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§ 6 VersAusglG: Regelungsbefugnisse der Ehegatten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

16.02.2024

Änderung

Ergänzung um aktuelle Rechtsprechung in Abschnitt 3.3 und 3.4 und redaktionelle Überarbeitung.

Dokumentdaten
Stand24.01.2024
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 in Kraft getreten am 01.09.2009
Rechtsgrundlage

§ 6 VersAusglG

Version004.00

Inhalt der Regelung

§ 6 VersAusglG enthält Regelungen für die Ehegatten zum Abschluss von Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich.

Abs. 1 S. 1 eröffnet den Ehegatten die Möglichkeit, im Rahmen des Versorgungsausgleichs Vereinbarungen zu schließen.

Abs. 1 S. 2 benennt Beispiele für Regelungsinhalte. Hiernach kann der Versorgungsausgleich in die ehelichen Vermögensverhältnisse ganz oder teilweise einbezogen (Nr. 1), ausgeschlossen (Nr. 2) oder den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§§ 20 bis 24 VersAusglG) vorbehalten (Nr. 3) werden.

Abs. 2 legt fest, dass das Familiengericht an Vereinbarungen der Ehegatten gebunden ist, wenn keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse (§§ 7 und 8 VersAusglG) bestehen.

Hinweis:

Die Ausführungen bei Scheidung einer Ehe gelten auch bei Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (siehe GRA zu § 20 LPartG).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 6 VersAusglG wird ergänzt durch Regelungen über die besonderen formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen (§§ 7 und 8 VersAusglG). Im Übrigen gelten für Vereinbarungen die Vorschriften zur Durchführung des Versorgungsausgleichs entsprechend. Das sind insbesondere:

Ferner verweist § 1408 Abs. 2 BGB darauf, dass bei Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich in Form eines Ehevertrags die §§ 6 und 8 VersAusglG anzuwenden sind.

Allgemeines

Nach § 1 Abs. 1 VersAusglG sind die in der Ehezeit erworbenen Anrechte (Ehezeitanteil) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehegatten können jedoch abweichend von diesem Grundsatz den gesetzlich vorgeschriebenen Wertausgleich bei der Scheidung durch Abschluss einer Vereinbarung modifizieren. Dies gilt auch für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung (den sogenannten schuldrechtlichen Wertausgleich).

Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich sind ausdrücklich erwünscht (BT-Drucksache 16/10144, S 51). Die Regelungen in den §§ 6 bis 8 VersAusglG sollen die Dispositionsfreiheit der Ehegatten, sich einvernehmlich über den Ausgleich von Versorgungsanrechten zu einigen, stärken.

Während § 6 VersAusglG die rechtliche Grundlage für eine Vereinbarung der Ehegatten über den Versorgungsausgleich enthält, finden sich die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine wirksame Vereinbarung in den §§ 7 und 8 VersAusglG.

§ 6 Abs. 1 VersAusglG enthält in zeitlicher Hinsicht keine Einschränkungen der Dispositionsbefugnisse. Die Ehegatten können daher, unter Beachtung möglicherweise bereits bestehender Beschlüsse zum Versorgungsausgleich, grundsätzlich zu jeder Zeit, also vor, während und auch nach der Ehe Vereinbarungen schließen.

Nach den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 7 VersAusglG können Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich auch außerhalb eines Verfahrens über den Versorgungsausgleich, in Form eines Ehevertrags oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung, die jeweils notariell zu beurkunden sind, oder in Form eines gerichtlichen Vergleichs nach § 127a BGB geschlossen werden (siehe GRA zu § 7 VersAusglG).

Ferner hat das Familiengericht die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Vereinbarung (§ 8 VersAusglG) zu prüfen. Diese orientieren sich an dem Ziel des Versorgungsausgleichs, für die ausgleichsberechtigte Person eine gesicherte Versorgung zu erreichen. Eine Vereinbarung darf deshalb einen Ehegatten nicht übervorteilen oder den mit Art. 14 GG garantierten Eigentumsschutz durch eine überhöhte Belastung gefährden. Nach welchen Maßstäben die allgemeine Inhalts- und Ausübungskontrolle durch das Familiengericht zu erfolgen hat, kann der GRA zu § 8 VersAusglG entnommen werden. Sind die formellen und materiellen Voraussetzungen gegeben, ist das Familiengericht an die Vereinbarung gebunden (§ 6 Abs. 2 VersAusglG, siehe Abschnitt 4).

Vereinbaren die Ehegatten wirksam einen (Teil-)Ausschluss des Versorgungsausgleichs, hat das Familiengericht mit Beschluss festzustellen, dass ein Versorgungsausgleich nicht beziehungsweise insoweit nicht stattfindet (§ 224 Abs. 3 FamFG).

Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich (Absatz 1)

Durch den in § 6 Abs. 1 S. 1 VersAusglG enthaltenen Grundsatz der Dispositionsbefugnis haben die Ehegatten die Möglichkeit, den gesetzlich vorgesehenen Versorgungsausgleich ganz oder teilweise durch eine Vereinbarung zu ersetzen und an ihre persönlichen Verhältnisse anzupassen. Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich zusammen mit dem Unterhalt und der Vermögensauseinandersetzung regeln. Hierbei ist der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen über Zugewinn, Unterhalt und Versorgungsausgleich einzuhalten (siehe GRA zu § 8 VersAusglG, Abschnitt 3).

In § 6 Abs. 1 S. 2 VersAusglG sind Beispiele für die Ausgestaltung von Vereinbarungen genannt. Danach kann vereinbart werden, den Versorgungsausgleich

  • in die Regelung der ehelichen Vermögensverhältnisse einzubeziehen (Abschnitt 3.1),
  • ganz oder teilweise auszuschließen (Abschnitt 3.2),
  • bei der Scheidung nicht durchzuführen, sondern schuldrechtliche Ausgleichszahlungen vorzusehen (Abschnitt 3.3).

Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind jedoch nicht grenzenlos möglich. So sind bei der Übertragung oder Begründung von Anrechten stets die maßgeblichen Regelungen der betroffenen Versorgungssysteme zu berücksichtigen (§ 8 Abs. 2 VersAusglG). Daher können beispielsweise durch eine wirksame Vereinbarung zur Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung keine Anrechte (Ost) begründet werden. Nach § 281a Abs. 1 SGB VI ist zwar die Zahlung von Beiträgen zur Wiederauffüllung eines Abschlags an Entgeltpunkten (Ost) möglich. Eine gesetzliche Regelung für die Begründung von Anrechten (Ost) durch Beitragszahlung existiert jedoch nicht.

Weiterhin ist Folgendes zu beachten:

  • Die gesetzliche Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) darf durch eine Vereinbarung nicht verändert werden (siehe Abschnitt 3.2).
  • Eine Übertragung oder eine Begründung von Anrechten durch interne oder externe Teilung zugunsten eines Ehegatten bedarf stets der Anordnung des Familiengerichts und kann nicht allein aufgrund der Vereinbarung der Ehegatten erfolgen (siehe GRA zu § 8 VersAusglG, Abschnitt 4.1).
  • Der Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) gilt auch für Vereinbarungen, weshalb nicht mehr als die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts (Ausgleichswert) zulasten eines Ehegatten übertragen oder begründet werden kann. Die Ehegatten sind lediglich bis zur Höhe des Ausgleichswertes des Anrechtes dispositionsbefugt (BGH vom 30.04.2014, AZ: XII ZB 668/12).

Die gesetzliche Rentenversicherung kann von Vereinbarungen der Ehegatten betroffen sein. So steht es den Ehegatten frei, beispielsweise Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zu vereinbaren (siehe Abschnitt 3.1) den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise auszuschließen (siehe Abschnitt 3.2) oder dem schuldrechtlichen Ausgleich vorzubehalten (siehe Abschnitt 3.3).

Vereinbarungen sind hinsichtlich aller Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung möglich, da diese grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Das gilt beispielsweise auch für Anrechte aus Beiträgen zur Höherversicherung oder für Zuschläge an Entgeltpunkten aus langjähriger Versicherung ("Grundrenten-Entgeltpunkte").

Einbeziehung ehelicher Vermögensverhältnisse – Beitragszahlung

Nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VersAusglG können Ehegatten die eheliche Vermögensauseinandersetzung bei der Scheidung mit dem Versorgungsausgleich verbinden. Möglich ist beispielsweise, Versorgungsanrechte über andere Vermögenswerte auszugleichen, zum Beispiel bei einem Anrecht eines Ehegatten keinen Ausgleich vorzunehmen, während der andere Ehegatte das Alleineigentum an einer Immobilie erhält. Denkbar sind zudem Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung oder in eine private Rente aus dem in der Ehe erworbenen Vermögen. Ferner können die Ehegatten den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vereinbaren, der erst bei Rentenbezug stattfindet. Insbesondere für Anrechte, die erst später schuldrechtlich ausgeglichen werden könnten, kann die Einbeziehung in Vereinbarungen von Vorteil sein, um den Ausgleich schon im Scheidungsverfahren abschließend zu regeln.

Für den Abschluss einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich unter Einbeziehung der ehelichen Vermögensverhältnisse ist es oft erforderlich, verschiedenartige Versorgungsanrechte vergleichbar zu machen. Wird ein Anrecht nicht bereits als Kapitalwert berechnet, kann der korrespondierende Kapitalwert gemäß § 47 VersAusglG als Hilfsgröße herangezogen werden (siehe GRA zu § 47 VersAusglG, Abschnitt 3; in diesem Sinne auch BGH vom 16.12.2015, AZ: XII ZB 450/13). Der korrespondierende Kapitalwert drückt den Betrag aus, mit dem das auszugleichende Anrecht bei dem Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person zum Ehezeitende zu erwerben ist (§ 47 Abs. 2 VersAusglG).

Erfolgt im Rahmen einer Vereinbarung ein Wertvergleich von Kapitalwerten und korrespondierenden Kapitalwerten, sind nach § 47 Abs. 6 VersAusglG auch die weiteren Faktoren der Anrechte, die sich auf die Versorgung auswirken, grundsätzlich zu berücksichtigen (siehe GRA zu § 47 VersAusglG, Abschnitt 8). Eine dahingehende Ermittlungspflicht des Familiengerichts ist jedoch nur gegeben, wenn im konkreten Fall Anhaltspunkte für von den korrespondierenden Kapitalwerten abweichende Werte der miteinander verglichenen Anrechte bestehen (BGH vom 16.12.2015, AZ: XII ZB 450/13).

Die gesetzliche Rentenversicherung kann von der Regelungsmöglichkeit betroffen sein, wenn zum Beispiel ein Ehegatte einen Vermögensgegenstand oder ein auszugleichendes Anrecht behält und dem anderen Ehegatten im Gegenzug eine freiwillige Beitragszahlung oder die Zahlung von Beiträgen zur Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung anbietet. Sofern die freiwillige Beitragszahlung für den anderen Ehegatten (siehe GRA zu § 7 SGB VI) oder eine Beitragszahlung zur Begründung eines Rentenanrechts nach § 187 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI (siehe GRA zu § 187 SGB VI) zulässig ist, werden die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Zustimmung zu der Vereinbarung im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens über den Wertausgleich bei der Scheidung nicht verweigern. Für die Beitragszahlung zur Begründung von Rentenanrechten aufgrund einer Vereinbarung gelten die Ausführungen in der GRA zu § 187 SGB VI, Abschnitte 3.3 und 9.

(Teil-) Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Nach der beispielhaften Aufzählung in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG können die Ehegatten durch eine Vereinbarung den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen.

Wird der Versorgungsausgleich durch eine Vereinbarung der Ehegatten ganz ausgeschlossen, kommt ein späterer Ausgleich nicht mehr (auch nicht schuldrechtlich) in Betracht.

Wird der Ausschluss auf den öffentlich-rechtlichen Wertausgleich bei der Scheidung beschränkt, kann später der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt werden (siehe auch Abschnitt 3.3). Die gesetzliche Rentenversicherung wird hierdurch grundsätzlich nicht beschwert. Einer derartigen Vereinbarung stehen Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht entgegen.

Dies gilt selbst dann, wenn der Versorgungsausgleich nur bezogen auf die gesetzliche Rentenversicherung oder nur bezogen auf einzelne Anrechtsarten (zum Beispiel Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung oder Entgeltpunkte (Ost) der allgemeinen Rentenversicherung) ausgeschlossen werden soll.

Die Gründe der Ehegatten, einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu vereinbaren, können vielfältig sein.

Oft wird in einer Vereinbarung festgelegt, dass der Versorgungsausgleich von einem bestimmten Zeitpunkt an (meist ab dem Tag der Trennung) nur teilweise nicht stattfinden soll (sogenannter Teilausschluss). Zu beachten ist hierbei, dass eine solche Vereinbarung zu keiner Veränderung der gesetzlichen Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) führt (ständige Rechtsprechung unter anderem BGH vom 04.10.1989, AZ: IVb ZB 30/88; BGH vom 18.07.2001, AZ: XII ZB 106/96; BGH vom 26.11.2003, AZ: XII ZB 75/02).

Solche Vereinbarungen sind vielmehr so auszulegen, dass die Ehegatten den Versorgungsausgleich für einen bestimmen Zeitraum innerhalb der Ehezeit ausschließen wollen. Bei einem Teilausschluss bleiben die nach beziehungsweise vor dem vereinbarten Zeitpunkt erworbenen Anrechte unberücksichtigt.

Siehe Beispiel 1

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, ehezeitliche Anrechte in einer bestimmten Höhe vom Versorgungsausgleich auszunehmen. So können die Ehegatten beispielsweise bei einer externen Teilung nach § 14 Abs. 2 VersAusglG den zu zahlenden Kapitalbetrag durch eine Vereinbarung beschränken. Der noch auszugleichende Teil ist in solchen Fällen ab dem Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu verzinsen, sofern eine Verzinsung angeordnet wurde (BGH vom 23.01.2013, AZ: XII ZB 515/12).

Siehe Beispiel 2

Ebenso wie bei der Verrechnung der in der Ehezeit jeweils von den Ehegatten erworbenen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, bestehen auch bei einer Verrechnung von Anrechten eines Ehegatten auf Beamtenversorgung mit einem anderen Anrecht des anderen Ehegatten (beispielsweise aus der gesetzlichen Rentenversicherung) im Rahmen eines Teilausschlusses des Versorgungsausgleichs keine Bedenken (BGH vom 30.04.2014, AZ: XII ZB 668/12).

Siehe Beispiel 3

Ein Ehegatte kann jedoch nicht zum Abschluss einer solchen Verrechnungsvereinbarung verpflichtet werden (BGH vom 30.10.2019, AZ: XII ZB 537/17).

Haben die Ehegatten lediglich einen Teilausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart, muss das Familiengericht dennoch die Übertragung oder Begründung des noch auszugleichenden Anrechts anordnen (Richterspruch). Der bloße Verweis auf die getroffene Vereinbarung ist insofern nicht ausreichend (siehe GRA zu § 59 FamFG, Abschnitt 6.5).

Da das Familiengericht in anhängigen Scheidungsverfahren zwingend über den Wertausgleich bei der Scheidung als Folgesache zu entscheiden hat (Zwangsverbund, siehe GRA zu § 137 FamFG, Abschnitt 4), muss es in der Beschlussformel der Versorgungsausgleichsentscheidung feststellen, dass ein (Teil-) Ausgleich nicht beziehungsweise insoweit nicht stattfindet, wenn die Ehegatten wirksam einen (Teil-) Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart haben (§ 224 Abs. 3 FamFG). Vereinbarungen der Ehegatten über einen (Teil-) Ausschluss des Versorgungsausgleichs sind somit nur bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Versorgungsausgleichsentscheidung möglich (BGH vom 31.07.2002, AZ: XII ZB 102/00).

Vereinbarung über den Wertausgleich bei der Scheidung und über schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach der Scheidung

Nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VersAusglG können die Ehegatten vereinbaren, den Wertausgleich bei der Scheidung nicht durchzuführen und stattdessen den schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 24 VersAusglG vorzubehalten. Das bedeutet auch, dass Vereinbarungen der Ehegatten nicht auf den Wertausgleich bei der Scheidung nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG beschränkt sind. Vielmehr steht es den Ehegatten frei, über den schuldrechtlichen Ausgleich selbst Vereinbarungen zu treffen (zu den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung siehe GRA zu § 20 VersAusglG bis GRA zu § 26 VersAusglG).

Haben die Ehegatten den Wertausgleich bei der Scheidung durch eine wirksame Vereinbarung ganz oder teilweise den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung vorbehalten, stellt das Familiengericht in der Beschlussformel fest, dass ein (Teil-) Ausgleich nicht beziehungsweise insoweit nicht stattfindet (§ 224 Abs. 3 FamFG, siehe Abschnitt 3.2).

Einer Vereinbarung im Rahmen des Wertausgleichs bei der Scheidung über den Verweis nicht ausgleichsreifer Anrechte im Sinne des § 19 VersAusglG in den Wertausgleich nach der Scheidung bedarf es nicht. Diese unterliegen gemäß § 19 Abs. 4 VersAusglG von vornherein den schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen (zu nicht ausgleichsreifen Anrechten siehe GRA zu § 19 VersAusglG). Das Familiengericht hat die den schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung verbleibenden Anrechte in der Begründung der Versorgungsausgleichsentscheidung jedoch zu benennen (§ 224 Abs. 4 FamFG).

Sind nicht ausgleichsreife Anrechte im Sinne des § 19 VersAusglG vorhanden beziehungsweise wurden Anrechte durch eine wirksame Vereinbarung den schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung vorbehalten, können die Ehegatten den schuldrechtlichen Ausgleich auch nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung im Rahmen einer Vereinbarung regeln. Derartige Vereinbarungen der geschiedenen Ehegatten unterliegen dann grundsätzlich nicht mehr der Inhalts- und Ausübungskontrolle nach den §§ 7, 8 VersAusglG durch das Familiengericht. Eine gesonderte familiengerichtliche Entscheidung ist für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung daher nicht erforderlich und ergeht nur auf Antrag (§ 223 FamFG).

Da es der ausgleichsberechtigten Person – anders als im Scheidungsverbund, in dem zwingend über den Wertausgleich zu entscheiden ist – freisteht, den schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung überhaupt zu beantragen, ist ihr auch eine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Gestaltung einer Vereinbarung über die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche einzuräumen (BGH vom 11.07.2001, AZ: XII ZB 128/98; BGH vom 19.07.2017, AZ: XII ZB 486/15).

Die gesetzliche Rentenversicherung kann von Vereinbarungen der Ehegatten über schuldrechtliche Ausgleichsansprüche betroffen sein.

So können beispielsweise Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung für einen Ausgleich nach der Scheidung vorgesehen werden. Die ausgleichspflichtige Person hätte dann ab dem Zeitpunkt, ab dem die Voraussetzungen für eine schuldrechtliche Ausgleichsrente vorliegen, den auszugleichenden Teil der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung an die ausgleichsberechtigte Person zu zahlen (siehe GRA zu § 20 VersAusglG, Abschnitte 3 und 4). Die ausgleichsberechtigte Person kann dabei die Abtretung des Anspruchs gegen den Rentenversicherungsträger in Höhe der Ausgleichsrente von der ausgleichspflichtigen Person verlangen (§ 21 VersAusglG).

Haben die Ehegatten den Wertausgleich bei der Scheidung ausgeschlossen und den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung vorbehalten, kommt eine Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung nach dem Tod der ausgleichspflichtigen Person gemäß § 25 Abs. 2 VersAusglG nicht in Betracht (siehe GRA zu § 25 VersAusglG, Abschnitt 4).

Ferner ist es den geschiedenen Ehegatten möglich, die Abfindung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche nach den §§ 23, 24 VersAusglG durch Beitragszahlungen zur Begründung von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 187 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI zu vereinbaren (siehe GRA zu § 187 SGB VI, Abschnitt 3.3). Die Rentenversicherungsträger haben hier lediglich zu prüfen, ob die Beitragszahlung zulässig ist. Einer gesonderten formellen Zustimmung der Rentenversicherungsträger zur Beitragszahlung bedarf es in diesen Fällen nicht.

Vereinbarungen zur Abfindung schuldrechtlich auszugleichender Anrechte können bereits im Verfahren über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen werden, wenn diese dem Grunde und der Höhe nach bereits gesichert sind (BGH vom 17.04.2013, AZ: XII ZB 371/12).

Die Beitragszahlung zur Abfindung schuldrechtlich auszugleichender Anrechte ist nach § 187 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c SGB VI auch ohne Vereinbarung aufgrund einer familiengerichtlichen Entscheidung möglich (siehe GRA zu § 23 VersAusglG, Abschnitt 6.3).

Vereinbarungen im Abänderungsverfahren

Ebenso wie im Erstverfahren, haben die geschiedenen Ehegatten auch im Abänderungsverfahren die Möglichkeit, Vereinbarungen über den Ausgleich von Anwartschaften zu schließen.

Die Dispositionsbefugnis der geschiedenen Ehegatten besteht allerdings nur, wenn das Abänderungsverfahren zulässig ist (vergleiche §§ 51, 52 VersAusglG und §§ 225, 226 FamFG). Die Abänderung einer rechtskräftigen Versorgungsausgleichsentscheidung ist nicht allein dadurch eröffnet, dass die Parteien außerhalb eines Abänderungsverfahrens eine anderweitige Regelung des Ausgleiches vereinbaren (BGH vom 31.07.2002, AZ: XII ZB 102/00).

Vereinbarungen können im Abänderungsverfahren nur über solche Anrechte getroffen werden, die bereits Gegenstand der Ausgangsentscheidung waren. Anrechte, die in der Ausgangsentscheidung unberücksichtigt geblieben sind, können nicht in das Abänderungsverfahren einfließen (in diesem Sinne (BGH vom 24.07.2013, AZ: XII ZB 340/11, BGH vom 01.03.2023, AZ: XII ZB 444/22). Daher sind Vereinbarungen über bisher unberücksichtigte Anrechte im Abänderungsverfahren grundsätzlich nicht möglich.

Nach § 227 Abs. 2 FamFG können auch Vereinbarungen der Ehegatten über den Versorgungsausgleich abgeändert werden, soweit eine Abänderung nicht ausgeschlossen worden ist. Die §§ 225, 226 VersAusglG gelten hier entsprechend (vergleiche GRA zu § 227 FamFG, Abschnitt 4).

Bindung des Familiengerichts an die Vereinbarung (Absatz 2)

§ 6 Abs. 2 VersAusglG regelt, dass das Familiengericht an die Vereinbarungen der Ehegatten gebunden ist, soweit diese den allgemeinen vertraglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen und den in den §§ 7 und 8 VersAusglG geregelten besonderen Erfordernissen entsprechen (siehe GRA zu § 7 VersAusglG und GRA zu § 8 VersAusglG).

Die Prüfung erfolgt vom Familiengericht von Amts wegen.

Hält die Vereinbarung der inhaltlichen und formellen Kontrolle stand, stellt das Familiengericht nach § 224 Abs. 3 FamFG in der Beschlussformel fest, dass ein Versorgungsausgleich insoweit nicht stattfindet. Das heißt:

  • Wird der Versorgungsausgleich teilweise ausgeschlossen, entscheidet das Familiengericht über den Wertausgleich bei der Scheidung und stellt fest, dass für den nicht ausgeglichenen (übrigen) Teil kein Wertausgleich bei der Scheidung stattfindet bzw. der schuldrechtliche Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten wird.
  • Wird der Versorgungsausgleich hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs bei der Scheidung vollständig ausgeschlossen, stellt das Familiengericht fest, dass ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet (siehe GRA zu § 224 FamFG, Abschnitt 5); ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich bleibt aber noch möglich.
  • Wird der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen, kommt weder der öffentlich-rechtliche Wertausgleich bei der Scheidung noch der schuldrechtliche Wertausgleich nach der Scheidung in Betracht.

Die Entscheidung des Familiengerichts erwächst in Rechtskraft (siehe GRA zu § 224 FamFG, Abschnitt 3). Kommt das Familiengericht bei seiner Prüfung jedoch zu dem Ergebnis, dass die Vereinbarung unwirksam ist, hat es den Wertausgleich bei der Scheidung nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG durchzuführen.

Beispiel 1: Teilausschluss des Versorgungsausgleichs

(Beispiel zu Abschnitt 3.2)

In der Ehezeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2020 haben die Ehegatten folgende Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben:

Ehegatte 1:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 5,0000 EP

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung (Ost): 4,0000 EP (Ost)

Ehegatte 2:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 8,0000 EP

Aus einem Ehevertrag ergibt sich, dass nach dem 31.05.2016 erworbene Anrechte nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden sollen.

Eine Probeberechnung ergibt, dass in dem außer Acht zu lassenden Zeitraum (01.06.2016 bis 30.06.2020) von den Ehegatten folgende Anrechte erworben worden sind:

Ehegatte 1:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 1,0000 EP

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung (Ost): 0,0000 EP (Ost)

Ehegatte 2:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 2,0000 EP

Frage:

Wie lassen sich die in den Ausgleich einzubeziehenden Anrechte ermitteln und welche Werte sind dem Familiengericht zusätzlich mitzuteilen?

Lösung:

Die in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte der Ehegatten ergeben sich durch den Abzug der Anrechte, die in dem außer Acht zu lassenden Zeitraum erworben wurden, von den Anrechten, die in der gesetzlichen Ehezeit erworben wurden:

Ehegatte 1:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung:

5,0000 EP minus 1,0000 EP ist gleich 4,0000 EP (Ausgleichswert: 2,0000 EP)

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung (Ost):

4,0000 EP (Ost) minus 0,0000 EP (Ost) ist gleich 4,0000 EP (Ost) (Ausgleichswert: 2,0000 EP (Ost))

Ehegatte 2:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung:

8,0000 EP minus 2,0000 EP ist gleich 6,0000 EP (Ausgleichswert: 3,0000 EP)

In der Auskunft an das Familiengericht wird neben der Höhe der ehezeitlichen Anrechte, die aufgrund der Vereinbarung in den Versorgungsausgleich einbezogen werden, auch die Höhe der entsprechenden Ausgleichswerte und der korrespondierenden Kapitalwerte angegeben.

Beispiel 2: Teilausschluss des Versorgungsausgleichs

(Beispiel zu Abschnitt 3.2)

In der Ehezeit vom 01.04.2000 bis 31.07.2020 haben die Ehegatten folgende Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben:

Ehegatte 1:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 20,0000 EP

Ehegatte 2:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung: 12,0000 EP

Aus der im Scheidungsverfahren protokollierten Vereinbarung ergibt sich, dass das erworbene Anrecht des Ehegatten 1 lediglich zu 75 Prozent und das erworbene Anrecht des Ehegatten 2 lediglich zu 50 Prozent in den Versorgungsausgleich einbezogen werden sollen.

Frage:

Wie lassen sich die in den Ausgleich einzubeziehenden Anrechte ermitteln und welche Werte sind dem Familiengericht zusätzlich mitzuteilen?

Lösung:

Die in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte ergeben sich aus dem vereinbarten prozentualen Anteil, der jeweils in der Ehezeit insgesamt erworbenen Anrechte der Ehegatten:

Ehegatte 1:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung:

20,0000 EP mal 75 geteilt durch 100 ist gleich 15,0000 EP (Ausgleichswert: 7,5000 EP)

Ehegatte 2:

Anrechte der allgemeinen Rentenversicherung:

12,0000 EP mal 50 geteilt durch 100 ist gleich 6,0000 EP (Ausgleichswert: 3,0000 EP)

In der Auskunft an das Familiengericht wird neben der Höhe der ehezeitlichen Anrechte, die aufgrund der Vereinbarung in den Versorgungsausgleich einbezogen werden, auch die Höhe der entsprechenden Ausgleichswerte und der korrespondierenden Kapitalwerte angegeben.

Beispiel 3: Teilausschluss des Versorgungsausgleichs

(Beispiel zu Abschnitt 3.2)

In der Ehezeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2020 haben die Ehegatten folgende Anrechte erworben:

Ehegatte 1:

Anrechte aus der Beamtenversorgung: 800,00 EUR

Ausgleichswert: 400,00 EUR

Ehegatte 2:

Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung: 11,6993 EP

entspricht einer monatlichen Rentenanwartschaft von 400,00 EUR

Ausgleichswert: 5,8497 EP

entspricht einer monatlichen Rentenanwartschaft von 200,00 EUR

Der Ehegatte 1 ist Landesbeamter. Die zuständige Versorgungsdienststelle hat die interne Teilung noch nicht eingeführt. Um einen internen Ausgleich der Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des Ehegatten 1 zu vermeiden, haben die Ehegatten vereinbart, dass der Wertausgleich nur in eine Richtung durch externe Teilung nach § 16 Abs. 1 VersAusglG zugunsten des Versicherungskontos des Ehegatten 2 bei der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen soll.

Frage:

In welcher Weise könnte der vereinbarte Wertausgleich durchgeführt werden und wie müsste die entsprechende Beschlussformel lauten?

Lösung:

Da der Ehegatte 1 die werthöheren Anrechte hat, könnte die vereinbarte externe Teilung zugunsten des Versicherungskontos des Ehegatten 2 bei der gesetzlichen Rentenversicherung durch Verrechnung der ehezeitlichen Anrechte der Ehegatten erreicht werden.

400,00 EUR minus 200,00 EUR ist gleich 200,00 EUR

Das Familiengericht müsste im Beschluss über den Wertausgleich bei der Scheidung unter Verweis auf die getroffene Vereinbarung in der Beschlussformel feststellen, dass durch externe Teilung nach § 16 VersAusglG zulasten der Beamtenversorgung des Ehegatten 1 auf dem Versicherungskonto des Ehegatten 2 bei der gesetzlichen Rentenversicherung, bezogen auf das Ehezeitende am 31.12.2020, ein Betrag in Höhe von 200,00 EUR monatlich zu begründen ist. Der zu begründende Betrag wäre in Entgeltpunkte umzurechnen. Darüber hinaus müsste festgestellt werden, dass im Übrigen ein Wertausgleich nicht stattfindet.

Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 03.04.2009 (BGBl. I S. 700)

Inkrafttreten: 01.09.2009

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 343/08; BT-Drucksache 16/10144

Artikel 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) beinhaltet das Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG). Die Vorschrift ist Teil des Gesetzes.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 6 VersAusglG