IVb ZB 30/88
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird der Beschluß des 27. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln vom 24. November 1987 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.000 DM
Gründe I.
Der am 29. November 1928 geborene Ehemann (Antragsgegner) und die am 20. Mai 1936 geborene Ehefrau (Antragstellerin) schlossen am 16. Juni 1965 die Ehe, aus der zwei in den Jahren 1965 bzw. 1968 geborene Kinder stammen. Nachdem ein Scheidungsantrag der Ehefrau (AZ.: 7 F 68/84 ) dem Ehemann am 16. Juni 1984 zugestellt worden war, stellte sich heraus, daß eine von der Ehefrau unter dem 6. April 1970 zum Landgericht Bonn erhobene und noch im gleichen Monat zugestellte Scheidungsklage (AZ.: 9 R 94/70 ) noch rechtshängig war; das seinerzeit ausgesetzte und von den Parteien nicht wieder aufgenommene Verfahren wurde zum AZ.: 7 F 11/86 vom Familiengericht übernommen. Daraufhin erklärten die Parteien zu gerichtlichem Protokoll am 30. Januar 1987 folgende Vereinbarung
„Wir verzichten auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs für die Zeit vom 01.04.1970 bis zum 31.05.1984 mit folgender Begründung: In dem noch im ersten Rechtszug anhängigen Verfahren - 9 R 84/70 LG Bonn -, das an das Amtsgericht Königswinter - 7 F 11/86 - verwiesen worden ist, ist nach unseren Feststellungen der 31.03.1970 Ende der Ehezeit i.S.v. § 1587 Abs. 2 BGB ; es sind nach unserer Auffassung - auch unter Berücksichtigung der Zugewinnausgleichsregelung - keine Umstände gegeben, für die Festlegung des Endes der Ehezeit von diesem Zeitpunkt abzuweichen.“
Danach nahm die Ehefrau mit Zustimmung des Ehemannes die Klage vom 6. April 1970 zurück.
Das Amtsgericht - Familiengericht - genehmigte die Vereinbarung der Parteien und erließ ein Verbundurteil, durch das die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich in der Weise geregelt wurde, daß von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 1) auf das Konto der Ehefrau bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA, weitere Beteiligte zu 2) monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 52,80 DM, bezogen auf den 31. März 1970, übertragen wurden. Dabei ging das Amtsgericht von einer Ehezeit vom 1. Juni 1965 bis zum 31. März 1970 aus. Nach einer Auskunft der BfA vom 29. August 1986 erwarb der Ehemann in dieser Zeit monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 134,30 DM, während er in einer bis zum 31. Mai 1984 gerechneten Ehezeit Anwartschaften in Höhe von monatlich 423,71 DM erlangte, jeweils bezogen auf den 31. Mai 1984. Die Ehefrau erwarb in einer Ehezeit bis zum 31. Mai 1984 bei der LVA gemäß deren Auskunft vom 28. Oktober 1986 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 440,40 DM, bezogen auf den 31. Mai 1984; nach einer weiteren Auskunft der LVA vom 4. Dezember 1986 beträgt die auf eine Ehezeit bis zum 31. März 1970 entfallende Rentenanwartschaft der Ehefrau monatlich 28,70 DM, bezogen auf den 31. März 1970.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die BfA Beschwerde eingelegt und beanstandet, daß die auf eine Ehezeit zum 31. März 1970 (statt zum 31. Mai 1984) bezogene Regelung den gesetzlichen Bestimmungen widerspreche. Außerdem hat sie geltend gemacht, daß sich der auf den 31. März 1970 bezogene Splittingbetrag von monatlich 52,80 DM aufgrund der Dynamik bis zum gesetzlichen Ehezeitende am 31. Mai 1984 auf monatlich 130,21 DM erhöht habe, so daß die Übertragung eines solchen Wertes nicht mehr im Einklang mit § 1587b Abs. 1 BGB stehe. Die beteiligten Ehegatten haben die Entscheidung des Amtsgerichts verteidigt.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der BfA als unzulässig verworfen. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt die BfA das Ziel, den Versorgungsausgleich entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. Diese hält sie schon deshalb für verletzt, weil die in der Versorgungsbilanz gegenübergestellten Rentenanwartschaften der Ehegatten nicht auf den gleichen fiktiven Versicherungsfall berechnet worden seien. Die anderen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Gründe II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerdebefugnis der BfA für die gemäß § 621e Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte weitere Beschwerde ergibt sich daraus, daß ihr Beschwerderecht gegen die erstinstanzliche Regelung des Versorgungsausgleichs verneint worden ist (vgl. BGHZ 31, 92, 95; Keidel / Kuntze FGG, 12. Aufl., § 27 Rdn. 10). In der Begründung der weiteren Beschwerde befaßt sich die .. zwar nicht ausdrücklich mit der Frage ihrer Beschwerdebefugnis. Indessen macht sie ihr Beschwerderecht in ausreichender Weise dadurch geltend, daß sie weiterhin ihre Auffassung verfolgt, die erstinstanzliche Regelung des Versorgungsausgleichs stehe nicht mit dem Gesetz in Einklang. Gerade aus diesem Grund werden die betroffenen Versicherungsträger am Verfahren beteiligt; dies rechtfertigt ebenfalls ihre Beschwerdebefugnis (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. November 1980 - IVb ZB 712/80 - FamRZ 1981, 132, 133 und vom 25. November 1981 - IVb ZB 616/80 - FamRZ 1982, 155, 156).
2. Auch die (Erst-)Beschwerde der BfA war zulässig. Das Oberlandesgericht hat der .. zu Unrecht eine Beschwerdebefugnis abgesprochen.
Zur Begründung seiner abweichenden Auffassung geht es zutreffend davon aus, daß ein Sozialversicherungsträger sich gegen die Ausgleichsregelung beschweren kann, wenn sie mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, wobei es auf eine finanzielle Mehrbelastung nicht ankommt; ein solcher Eingriff ist grundsätzlich gegeben, wenn wie hier bei ihm bestehende Rentenanwartschaften auf ein anderes Versicherungskonto übertragen werden oder ein bei ihm bestehendes Sozialversicherungsverhältnis inhaltlich verändert wird. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, der die Beschwerdebefugnis der betroffenen Sozialversicherungsträger mit der Überlegung begründet hat, daß diese insbesondere ein rechtliches Interesse an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs haben, zumal sie aufgrund ihrer Sachkenntnis besonders berufen sind, rentenrechtliche Fehler zu beanstanden (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 15. März 1989 - IVb ZB 213/87 - FamRZ 1989, 721, 722).
Das Oberlandesgericht versagt der BfA die Beschwerdebefugnis gleichwohl, weil die Entscheidung des Familiengerichts, nur die bis zum 31. März 1970 von den Ehegatten erworbenen Rentenanwartschaften auf diesen Zeitpunkt auszugleichen, auf einer genehmigten Vereinbarung der Parteien beruhe, nicht aber auf einer gesetzwidrigen Anwendung der §§ 1587a und 1587b BGB. Soweit die Regelungsbefugnis der Ehegatten reiche, müsse der Versicherungsträger die Parteivereinbarungen hinnehmen und könne die Ausgleichsregelung ebensowenig mit der Beschwerde angreifen wie eine Herabsetzung des Ausgleichs durch das Familiengericht gemäß § 1587c BGB oder nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des 1. EheRG.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen.
Die BfA hat mit der Beschwerde beanstandet, daß das Familiengericht die Regelung des Versorgungsausgleichs auf ein Ehezeitende am 31. März 1970 statt am 31. Mai 1984 bezogen hat. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, daß diese Regelung auf der vom Familiengericht genehmigten Parteivereinbarung beruhe, eine solche aber unzulässig sei, weil die gesetzlich bestimmte Ehezeit der Parteidisposition nicht unterliege. Sie hat außerdem geltend gemacht, daß eine andere Berechnung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Rentenanwartschaften erforderlich sei, um dem Parteiwillen Rechnung zu tragen, die nach dem 31. März 1970 bis zum 31. Mai 1984 jeweils erworbenen Rentenanwartschaften außer Betracht zu lassen.
Ein solcher Vortrag reicht aber nach der auch vom Oberlandesgericht vertretenen Auffassung aus, eine Beschwerdebefugnis der BfA zu begründen. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Ansicht der Beschwerde zutrifft, daß die Ausgleichsentscheidung des Familiengerichts mit rentenrechtlichen oder anderen gesetzlichen Bestimmungen (etwa dem § 1587a und 1587b BGB) nicht im Einklang stehe. Diese Beurteilung ist der materiell-rechtlichen Prüfung vorbehalten.
Der angefochtene Beschluß kann daher nicht bestehenbleiben.
III.
Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil tatrichterliche Feststellungen fehlen. Er verweist sie daher zur neuen Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht mit folgenden Hinweisen zurück.
Die weitere Beschwerde beanstandet zu Recht, daß das Amtsgericht Rentenanwartschaften saldiert und durch Übertragung der Hälfte des Wertunterschiedes ausgeglichen hat, die nach den zugrundeliegenden Auskünften der beteiligten Rentenversicherungsträger nicht auf den gleichen Zeitpunkt bezogen waren. Während die berücksichtigte Anwartschaft der Ehefrau von monatlich 28,70 DM auf den 31. März 1970 bezogen ist, liegt der ihr gegenübergestellten Anwartschaft des Ehemannes von monatlich 134,30 DM ein für den 31. Mai 1984 angenommener fiktiver Versicherungsfall zugrunde. Wegen ihrer Dynamik läßt sich der Wertunterschied zwischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann ermitteln, wenn sie auf den gleichen Zeitpunkt bezogen werden.
Als Ehezeit im Sinne der Vorschriften über den Versorgungsausgleich gilt gemäß § 1587 Abs. 2 BGB hier die Zeit vom 1. Juni 1965 bis zum 31. Mai 1984. Denn maßgebend für das Ehezeitende ist die Rechtshängigkeit desjenigen Scheidungsantrages, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Beschluß vom 27. Februar 1980 - IV ZB 7/79 - FamRZ 1980, 552 und Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 74/82 - FamRZ 1986, 335). Das ist hier der am 16. Juni 1984 dem Ehemann zugestellte Scheidungsantrag. Die im April 1970 von der Ehefrau erhobene Scheidungsklage bleibt außer Betracht, denn diese Klage hat die Ehefrau in der Verhandlung vom 30. Januar 1987 mit der Folge zurückgenommen, daß sie nicht als anhängig geworden anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Damit ist auch die an die Rechtshängigkeit in § 1587 Abs. 2 BGB geknüpfte Wirkung entfallen (§ 262 ZPO).
3. Gegen die Wirksamkeit der von den Parteien am 30. Januar 1987 geschlossenen Vereinbarung, wonach sie für die Zeit vom 1. April 1970 bis zum 31. Mai 1984 auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten, bestehen Bedenken.
Ehegatten können zwar durch Ehevertrag (§ 1408 Abs. 2 BGB) oder wie hier im Zusammenhang mit der Scheidung (§ 1587o BGB) den Versorgungsausgleich ausschließen. Grundsätzlich ist auch ein teilweiser Ausschluß etwa in der Weise möglich, daß die Parteien vereinbaren, die von ihnen in einem bestimmten Teil der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften sollten nicht in den Ausgleich einbezogen werden. Ihre Dispositionsbefugnis wird - abgesehen vom Genehmigungserfordernis bei Scheidungsvereinbarungen - jedoch gemäß § 1587o Abs. 1 Satz 2 BGB dadurch begrenzt, daß durch Vereinbarung Anwartschaftsrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht begründet oder übertragen werden können. Die Vereinbarung darf daher weder unmittelbar noch mittelbar dazu führen, daß der aufgrund der gesetzlichen Regelung gebotene Ausgleich zugunsten des danach Ausgleichsberechtigten erhöht wird (vgl. Senatsbeschluß vom gleichen Tag - IVb ZB 106/88 - zur Veröffentlichung bestimmt, unter Hinweis auf die Senatsbeschlüsse BGHZ 81, 152, 192 ff, vom 28. Mai 1986 - IVb ZB 63/82 - FamRZ 1986, 890, 892, und vom 7. Oktober 1987 - IVb ZB 4/87 - BGHR BGB § 1587o Abs. 1 Satz 2, Verzicht 1 = FamRZ 1988, 153, 154). Ebensowenig kann eine Vereinbarung Geltung beanspruchen, soweit sie bewirkt, daß sich die Richtung ändert, in der nach der gesetzlichen Regelung der Ausgleich zu erfolgen hätte. Das ist der Fall, wenn derjenige Ehegatte, der die werthöheren Rentenanwartschaften besitzt und daher nach dem Gesetz ausgleichspflichtig ist, durch die Vereinbarung Ausgleichsberechtigter würde, weil die nach der Parteivereinbarung zu berücksichtigenden Anwartschaften die auf seiten des eigentlich ausgleichsberechtigten anderen Ehegatten verbleibenden nicht mehr übersteigen.
Um die durch § 1587o Abs. 1 Satz 2 BGB gezogene Grenze festzustellen, muß daher zunächst ermittelt werden, ob und gegebenenfalls zugunsten welches Ehegatten und in welcher Höhe Rentenanwartschaften gemäß § 1587b Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zu begründen oder zu übertragen wären, wenn die gesetzliche Regelung unverändert angewendet werden müßte. Wenn das Oberlandesgericht im weiteren Verfahren Feststellungen aufgrund der Auskünfte trifft, die die LVA unter dem 28. Oktober 1986 zu den ehezeitlich erworbenen und auf den 31. Mai 1985 bezogenen Rentenanwartschaften der Ehefrau sowie die .. unter dem 29. August 1986 zu denen des Ehemannes erteilt haben, wären ohne die Vereinbarung möglicherweise gemäß § 1587b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto der Ehefrau auf das des Ehemannes zu übertragen. Nach den vorstehenden Ausführungen können die Parteien durch eine Scheidungsvereinbarung lediglich erreichen, daß dieser Betrag herabgesetzt wird. Dagegen steht es mit § 1587o Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Einklang, wenn die Vereinbarung zur Folge hat, daß darüber hinaus Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das der Ehefrau zu übertragen sind.