolgung veranlasst wurden, sich ins Ausland zu begeben und dadurch am Erwerb weiterer Versicherungszeiten gehindert waren. Solche "tatsächlich" Versicherten haben ein vom Gesetz unterstelltes rentenversicherungsrechtlich begründetes Interesse daran, in den Geltungsbereich der deutschen Rentenversicherung zurückzukehren, um durch den Erwerb weiterer deutscher Versicherungszeiten die bereits erworbene Anwartschaft nicht zu verlieren bzw die einmal erworbene Anwartschaft auszubauen.
Indem die Vorschrift eine vorherige Versicherung weder sinngemäß noch ausdrücklich voraussetzt, schließt der Wortlaut auch solche Verfolgten nicht aus, die zunächst durch die Verfolgung daran gehindert wurden, deutsche Versicherungszeiten zu erwerben (was regelmäßig nur innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze möglich gewesen wäre) und die ihren Aufenthalt schließlich außerhalb des Geltungsbereichs verlegt haben. Mit Rücksicht auf den Entschädigungsgedanken werden diese "verhinderten" Versicherten den tatsächlich Versicherten gleichgestellt. Bei diesen Personen unterstellt das Gesetz, sie hätten ohne die Verfolgung deutsche Versicherungszeiten zurückgelegt und seien deshalb ähnlich wie die tatsächlich Versicherten entgegen ihrem unterstellten "Rückkehrinteresse" am Aufbau einer Altersversorgung in der deutschen Rentenversicherung gehindert worden. Dass die rentenversicherungsrechtlichen Regelungen über die Ersatzzeit von Verfolgten durch den Entschädigungsgedanken geprägt sind, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte: § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI und sein Vorläufer, § 1251 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO), gehen auf § 3 Abs. 1 Verfolgtengesetz vom 22.8.1949 (WiGBl 1949, 263) zurück, was sie als Teil des Entschädigungsrechts qualifiziert (vgl BT-Drucks II/2437 S 71 zu § 1256; BT-Drucks VI/715 S 8 unter Nr. 1, S 12 unter Buchst b Nr. 2; BT-Drucks 11/4124 S 200 zu § 245).
Für diese Betrachtungsweise spricht auch der Zweck der Vorschrift. Ersatzzeiten gemäß § 250 SGB VI sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass auf Grund des jeweiligen Ersatzzeitgeschehens (weitere) rentenrechtliche Beitragszeiten nicht zurückgelegt werden konnten. Die Anerkennung einer Ersatzzeit nach der hier erörterten Regelung setzt deshalb voraus, dass eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung wegen des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts unterblieben und durch eine Ersatzzeit zu kompensieren ist. Diese Kompensation kann sich mithin grundsätzlich nur auf solche Zeiten beziehen, in denen ohne das Ersatzzeitgeschehen die (generelle) Annahme gerechtfertigt erscheint, es wären auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 250 RdNr. 2, Stand IV/2009; vgl auch BSGE 91, 198 = SozR 4-2200 § 1251 Nr. 1, RdNr. 14 f - noch zur bis zum 31.12.1991 geltenden Vorschrift des § 1251 RVO). Für eine derartige Annahme besteht im vorliegenden Zusammenhang zwar eigentlich nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn der Verfolgte vor der geltend gemachten Zeit als "tatsächlich Versicherter" einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung geschaffen hatte. Beruht dessen Fehlen jedoch seinerseits auf demselben Grund wie der Ersatzzeittatbestand - hier: die Verfolgung - beispielsweise, weil der Verfolgte innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze keine Arbeit aufnehmen durfte, kann ausgerechnet daran die Anerkennung der Ersatzzeit nicht scheitern. Ein vergleichbarer Rechtsgedanke hat die Rechtsprechung dazu bewogen, Ersatzzeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn eine Beitragszahlung unter keinen Umständen in Betracht kam, wenn jedoch deren Unmöglichkeit gerade durch den Ersatzzeittatbestand - dort: Kriegsdienst - hervorgerufen worden war (BSGE 49, 236, 239 = SozR 2200 § 1251 Nr. 74 S 190; Fichte, aaO, K § 250 RdNr. 15 mwN, Stand IV/2009).
Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des vorherigen Aufenthalts innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze muss für die hier gegebene Alternative des "Beibehaltens" ebenfalls gelten. Denn diese Alternative will trotz des weiten Wortlauts nicht auch solche Verfolgten begünstigen, die weder Versicherungszeiten zurückgelegt noch sich jemals im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze aufgehalten haben, die also vor der geltend gemachten Ersatzzeit noch nicht einmal hypothetisch an der Versicherung verhindert waren. Dementsprechend erfasst der "äußere" Tatbestand des Beibehaltens nur tatsächlich versicherte Verfolgte, die sich - beispielsweise vor 1933 und somit verfolgungsunabhängig - ins Ausland begeben haben und danach nicht mehr zurückgekehrt sind. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang bzw im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Zweck der Vorschrift. Zunächst ist kein Grund ersichtlich, warum in der zweiten Alternative des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI auf den in der ersten Alternative zumindest als hypothetisch vorausgesetzten Bezug des begünstigten Personenkreises zur deutschen Rentenversicherung verzichtet worden sein sollte. Eine entsprechende gesetzgeberische Absicht kann bei identischer Formulierung der beiden Alternativen nicht angenommen werden. Außerdem steht der Zweck der Vorschrift einer Auslegung entgegen, die auch bei denjenigen Verfolgten ein Interesse am Auf- oder Ausbau einer deutschen Altersversorgung unterstellt, die mit der deutschen Rentenversicherung noch nicht einmal in der Form der verfolgungsbedingten Verhinderung in Berührung gekommen sind - wie etwa ein Hinterbliebener eines Verfolgten (vgl § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEG) , der vor den heranrückenden deutschen Truppen in den Osten der Sowjetunion ausweicht und später nach Israel auswandert, ohne vor Ende 1949 deutsches Territorium berührt zu haben. Bei dem hier in Rede stehenden Personenkreis, der dem Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze durchgehend ferngeblieben ist, kann schon nach der äußeren Situation nicht davon gesprochen werden, er sei durch die Verfolgung am Erwerb deutscher Versicherungszeiten gehindert gewesen. Somit werden auch in der Alternative des "beibehaltenen" Aufenthalts nur solche Personen erfasst, die - mit Blick auf die Rentenversicherung - Anlass hatten, eine Verlegung ihres Aufenthalts im Sinne der "Rückkehr" in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze überhaupt in Erwägung zu ziehen, weil sie sich vor dem als Ersatzzeit in Betracht zu ziehenden Aufenthalt innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze befunden und Beitragszeiten zurückgelegt hatten (in dieser Richtung schon BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 51 S 128).
Allerdings setzt das bezeichnete ungeschriebene Tatbestandsmerkmal nicht in allen Fällen einen Aufenthalt im territorialen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze voraus. Vielmehr kommt es darauf für diejenigen Personen nicht an, die wie der Kläger auf Grund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, denn dabei handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der oben angestellten Überlegungen. Wie bereits ausgeführt, ist der Kläger in Bezug auf die nach dem FRG und dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben (vgl auch BSG SozR 4-2200 § 1251 Nr. 1 RdNr. 9, 18).
Der Einbeziehung aller tatsächlich - also auch der fiktiv - Versicherten steht nicht entgegen, dass der vor allem für die Dauer der nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI anzuerkennenden Ersatzzeit maßgebliche Gedanke der Überlegungsfrist in diesen Fällen nicht greifen kann, da die Möglichkeit einer Beitragsfiktion erst nachträglich, weit nach Ende der längstens bis zum 31.12.1949 zulässigen Ersatzzeit eröffnet worden ist. Der Verfolgte konnte seinerzeit tatsächlich nicht "überlegen", ob er mit Rücksicht auf die Verfolgung den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze meiden oder dorthin "zurückkehren" sollte, um eine erworbene Rentenanwartschaft nicht zu verlieren bzw weiter auszubauen. Nachdem § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI in keinem Fall den Nachweis einer konkret angestellten gedanklichen Abwägung zwischen Bleiben im Ausland und Rückkehr ins Inland verlangt, gibt es aber keine Rechtfertigung dafür, den vom ZRBG gerade aus Gleichstellungsgründen begünstigten und deshalb fiktiv in die Rentenversicherung einbezogenen Personenkreis anders zu behandeln als diejenigen Verfolgten, die tatsächlich Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen entrichtet haben.
Offenbar möchte die Beklagte das dargestellte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Berührung mit den Reichsversicherungsgesetzen enger, nämlich im Sinne einer Beschränkung auf Verfolgte verstehen, die sich früher im Gebiet der (späteren) Bundesrepublik befunden oder nach dem Ende der Verfolgung dieses Gebiet berührt haben. Diese Beschränkung lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren, der nur auf das Verlassen bzw Fernbleiben von einem bestimmten Territorium abstellt; überdies wäre es schwer zu rechtfertigen, nur denjenigen Verfolgten eine Verfolgungsersatzzeit zugute kommen zu lassen, die das Kriegsende im "Kerngebiet" des Deutschen Reichs erlebt haben (vgl auch BSG SozR 4-2600 § 250 Nr. 2 RdNr. 19). Etwas anderes ist auch nicht aus dem in § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI festgelegten Stichtag des 30.6.1945 abzuleiten. Dieser bezeichnet lediglich das Datum, bis zu dem die territorialen Veränderungen des Deutschen Reichs für die Beurteilung eine Rolle spielen, ob der Verfolgte seinen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze genommen bzw beibehalten hat; weitergehende Schlüsse sind daraus nicht zu ziehen. Das Ergebnis des erkennenden Senats wird durch die Überlegungen des 13. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 29.3.2006 bestätigt. Danach wird die Berücksichtigung von Verfolgungsersatzzeiten durch den Umstand nicht ausgeschlossen, dass ein Verfolgter - außer während der Verfolgungszeit - zu keinem weiteren Zeitpunkt einen Bezug zur deutschen Rentenversicherung aufweist. Grundsätzlich seien auch diejenigen Versicherten vom Anwendungs- und Schutzbereich der genannten Norm erfasst, die erst durch Eingliederung ihrer Heimatgebiete ins Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gelangt und hieraus nach Rückgängigmachung der Eingliederung wieder ausgeschieden seien; einmal eingegliedert in den Bereich des deutschen Rentenversicherungsrechts könne ihnen ein Schaden in der deutschen Rentenversicherung entstanden sein (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr. 2 RdNr. 16, 18). Zwar betrifft die Entscheidung des 13. Senats eine Verfolgte, die über die "Zwischenstation" des deutschen Staatsgebiets aus einem (ehemals) eingegliederten Gebiet (Lodz) nach Israel ausgewandert war; die Ausführungen zeigen aber jedenfalls durch die Bezugnahme auf eine weitere Entscheidung (BSG SozR 4-2200 § 1251 Nr. 1) , dass der 13. Senat die Zwischenstation in Deutschland nicht als wesentlich angesehen hat und ausschließlich diejenigen Verfolgten anders beurteilt, die "nur die reine 'Möglichkeit' einer Auswanderung nach Deutschland für sich in Anspruch nehmen" (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr. 2 RdNr. 18). Das hierfür benannte Urteil hat die Ablehnung einer Ersatzzeit für eine Verfolgte bestätigt, die über keinerlei Bezug zur deutschen Rentenversicherung verfügte und an dessen Begründung auch nicht im obigen Sinne "verhindert" worden war. Denn sie war aus Angst vor der Verfolgung aus Polen in das Innere der damaligen Sowjetunion geflüchtet und 1948 nach Israel ausgewandert, nachdem sie ab 1946 in Deutschland Beitragszeiten zurückgelegt hatte (BSG vom 8.9.2005 - B 13 RJ 20/05 R).
Im Ergebnis muss es infolgedessen dabei bleiben, dass der Verfolgte den äußeren Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI ohne Veränderung des eigenen Aufenthaltsorts dadurch erfüllen kann, dass die Reichsversicherungsgesetze außer Kraft getreten sind, nachdem sich das Herrschaftsgebiet des Deutschen Reichs verkleinert hat (vgl bereits BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 51 S 128).
Entgegen der möglichen Annahme der Beklagten (ähnlich auch Joswig, AmtlMittLVA Rheinpr 2002, 32 f) endet der Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nicht ohne nähere Prüfung zwangsläufig dann, wenn der Verfolgte in sein Herkunftsgebiet im Ausland zurückkehrt. Ebenso ist es für den äußeren Tatbestand unschädlich, wenn der Verfolgte den Aufenthaltsort außerhalb des Geltungsbereichs wechselt. Beide Einschränkungen finden im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze; danach ist allein entscheidend, dass sich der Verfolgte dem Inland fernhält. Auch setzt die Vorschrift nicht voraus, dass vor jedem Wechsel des Aufenthaltsorts wiederum ein Bezug zur deutschen Rentenversicherung hergestellt worden sein muss, um den vermuteten Rückkehrwillen zu "aktualisieren". Der Verfolgte, der aus Furcht vor Verfolgung an seinem Aufenthaltsort bleibt, kann nicht anders behandelt werden, als derjenige, der aus derselben Furcht einen anderen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs wählt. Dass die aufgezeigten Situationen - also vor allem jeder Wechsel des Aufenthaltsorts - Anlass zur Prüfung geben mögen, ob die Verfolgung weiterhin als Motiv für den Wahl des Aufenthaltsorts anzuerkennen ist, betrifft ausschließlich die Frage der Kausalität; eine rechtliche Bedeutung für das "äußere" Merkmal des Aufenthalts haben die genannten Sachverhalte jedoch nicht.
Der Kläger erfüllt die "äußeren" Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI. Im Anschluss an die (fiktive) Beitragszeit aufgrund des ZRBG bis zum März 1943 befand er sich nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Feststellungen des LSG weiterhin im so genannten Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete, in dem die Reichsversicherungsgesetze nicht gegolten haben (hierzu im Einzelnen BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17 S 67 f mwN; vgl auch Joswig, NJOZ 2008, 3626). Auch nach seiner Befreiung im Januar 1945 hat der Kläger den Aufenthalt außerhalb des territorialen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze beibehalten, denn er war zunächst in Krakau, Sosnowicz und an seinem Geburtsort P. sowie anschließend in Prag, Wien, Italien, Zypern und schließlich ab Dezember 1946 in Palästina (Israel).
Der ununterbrochene Aufenthalt des Klägers außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze war jedenfalls mittelbar durch die Verfolgung verursacht. Die diesbezügliche Feststellung des LSG hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das LSG ist bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs zutreffend davon ausgegangen, dass über das Kriegsende hinaus fortdauernde oder später eingetretene Nachwirkungen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen erst in der Nachkriegszeit Anlass gegeben haben können, den "Geltungsbereich" zu verlassen bzw ihm fernzubleiben. Nach der Rechtsprechung des BSG ist der Kausalzusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahmen und Auslandsaufenthalt für eine Zeit, in der in Deutschland keine nationalsozialistische Verfolgung mehr stattfinden konnte, jedoch nicht regelmäßig zu unterstellen (wie etwa bei einem Auslandsaufenthalt zwischen 1933 und Kriegsende), sondern bedarf einer Überprüfung im Einzelfall nach den Kriterien der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Für die Bejahung der Kausalität müssen objektive Umstände vorliegen, welche die Wahl des Aufenthaltsorts außerhalb Deutschlands aus Verfolgungsgründen maßgeblich bestimmen; dabei spielt der zeitliche Zusammenhang als Indiz für den ursächlichen Zusammenhang insofern eine Rolle, als um so deutlichere Anhaltspunkte zu fordern sind, je länger das Kriegsende zurückliegt (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 106 S 298 f; BSG vom 17.12.1986 - 11a RA 44/85 - Juris RdNr. 11).
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass ein Aufenthalt in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach den Grenzen vom 30.6.1945, der anfangs verfolgungsbedingt iS von § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b SGB VI war, nicht zwangsläufig verfolgungsbedingt bleiben muss. Seiner gegenteiligen Aussage zu diesem Punkt im Urteil vom 13.9.1978 (5 RJ 86/77 - SozR 2200 § 1251 Nr. 51 S 128) misst der Senat für den inzwischen geänderten Gesetzeswortlaut keine rechtliche Bedeutung mehr bei, sodass der Frage ihrer damaligen Berechtigung nicht weiter nachgegangen zu werden braucht. Allein die Rückkehr des Verfolgten an seinen Wohnort vor dem Krieg genügt jedoch nicht für den Schluss, dass die Verfolgung für das weitere Verbleiben im Ausland unmaßgeblich geworden sei. Ebenso wenig wie ein vorübergehender Aufenthalt in Deutschland der Berücksichtigung einer weiteren Verfolgungsersatzzeit entgegensteht, wenn Deutschland nur "Zwischenstation" einer weiteren Auswanderung ist (BSG SozR 4-2600 § 250 Nr. 2 RdNr. 19) , steht ihr der Aufenthalt am Herkunftsort entgegen, wenn er sich als eine solche "Zwischenstation" darstellt. Vielmehr kommt eine Unterbrechung des Verfolgungszusammenhangs nur in Betracht, wenn der Aufenthalt am Herkunftsort mit dem Ziel erfolgt, diesen (wieder) frei vom Druck der Verfolgung oder ihrer Nachwirkungen zum Mittelpunkt der zukünftigen Lebensverhältnisse zu machen (vgl BGH RzW 1962, 67, 68; RzW 1964, 226, 227 - jeweils zum Begriff der Auswanderung iS des BEG). Die damit aufgeworfene Frage hat ein zeitliches Moment und kann sich nicht nur bei einem Aufenthalt am Herkunftsort stellen: Je länger sich der versicherte Verfolgte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft an einem (beliebigen) Ort im Ausland aufhält, desto eher kommt eine Unterbrechung des Verfolgungszusammenhangs in Betracht. Dazu müssen äußere Umstände treten wie die nicht nur vorübergehende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die Gründung einer Familie oder der Grunderwerb, um dem Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller im Einzelfall festzustellenden (Gesamt-)Umstände die Schlussfolgerung zu erlauben, dass mehr Gesichtspunkte für als gegen die Begründung eines Lebensmittelpunkts und eine dauerhafte Eingliederung in das gesellschaftliche und soziale Leben der früheren bzw einer neuen Heimat sprechen . Nur dann ist es gerechtfertigt, von der im Gesetz auf den 31.12.1949 festgelegten zeitlichen Obergrenze abzugehen und eine kürzere Ersatzzeit zugrunde zu legen.
Nach den Feststellungen des LSG war das vorübergehende Verbleiben des Klägers in seinem Herkunftsgebiet von den Nachwirkungen der nationalsozialistischen Verfolgung geprägt, denn der weitere Aufenthalt in Krakau, Sosnowicz und P. diente der Klärung des Schicksals von Familienangehörigen. Erst im Anschluss an die erfolglose Suche nach seinen Angehörigen hat sich der Kläger zur Ausreise nach Israel entschlossen. Hierdurch wird der erforderliche Kausalzusammenhang - wie das LSG zu Recht annimmt - mit den Verfolgungsmaßnahmen nicht unterbrochen. Objektive Umstände, die für eine andere Motivation des Klägers sprechen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich.
Schließlich braucht - entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung - der Kausalzusammenhang nicht mithilfe eines konkreten Schadens in der Rentenversicherung belegt zu werden. Bereits in der älteren Rechtsprechung zu Zeiten der Freiheitsentziehung nach § 43 BEG hat das BSG darauf hingewiesen, in der Anknüpfung an die Tatsache der Freiheitsentziehung liege ein unwiderlegbares Indiz für denjenigen Sachverhalt, auf den es nach dem Gesetzeszweck ankomme - im Fall der Ersatzzeit: für entgangene Beitragszeiten. Dass im Einzelfall die Tatsachen nicht der vom Gesetzgeber angenommenen Situation entsprächen, sei dabei in Kauf genommen worden (BSGE 23, 89, 90 f = SozR Nr. 12 zu § 1251 RVO S Aa 12). Deshalb ist auch ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Ersatzzeitgeschehen und dem Fehlen von Beiträgen nicht zu prüfen (so auch Zink, MittLVA BE 1974, 155). Nach diesem Grundsatz reicht bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen der kausale Zusammenhang zwischen Verfolgungsmaßnahme und Auslandsaufenthalt aus, um einen Ersatzzeittatbestand auszulösen; eine weitergehende Kausalkette setzt das Gesetz schon nach seinem Wortlaut nicht voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.