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§ 286 SGB VI: Versicherungskarten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.12.2021

Änderung

Im Abschnitt 5 wurde eine Entgeltpunkteangabe korrigiert; anstelle von '0,025' muss es '0,0250' Entgeltpunkte heißen. Ferner wurden in verschiedenen Abschnitten Schreib- und Formulierungsfehler berichtigt.

Dokumentdaten
Stand14.12.2021
Rechtsgrundlage

§ 286 SGB VI

Version003.00
Schlüsselwörter
  • 0102

  • 0139

  • 0800

  • 1800

  • 1850

  • 1990

Inhalt der Regelung

§ 286 SGB VI regelt Sachverhalte im Zusammenhang mit Versicherungskarten.

Absatz 1 regelt das Verfahren für noch im Umlauf befindliche und nicht aufgerechnete Versicherungskarten. Die Versicherungskarte diente bis zur Einführung des maschinellen Meldeverfahrens zum Nachweis der über eine Einzugsstelle oder durch Verwenden von Beitragsmarken gezahlten Beiträge. Wird dem Rentenversicherungsträger eine unaufgerechnete Versicherungskarte vorgelegt, muss dieser den Karteninhalt prüfen. Eine Aufrechnung erfolgt nicht mehr.

Absatz 2 regelt die Rechtsvermutung der Beitragszahlung für vor dem 01.01.1992 rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarten und entspricht der früheren Vorschrift des § 145 Abs. 1 AVG beziehungsweise § 1423 Abs. 1 RVO.

Absatz 3 regelt den Beanstandungsschutz aufgerechneter Versicherungskarten und entspricht der früheren Vorschrift des § 145 Abs. 2 AVG beziehungsweise § 1423 Abs. 2 RVO.

Absatz 4 regelt den Ersatz verlorener, unbrauchbarer oder zerstörter Versicherungskarten und entspricht der früheren Vorschrift des § 135 AVG beziehungsweise § 1413 RVO.

Absatz 5 regelt die Glaubhaftmachung von Beitragszeiten der alten Bundesländer vor dem 01.01.1973, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarten liegen oder nicht auf den Versicherungskarten bescheinigt sind und entspricht der früheren Vorschrift des § 145 Abs. 4 AVG beziehungsweise § 1423 Abs. 4 RVO.

Absatz 6 überträgt die Gehaltsabzugsfiktion des § 203 Abs. 2 SGB VI auf vor dem 01.01.1973 liegende Zeiten in den alten Bundesländern und entspricht dem früheren § 119 Abs. 6 AVG beziehungsweise § 1397 Abs. 6 RVO.

Absatz 7 überträgt die Regelungen der Absätze 1 bis 3 auf den Nachweis von Seefahrtzeiten und Durchschnittsheuern der Seeleute. Die Vorschrift entspricht dem früheren § 145 Abs. 5 AVG beziehungsweise § 1423 Abs. 5 RVO.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 286 SGB VI überträgt das bis zum 31.12.1991 geltende Recht inhaltsgleich auf die Zeit ab 01.01.1992. Eine Übergangsvorschrift war nicht nötig.

Ergänzende Vorschriften zu § 286 SGB VI sind:

Im Übrigen sind § 286 Abs. 2 SGB VI beziehungsweise § 286 Abs. 5 und Abs. 6 SGB VI Sonderregelungen zu § 199 SGB VI - Vermutung der Beitragszahlung im Meldeverfahren - und zu § 203 SGB VI - Glaubhaftmachung der Beitragszahlung.

Unaufgerechnete Versicherungskarten (Absatz 1)

Unaufgerechnete Versicherungskarten, die nach dem 31.12.1991 beim Rentenversicherungsträger eingehen, sind nicht mehr aufzurechnen. § 286 Abs. 1 SGB VI verpflichtet den Rentenversicherungsträger stattdessen, in diesen Fällen die Regelungen zur Klärung des Versicherungskontos anzuwenden. Nach rechtlicher Prüfung ist zu entscheiden, ob der Inhalt solcher Versicherungskarten in das Versicherungskonto zu übernehmen ist.

Die Rechtsvermutung des § 286 Abs. 2 SGB VI und der Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI bestehen nicht für unaufgerechnete Versicherungskarten.

Fehlt die Rechtsvermutung nur deshalb, weil die Versicherungskarte nicht aufgerechnet ist, ist der Karteninhalt dennoch nicht generell in Frage zu stellen. Der Karteninhalt kann daher regelmäßig ohne weiteres Nachprüfen in das Versicherungskonto übernommen werden. Das gilt jedoch nicht, wenn der Karteninhalt mit anderen Unterlagen (wie zum Beispiel einer Bescheinigung der Krankenkasse) nicht übereinstimmt oder sonst erkennbare Mängel enthält.

Fehlt die Rechtsvermutung aus anderen Gründen (siehe Abschnitt 3.1), ist zu prüfen, ob

  • im Lohnabzugsverfahren bis zum 31.12.1972 ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Arbeitsentgelt bestanden hat und die dafür zu zahlenden Beiträge rechtzeitig gezahlt worden sind;
  • im Markenverfahren bis 31.12.1976 bei versicherungspflichtigen Selbständigen Versicherungspflicht beziehungsweise bei freiwillig Versicherten und Höherversicherten die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung/Höherversicherung bestanden hat und die Beiträge ordnungsgemäß und rechtzeitig gezahlt worden sind.

Werden Inhalte aus der unaufgerechneten Versicherungskarte ins Versicherungskonto aufgenommenen und wird die Kontenklärung durch Erteilen eines Vormerkungsbescheides abgeschlossen, erwerben die so verbindlich festgestellten Daten einen „Beanstandungsschutz“ im Sinne von § 149 Abs. 5 S. 1 SGB VI.

Werden Karteninhalte innerhalb eines Rentenverfahrens in das Versicherungskonto übernommen, ist hierüber ein gesonderter Vormerkungsbescheid nicht zu erteilen.

Ergibt die rechtliche Prüfung der Inhalte der unaufgerechneten Versicherungskarte, dass Beiträge zu Unrecht gezahlt oder Beitragmarken zu Unrecht verwendet wurden, prüft der Rentenversicherungsträger die Beanstandung der entsprechenden Beiträge.

Rechtsvermutung für rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarten (Absatz 2)

§ 286 Abs. 2 SGB VI stellt für eine vor dem 01.01.1992 rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarte unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsvermutung auf, dass

  • ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Arbeitsentgelt bestanden hat und die dafür zu zahlenden Beiträge rechtzeitig gezahlt worden sind und
  • während der mit Beitragsmarken belegten Zeiten ein gültiges Versicherungsverhältnis vorgelegen hat.

Rechtzeitig umgetauscht bedeutete das Aufrechnen der „alten“ Versicherungskarte, das Ausstellen einer Aufrechnungsbescheinigung und deren Bekanntgabe an den oder die Versicherte und - regelmäßig - das Ausstellen einer neuen Versicherungskarte.

Die Rechtsvermutung setzt neben dem rechtzeitigen Umtausch der Versicherungskarte die ordnungsgemäße Bescheinigung von Beschäftigungszeiten beziehungsweise die ordnungsgemäße Verwendung von Beitragsmarken voraus (vergleiche Abschnitt 3.1).

Ist die Rechtsvermutung des § 286 Abs. 2 SGB VI erfüllt, braucht der Rentenversicherungsträger das Versicherungsverhältnis nicht nachzuprüfen. Anderenfalls kann die Rechtsvermutung vom Rentenversicherungsträger widerlegt werden (vergleiche Abschnitt 3.3).

Die Rechtsvermutung betrifft nur vor dem 01.01.1992 rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarten, die

  • Beschäftigungszeiten bis zur Einführung des Meldeverfahrens nach der DEVO/DÜVO, also bis zum 31.12.1972, und
  • Beitragsmarken für versicherungspflichtige Selbständige beziehungsweise freiwillig Versicherte und Höherversicherte bis zur Einführung des bargeldlosen Beitragsverfahrens, also bis zum 31.12.1976,

enthalten.

Die Rechtsvermutung für die nach der DEVO/DÜVO beziehungsweise der DEÜV gemeldeten Beschäftigungszeiten ab dem 01.01.1973 ergibt sich aus § 199 S. 1 SGB VI (vergleiche auch GRA zu § 199 SGB VI).

Bis zum 31.12.1976 nicht verwendete Beitragsmarken verloren seither ihre Gültigkeit. Die Markenverwendung wurde ab 01.01.1977 von der bargeldlosen Beitragszahlung abgelöst (bis 31.12.1991: § 11 Abs. 2 Rentenversicherungs-Beitragsentrichtungsverordnung - RV-BEVO; ab 01.01.1992: § 10 Rentenversicherungs-Beitragszahlungsverordnung - RV-BZV).

Voraussetzungen für die Rechtsvermutung

Im Einzelnen sind für die Rechtsvermutung folgende Kriterien maßgebend:

  • Rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarten
    Die Versicherungskarte muss rechtzeitig umgetauscht sein, dass heißt innerhalb von drei Jahren nach dem Tag der Ausstellung (§ 134 Abs. 1 letzter Halbs. AVG, § 1412 Abs. 1 letzter Halbs. RVO, § 12 VVA).
    • Wurde die dreijährige Umtauschfrist in der Zeit vom 01.12.1943 bis 31.05.1949 versäumt, ist das unschädlich, weil bis Kriegsende von einem Kartenumtausch möglichst abgesehen werden sollte (RAM-Erlass vom 30.11.1943, AN 1944 S. II 6). Bis zum Inkrafttreten des SVAG (01.06.1949) ist ein rechtzeitiger Kartenumtausch wegen Papierknappheit häufig unterblieben.
    • Die Rechtsvermutung gemäß § 286 Abs. 2 SGB VI besteht nicht bei Versicherungskarten, die im vereinfachten Verfahren ohne Aufrechnung nur mit Datum und Stempelaufdruck "Umtausch 71/72" umgetauscht wurden (VO vom 27.05.1971 - BGBl. I S. 725).
    • Versicherungskarten der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) sind auch dann aufgerechnet, wenn die Aufrechnung nicht durch einen förmlichen Aufrechnungsvermerk, sondern lediglich durch Stempelaufdruck, Datum und Namen des Sachbearbeiters bestätigt worden ist (BSG vom 11.09.1991, AZ: 5 RJ 46/90, SozR 2200 § 1423 Nr. 1).
      Weitere Einzelheiten über Versicherungsunterlagen nach dem Berliner Recht enthält die GRA zu § 248 SGB VI unter „Beitragszeiten nach Berliner Recht“.
  • Ordnungsgemäß bescheinigte Beschäftigungszeiten
    Die Beschäftigungszeiten dürfen nicht länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegen und müssen vom Arbeitgeber ordnungsgemäß bescheinigt sein (§ 14 VVA).
    Als Bestandteil der Versicherungskarte ist der Einlagezettel für Entgeltzeiten längstens bis zum 31.12.1956 anzusehen (BSG vom 18.08.1971, AZ: 4 RJ 197/70, USK 26/1971).
    Nicht ordnungsgemäß und deshalb ohne Rechtsvermutung sind Entgeltbescheinigungen, die hinsichtlich
    • der Beschäftigungszeiten,
    • des Arbeitsentgelts,
    • der Einzugsstelle,
    • des Arbeitgebers (auch fehlende Unterschrift)
    unvollständige Angaben enthalten.
    Zum Begriff der „Ordnungsmäßigkeit“ existiert BSG-Rechtsprechung (BSG vom 26.09.1972, AZ: 12 RJ 172/72, SozR RVO § 1423 Nr. 9).
  • Ordnungsgemäß verwendete Beitragsmarken
    Die Beitragsmarken müssen ordnungsgemäß verwendet sein (§ 131 AVG, § 1409 RVO).
    Nicht ordnungsgemäß verwendet und deshalb ohne Rechtsvermutung sind beispielsweise
    • auf Einlageblätter geklebte Beitragsmarken;
      Ausnahme:
      Beitragsmarken der Angestelltenversicherung und der Arbeiterrentenversicherung, die für Zeiten vom 01.12.1943 bis zum 31.12.1956 auf Einlagezettel geklebt wurden (Rundschreiben des RVA vom 30.11.1943 - AN 1944 S. II 6 ), sind als ordnungsgemäß gezahlte Beiträge anzusehen (BSG vom 26.09.1967, AZ: 1 RA 211/66, SozR RVO § 1409 Nr. 4).
    • wiederverwendete Beitragsmarken;
    • bereits vor dem Einkleben für ungültig erklärte Beitragsmarken (§ 132 Abs. 4 und 5 AVG§ 1410 Abs. 4 und 5 RVO).
    Beitragsmarken wurden mit Wirkung vom 31.12.1976 für ungültig erklärt (§ 11 RV-BEVO und § 10 RV-BZV).

Wirkung der Rechtsvermutung

Sind die unter Abschnitt 3.1 genannten Voraussetzungen erfüllt, ist für den Inhalt der Versicherungskarte zu vermuten, dass

  • im Lohnabzugsverfahren
    ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Arbeitsentgelt bestanden hat und die dafür zu zahlenden Beiträge rechtzeitig gezahlt worden sind,
  • im Markenverfahren
    ein gültiges Versicherungsverhältnis vorgelegen hat.

Anfechtung der Rechtsvermutung

Die Rechtsvermutung kann durch die an der Beitragszahlung Beteiligten (Versicherter, Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger) angefochten werden. Die Anfechtung ist angezeigt, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Beitragszahlung rechtfertigen.

Die Anfechtung ist ausgeschlossen,

  • sofern der Beanstandungsschutz nach § 286 Abs. 3 SGB VI eingetreten ist (vergleiche Abschnitt 4) oder
  • der Rentenversicherungsträger ein Anerkenntnis über die Rechtsgültigkeit der Beitragszahlung nach § 145 Abs. 3 AVG beziehungsweise § 1423 Abs. 3 RVO in der Zeit vom 01.01.1957 bis 31.12.1980 abgegeben hat (vergleiche Abschnitt 4.5).

Beanstandungsschutz für aufgerechnete Versicherungskarten (Absatz 3)

Der Beanstandungsschutz nach § 286 Abs. 3 SGB VI setzt zunächst voraus, dass dem oder der Versicherten die Aufrechnung der Versicherungskarte in Form einer Aufrechnungsbescheinigung bekannt gegeben wurde.

Nach Ablauf von 10 Jahren nach Aufrechnung der Versicherungskarte können

  • die Richtigkeit der Eintragung der Beschäftigungszeiten, der Arbeitsentgelte und der Beiträge und
  • die Rechtsgültigkeit der Verwendung der in der Aufrechnung der Versicherungskarte bescheinigten Beitragsmarken

vom Rentenversicherungsträger nicht mehr angefochten werden. Damit darf nach Ablauf von zehn Jahren seit ihrer Aufrechnung der Inhalt einer Versicherungskarte beziehungsweise der Inhalt der Aufrechnung nach § 286 Abs. 3 SGB VI grundsätzlich nicht mehr beanstandet werden.

Dieser Beanstandungsschutz knüpft lediglich an die Aufrechnung der Versicherungskarte an. Nicht erforderlich ist, dass die für die Rechtsvermutung nach Absatz 2 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Beanstandungsschutz tritt für eine aufgerechnete Versicherungskarte deshalb auch ein,

  • wenn die Versicherungskarte nicht rechtzeitig, dass heißt binnen drei Jahren nach dem Tag der Ausstellung aufgerechnet worden ist oder
  • die bescheinigten Beschäftigungszeiten länger als ein Jahr vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegen oder
  • die Beitragsmarken nicht ordnungsgemäß verwendet sind.

Der Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI tritt nicht ein bei Versicherungskarten, die im vereinfachten Verfahren ohne Aufrechnung nur mit Datum und Stempelaufdruck „Umtausch 71/72“ umgetauscht worden sind (VO vom 27.05.1971 - BGBl. I S. 725).

Nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist die Anfechtung (Beanstandung) durch den Rentenversicherungsträger nur noch zulässig, wenn der oder die Versicherte oder ihre Vertreter oder zur Fürsorge für sie Verpflichtete die Eintragung in die Entgeltbescheinigung oder die Verwendung der Marken in betrügerischer Absicht herbeigeführt haben (§ 286 Abs. 3 S. 2 SGB VI).

Umfang des Beanstandungsschutzes

Der Beanstandungsschutz nach § 286 Abs. 3 SGB VI erstreckt sich

  • im Lohnabzugsverfahren auf den Inhalt der Versicherungskarte (siehe auch Abschnitt 4.1.1),
  • im Markenverfahren auf die in der Aufrechnungsspalte der Versicherungskarte bescheinigten Beiträge (siehe auch Abschnitt 4.1.2).

Der Beanstandungsschutz erstreckt sich dagegen nicht auf den Inhalt der Aufrechnungsbescheinigung (BSG vom 11.07.1972, AZ: 5 RJ 455/70, NachrLVA HE 1974, 59) und auch nicht auf Nachversicherungsbescheinigungen nach § 124 Abs. 6 AVG (BSG vom 20.03.1986, AZ: 11a RA 64/84, SozR 2200 RVO § 1232 Nr. 19) beziehungsweise § 1402 Abs. 6 RVO.

Im Markenverfahren bezieht sich der Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI auch auf die Markenart (BSG vom 29.11.1979, AZ: 4 RJ 69/78, SozSich 1980, 128). Darüber hinaus besteht ein Beanstandungsschutz nur bis zur jeweils geltenden höchsten Beitragsklasse.

Für Ersatz- und Anrechnungszeiten (früher: Ausfallzeiten) gilt der Beanstandungsschutz nicht, es sei denn, eine Eintragung in die Versicherungskarte wurde durch den Rentenversicherungsträger vorgenommen. In diesem Fall handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt (BSG vom 08.07.1970 in BSGE 31, 226). Die Eintragung von Ersatz- und Anrechnungszeittatbeständen durch eine Ausgabestelle erfolgte dagegen lediglich zur Beweissicherung. Es ist dabei unerheblich, ob die Aufrechnung der Versicherungskarte durch eine Ausgabestelle oder durch den Rentenversicherungsträger erfolgt ist.

Beanstandungsschutz im Lohnabzugsverfahren

Ob und in wie weit der Beanstandungsschutz nach § 286 Abs. 3 SGB VI für Inhalte einer Versicherungskarte im Lohnabzugsverfahren besteht, ist einzelfallbezogen anhand folgender Faktoren zu untersuchen:

  • Vollständige Entgelteintragungen
    Schutzfähig sind nur vollständige Entgelteintragungen, wonach zumindest die genaue Beschäftigungszeit, das erzielte Arbeitsentgelt sowie Name und Anschrift des Arbeitgebers und der Einzugsstelle in der Versicherungskarte eingetragen sind. Das Fehlen der Unterschrift des Arbeitgebers ist unschädlich (BSG vom 26.09.1972, AZ: 12 RJ 172/72, SozR Nr. 9 zu § 1423 RVO und BSG vom 29.06.1984, AZ: 4 RJ 83/83; SozR 2200 § 1423 Nr. 17). Die Entgelteintragung ist jedoch unvollständig, wenn zum Beispiel die Einzugsstelle nicht angegeben ist.
  • Doppeleintragung
    Der Beanstandungsschutz wirkt sich im Hinblick auf BSG-Rechtsprechung (BSG vom 26.09.1972, AZ: 12 RJ 172/72, SozR Nr. 9 zu § 1423 RVO und BSG vom 29.06.1984, AZ: 4 RJ 83/83; SozR 2200 § 1423 Nr. 17) auch auf Doppeleintragungen aus. Eine Doppeleintragung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber in derselben oder in mehreren Versicherungskarten eines Versicherungszweiges oder verschiedener Versicherungszweige für bestimmte Zeiträume Entgelteintragungen mehrfach vorgenommen hat. Nach der Rechtsprechung wurden Doppeleintragungen für jede Entgelteintragung bis zur Höhe der maßgebenden Beitragsbemessungsgrenze geschützt. Später wurden Doppeleintragungen vorübergehend als berichtigungsfähig angesehen. Soweit Doppeleintragungen in der Vergangenheit ungleich behandelt worden sind und die oder der Versicherte hiergegen keine Einwendungen erhoben hat, verbleibt es dabei.
  • Entgelteintragung über der Beitragsbemessungsgrenze
    Ist in einer seit mehr als zehn Jahren aufgerechneten Versicherungskarte eine die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze übersteigende Entgelteintragung enthalten, so ist nach § 286 Abs. 3 SGB VI eine Eintragung nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze geschützt.
    Für über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus gezahlte Beiträge können der oder die Versicherte oder der Arbeitgeber einen Antrag auf Erstattung stellen.
  • Entgelteintragungen für Mehrfachbeschäftigte
    Sind in einer länger als zehn Jahre aufgerechneten Versicherungskarte für Mehrfachbeschäftigte für dieselben Zeiträume mehrere Entgelteintragungen enthalten, die für sich allein oder zusammen die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, so ist jede einzelne Entgelteintragung der Beitragsbemessungsgrenze gegenüberzustellen und bis zu deren Höhe nach § 286 Abs. 3 SGB VI geschützt.
    Siehe Beispiel 1
  • Entgeltbescheinigungen auf Einlagezetteln und Ersatzbescheinigungen
    Der Beanstandungsschutz gilt auch für Entgeltbescheinigungen auf einem im Lohnabzugsverfahren üblichen Einlagebogen, wenn dieser mit der Versicherungskarte aufgerechnet wurde (BSG vom 09.05.1974, AZ: 11 RA 79/73, SozR 2200 § 1423 Nr. 1).
    Bescheinigungen der Ausgabestellen über den Ersatz einer Versicherungskarte (Ersatz-VK und Ersatz-AB nach den §§ 135 AVG, 1413 RVO, 22 bis 25 VVA; Ersatz-AB nach §§ 25 bis 27 BO) unterliegen gleichfalls dem Beanstandungsschutz. Auf vor dem 01.01.1954 erstellte Ersatzbescheinigungen der ehemaligen BfA ist § 286 Abs. 3 SGB VI nur anzuwenden, wenn sie dem oder der Versicherten bekannt gegeben worden sind (§ 27 Abs. 4 S. 1 BO und BSG vom 13.03.1975, AZ: 11 RA 29/74, SozR 2200 § 1423 Nr. 4).
  • Entgelteintragungen für Zeiten vor dem 01.07.1942 (29.06.1942)
    Der Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI erstreckt sich auch auf Entgelteintragungen für Zeiten vor dem 01.07.1942 (29.06.1942), die in einer länger als zehn Jahre aufgerechneten Versicherungskarte (Quittungskarte) enthalten sind (BSG vom 03.10.1979, AZ: 11 RA 75/78, SozR 2200 § 1423 Nr. 10).
    Das gilt auch dann, wenn neben den bescheinigten LAV-Beiträgen für denselben Zeitraum Markenbeiträge in der Versicherungskarte enthalten sind. Die Markenbeiträge sind in diesen Fällen als Mehrfachbeiträge zu berücksichtigen, sofern es sich um Pflichtbeiträge handelt.
  • Versicherungskarten der VAB
    Der Beanstandungsschutz gilt für Versicherungskarten der VAB entsprechend. Soweit für Zeiten ab 01.01.1951 Beiträge im Lohnabzugsverfahren zu zahlen waren, ist die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Beschäftigungszeit und das beitragspflichtige Arbeitsentgelt geschützt (BSG vom 11.09.1991, AZ: 5 RJ 46/90, SozR 2200 § 1423 Nr. 1).
    Sind die Beiträge im Markenverfahren gezahlt, ist die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Beschäftigungszeit und den Markenwert geschützt. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber mehr als 10.000 Versicherte beschäftigte und deshalb von der Verwendung von Beitragsmarken befreit war, sind die vom Arbeitgeber bescheinigte Beschäftigungszeit und der bescheinigte Beitragswert geschützt.
    Einzelheiten über die Versicherungsunterlagen nach dem Berliner Recht enthält die GRA zu § 248 SGB VI unter Abschnitt „Beitragszeiten nach Berliner Recht“.
  • Beitragsnachweise der knappschaftlichen Rentenversicherung und der Seekasse
    Der Beanstandungsschutz gilt auch für Beitragsnachweise der knappschaftlichen Rentenversicherung und der Seekasse (§ 286 Abs. 3 S. 3 und Abs. 7 SGB VI).

Beanstandungsschutz im Markenverfahren

Ob und in wie weit der Beanstandungsschutz nach § 286 Abs. 3 SGB VI für Inhalte einer Versicherungskarte im Markenverfahren besteht, ist einzelfallbezogen anhand folgender Faktoren zu untersuchen:

  • Markenbeiträge neben LAV-Beiträgen
    Sind in einer länger als zehn Jahre aufgerechneten Versicherungskarte für dieselben Zeiträume neben Pflichtbeiträgen im Lohnabzugsverfahren auch Pflichtbeiträge oder - für Zeiten ab 01.01.1957 - freiwillige Beiträge durch Verwendung von Beitragsmarken gezahlt worden, gilt Folgendes:
    Die Entgelteintragung ist bis zur Beitragsbemessungsgrenze nach § 286 Abs. 3 SGB VI, die Markenbeiträge sind bis zum jeweils gültigen Höchstbeitrag geschützt und bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Dass nach Zusammenrechnung gegebenenfalls die Beitragsbemessungsgrenze überschritten wird ist unbeachtlich.
    Siehe Beispiel 2
  • Mehrere Markenbeiträge für einen Monat
    Sind für einen Monat mehrere Pflichtbeiträge oder für Zeiten ab 01.01.1957 freiwillige Beiträge neben Pflicht- oder freiwilligen Markenbeiträgen durch Verwendung von Beitragsmarken gezahlt, die nach § 286 Abs. 3 SGB VI nicht mehr beanstandungsfähig sind, so ist grundsätzlich jeder dieser Beiträge bei der Rentenberechnung mit dem für seine Beitragsklasse geltenden Entgeltpunkt anrechenbar. Das gilt auch dann, wenn die Summe der Entgeltpunkte aus diesen Beiträgen höher ist als der Entgeltpunkt der höchsten Beitragsklasse des betreffenden Bewertungszeitraums.
  • Unstimmigkeiten zwischen Markeninhalt und Aufrechnung
    Nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist grundsätzlich die Aufrechnung der Versicherungskarte maßgebend (BSG vom 21.05.1974, AZ: 1 RA 13/73, SozR 2200 § 1423 Nr. 2). Eine Beanstandung durch den Rentenversicherungsträger kommt nur in Betracht, wenn Versicherte oder ihre Vertreter oder zur Fürsorge für sie Verpflichtete die Verwendung der Marken in betrügerischer Absicht herbeigeführt haben (§ 286 Abs. 3 S. 2 SGB VI). Wird beim Bearbeiten festgestellt oder macht die oder der Versicherte geltend, dass der tatsächliche Markeninhalt der Versicherungskarte günstiger ist als die in der Aufrechnung bescheinigten Beiträge, so ist der tatsächliche Markeninhalt zu berücksichtigen.
  • Lose Beitragsmarken oder entfernte Beitragsmarken
    Beitragsmarken, die nicht in eine Versicherungskarte eingeklebt wurden (lose Beitragsmarken), stellen keine rechtswirksame Beitragsentrichtung dar. Der Gegenwert der Beitragsmarken ist dem Einsender zu erstatten. Zuvor muss geprüft werden, ob die Beitragsmarken unverwendet sind.
    Beitragsmarken, die sich aus einer Versicherungskarte gelöst haben oder die entfernt worden sind, werden wieder in die Versicherungskarte eingeklebt. Sie sind als Beitrag zu berücksichtigen.
    Das Herauslösen bereits verwendeter Beitragsmarken ist insbesondere zu erkennen
    • an frei gewordenen Klebestellen in der Versicherungskarte,
    • an den von der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte oder einer ehemaligen Landesversicherungsanstalt gemachten roten Entwertungsstrichen in der Versicherungskarte, wenn diese
      • als nicht durchgehender Strich oder
      • auf leeren Markenfeldern, die zwischen mit Beitragsmarken beklebten Feldern liegen,
      erscheinen.

Wirkung des Beanstandungsschutzes

Besteht für den Rentenversicherungsträger wegen Ablaufs der Zehnjahresfrist nach § 286 Abs. 3 SGB VI kein Beanstandungsrecht, so wird eine materielle Rechtslage ohne Rücksicht darauf geschaffen, ob und inwieweit diese materielle Rechtslage den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Eine zugunsten der Rechtsstellung von Versicherten wirkende Berichtigung der Versicherungskarte ist aber nicht ausgeschlossen. Der oder die Versicherte kann im Gegensatz zum Rentenversicherungsträger jederzeit auf den Beanstandungsschutz verzichten (BSG vom 14.03.1985, AZ: 5b RJ 10/84, SozR 2200 § 1423 Nr. 19, und AGFAVR 3/86, TOP 2 am 06.08.1986).

Nicht mehr beanstandungsfähige Beiträge sind bei der Leistungsfeststellung und waren beim Prüfen der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung (§ 7 Abs. 2 SGB VI in der vor dem 11.08.2010 geltenden Fassung) in dem geschützten Umfang zu berücksichtigen.

Soweit aufgrund einer Berichtigungsmitteilung des Überwachungsbeamten oder der Einzugsstelle noch vor Ablauf der Zehnjahresfrist in der Versicherungskarte eine Korrektur der Entgeltbescheinigung vorgenommen, der oder dem Versicherten gegenüber aber insoweit keine Beanstandung ausgesprochen wurde, verbleibt es bei der ursprünglichen Entgelteintragung.

Wurden Beiträge vom Rentenversicherungsträger hingegen ordnungsgemäß beanstandet und für rechtsunwirksam erklärt und wurde dies dem oder der Versicherten auch mitgeteilt, besteht kein Beanstandungsschutz. Der Rentenversicherungsträger kann sich auf frühere Bescheide berufen, auch wenn er deren Zustellung nicht mehr nachweisen kann. Den Unterlagen und Aufzeichnungen des Rentenversicherungsträgers ist voller Beweiswert beizumessen (BSG vom 24.10.1974, AZ: 11 RA 170/73).

Eine einmal eingetretene Verfallswirkung des § 82 Abs. 7 AVG beziehungsweise § 1303 Abs. 7 RVO (für Beitragserstattungen bis 31.12.1991; ab 01.01.1992: § 210 Abs. 6 SGB VI) wird für erstattete, aber noch in einer Versicherungskarte enthaltene Beiträge durch den Ablauf der Zehnjahresfrist des § 286 Abs. 3 SGB VI nicht beseitigt. Folglich können die vermeintlich „geschützten“ Beiträge bei einer späteren Leistungsfeststellung nicht berücksichtigt werden (BSG vom 24.10.1975, AZ: 5 RJ 70/75, SozR 2200 RVO § 1423 Nr. 7 und GRA zu § 210 SGB VI, Abschnitt 10 ff.).

Verzicht auf den Beanstandungsschutz

Der Ablauf der Zehnjahresfrist schließt nur die Anfechtung (Beanstandung) durch den Rentenversicherungsträger aus. Dagegen kann die oder der Versicherte (beziehungsweise ein Hinterbliebener) auf den Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI verzichten. Auf Antrag von Berechtigten muss der Rentenversicherungsträger daher auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist die Beiträge beziehungsweise die Eintragungen in der Versicherungskarte noch berichtigen. Der Verzicht ist an keine Form gebunden. Wird beispielsweise die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten beantragt, müssen genaue Daten zu den Anrechnungszeittatbeständen vorliegen. Das Vorliegen eines Anrechnungszeittatbestandes allein aufgrund der bescheinigten Entgelthöhe zu vermuten reicht nicht aus.

Eine Berichtigung der Entgelteintragung ist jedoch nur zugunsten der oder des Versicherten zulässig. Der Rentenversicherungsträger hat vorab stets zu prüfen, ob durch die Änderung der eingetragenen Beschäftigungszeit die Wartezeit noch erfüllt ist. Das Durchführen einer Vergleichsberechnung ist normalerweise nicht erforderlich. Können die Auswirkungen des Verzichts auf den Beanstandungsschutz im Ausnahmefall aber nicht anders geprüft werden, ist es zulässig, eine Vergleichsberechnung nach dem zum Zeitpunkt der Berechnung geltenden Recht vorzunehmen. Mögliche spätere Rechtsänderungen können dabei nicht einbezogen werden.

Nachgewiesene Krankheitszeiten

Ein Verzicht auf den Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI kann auch ohne ausdrückliche Willenserklärung der oder des Versicherten angenommen werden, wenn zum Beispiel eine länger als zehn Jahre aufgerechnete Versicherungskarte eine Entgelteintragung enthält und während der bescheinigten Beschäftigungszeit eine länger als einen Monat dauernde Krankheitszeit ohne Entgeltbezug nachgewiesen ist.

Dies gilt zum Beispiel für Fälle, in denen die Krankheitszeit

  • in der Aufrechnung der Versicherungskarte bescheinigt ist,
  • durch eine im Konto befindliche Krankheitsbescheinigung nachgewiesen ist oder
  • im Renten- beziehungsweise Kontenklärungsverfahren durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen wird.

Beachte:

Bis 1972 sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Falle der Gehalts- beziehungsweise Lohnfortzahlung grundsätzlich bereits vom tatsächlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit an bescheinigt worden (vergleiche Erlass des BMA vom 18.09.1959 - IVb 2-2570/59 -). Erst seit dem Erlass des BMA vom 14.01.1972 - IVb 3-4541.7 - 702/71 - ist nur die Zeit nach Wegfall der Gehalts- beziehungsweise Lohnfortzahlung eintragungsfähig.

Nachgewiesene Schwangerschaftszeiten

Ein Verzicht auf den Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI kann auch dann angenommen werden, wenn die Versicherte beispielsweise im Rentenantrag oder im Antrag auf Kontenklärung die Frage nach Zeiten der Schwangerschaft, des Wochenbetts oder der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz bejaht oder in einem anderen Zusammenhang die Anerkennung derartiger Anrechnungszeiten begehrt und eine Geburtsurkunde des Kindes vorlegt.

In diesen Fällen ist die in der Versicherungskarte bescheinigte Beschäftigungszeit grundsätzlich unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Schutzfristen (für Geburten ab 01.07.1942: sechs Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt) zu berichtigen. Legt die Versicherte Unterlagen vor, aus denen sich der tatsächliche Zeitraum der Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung ergibt, ist die bescheinigte Beschäftigungszeit in dem nachgewiesenen Umfang zu berichtigen.

Beachte:

Der Antrag auf Feststellung von Zeiten der Kindererziehung unter Vorlage einer Geburtsurkunde des Kindes beinhaltet grundsätzlich keinen Verzicht auf den Beanstandungsschutz des § 286 Abs. 3 SGB VI. Anders als in den Fällen von Abschnitt 4.3.1 und Abschnitt 4.3.2 ist hier der Wille ausschließlich auf die Feststellung der Kindererziehungszeiten gerichtet. Das unter Abschnitt 4.3.2 Gesagte gilt nur, wenn die Versicherte in irgendeiner Weise zum Ausdruck bringt, dass sie außerdem die Anrechnung von Zeiten der Schwangerschaft, des Wochenbettes oder der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz begehrt oder dass die nach § 286 Abs. 3 SGB VI geschützte Entgelteintragung wegen dieser Zeiten unrichtig ist.

Ersatz-Versicherungskarte und Original-Versicherungskarte

Wurde als Ersatz für die nicht auffindbare Original-Versicherungskarte eine Ersatz-Versicherungskarte ausgestellt (§ 286 Abs. 4 SGB VI), so hat die Original-Versicherungskarte alle Rechtswirkungen verloren. Wird die Original-Versicherungskarte wieder aufgefunden, berührt dies einen nach § 286 Abs. 3 SGB VI erlangten Beanstandungsschutz der Ersatz-Versicherungskarte nicht (BSG vom 18.08.1983, AZ: 11 RA 78/82, SozR 2200 § 1423 Nr. 15). Die Ersatz-Versicherungskarte ist also selbst dann beanstandungsgeschützt, wenn die Original-Versicherungskarte später wieder aufgefunden wird.

Anerkenntnisse nach AVG beziehungsweise RVO alter Fassung vor 1981

Haben die Träger der Rentenversicherung nach § 145 Abs. 3 S. 2 AVG alter Fassung oder nach § 1423 Abs. 3 S. 2 RVO alter Fassung die Versicherungspflicht oder die Versicherungsberechtigung anerkannt, so konnte der Rentenanspruch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass Versicherungspflicht nicht bestanden hat oder die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet sind. § 145 Abs. 3 S. 2 AVG alter Fassung beziehungsweise § 1423 Abs. 3 S. 2 RVO alter Fassung wurden ab 01.01.1981 aufgehoben (Art. II § 4 Nr. 1 SGB X beziehungsweise Art. II § 6 Nr. 1 SGB X).

Die vor dem 01.01.1981 ergangenen Anerkenntnisse sind laut BSG-Rechtsprechung (BSG vom 27.02.1980, AZ: 1 RA 11/79, SozR 2200 § 1423 Nr. 12 und BSG vom 30.06.1983, AZ: 11 RA 26/83 , DAngVers 1984, 258) nicht aufhebbar, weil sich aus diesen Vorschriften eigene Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Nichtleistungsbescheiden ergaben, die die Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts ausschlossen. Die Vorschriften der §§ 44 bis 49 SGB X sind auf die bis zum 31.12.1980 ergangenen beitragsrechtlichen Verwaltungsakte nicht anzuwenden, weil sie ein Anerkenntnis im Sinne von § 145 Abs. 3 S. 2 AVG alter Fassung beziehungsweise § 1423 Abs. 3 S. 2 RVO alter Fassung in der bis 31.12.1980 geltenden Fassung darstellen (am 13.01.1981, AGFAVR 1/81, TOP 2).

Ersatz von Versicherungskarten (Absatz 4)

Verlorene, unbrauchbare und zerstörte Versicherungskarten ersetzt der Träger der Rentenversicherung im Wege eines „Kartenersatzes“ durch Speichern von Beitragszeiten im Versicherungskonto, wenn

  • die Beschäftigungszeit,
  • das Arbeitsentgelt und
  • die Beitragszahlung

nachgewiesen sind.

Vom Nachweis ist bereits dann auszugehen, wenn entweder

  • der zeitliche Umfang der Beitragszeit nachgewiesen oder
  • der zeitliche Umfang der Beitragszeit glaubhaft und die Höhe des Arbeitsentgeltes nachgewiesen ist.

Ist die Höhe des Arbeitsentgelts nicht bekannt oder nicht auf sonstige Weise festzustellen, werden Entgeltpunkte entsprechend § 256c SGB VI aus den sich aufgrund der Anlagen 1 bis 16 zum FRG ergebenden Werte ermittelt („unechter Kartenersatz“, vergleiche AGFAVR 2/92, TOP 10).

Handelt es sich bei der nachgewiesenen Zeit um eine Lehrzeit, sind für jeden vollen Kalendermonat hilfsweise 0,0250 Entgeltpunkte zu berücksichtigen (vergleiche GRA zu § 256c SGB VI, Abschnitt 6). Nach früherer Rechtsauffassung wurden Lehrzeiten mit unbekanntem Entgelt satzungsübliche Beitragsbemessungsgrundlagen der Krankenkassen von 1,00 DM täglich beziehungsweise 30,00 DM monatlich zugeordnet. Soweit in der Vergangenheit so verfahren wurde, hat es damit auch für die Zukunft sein Bewenden.

Für den Nachweis ist jedes Beweismittel zulässig (BSG vom 17.03.1964 in BSGE 20, 255; vom 24.03.1965 in BSGE 20, 275). Der Nachweis erfolgt beispielsweise durch Vorlage von Aufrechnungsbescheinigungen, Bescheinigungen von Arbeitgebern und Krankenkassen, Lohnsteuerkarten und Lehrverträgen.

Der Nachweis der Beitragszahlung zur Rentenversicherung ergibt sich grundsätzlich aus der von der Krankenkasse bescheinigten Beitragsgruppe.

Ist eine Beitragszeit nur glaubhaft gemacht und das Arbeitsentgelt nachgewiesen, kann eine Arbeitergeberbescheinigung mit Angabe des Arbeitsentgelts - auch ohne Angaben über mögliche Unterbrechungstatbestände - die Grundlage für einen Kartenersatz sein. Dann ist davon auszugehen, dass mögliche Unterbrechungstatbestände beim Arbeitsentgelt berücksichtigt worden sind.

Dagegen ist eine Krankenkassenbescheinigung ohne die konkrete Angabe zu möglichen Fehlzeiten wie beispielsweise Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Krankengeldbezug nur ein Mittel der Glaubhaftmachung (RBRTB 1/80, TOP 25).

Glaubhaftmachung von Beitragszeiten bis 31.12.1972 (Absatz 5)

§ 286 Abs. 5 SGB VI ermöglicht Versicherten beim Fehlen eines Beitragsnachweises, Beitragszeiten bis zum 31.12.1972 glaubhaft zu machen.

Glaubhaft zu machen ist, dass

  • eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt wurde,
  • für die entsprechende Beiträge gezahlt worden sind und
  • die Beschäftigung nicht rechtzeitig oder nicht auf einer vorhandenen Versicherungskarte bescheinigt wurde, weil die Beschäftigung vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder auf der vorliegenden Versicherungskarte nicht bescheinigt wurde.

Hinweis:

Zeiten vor dem Lohnabzugsverfahren (29.06./01.07.1942) sind hiervon regelmäßig ausgeschlossen, da Beiträge im Markenverfahren erst durch Einkleben in die Versicherungskarte als entrichtet gelten.

Es sind alle Möglichkeiten der Glaubhaftmachung auszuschöpfen (§§ 21, 23 SGB X). Von einer Glaubhaftmachung ist auszugehen, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde und die hierfür erforderlichen Beiträge an die Einzugsstelle abgeführt worden sind. Bei der Beweiswürdigung sind stets die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Als geeignete Mittel der Glaubhaftmachung kommen neben Unterlagen der Krankenkasse, des Arbeitgebers und sonstigen Belegen der oder des Versicherten wie beispielsweise Lohnsteuerkarten (siehe dazu GRA zu § 203 SGB VI, Abschnitt 2.3) auch Zeugenerklärungen in Betracht. Eine eigene Versicherung an Eides statt der oder des Versicherten ist kein Mittel der Glaubhaftmachung, da § 286 Abs. 5 SGB VI diese Möglichkeit nicht vorsieht.

Gelingt es glaubhaft zu machen, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt wurde und dass hierfür Beiträge gezahlt worden sind, ist die Beschäftigung zeitlich in vollem Umfang als Beitragszeit vorzumerken beziehungsweise anzuerkennen und das bekannte sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Ist die Höhe des Arbeitsentgeltes nicht bekannt und auch nicht auf sonstige Weise feststellbar, sind die sich aus den Anlagen 1 bis 16 zum FRG ergebenden Werte zu fünf Sechsteln zugrunde zu legen (§ 256b Abs. 1 letzter S. SGB VI). Handelt es sich bei der glaubhaft gemachten Zeit um eine Lehrzeit, sind für jeden vollen Kalendermonat hilfsweise 0,0208 Entgeltpunkte zu berücksichtigen (§ 256b Abs. 2 SGB VI).

Gehaltsabzugsfiktion für Zeiten bis 31.12.1972 (Absatz 6)

§ 286 Abs. 6 SGB VI ermöglicht es Versicherten beim Fehlen eines Beitragsnachweises für Zeiten bis zum 31.12.1972 glaubhaft zu machen, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung abgezogen wurde.

Glaubhaft zu machen sind:

  • die Dauer der Beschäftigung,
  • die Höhe des erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und
  • die Einbehaltung des Arbeitnehmeranteils vom Arbeitsentgelt.

Mittel der Glaubhaftmachung können beispielsweise sein:

  • eine Bestätigung der Einzugsstelle (Krankenkasse),
  • Arbeitgeberbescheinigungen, die aufgrund konkreter Lohnunterlagen erstellt wurden,
  • Lohnsteuerkarten (siehe dazu GRA zu § 203 SGB VI, Abschnitt 2.3),
  • Lohnzettel oder
  • Zeugenerklärungen.

Eine Versicherung an Eides statt ist kein Mittel der Glaubhaftmachung, weil § 286 Abs. 6 SGB VI diese Möglichkeit nicht vorsieht.

Hinweis:

§ 286 Abs. 6 SGB VI ist nicht für Zeiten vor dem Lohnabzugsverfahren (29.06./01.07.1942) anzuwenden (Urteil des 11.Senats des BSG vom 26.09.1972, AZ: 11 RA 218/71). Waren nach Inkrafttreten des Lohnabzugsverfahrens weiterhin Beiträge im Markenverfahren zu entrichten, können fehlende Beiträge nicht nach § 286 Abs. 6 SGB VI als entrichtet gelten.

Gelingt es Versicherten, den Abzug ihres Arbeitnehmeranteils aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung glaubhaft zu machen, gilt der Beitrag maximal bis zur jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze als gezahlt.

Nachweis der Seefahrtzeiten und Durchschnittsheuern (Absatz 7)

Da für Seeleute im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB IV keine Versicherungskarten ausgestellt wurden, gelten die Absätze 1 bis 3 des § 286 SGB VI für den Nachweis von Seefahrtszeiten und Durchschnittsheuern entsprechend.

Beispiel 1: Entgelteintragungen für Mehrfachbeschäftigte

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.1)
In einer am 10.02.1959 aufgerechneten Versicherungskarte sind folgende Entgelteintragungen enthalten:
01.01.1958 bis 31.12.195810.000,00 DM
01.01.1958 bis 30.04.19583.500,00 DM
01.11.1958 bis 25.11.1958800,00 DM
Lösung:
Die erste Entgelteintragung ist bis zur Höhe der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze von 9.000,00 DM geschützt.
Die zweite Eintragung ist bis zur Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von insgesamt 3.000,00 DM (9.000,00 DM mal 4 geteilt durch 12 gleich 3.000,00 DM) geschützt.
Die dritte Eintragung ist ebenfalls nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze geschützt. Für den nicht voll belegten Monat November 1958 ist als Beitragsbemessungsgrenze 1/360 der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze vervielfältigt mit der Anzahl der Kalendertage zu berücksichtigen, das heißt ein Entgelt von 625,00 DM (9.000,00 DM mal 25 geteilt durch 360 gleich 625,00 DM) geschützt.

Beispiel 2: Markenbeiträge neben LAV-Beiträgen

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.2)

In einer am 10.02.1959 aufgerechneten Versicherungskarte sind folgende Beiträge enthalten:

Pflichtbeiträge im LAV vom 01.01.1958 bis 31.12.1958 in Höhe von 10.000,00 DM

freiwillige Beiträge vom 01.01.1958 bis 31.12.1958 in Höhe von 12 Beiträgen Klasse H

Lösung:

Die Entgelteintragung ist bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (9.000,00 DM) und die freiwilligen Beiträge sind in vollem Umfang nach § 286 Abs. 3 SGB VI geschützt.

(Bei einer monatlichen Beitragsbemessungsgrundlage von 750,00 DM nach § 256 Abs. 5 S. 2 SGB VI in Verbindung mit Anlage 4 zum SGB VI ergibt sich für die 12 Beiträge der Klasse H ein Jahreswert von 9.000,00 DM.)

RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl. I S. 1791 ff.)

Inkrafttreten: 01.08.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/2149, 15/3158

Absatz 4 Satz 3 der Vorschrift wurde mit Wirkung ab 01.08.2004 gestrichen (Artikel 1 Nummer 66 des Gesetzes).

Siebente Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785)
Inkrafttreten: 07.11.2001

In Absatz 4 Satz 3 wurden die Worte „der Bundesminister“ durch die Worte „das Bundesministerium“ ersetzt (Artikel 217 Nummer 4 der Verordnung).

Renten-Überleitungsgesetz vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 12/405

Durch Artikel 1 Nummer 107 RÜG wurde in Absatz 4 Satz 1 der Verweis auf die Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) rückwirkend zum 01.01.1992 in einen Verweis auf § 286a Abs. 1 SGB VI geändert (Art. 85 Abs. 1 RRG 1992 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 RÜG).

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

§ 286 SGB VI wurde durch Artikel 1 RRG 1992 mit Wirkung vom 01.01.1992 in das SGB VI eingefügt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 286 SGB VI