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11 RV 844/59

Aus den Gründen

Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei, „ob auch der Kreisbeauftragte des Gauleiters für den Volkssturm Angehöriger des Volkssturms ist und ob auch die organisatorische Führungstätigkeit in Angelegenheiten des Volkssturms als Dienst im Volkssturm anzusehen ist“; es hat diese Frage bejaht. Soweit es den Anspruch des S. deshalb für begründet gehalten hat, trägt die Begründung das angefochtene Urteil nicht. Für „die Führung, die Erfassung, den Aufbau, die Gliederung und die Stellenbesetzung des Deutschen Volkssturms“ sind in den Gauen die Gauleiter, in den Kreisen die Kreisleiter der NSDAP verantwortlich und dabei an die Weisungen des Leiters der Parteikanzlei gebunden gewesen, sie haben sich bei der Aufstellung und Führung „vor allem der fähigsten Organisatoren und Führer der bewährten Einrichtungen der Partei, SA, SS, des NSKK und der HJ“ zu bedienen gehabt (vgl. Materialzusammenstellung des Bundesarchivs, Abteilung Zentralnachweisstelle in Kornelimünster über den „Deutschen Volkssturm“ - Az. II 18 Nr. 247/56 - S. 4 und „Erlaß des Führers über die Bildung des Deutschen Volkssturms“ vom 25.9.1944, Nr. 2 - RGBl. 1944 I 253 -). Den Gauleitern und Kreisleitern ist damit „die führungsmäßige Aufgabe“ der Organisation des Volkssturmes übertragen worden (vgl. auch „Führungsgrundsätze“, veröffentlicht in „NS Parteikorrespondenz“ vom 17.11.1944, zitiert nach der Materialzusammenstellung des Bundesarchivs S. 4/5). Soweit sie im Rahmen dieses Auftrags tätig geworden sind, sind sie als Funktionäre der NSDAP in Erscheinung getreten, sie sind aber insoweit nicht Angehörige des Deutschen Volkssturms, also „Volkssturmsoldaten“ gewesen. Wenn sie z.B. Propagandaaktionen, Appelle und sonstige Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Aufstellung des Volkssturms abgehalten oder sich für die ihnen übertragene kulturelle und politische Schulung der Angehörigen des Volkssturms betätigt oder zur Wehrmacht abgegebene Volkssturmeinheiten ihres Dienstbereichs aufgesucht haben, so haben sie dies in ihrer Eigenschaft als hauptamtliche Funktionäre der NSDAP getan und dabei nicht „Dienst im Volkssturm“ geleistet. In diesen Rahmen können auch Besprechungen mit militärischen Dienststellen fallen, die den Aufbau und die Organisation des Volkssturms betroffen oder der Unterrichtung der militärischen Dienststellen über den Bestand örtlicher Volkssturmeinheiten gedient haben. Für die Frage, ob ein Kreisleiter bei der Erfüllung solcher Aufgaben Dienst im Volkssturm geleistet hat, ist auch nicht entscheidend, ob er eine Urkunde des Gauleiters über seine Ernennung zum „Führer des Volkssturms“ und einen Ausweis hierüber gehabt hat und ob er befugt gewesen ist, die Bataillons-, Kompanie-, Zug- und Gruppenführer der Volkssturmeinheiten auszuwählen; auch diese Ermächtigung ist ihm als dem zuständigen „Hoheitsträger“ der NSDAP erteilt worden, sie besagt nicht, daß er selbst Angehöriger des Volkssturms gewesen ist.

Auch wenn aber die „Führungsaufgaben“ der „Hoheitsträger“ der NSDAP in Sachen des Volkssturms nicht als „Dienst im Volkssturm“ anzusehen sind, ist damit nicht ausgeschlossen, daß im Einzelfall einmal auch „Hoheitsträger“ „Dienst im Volkssturm“ geleistet haben; sie haben dies dann getan, wenn sie selbst als „Befehlshaber“ von Volkssturmeinheiten tätig geworden sind. Soweit der Beklagte meint, „Dienst im Deutschen Volkssturm“ hätten nur die Einheiten geleistet, die als geschlossene Volkssturmeinheiten zur Wehrmacht „abgegeben“ und ihr unterstellt worden seien, ist dies eine Annahme, für die das Ges. keinen Anhalt bietet; auch die Angehörigen der örtlichen, für die sog. „Rundumverteidigung“ bestimmten Volkssturmeinheiten und ihre Führer haben „Dienst im Deutschen Volkssturm“ geleistet. Es trifft auch nicht zu, wenn der Beklagte meint, daß „Dienst im Volkssturm“ nur die Personen geleistet haben, die mit der Heranziehung zum Volkssturm ihre bisherige berufliche Tätigkeit aufgegeben haben. Nach Nr. 9 der VO vom 1.12.1944 soll „der Volkssturmsoldat nach Möglichkeit außerhalb seiner beruflichen Arbeitszeit ausgebildet werden“; nach § 2 Abs. 1 der Ersten DurchfVO vom 17.1.1945 zur VO vom 1.12.1944 - RGBl. I 15, 17 -, die „Arbeitsrechtliche Vorschriften“ enthalten hat, ist „der Volkssturmsoldat, der in einem Arbeitsverhältnis steht“, für die Heranziehung zum Volkssturm von der Arbeit freizustellen, wenn die Heranziehung in die betriebliche Arbeitszeit fällt; hieraus ergibt sich, daß neben der Heranziehung zur Ausbildung oder zum Einsatz, die den Volkssturmsoldaten zeitlich voll beansprucht hat, auch die Heranziehung während und neben einer beruflichen Tätigkeit vorgesehen gewesen und als „Dienst im Volkssturm“ behandelt worden ist. Aus dem Ges. ergibt sich weiter kein Anhalt für die Auffassung des Beklagten, daß nur der militärische Einsatz und der Waffendienst „Dienst im Volkssturm“ gewesen seien.

Hiergegen spricht zunächst, daß nach dem „Führererlaß“ vom 25.9.1944 (Nr. 4) „die Angehörigen des Deutschen Volkssturms ... während des Einsatzes Soldaten im Sinne des Wehrgesetzes“ gewesen sind; sie haben also im Einsatz Dienst als Soldaten „nach deutschem Wehrrecht“ geleistet und sind damit im Einsatz schon nach § 2 Abs. 1 Buchst. a BVG versorgungsrechtlich geschützt. Aber auch dann, wenn der „Dienst im Deutschen Volkssturm“ in § 2 Abs. 1 Buchst. b BVG etwa deshalb ausdrücklich aufgeführt worden ist, weil es rechtlich hat zweifelhaft sein können, ob durch den „Führererlaß“ eine Gleichstellung der Volkssturmangehörigen im Einsatz mit den Soldaten nach deutschem Wehrrecht begründet worden ist, ergibt sich nichts anderes; es ist weder aus dem Gesetzeswortlaut noch etwa durch Auslegung aus § 2 Abs. 1 Buchst. b BVG zu entnehmen, daß Männer, die zum Volkssturm „herangezogen“ worden sind, also Volkssturmangehörige, wenn sie z.B. mit Exerzierdienst, Geländeübungen, Schreibstubenarbeiten, Nachschub-, Ausrüstungs- oder Versorgungsangelegenheiten beschäftigt gewesen sind, nicht versorgungsrechtlich geschützt werden sollen. Gegen eine solche einschränkende Auslegung des Begriffs „Dienst im Deutschen Volkssturms“ spricht ferner, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, daß in den VOen und Durchf-Besten, die auf Grund des „Führererlasses“ ergangen sind, zwischen dem „Dienst im Deutschen Volkssturm“ im allgemeinen und dem Dienst „im Ausbildungseinsatz und im Kampfeinsatz“ im besonderen unterschieden worden ist. Nach der „Verordnung über das Strafrecht des Deutschen Volkssturms“ vom 24.2.1945 (RGBl. 1945 I 34) sind auf die Angehörigen des Deutschen Volkssturms „im Kampfeinsatz und im Ausbildungseinsatz“ grundsätzlich sinngemäß die für Wehrmachtangehörige geltenden Strafvorschriften anzuwenden gewesen (§ 1 der VO), die im Militärstrafgesetzbuch für strafbare Handlungen im Felde gegebenen Vorschriften haben „nur für im Kampfeinsatz begangene strafbare Handlungen“ von Angehörigen des Volkssturms gegolten (§ 3 der VO); dagegen haben die „Zweiten Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über die Stellung des Deutschen Volkssturms (sozialversicherungs- sowie fürsorge- und versorgungsrechtliche Vorschriften)“ vom 6.2.1945 - RGBl. 1945 I 24 - eine solche Einschränkung nicht enthalten, sie haben vielmehr in § 2 allgemein bestimmt, „daß eine in ursächlichem Zusammenhang mit dem Dienst im Deutschen Volkssturm erlittene Beschädigung ... als Wehrdienstbeschädigung im Sinne des Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetzes gilt (Abs. 1) und daß „Körperschäden, die auf dem Wege zum und vom Dienst erlitten werden, als Wehrdienstbeschädigung gelten“ (Abs. 2). Im vorliegenden Fall hat das LSG festgestellt, daß im Kreise E. - auch nach der Abstellung des ersten aus diesem Kreis gebildeten Volkssturmbataillons zur Wehrmacht - noch weitere örtliche Volkssturmeinheiten bestanden haben, die aus den für den auswärtigen Einsatz unabkömmlichen Männern gebildet, nur zeitweilig an ihrem Wohnort zur Ausbildung zusammengefaßt worden und im übrigen für den Fall des feindlichen Einmarsches zum örtlichen Einsatz in Panzersperren und sonstigen örtlichen Verteidigungsstellungen im Rahmen der sogenannten Rundumverteidigung vorgesehen gewesen sind; daß diese Einheiten S. unterstanden haben; daß die Fahrt des S. am 23.12.1944 einer Besprechung in Volkssturmangelegenheiten gedient und den Einsatz der örtlichen Volkssturmeinheiten und den Bau von Panzersperren durch Volkssturmmännner dieser Einheiten betroffen, mindestens jedoch auch dem unmittelbaren Einsatz dieser Einheiten in Verteidigungsstellungen gegolten hat.

Diese Feststellungen sind für das BSG bindend, der Beklagte hat insoweit begründete Revisionsrügen nicht gehend gemacht (§ 163 SGG). (Wird weiter ausgeführt).

Auf Grund seiner Feststellungen hat das LSG im Ergebnis zu Recht entschieden, daß S. auf der Fahrt am 23.12. 1944 „Dienst im Deutschen Volkssturm“ geleistet hat. Er hat diese Fahrt jedenfalls nicht nur als „Hoheitsträger“ der NSDAP ausgeführt, sondern auch als Führer der im Kreis E. noch vorhandenen, nicht mehr zu einer Einheit zusammengefaßten örtlichen Volkssturmeinheiten. Auch wenn diese Einheiten an Ort und Stelle von anderen Personen befehligt worden sind, so hat dies nicht ausgeschlossen, daß diese für die örtliche Ausbildung zuständigen Personen hinsichtlich des Orts, der Zeit und der Art des Einsatzes dieser Einheiten den Weisungen des S. als des ihnen übergeordneten Volkssturmführers unterstanden haben, zumal - wie das LSG aus den Angaben des S. und des Zeugen G. entnommen hat - eine andere Person, die diesen Volkssturmgruppen als Führer übergeordnet gewesen wäre, nicht hat festgestellt werden können. Nach den Feststellungen des LSG hat die Besprechung des S. mit dem Divisionskommandeur am 23.12.1944 den konkreten Einsatz der örtlichen Volkssturmgruppen in den Schwarzwaldtälern des Kreises E. zum Gegenstand gehabt. Für die Durchführung des Ergebnisses dieser Besprechung ist S. nicht nur in seiner Eigenschaft als mit der Organisation des Volkssturm beauftragter „Hoheitsträger“, sondern mindestens auch als Führer der örtlichen Volkssturmeinheiten verantwortlich gewesen; bei dieser Besprechung und auf der Fahrt zu und von dieser Besprechung hat er deshalb „Dienst im Volkssturm“ geleistet. Nicht erheblich ist insoweit, daß S. weiterhin damals auch Kreisleiter der NSDAP im Kreis E. gewesen ist. Ebenso wie die Angehörigen der örtlichen Volkssturmeinheiten neben und während einer beruflichen Tätigkeit zum Volkssturm herangezogen worden sind, weil sie in ihrem Beruf unabkömmlich gewesen sind, haben auch Personen, die für die Ausbildung und den Einsatz dieser Gruppen verantwortlich gewesen sind, die Führungsaufgaben, die ihnen hinsichtlich des Einsatzes des Volkssturms obgelegen haben, neben und während ihrer beruflichen Tätigkeit verrichten können.

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