Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

§ 51 SGB I: Aufrechnung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

19.12.2022

Änderung

Verschiedene Abschnitte der GRA wurden in Abstimmung mit dem Schwerpunktträger erneut überarbeitet.

Dokumentdaten
Stand06.12.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 in Kraft getreten am 01.01.2005
Rechtsgrundlage

§ 51 SGB I

Version002.00
Schlüsselwörter
  • 0102

  • 0139

  • 0800

  • 1720

  • 1800

  • 1850

  • 1990

  • 6740

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift des § 51 SGB I gestattet es dem Rentenversicherungsträger als einem Leistungsträger im Sinne des SGB I, eigene Forderungen gegen Ansprüche auf Geldleistungen des Berechtigten aufzurechnen. Voraussetzung ist, dass die Forderungen gleichartig sind, das heißt beide Ansprüche müssen auf „Geld“ gerichtet sein. Darüber hinaus muss Identität von Schuldner und Gläubiger bestehen („Gegenseitigkeit“), das heißt der Gläubiger der einen Forderung muss zugleich Schuldner der anderen sein. Schließlich müssen beide Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnung auch fällig sein.

Nach Absatz 1 der Regelung können Ansprüche auf Geldleistungen insoweit aufgerechnet werden, als sie nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.

Absatz 2 ermöglicht zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und von Beitragsansprüchen eine über den Umfang der Aufrechnung nach Absatz 1 regelmäßig hinausgehende Aufrechnung. Sie können gegen Ansprüche auf Geldleistungen eines Leistungsberechtigten bis zur Hälfte der Leistung aufgerechnet werden, wenn der Berechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches SGB über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch SGB wird.

Für die Aufrechnung und deren Rechtswirkungen enthält das SGB im Wesentlichen keine gesonderten Vorschriften, sodass insoweit die Regeln des Bürgerlichen Rechts, nämlich die der §§ 387 ff. BGB anwendbar sind.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Nach Absatz 1 wird die Durchsetzung von Ansprüchen entsprechend der Pfändungsregelung in § 54 Abs. 2 und 4 SGB I geregelt.

Allgemeines zur Aufrechnung

Für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung war die Aufrechnung bis zum Inkrafttreten des SGB I auf bestimmte, konkret festgelegte Ansprüche begrenzt; die Aufzählung im Gesetz war abschließend (§§ 78 und 91 Abs. 4 AVG, §§ 1299 und 1312 Abs. 4 RVO). Die Rentenversicherungsträger konnten jedoch in Anlehnung an höchstrichterliche Rechtsprechung die Höhe des Aufrechnungsbetrages ohne Rücksicht auf den persönlichen notwendigen Unterhaltsbedarf festsetzen, sodass der Leistungsanspruch des Berechtigten unter Umständen fast vollständig entfallen konnte und er auf andere Leistungen aus dem Sozialleistungsbereich - in der Regel auf Sozialhilfe - angewiesen war. Diese Situation wurde damals für rechtspolitisch unbefriedigend und sozialpolitisch bedenklich gehalten. Deshalb schuf der Gesetzgeber mit dem SGB I, das seit dem 01.01.1991 auch im Beitrittsgebiet gilt, die Aufrechnung, wie wir sie heute kennen. Danach ist die Aufrechnung nicht mehr auf bestimmte Ansprüche gegen den Berechtigten beschränkt, das heißt der jeweilige Rentenversicherungsträger kann allgemein gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber Grenzen gesetzt. Aufgerechnet werden kann nach § 51 Abs. 1 SGB I nur, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I der Pfändung unterliegen. Das bedeutet unter anderem auch, dass der Rentenversicherungsträger die nach § 54 SGB I vorgesehenen und gerichtlich nachprüfbaren Abwägungen selbst vorzunehmen hat. Damit wird sichergestellt, dass die Aufrechnung nach dem SGB I grundsätzlich nur unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Aufrechnung nach dem bürgerlichen Recht, welche in § 387 BGB geregelt ist, zulässig ist.

Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert die Aufrechnung als wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen durch einseitiges Rechtsgeschäft. Die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, ist die Hauptforderung (Passivforderung), die Forderung, mit der aufgerechnet wird, die Gegenforderung (Aktiv- oder Aufrechnungsforderung).

Die in § 51 Abs. 1 SGB I enthaltene Beschränkung der Aufrechnung durch die Bindung an die Pfändungsfreigrenzen gilt nicht uneingeschränkt für sämtliche Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen den Berechtigten. Für die wichtigsten Forderungen im Sozialleistungsbereich - nämlich die Erstattungsansprüche wegen zu Unrecht gewährter Leistungen und Beitragsansprüche - hat der Gesetzgeber in § 51 Abs. 2 SGB I aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen eine Sonderregelung getroffen. Diese Ausnahme gestattet es dem Rentenversicherungsträger, gegen Ansprüche des Berechtigten auf laufende Geldleistungen maximal bis zu deren Hälfte aufzurechnen, vorausgesetzt, es tritt keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII ein.

Voraussetzung einer Aufrechnung ist, dass Leistungsempfänger und Leistungsträger gleichartige und fällige beziehungsweise erfüllbare Ansprüche gegeneinander geltend machen können. Die Aufrechnung erfolgt durch die Aufrechnungserklärung, bei der es sich um eine formlose, einseitige, empfangsbedürftige, verwaltungsrechtliche Willenserklärung (§ 388 BGB) handelt. Erst die Aufrechnungserklärung führt dazu, dass die gegenseitigen Ansprüche, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind (Aufrechnungslage, § 389 BGB). Der Aufrechnung wohnt damit gewissermaßen eine doppelte Erfüllungsfiktion inne (Erfüllungssurrogat der Aufrechnung). Denn ohne dass beide Seiten tatsächliche Zahlungen geleistet haben, beseitigt sie im Zeitpunkt der Aufrechnungslage beide Forderungen, in dem sich diese - wie durch den Aufrechnungsbescheid festgestellt - sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht gegenseitig aufheben.

Im Bereich des Sozialrechts wird die Aufrechnungserklärung durch den Leistungsträger in der Form eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) erteilt. Ein solcher Verwaltungsakt setzt mit Ausnahme der Fälle, in denen der Rentenversicherungsträger wegen Geringfügigkeit der Forderung nach § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X davon absehen kann, eine vorherige Anhörung des Leistungsberechtigten nach § 24 SGB X voraus, weil er in die Rechte des Leistungsberechtigten eingreift.

Ansprüche auf Geldleistungen

Die Aufrechnung ist zulässig gegen Ansprüche auf einmalige und laufende Geldleistungen, die der Berechtigte gegen den Rentenversicherungsträger geltend machen kann. Dabei ist eine Beschränkung auf bestimmte Geldleistungsansprüche nicht vorgesehen, sodass die Gegenforderung, mit der aufgerechnet werden soll, nicht öffentlich-rechtlicher Art sein muss. Der Rentenversicherungsträger ist berechtigt, gegen den Leistungsanspruch des Berechtigten auch mit bürgerlich-rechtlichen Forderungen aufzurechnen.

Ergibt sich im Nachhinein jedoch ein Rückforderungsanspruch des Rentenversicherungsträgers, weil es sich bei der in Form eines Geldsurrogates erbrachten Sach- oder Dienstleistung um eine zu Unrecht erbrachte Sozialleistung handelte, kann mit diesem Rückforderungsanspruch aufgerechnet werden. Die Gleichartigkeit der Forderung ist in diesem Fall gegeben (siehe RBRTS 1/2004, TOP 3).

Der Rentenversicherungsträger kann im Rahmen des § 51 SGB I mit einmaligen und laufenden Geldleistungen aufrechnen.

  • Einmalige Geldleistungen sind: Keine einmalige Geldleistung in diesem Sinne ist der Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Beiträge (vergleiche hierzu §§ 26 und 28 SGB IV).
  • Laufende Geldleistungen sind:
    • Renten,
    • Übergangsgelder gemäß §§ 20 ff. SGB VI,
    • Leistungen für Kindererziehung gemäß §§ 294 ff. SGB VI; deren Einbeziehung in Verrechnungsverfahren wird aus Ermessensgründen aufgrund der gegebenen Zweckbestimmung regelmäßig ausscheiden.
    Nachzahlungen, die sich bei diesen Geldleistungen ergeben, sind ebenfalls laufende Geldleistungen.

Aufrechnung gegen Sach- und Dienstleistungen

Gegen Sach- und Dienstleistungen darf wegen der höchstpersönlichen Natur derartiger Ansprüche nicht aufgerechnet werden, selbst wenn diese im Einzelfall als Geldbetrag erbracht werden.

Zweckgebundene Leistungen

Nicht zu den laufenden Geldleistungen im Sinne des § 51 SGB I gehört wegen seiner Zweckbindung:

Gegen diese Leistung kann nur ausnahmsweise im Rahmen der Zweckbindung aufgerechnet werden. Ein solcher Tatbestand ist beispielsweise dann gegeben, wenn der Leistungsberechtigte einerseits überzahlte Beitragszuschüsse schuldet und ihm andererseits Beitragszuschüsse für einen anderen Zeitraum zu zahlen sind. Dies gilt auch, wenn zugunsten eines anderen Leistungsträgers nach § 52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden soll.

Gegenseitigkeit

Die Aufrechnung setzt die Gegenseitigkeit der Ansprüche voraus, das heißt der Rentenversicherungsträger, gegen den der Leistungsberechtigte einen Anspruch auf eine Geldleistung hat, muss seinerseits einen Anspruch gegen denselben Berechtigten geltend machen können.

Daher darf ein Rentenversicherungsträger wegen fehlender Gegenseitigkeit grundsätzlich nicht mit Forderungen eines anderen Leistungsträgers (zum Beispiel Krankenkassen oder andere Rentenversicherungsträger) aufrechnen, da die Leistungsträger sowohl rechtlich als auch organisatorisch selbständig sind. Es kommt jedoch unter Umständen eine Verrechnung der Forderungen nach § 52 SGB I in Betracht.

Durch das Urteil des BSG vom 14.03.2013, AZ: B 13 R 5/11 R, haben die Rentenversicherungsträger ihre bisherige Rechtsauffassung hinsichtlich der Durchführung von Aufrechnungen nach § 51 SGB I zur Tilgung von Forderungen der Rentenversicherungsträger untereinander aufgegeben. Auf die Ausführungen im Abschnitt 4.1 und in der GRA zu § 52 SGB I, Abschnitt 5.3 wird hingewiesen.

Bisherige Rechtsentwicklung zur Anwendung der §§ 51, 52 SGB I bei Ansprüchen der Rentenversicherungsträger untereinander

Die Gegenseitigkeit der Forderungen wurde bis zum 31.12.2005 im Verhältnis der Rentenversicherungsträger der Arbeiterrentenversicherung untereinander angenommen, also auch dann, wenn Gläubiger und Schuldner von Forderungen nicht dieselben Regionalträger (beziehungsweise Landesversicherungsanstalten) waren. Gestützt wurde die Rechtsauffassung auf die Entscheidung des BSG vom 01.11.1968, AZ: 12 RJ 342/66, BSGE 28, 288, die vor Inkrafttreten des § 52 SGB I am 01.01.1976 ergangen war. Sie berücksichtigte dabei unter anderem, dass nach der bis zum 31.12.1975 geltenden Rechtslage gar keine Verrechnungsmöglichkeit der Sozialleistungsträger untereinander bestand. Die seinerzeit angenommene sachliche Einheit der Träger der Arbeiterrentenversicherung (§ 1390 RVO - gemeinsame Tragung der Leistungen für Renten und Beitragserstattungen und für Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung) wurde unter der Herrschaft des § 52 SGB I weiter angenommen. Auch über den 31.12.1991 hinaus wurde an der Gegenseitigkeit der Forderungen festgehalten, da die Regelung des § 219 SGB VI über den Finanzverbund in der Rentenversicherung der Arbeiter die in § 1390 RVO enthaltenen Regelungen übernommen hatte.

Forderungen des Trägers der Angestelltenversicherung konnten dagegen nach herrschender Meinung mangels Gegenseitigkeit nicht mit Ansprüchen auf Geldleistungen der Arbeiterrentenversicherung aufgerechnet werden. Hier konnte jeder Rentenversicherungsträger grundsätzlich nur mit der jeweils eigenen Forderung aufrechnen. Darüber wurden Forderungen nach § 52 SGB I verrechnet. Von einer Einheit der Rentenversicherungsträger insgesamt konnte nicht ausgegangen werden.

Ab dem 01.01.2006 wurden aufgrund des Beschlusses des zuständigen Gremiums der gesetzlichen Rentenversicherungsträger im Februar 2006 Forderungen der Träger der allgemeinen Rentenversicherung untereinander (vorrangig) aufgerechnet und zwar unabhängig davon, ob die Forderungen vor oder nach dem 01.01.2006 entstanden waren. Die Rentenversicherungsträger gingen von einer Gegenseitigkeit von Gläubiger und Schuldner auf Seiten der gesetzlichen Rentenversicherung unter allen Trägern der allgemeinen Rentenversicherung aus. Zwischen diesen Trägern wurde nicht (mehr) nach § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 1 oder 2 SGB I verrechnet. Dies wurde mit den zum Teil weit reichenden Neuerungen des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09.12.2004, BGBl. I S. 3242, mit denen die historisch bedingte Unterscheidung nach den Versicherungszweigen der Rentenversicherung der Arbeiter und Rentenversicherung der Angestellten und der daraus resultierenden Beiträge ab dem 01.01.2005 aufgehoben wurde, begründet.

Während § 219 SGB VI als Nachfolgevorschrift des § 1390 RVO bislang den Finanzverbund für den Bereich der Regionalträger (beziehungsweise Landesversicherungsanstalten) geregelt hatte, erstreckte sich die Vorschrift mit ihrem Inkrafttreten ab 01.01.2006 auch auf die Bundesträger. Durch die Einbindung in den Finanzverbund zum 01.01.2006 sowohl der Deutschen Rentenversicherung Bund als auch der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, soweit sie als Träger der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist, wurde die bereits früher für den Bereich der Arbeiterrentenversicherung angenommene sachliche Einheit der Träger nun auf alle Träger der allgemeinen Rentenversicherung übertragen, soweit es um die Gegenseitigkeit bei Aufrechnungen ging.

Eine formale Ermächtigung zur Verrechnung zwischen den Rentenversicherungsträgern war damit nicht mehr erforderlich. Gleichwohl musste der forderungsinnehabende Rentenversicherungsträger den jeweiligen leistungsgewährenden Rentenversicherungsträger im Rahmen von „Aufrechnungsersuchen“ davon in Kenntnis setzen, dass er eine Forderung gegen den Berechtigten hat, die aufgerechnet werden soll. Im Ergebnis wurden dieselben Daten wie bei einer Ermächtigung zur Verrechnung im Rahmen des § 52 SGB I ausgetauscht.

Wurde die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See im Rahmen des § 136 SGB VI ausschließlich als knappschaftliche Rentenversicherung tätig, lag hingegen keine Gegenseitigkeit im Sinne von § 51 SGB I vor. Verrechnungsersuchen der knappschaftlichen Rentenversicherung wurden auch weiterhin nach § 52 SGB I beurteilt. Sofern die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See aber als Träger der allgemeinen Rentenversicherung sowohl für Versicherte der Bahn - Seekasse als auch für Versicherte tätig wurde, die sie im Rahmen der „Quotenregelung“ betreut, galt dies nicht.

Aufrechnung gegen Ansprüche von Rechtsnachfolgern

Der Rentenversicherungsträger kann geschuldete Ansprüche gegen einen verstorbenen Leistungsberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen auch gegenüber den Rechtsnachfolgern im Wege der Aufrechnung durchsetzen. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden, ob eine Aufrechnung gegen Ansprüche von Erben (vergleiche Abschnitt 4.2.1) oder Sonderrechtsnachfolgern (vergleiche Abschnitt 4.2.2) vorgenommen werden soll.

Aufrechnung gegen Ansprüche von Erben

Wenn Ansprüche auf Geldleistungen gemäß § 58 S. 1 Nr. 1 SGB I im Rahmen der Vererbung auf den oder die Erben übergehen, kann der Rentenversicherungsträger diese mit Verbindlichkeiten, die sich für den Erben beziehungsweise die Erben aus dem Nachlass ergeben, aufrechnen. Die Nachlassforderung (zum Beispiel zustehende Rentennachzahlungsbeträge) und die Nachlassverbindlichkeit (zum Beispiel ein Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen gemäß § 50 SGB X) stehen sich in der Person des oder der Erben aufrechenbar gegenüber. Durch die Erbfolge ist die erforderliche Gegenseitigkeit für die Aufrechnung gemäß § 51 SGB I eingetreten. Auch gegen eigene Ansprüche der Erben kann dann aufgerechnet werden. Sind mehrere Erben vorhanden, die nach § 2058 BGB als Gesamtschuldner haften, so kann der Rentenversicherungsträger mit der gesamten Forderung auch gegenüber den einzelnen (Mit-)Erben aufrechnen.

Die Aufrechnung mit den gegen einen verstorbenen Versicherten bestehenden Forderungen gegen Ansprüche auf eine Hinterbliebenenrente ist nur in den Fällen zulässig, in denen die Hinterbliebenen auch Erben des verstorbenen Versicherten sind und für dessen Schulden nach § 1967 BGB haften.

Haben Hinterbliebene die Erbschaft jedoch ausgeschlagen, können sie für die Nachlassverbindlichkeiten nicht haftbar gemacht werden. Eine Aufrechnung gegen ihre Leistungsansprüche ist folglich nicht möglich. Dies gilt auch insoweit, als eine Beschränkung der Erbenhaftung nach den §§ 1975 ff. BGB gegeben ist. Gegen Erben, deren Haftung sich nach § 1975 BGB auf den Nachlass beschränkt, weil eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger oder der Nachlassinsolvenz eröffnet worden ist, ist eine Aufrechnung allein mit den zum Nachlass gehörenden Ansprüchen möglich.

Sofern Beitragsforderungen oder Ansprüche auf Erstattung überzahlter Leistungen gemäß § 50 SGB X nach dem Tod des Schuldners gegen Erben im Wege einer Aufrechnung mit übergegangenen oder eigenen Ansprüchen durchgesetzt werden, ist hierüber ein Verwaltungsakt zu erteilen. Denn es handelt sich um Verpflichtungen, die nach dem Tod des Schuldners auf dessen Rechtsnachfolger übergehen, ohne dass sich ihr öffentlich-rechtlicher Charakter ändert (vergleiche Urteil des BSG vom 13.12.2005, AZ: B 2 U 16/05 R).

Aufrechnung gegen Ansprüche von Sonderrechtsnachfolgern

Die Aufrechnung bestehender Forderungen gegen einen verstorbenen Leistungsberechtigten kann auch gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 SGB I, der nicht gleichzeitig als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, vorgenommen werden. Denn soweit laufende Geldleistungen nach dem Tod des Leistungsberechtigten auf den Sonderrechtsnachfolger übergehen, ergibt sich die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit aus § 57 Abs. 2 SGB I (vergleiche hierzu auch die GRA zu § 57 SGB I, Abschnitt 3). Der Sonderrechtsnachfolger haftet danach in Höhe der auf ihn übergegangenen Leistungen für die gegenüber dem Leistungsträger bestehenden Verbindlichkeiten des Verstorbenen. Die Aufrechnung mit diesen übergegangenen Geldleistungen unterliegt dabei nicht den Beschränkungen des § 51 SGB I. Das heißt es kann grundsätzlich auf die gesamten zustehenden Zahlbeträge zurückgegriffen werden.

Eine Aufrechnung von Forderungen des Rentenversicherungsträgers aus dieser Haftung kann gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger auch mit dessen eigenen Leistungsansprüchen vorgenommen werden. Dann allerdings müssen die Beschränkungen des § 51 SGB I beachtet werden.

Abtretung von Ansprüchen

Wenn Ansprüche auf Geldleistungen im Rahmen von § 53 Abs. 2 oder 3 SGB I ganz oder teilweise abgetreten werden, kann durch den Rentenversicherungsträger dennoch geprüft werden, ob die Möglichkeit zur Aufrechnung nach § 51 SGB I von Forderungen gegen den Leistungsberechtigten mit diesen Ansprüchen besteht. Die Ausführungen in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 8.5 sind insoweit zu beachten.

Bei einem Zusammentreffen von Abtretung und - vorrangiger - Aufrechnung ist dabei die Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger (dem Zessionar) nach vorheriger Anhörung zu erklären (BSG vom 18.02.1992, AZ: 13/5 RJ 61/90). Der Leistungsberechtigte selbst ist gemäß § 12 SGB X zu beteiligen.

Siehe Beispiel 1

Aufrechnungsfähige Ansprüche

Zu den Ansprüchen, mit denen der Rentenversicherungsträger gegen einmalige und laufende Geldleistungen eines Berechtigten aufrechnen kann, gehören die Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen, Beitragsansprüche sowie sämtliche anderen Ansprüche des Rentenversicherungsträgers.

Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen

Die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen setzt einen Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen den Berechtigten nach § 50 SGB X, §§ 53 Abs. 6 und 54 Abs. 6 SGB I voraus. Ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen gegen den Berechtigten besteht demnach immer dann, wenn

  • Leistungen aufgrund eines Verwaltungsakts gewährt worden sind, der nach den Vorschriften der §§ 45, 47 oder 48 SGB X aufgehoben ist oder
  • eine Leistung ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden ist.

Dies gilt jedoch nicht für Erstattungsansprüche nach § 118 Abs. 4 SGB VI. Die über den Sterbemonat des Rentenberechtigten hinaus gezahlten Beträge sind keine Sozialleistungen. Hier bleibt nur die Aufrechnung im Rahmen des § 51 Abs. 1 SGB I.

Zu den zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen, die nach § 51 Abs. 2 SGB I aufgerechnet werden können, gehören auch Rückforderungsansprüche des Rentenversicherungsträgers nach § 50 SGB X aufgrund zu Unrecht gezahlter Leistungen, die in Form von Geld als Ersatz für Dienst- und Sachleistungen (zum Beispiel Erstattung von Reisekosten) erbracht wurden.

Zur Höhe der möglichen Aufrechnung enthalten die Abschnitte 6.2 und 7 entsprechende Ausführungen.

Beitragsansprüche

Zu den Beitragsansprüchen, mit denen der Rentenversicherungsträger gegen die Ansprüche des Berechtigten auf Geldleistungen aufrechnen kann, gehören nur die Rentenversicherungsbeiträge der allgemeinen Rentenversicherung, die der Versicherte als Versicherter oder Arbeitgeber schuldet. Zu den geschuldeten Beiträgen gehören auch etwaige Säumniszuschläge und Zinsen nach den §§ 24, 28e Abs. 4 SGB IV sowie sonstige Nebenansprüche.

Die Aufrechnung mit Beitragsrückständen zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung ist dagegen unzulässig. Sie können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen gegen Geldleistungen des Berechtigten verrechnet werden (vergleiche hierzu die GRA zu § 52 SGB I).

Zur Höhe der möglichen Aufrechnung enthalten die Abschnitte 6.2 und 7 entsprechende Ausführungen.

 Beitragsschulden einer Gesellschaft

Soweit eine Gesellschaft für ihre Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge schuldet, kann gegen Leistungsansprüche eines Leistungsberechtigten als Mitglied dieser Gesellschaft nur dann aufgerechnet werden, wenn er auch persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Hierzu gehören alle Gesellschafter einer OHG (§ 128 HGB), einer BGB-Gesellschaft oder der Komplementär einer KG (§ 161 HGB).

Die von einer GmbH für ihre Beschäftigten geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge können grundsätzlich nicht gegen die erworbenen Leistungsansprüche des Berechtigten, der gleichzeitig Gesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH war, aufgerechnet werden, weil nicht der Leistungsberechtigte, sondern die GmbH Beitragsschuldner ist. Lediglich für den Fall, dass der Leistungsberechtigte zugleich alleiniger Gesellschafter war, kann etwas anderes gelten. Der Allein-Gesellschafter einer GmbH haftet dann neben dieser mit für die von der Gesellschaft geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge und wird damit Beitragsschuldner, wenn sich seine Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der GmbH als Rechtsmissbrauch darstellt. Das ist der Fall, wenn der Geschäftsführer/Allein-Gesellschafter hätte vermeiden können und müssen, dass die Beitragsschulden bei der GmbH entstanden sind und dann nicht erfüllt werden konnten (BSG vom 26.03.1963, AZ: 1 RA 168/60, BSGE 19, 18).

Ist diese „Durchgriffshaftung“ zwar nicht gegeben, besteht aber ein Anspruch nach §§ 823 ff. BGB gegen den Geschäftsführer der GmbH, so kann nur im Rahmen „sonstiger Ansprüche“ aufgerechnet werden (vergleiche Abschnitt 5.3 „Sonstige Ansprüche“).

Sind mehrere Personen (zum Beispiel Gesellschafter) vorhanden, die nach § 421 BGB als Gesamtschuldner haften, so kann der Rentenversicherungsträger „nach seinem Belieben“ die geschuldeten Beiträge von jedem der Gesamtschuldner ganz oder teilweise fordern (BSG vom 19.01.1978, AZ: 4 RJ 47/77). Zu Lasten des jeweiligen Gesamtschuldners ist dann auch eine Aufrechnung unter den Voraussetzungen des § 51 SGB I durchführbar.

 Beitragsschulden eines verstorbenen Versicherten

Die Aufrechnung mit den von einem verstorbenen Versicherten als Versicherter oder Arbeitgeber geschuldeten Beiträgen gegen Ansprüche auf Hinterbliebenenrenten (zum Beispiel Witwenrente) ist nur dann zulässig, wenn die Hinterbliebenen Erben des verstorbenen Versicherten sind und für dessen Schulden nach § 1967 BGB haften. Die Ausführungen in den Abschnitten 4.2 und 4.3 sind zu beachten.

 Haftung aus einem Schuldbeitritt

Der Schuldbeitritt ist im Zivilrecht zwar nicht ausdrücklich geregelt, als Verpflichtungsvertrag nach § 311 Abs. 1 BGB ist er jedoch zulässig. Eine Haftung aus einem Schuldbeitritt resultiert aus der zugrunde liegenden Verbindlichkeit. Ist diese Verbindlichkeit eine sozialrechtliche Forderung, die nach § 51 Abs. 2 SGB I aufgerechnet werden kann, erstreckt sich diese Aufrechnungsmöglichkeit auch auf den Schuldbeitritt.

Zur Höhe einer möglichen Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I wird auf die Ausführungen im Abschnitt 6.2 hingewiesen.

Sonstige Ansprüche

Zu den „sonstigen“ Ansprüchen zählen sämtliche Ansprüche der Rentenversicherungsträger, die nicht Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen oder Beitragsansprüche sind. Hierzu gehören zum Beispiel Erstattungsansprüche nach § 118 Abs. 4 SGB VI, Ersatzforderungen für bezogene Entschädigungen, soweit dem Rentenversicherungsträger ein Anspruch darauf nach §§ 116 ff. SGB X zusteht, Zuzahlungsforderungen nach § 32 SGB VI, zu erstattende Kosten des Verfahrens, von den Rentenversicherungsträgern festgesetzte Zwangsgelder oder Geldbußen sowie Rückforderungsansprüche nach den Vorschriften über die „ungerechtfertigte Bereicherung“ (§§ 812 ff. BGB) oder Schadensersatzansprüche nach §§ 823 ff. BGB. Ein Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB ist auch gegeben, wenn eine Leistung an einen „unbeteiligten Dritten“ unter Verwendung einer falschen Bankverbindung erbracht wurde.

Eine Forderung aus unerlaubter Handlung nach den §§ 823 ff. BGB, welche ihren Ursprung in einer im Sozialrechtsverhältnis wurzelnden Beitragsforderung hat, kann nur nach § 51 Abs. 1 SGB I aufgerechnet werden. Eine darüber hinausgehende Anwendung des § 51 Abs. 2 SGB I ist unzulässig.

Darüber hinaus sind sonstige zivilrechtliche Forderungen, wie beispielsweise Bürgschaftsforderungen, denen eine sozialrechtliche Forderung zugrunde liegt, zivilrechtlich zu beurteilen. Sie sind ebenfalls ausschließlich unter Anwendung des § 51 Abs. 1 SGB I aufzurechnen.

Zur Höhe einer möglichen Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I wird auf die Ausführungen im Abschnitt 6.1 hingewiesen.

Höhe der Aufrechnung

Die Höhe der Aufrechnung bestimmt sich danach, ob der Berechtigte einen Anspruch auf einmalige oder laufende Geldleistungen hat und mit welchen Ansprüchen die Aufrechnung gegen den Berechtigten vorgenommen wird.

Nach § 51 Abs. 1 SGB I ist die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Geldleistungen möglich, soweit sie nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und Beitragsansprüche können hingegen gemäß § 51 Abs. 2 SGB I gegen laufende Geldleistungen aufgerechnet werden, soweit der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

Bei Auf- und Verrechnungen nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 SGB I ist bei der Ermittlung der maßgebenden Rentenhöhe ein nach § 50a Abs. 7 EStG angeordneter Steuerabzug abzuziehen (siehe AGFAVR 2/2015, TOP 3).

Für Aufrechnungsfälle des Rentenversicherungsträgers greift im Allgemeinen die Sondervorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I, weil die dort genannten Forderungen in der Praxis am häufigsten vorkommen.

Soll zu Lasten eines Sonderrechtsnachfolgers aufgerechnet werden, gelten keine Beschränkungen hinsichtlich der Höhe der Aufrechnung (vergleiche § 57 Abs. 2 SGB I). Dies gilt auch für Erben, soweit sie für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen in Anspruch genommen werden können (vergleiche auch Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2).

Eine Belastung des aufzurechnenden Betrages mit Zinsen ist nicht zulässig, da eine derartige Verzinsung im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

Die analoge Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB IV (Zinsen aufgrund einer Stundung) kommt hier nicht in Betracht (siehe AGFAVR 2/2007, TOP 10).

Grundsätze zu § 51 Abs. 1 SGB I

Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann insoweit aufgerechnet werden, als die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.

Wenn durch den Rentenversicherungsträger gegen Ansprüche auf einmalige Geldleistungen aufgerechnet wird, bestimmt sich die zulässige Aufrechnungshöhe stets nach § 51 Abs. 1 SGB I. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei der aufzurechnenden Forderung um Ansprüche zu Unrecht erbrachter Leistungen, Beitragsansprüche oder sonstige Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen den Leistungsberechtigten handelt.

Bei der Aufrechnung gegen Ansprüche auf einmalige Geldleistungen müssen die Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 SGB I vorliegen, das heißt die Aufrechnung muss der Billigkeit entsprechen. Dies ist vom Rentenversicherungsträger - nicht vom Vollstreckungsgericht - zu prüfen. Es sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen, wobei der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung besondere Bedeutung zukommen.

Gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen (zum Beispiel Renten) kann aufgerechnet werden, soweit die Ansprüche nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar sind und der Berechtigte aufgrund der Aufrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II beziehungsweise SGB XII wird.

Nach § 54 Abs. 4 SGB I können laufende Geldleistungen wegen anderer Forderungen als Unterhaltsansprüche bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Aus den Worten „wie Arbeitseinkommen gepfändet werden“ ergibt sich mangels entsprechender Vorschriften im SGB, dass für den Umfang der Pfändung die Vorschriften der §§ 850c ff. ZPO maßgebend sind. Für den Bereich der Pfändung bestimmt das Vollstreckungsgericht, welches Einkommen gepfändet wird. Bei einer Aufrechnung nimmt der Rentenversicherungsträger die Stellung des Vollstreckungsgerichts ein (vergleiche Urteil des BSG vom 19.01.1978, AZ: 4 RJ 47/77). Er hat folglich die dem Vollstreckungsgericht bei der Pfändung obliegenden Erwägungen bei der Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 SGB I selbst vorzunehmen. Der Rentenversicherungsträger kann daher im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung über die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 SGB I - nach Aktenlage - andere Einkommen (soweit sie dem Grunde nach pfändbar sind) als die von ihm gezahlte Geldleistung im Rahmen einer Zusammenrechnung gemäß § 850e Nr. 2 beziehungsweise Nr. 2a ZPO in die Prüfung mit einbeziehen oder gegebenenfalls unterhaltsberechtigte Personen mit nachgewiesenen eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der laufenden Geldleistung gemäß § 850c Abs. 6 ZPO ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen.

Siehe Beispiel 2

Eine Zusammenrechnung von laufenden Geldleistungen nach dem SGB I und ausländischen Rentenleistungen ist grundsätzlich zulässig (siehe hierzu die Ausführungen in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 7.4.2).

Die Leistungsbestandteile, die der Kranken- und Pflegeversicherung zuzuordnen sind, unterliegen nach § 850e Nr. 1 ZPO nicht der Pfändung und sind vor der Bestimmung des pfändbaren Betrages von der Bruttorente abzuziehen. Die Ausführungen zur Ermittlung der Nettorente bei gesetzlich, freiwillig oder privat versicherten Rentenbeziehern in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 7.3.1 gelten entsprechend.

Seit Inkrafttreten des 2. SGBÄndG (18.06.1994) wird zwar die Aufrechnung bei Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII (bis 31.12.2004 nach dem BSHG) nicht mehr direkt durch § 54 SGB I eingeschränkt. Es gilt aber § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO. Danach kann dem Schuldner von dem pfändbaren Teil seines Einkommens ein Teil belassen werden, wenn er nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO der notwendige Unterhalt im Sinne der Kapitel 3 und 11 SGB XII für sich und seine unterhaltsberechtigten Personen nicht gedeckt ist. Für Rentennachzahlungszeiträume wird § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO regelmäßig keine Bedeutung erlangen.

Im Anhörungsverfahren ist der Schuldner darauf hinzuweisen, dass er den Eintritt von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII durch die beabsichtigte Aufrechnung nachweisen kann.

Grundsätze zu § 51 Abs. 2 SGB I

Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und Beitragsansprüchen kann der Rentenversicherungsträger ohne Beachtung der Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Berechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

Auf die Hilfebedürftigkeit kommt es dagegen nicht an, wenn gegen Rentennachzahlungsansprüche aufgerechnet werden soll. Eine andere Beurteilung kann sich im Ermessenswege ergeben, wenn von Dritten - insbesondere nicht zum Unterhalt verpflichteten Personen - zurückzuzahlende Hilfe zum Lebensunterhalt im Nachzahlungszeitraum gewährt wurde.

Die Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen die laufende Geldleistung ist nicht auf den Betrag nach § 51 Abs. 2 SGB I beschränkt, wenn sich nach § 51 Abs. 1 SGB I (beispielsweise infolge einer Zusammenrechnung gemäß § 850e Nr. 2a ZPO) ein höherer Aufrechnungsbetrag ergibt (vergleiche hierzu Abschnitt 6.1). Die beiden Absätze in der Regelung des § 51 SGB I wirken insoweit zusammen.

Gesetzliches Aufrechnungsverbot

Die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 und 2 SGB I darf nicht dazu führen, dass der Leistungsberechtigte hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Wenn ein Leistungsberechtigter bereits tatsächlich entsprechende Leistungen bezieht, kann eine Aufrechnung nicht vorgenommen werden. Für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit sind die folgenden Abschnitte 7.1 bis 7.5 zu beachten.

Rechtslage bis zum 31.12.2004

Bis zum 31.12.2004 war nach § 51 Abs. 2 SGB I eine Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen ohne Beachtung der Pfändungsfreigrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I bis zu deren Hälfte möglich, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wurde.

Für die Prüfung des Aufrechnungsverbotes galt der in § 20 SGB X verankerte Untersuchungsgrundsatz (auch als Amtsermittlungsgrundsatz bezeichnet). Das heißt mit der Verpflichtung zur Ermittlung waren nicht die Beteiligten belastet, sondern die Behörde.

Rechtslage ab 01.01.2005

Soweit es um die Prüfung des im Gesetz genannten Erfordernisses geht, dass der Leistungsberechtigte durch die Aufrechnung bis zur Hälfte der zustehenden laufenden Geldleistung nach § 51 Abs. 2 SGB I nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII oder des SGB II wird, ist mit der gesetzlichen Neuregelung eine Abkehr vom Amtsermittlungsgrundsatz hin zum Beibringungsgrundsatz und eine „Umkehr der Beweislast“ verbunden. Gleiches gilt für Verrechnungen, da § 52 SGB I zur Frage der Zulässigkeit unmittelbar auf § 51 SGB I verweist. Insoweit bedingt der neue Wortlaut der Vorschrift ab 01.01.2005 eine wesentliche Änderung; nunmehr obliegt es dem Leistungsberechtigten, die zum Nachweis seiner Angaben erforderlichen Belege der zur Entscheidung verpflichteten Stelle vorzulegen. Hiermit soll nach dem Willen des Gesetzgebers einerseits der Verwaltungsaufwand des aufrechnenden Leistungsträgers verringert werden, andererseits das Aufrechnungspotential möglichst ausgeschöpft werden.

In den Fällen, in denen bereits vor dem 01.01.2005 über die Aufrechnung bindend entschieden wurde, verbleibt es bei den ursprünglichen Aufrechnungsbescheiden. Die Fälle sind allein aufgrund der geänderten Regelung zum Bedürftigkeitsnachweis nicht neu aufzugreifen. Sofern jedoch eine Überprüfung aus anderen Gründen erforderlich wird, ist die Rechtslage ab 01.01.2005 hinsichtlich des Bedürftigkeitsnachweises anzuwenden (siehe RBRTN 1/2005, TOP 6).

Prüfung der Hilfebedürftigkeit ab 01.01.2005

Um die vom Gesetzgeber angestrebte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zur Durchführung einer Aufrechnung zu erreichen, sollten die zur Aufrechnung berechtigten Stellen nicht mit der Prüfung der vom Schuldner vorzulegenden Beweise belastet werden. Sowohl die Würdigung der für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit maßgeblichen Unterlagen als auch die Beurteilung regional unterschiedlicher Kriterien (zum Beispiel die Angemessenheit der ortsüblichen Warmmiete) können eher von den insbesondere mit der entsprechenden Kompetenz ausgestatteten Stellen vorgenommen werden. Dies sind in diesem Zusammenhang die Träger des SGB XII - Sozialhilfe - und des SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Ihre Bescheinigungen über den persönlichen Bedarfssatz des Schuldners ermöglichen dem Leistungsberechtigten die Beweiserbringung hinsichtlich des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Aufrechnungsverfahren.

Darüber hinaus muss der Rentenversicherungsträger - mit Blick auf die gesetzgeberische Intention - für die Aufrechnung grundsätzlich so lange vom Nichteintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII oder SGB II bei Inanspruchnahme der Leistung in halber Höhe ausgehen dürfen, bis der Berechtigte gegenüber dem Träger nachweist, dass diese Annahme nicht zutreffend ist. Das bis zum 31.12.2004 durch die Rentenversicherungsträger zur Verwaltungsvereinfachung praktizierte Pauschalverfahren ist für die „Vorprüfung“ der Sozialhilfebedürftigkeit beziehungsweise im Anhörungsverfahren nicht (mehr) anzuwenden. Vielmehr sollte das Anhörungsverfahren für Aufrechnungen nach § 51 Abs. 2 SGB I stets von der halben Nettorente ausgehen. Bei Rentenbeziehern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung freiwillig versichert beziehungsweise bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen kranken- und pflegeversichert sind, ist die maßgebende Nettorente unter Beachtung der Ausführungen in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitte 7.3.1.2.1 und 7.3.1.3 zu ermitteln.

Es sollte lediglich anders verfahren werden, wenn sich sowohl der notwendige Lebensunterhalt als auch das mögliche weitere Einkommen des Leistungsberechtigten oder seines Ehegatten oder Lebenspartners bereits aus dem Akteninhalt ergeben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Leistungsberechtigte vor oder neben der Rente Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des SGB XII, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (das GSiG ist zum 01.01.2005 in das 4. Kapitel des SGB XII eingegliedert worden), der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II oder eine bis zum 31.12.2004 entsprechende Leistung nach dem BSHG bezieht oder bezogen hat. Unter diesen Umständen kann auch ohne Anhörung von der Aufrechnung abgesehen werden beziehungsweise ein angemessener Betrag nach Aktenlage für die Anhörung festgestellt werden. Ein zeitnahes Rechtsmittelverfahren zur Feststellung des zulässigen Aufrechnungsbetrages wird in der Regel eine verbindliche Vorgabe auch für nachfolgende Verfahren darstellen.

Nachweis der Hilfebedürftigkeit ab 01.01.2005

Infolge des ab 01.01.2005 maßgebenden Beibringungsgrundsatzes hat nunmehr der Schuldner den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit aufgrund der Aufrechnung nachzuweisen. Mit Blick auf § 51 Abs. 2 SGB I kann nur der Beweis Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang reicht es für den „Vollbeweis“ aus, dass der zu beweisende Sachverhalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt; das ist durchaus weniger als die unumstößliche Gewissheit. Schließlich ist nicht erforderlich, dass der Schuldner beispielsweise tatsächlich Sozialhilfe beantragt oder bezieht. Eine „schlichte“ Erklärung des Schuldners über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist für die Beweisführung jedoch nicht ausreichend.

Der bevorzugte Beweis über den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII aufgrund der Aufrechnung kann nur eine Bedarfsbescheinigung des örtlich für diese Leistung zuständigen Trägers sein. Deshalb sind die Schuldner im Anhörungsschreiben darauf hinzuweisen, dass sie als Nachweis für den Eintritt von Hilfebedürftigkeit eine entsprechende Bescheinigung vorlegen müssen, da andernfalls der Tatbestand nicht bewiesen wäre und die Aufrechnung bis zur Hälfte der zustehenden Leistung erfolgen würde.

In der Regel dürfte für die Schuldner das örtliche Sozialamt als Träger der Sozialhilfe der zuständige Ansprechpartner sein. Denn Bezieher einer Altersrente und Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Schuldner, die eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beziehen, sind jedoch an die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verweisen. Das ist das örtlich zuständige Jobcenter. Wegen der Vielzahl der Dienststellen kann es für den Rentenversicherungsträger schwierig sein, den zuständigen Leistungsträger zu bestimmen. Mit Blick auf den Beibringungsgrundsatz sollte es dem Leistungsberechtigten ohnehin überlassen bleiben, den für ihn vor Ort zuständigen Träger selbst zu ermitteln, was eine Hilfestellung von Seiten des Rentenversicherungsträgers im Einzelfall aber nicht ausschließen muss.

Die Sozialleistungsträger stellen - auch ohne entsprechende Leistungsverpflichtung - regelmäßig Bescheinigungen über den Sozialhilfebedarfssatz für den Schuldner und gegebenenfalls seinen nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner aus. Wird der Leistungsberechtigte im Anhörungsschreiben zur Aufrechnung dazu aufgefordert, werden häufig die beim Sozialamt nachgewiesenen laufenden Einkommen des Schuldners und seines Ehe- oder Lebenspartners in die Bescheinigung mit aufgenommen. Eine derartige Bescheinigung sollte ausreichend sein, um bei der Entscheidung über die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit ausschließen zu können.

Es muss gewährleistet sein, dass ausstehende Bescheinigungen des Sozialamtes den Fortgang des Aufrechnungsverfahrens nicht unangemessen lange blockieren. Deshalb sollte insbesondere auf eine angemessene Fristsetzung geachtet werden. Dabei kann auf die üblichen Fristen zurückgegriffen werden. Beweist der Leistungsberechtigte durch einen Eingangsstempel oder eine Bearbeitungsnotiz des zuständigen Trägers, dass eine Bescheinigung angefordert, aber noch nicht erteilt wurde, ist es vertretbar, eine Verlängerung der üblichen Frist im Anhörungsverfahren vorzunehmen. Auch schließt der Beibringungsgrundsatz nicht aus, dass sich der Rentenversicherungsträger in Einzelfällen selbst an den entsprechenden Träger wendet und um eine beschleunigte Bearbeitung bittet.

Wird vom Leistungsberechtigten anhand der Unterlagen glaubhaft dargestellt oder nachgewiesen (zum Beispiel durch die Vorlage eines ablehnenden Schreibens des Trägers), dass eine Hilfebedarfsbescheinigung vom zuständigen Leistungsträger nicht erlangt werden konnte, ist in jedem Fall vom Rentenversicherungsträger mit dem jeweiligen Träger direkt Kontakt aufzunehmen und um Ausstellung einer solchen Bescheinigung zu ersuchen. Es ist auch denkbar, den Rentenempfänger auf die Möglichkeit einer Beantragung von Hilfeleistungen hinzuweisen, um so eine entsprechende Bescheinigung zu erhalten (siehe RBRTB 2/2010, TOP 4).

Sofern der Schuldner eine entsprechend geeignete Bedarfsbescheinigung vorlegt, ist diese im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung auszuwerten. Für die Aufrechnung kommt höchstens der den Bedarfssatz übersteigende Betrag des nachgewiesenen Gesamteinkommens in Frage. Überschreitet das Einkommen des Schuldners den nachgewiesenen Bedarf nicht oder liegt es darunter, kommt eine Aufrechnung nicht in Betracht.

Wurde ein Auf-/Verrechnungsbescheid erteilt und wird nachträglich durch eine Bescheinigung nachgewiesen, dass während der Auf-/Verrechnung bereits Hilfebedürftigkeit vorlag, ist der erteilte Bescheid nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid bereits bestandskräftig war. Eine Rücknahme erfolgt längstens bis zum bescheinigten Beginn der Hilfebedürftigkeit.

Ein nachträglicher Nachweis der Hilfebedürftigkeit durch eigene eingereichte Unterlagen (zum Beispiel Kontoauszüge, Lohnabrechnungen) ist nur im besonders gelagerten Ausnahmefall möglich und im Rahmen einer Einzelfallprüfung (Ermessensentscheidung) zu prüfen. (siehe RBRTN 1/2014, TOP 3).

Besonderheiten beim Nachweis der Hilfebedürftigkeit

Im Zusammenhang mit dem Nachweis des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII sind gegebenenfalls die nachfolgend beschriebenen Besonderheiten zu beachten.

Bedarfsgemeinschaft

Für die Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit durch die Aufrechnung eintritt, ist auf den Gesamtbedarf der mit dem Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen abzustellen. Daher sind Einkünfte von Personen, mit denen der Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bei der Ermittlung des aufrechnungsfähigen Betrages zu berücksichtigen (siehe hierzu RBRTB 1/2007, TOP 3).

Siehe Beispiel 3

Eheähnliche Gemeinschaft

Zur Bedarfsgemeinschaft gehört auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, unabhängig davon, ob diese einen eigenen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII hat (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II).

Wohngeld

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 5 und 6 WoGG (Wohngeldgesetz) sind Bezieher von Hilfeleistungen nach dem SGB II beziehungsweise XII vom Wohngeld ausgeschlossen, weil die Mietkosten durch die jeweilige Hilfeleistung abgedeckt werden.

Da durch die Aufrechnung bis zur Hälfte der Rente Hilfebedürftigkeit nicht eintreten darf, bleibt der Anspruch auf Wohngeld bestehen. Das Wohngeld ist bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit somit wie Einkommen zu behandeln. Daher kann allein aus dem Bezug von Wohngeld nicht automatisch Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II beziehungsweise SGB XII unterstellt werden. Auch Wohngeldbezieher müssen daher nachweisen, dass sie bei der Aufrechnung bis zur Hälfte der Rente hilfebedürftig nach den vorgenannten Vorschriften würden (siehe hierzu RBRTB 2/2010, TOP 5).

Siehe Beispiel 4

Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Auslandsaufenthalt

Der Nachweis über den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit im Falle der Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I ist durch den Schuldner auch dann zu führen, wenn er sich gewöhnlich im Ausland aufhält. Für die Prüfung ist zu unterscheiden, ob geltend gemacht wird, dass durch die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit nach ausländischen Regelungen und Maßstäben (siehe Abschnitt 7.5.1) oder nach deutschen Regelungen (siehe Abschnitt 7.5.2) eintritt beziehungsweise eintreten würde.

Hilfebedürftigkeit nach ausländischen Regelungen

Die Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I ist bei im Ausland lebenden deutschen und ausländischen Rentenbeziehern grundsätzlich bis zur Hälfte der Rente möglich, sofern sie den Eintritt von Hilfebedürftigkeit nach den im Ausland geltenden einschlägigen Vorschriften und Maßstäben nicht nachweisen. Eine Begrenzung des Begriffs „Hilfebedürftigkeit“ auf Hilfebedürftigkeit in Deutschland ist nach Auffassung der Rechtsprechung mit dem Grundgesetz und EU-Recht nicht vereinbar. Darüber hinaus muss der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Aufrechnung auch den ausländischen Umständen Rechnung tragen.

Da die Leistungsberechtigten den Beweis ihrer Hilfebedürftigkeit erbringen müssen, haben die Rentenversicherungsträger keine Ermittlungstätigkeiten im Ausland durchzuführen.

Hilfebedürftigkeit nach deutschen Regelungen

Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland können deutsche Staatsangehörige ab dem 01.01.2004 in der Regel keinen Anspruch auf Sozialhilfe beziehungsweise Grundsicherung mehr erwerben. Bis zum 31.12.2003 musste der Rentenversicherungsträger mit der zuständigen deutschen Auslandsvertretung das Maß der Hilfebedürftigkeit feststellen, das von den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsstaat unter Berücksichtigung der notwendigen Lebensbedürfnisse der dort lebenden Deutschen abhängig war.

Mit der Gesetzesänderung zum 01.01.2004 besteht nur noch in den Ausnahmefällen des § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII ein Anspruch auf Sozialhilfe. Danach tritt Hilfebedürftigkeit nur noch dann ein, wenn eine außergewöhnliche Notlage unabweisbar und eine Rückkehr nach Deutschland wegen der Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, eines längerfristigen stationären Aufenthalts in einer Einrichtung oder Pflegebedürftigkeit oder wegen hoheitlicher Gewalt nicht möglich ist. Auch in diesen Fällen tritt Sozialhilfebedürftigkeit nur dann ein, wenn der Leistungsberechtigte tatsächlich Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhält oder erwarten dürfte. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB XII entstehen keine Ansprüche, wenn von einem Träger im Wohnstaat vergleichbare Leistungen zustehen.

Sozialhilfeleistungen des Auslands werden für Deutsche in den Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11.12.1953, das heißt in den EU-Staaten Belgien, Dänemark, (Estland), Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich sowie in den Staaten Island, Norwegen oder in der Türkei, gezahlt. Sofern ein deutscher Rentenberechtigter in einem dieser Staaten lebt, ist eine Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I ebenfalls grundsätzlich bis zur Hälfte der Rente zulässig.

Soweit ein Berechtigter Hilfebedürftigkeit unter den engen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII geltend macht, sind sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen als auch die Hilfebedürftigkeit durch eine entsprechende Bescheinigung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 24 Abs. 4 SGB XII nachzuweisen. Das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit hängt von den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland unter Berücksichtigung der notwendigen Lebensbedürfnisse eines dort lebenden Deutschen ab. Etwaige Verträge, die zwischen dem jeweiligen Staat und der Bundesrepublik Deutschland über die Gewährung von Fürsorge- und Hilfsmaßnahmen geschlossen wurden, sind dabei zu beachten. Derartige zweiseitige Verträge bestehen derzeit mit Österreich.

Ermessensentscheidung

Der Rentenversicherungsträger hat darüber, ob und inwieweit er eine Aufrechnung durchführt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (§ 39 SGB I). Der Forderungseinzug im Wege der Aufrechnung darf nicht zu erheblichen Härten oder unbilligen Ergebnissen zu Lasten des Schuldners führen (vergleiche hierzu unter anderem § 76 SGB IV). Kein Ermessensspielraum ist bei bereits gegebener oder eintretender Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB II oder des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt gegeben. Dann liegt insoweit ein gesetzliches Aufrechnungsverbot vor (vergleiche Abschnitt 7).

Für die Ermessensentscheidung kommt es auf die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles an. Zu berücksichtigen sind vor allem die Art der Forderung und ihr Zustandekommen sowie die finanziellen und sonstigen Verhältnisse des Leistungsberechtigten. Ebenso können Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechnung bedeutsam sein. Nicht ausreichend ist es, wenn die Aufrechnung ohne Würdigung der jeweiligen Einzelumstände nur mit dem Zweck des § 51 SGB I begründet wird.

Die Begründung zur Leistungskürzung aufgrund der Aufrechnung muss nach § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen bei der Ermessensausübung zur Aufrechnung ausgegangen wurde. Nur dann kann im eventuell sozialgerichtlichen Verfahren überprüft werden, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten wurden. Lässt sich aus dem Aufrechnungsbescheid eine Ermessensausübung nicht erkennen, ist dieser bereits aus diesem Grunde rechtswidrig (§ 54 Abs. 2 S. 2 SGG). Sie muss daher einzelfallbezogen ausformuliert werden. Die Begründung einer solchen Entscheidung muss zunächst deutlich machen, dass durch den Leistungsträger überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde. Formelhafte Wendungen reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen, insbesondere wenn mehrere Handlungsalternativen in Betracht kommen, nicht aus, weil bei derartigen „Leerformeln“ nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und gegebenenfalls in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen beziehungsweise gegebenenfalls der Gerichtsbarkeit die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Ausführungen zur Auseinandersetzung mit den vom Schuldner im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Argumenten sind demzufolge unbedingt erforderlich, auch wenn im jeweiligen Einzelfall offenkundig feststehen sollte, dass diese Argumente (weil beispielsweise „sachfremd“ oder polemisch) auf die Entscheidungsfindung tatsächlich keinen Einfluss nehmen können.

Im Rahmen des § 51 Abs. 1 SGB I ist für die Ermessensausübung unter anderem bedeutsam, dass auch andere Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 54 SGB I) die Sozialleistung im gleichen Maß belasten können. Zum Beispiel sollte im Rahmen des Ermessens der Umstand Berücksichtigung finden, wie lange eine bereits laufende Pfändung noch zu bedienen ist, bevor hier mit einer gegebenenfalls vorrangigen Aufrechnung eingegriffen wird; eine absehbar nur noch drei Monate dauernde Pfändung muss nicht zugunsten einer dem Grunde nach vorrangigen Aufrechnung unterbrochen werden.

Durch § 51 Abs. 2 SGB I wird den Leistungsträgern eine bevorzugte Stellung eingeräumt, indem der Aufrechnungsbetrag losgelöst von den Pfändungs- beziehungsweise Pfändungsfreigrenzen bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen bestimmt werden kann. Mit diesem weitergehenden Recht wird den Interessen der Versichertengemeinschaft ein Vorrang vor den Interessen des Einzelnen eingeräumt. Die Ermessensausübung im Rahmen dieser Vorschrift kann dann zugunsten des Leistungsempfängers ausschlagen, wenn die besonderen Umstände seines Falles es erlauben, das Interesse der Versichertengemeinschaft zurücktreten zu lassen. Das kann der Fall sein, wenn sich der Schuldner in einer besonderen sozialen und finanziellen Situation befindet (zum Beispiel Erbringung von Unterhaltsleistungen für ein Kind in Ausbildung, außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer eigenen schweren Erkrankung) oder wenn sich die Forderung in einer Höhe bewegt, die eine Aufrechnung in geringerer Höhe als die Hälfte der laufenden Geldleistung deshalb zulässt, weil die Tilgung in angemessener Zeit möglich ist.

Hinweis:

Eine Aufrechnung zu Lasten der Leistungsansprüche für Kindererziehung gemäß §§ 294 ff. SGB VI ist grundsätzlich möglich. Sie wird jedoch in Anbetracht der Zweckbestimmung dieser Leistung unter Beachtung der Grundsätze des pflichtgemäßen Ermessens (vergleiche auch § 39 SGB I) regelmäßig ausscheiden.

Aufrechnungserklärung

Die Aufrechnungserklärung ist eine formlose, einseitige, empfangsbedürftige, verwaltungsrechtliche Willenserklärung. Sie ist gegenüber dem Schuldner im Rahmen eines Bescheides, das heißt durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu erteilen. Der Große Senat des BSG hat in seiner zur Verrechnung ergangenen Entscheidung BSG vom 31.08.2011, AZ: GS 2/10, klargestellt, dass der Leistungsträger die Verrechnung gemäß § 52 SGB I gegenüber einem Sozialleistungsberechtigten durch Verwaltungsakt regeln darf. Dies gilt dann auch für die Aufrechnung nach § 51 SGB I.

Im öffentlich-rechtlichen Bereich war es längere Zeit umstritten, ob die Aufrechnungserklärung einen Verwaltungsakt darstellt. In seinem zur Verrechnung ergangenen Urteil BSG vom 24.07.2003, AZ: B 4 RA 60/02 R, hat der 4. Senat des BSG für den Bereich des SGB die Auffassung vertreten, dass die Verrechnungserklärung und damit auch die Aufrechnungserklärung kein Verwaltungsakt ist, weil durch sie vom Rentenversicherungsträger keine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird. Insbesondere fehlte es nach Ansicht des BSG an einer Verlautbarung zu den Rechtswirkungen der Verrechnungserklärung auf das mit Verwaltungsakt bindend festgestellte Recht der Klägerin auf die Rentenzahlung. Der die Rentenzahlung bewilligende Rentenbescheid bliebe nämlich unberührt. Offenbar meinte das BSG hier, dass eine wirksame Verrechnungserklärung unter Ausübung des öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrechts lediglich der Anspruchserfüllung, die nicht per gesonderten Verwaltungsakt vorzunehmen ist, dient.

Durch die Auf- beziehungsweise Verrechnungserklärung gelten nach § 389 BGB die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen - also als erfüllt - in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Der Anspruch selbst, dessen Beseitigung oder Änderung Gegenstand einer Einzelfallregelung sein könnte, bleibt unberührt. Deshalb hat das BSG in seiner Entscheidung den Verrechnungsbescheid, der unabhängig von der materiellen Rechtslage das Erlöschen der Forderung der Klägerin feststellte, aufgehoben. Das BSG meinte auch, dass es insoweit keine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes gebe.

Der 4. Senat ist mit seiner Entscheidung von der bis dahin bestehenden Rechtsprechung des BSG abgewichen. Damit wurde jedoch nicht ausgeschlossen, dass unter Abgabe einer Aufrechnungserklärung über deren Rechtsfolgen, nämlich die Kürzung von Leistungsansprüchen (zum Beispiel laufender Rentenansprüche), Verwaltungsakte erteilt werden (vergleiche Abschnitt 9.2). Diese Auffassung bestätigt auch das zur Abtretung ergangene Urteil des BSG vom 23.10.2003, AZ: B 4 RA 25/03 R.

Werden zugleich mit der Aufrechnungserklärung über den Aufrechnungsbetrag die laufende Rentenzahlung wegen der Rechtswirkung gemäß § 389 BGB herabgesetzt oder eine Kürzung anerkannter Nachzahlungsansprüche vorgenommen, liegen Einzelfallregelungen im Sinne der Entscheidungsgründe des Urteils des 4. Senats des BSG vor. Damit waren entsprechende Verwaltungsakte - auch weiterhin - zulässig. Diese Auffassung wurde auch vom im Urteil BSG vom 27.03.1996, AZ: 14 REg 10/95, SozR 3-1200 § 51 SGB I Nr. 5, bestätigt. Dort wurde Folgendes ausgeführt:

„Nach der Rechtsprechung des BSG erklärt eine Behörde die Aufrechnung gegen einen Sozialleistungsanspruch mit einer ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Geldforderung in dem Verwaltungsakt, in dem sie zugleich über die Auswirkungen der Aufrechnung auf den Sozialleistungsanspruch und über dessen Festsetzung entscheidet.“

Deshalb sind die Auf- oder Verrechnungserklärungen bereits aus Rechtssicherheitsgründen in die Verwaltungsakte über die Auswirkungen der Auf- oder Verrechnungen einzubeziehen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass zum Beispiel zur Auf- oder Verrechnung gegen einen Rentenanspruch Einzelentscheidungen über die Höhe des Auf-/Verrechnungsbetrages vorzunehmen sind. Bereits darin ist eine öffentlich-rechtliche Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes zu sehen.

Das Urteil des 4. Senats musste nicht derart verstanden werden, dass Aufrechnungsverfahren stets ohne die Erteilung von Verwaltungsakten durchzuführen sind.

Im Ergebnis wird mit einem Aufrechnungsbescheid eine wirksame Aufrechnungserklärung im Sinne des BSG vom 24.07.2003 abgegeben, die die schuldtilgende Wirkung eintreten lässt. So haben in vergleichbar gelagerten Fällen auch die Landessozialgerichte LSG Schleswig-Holstein vom 28.04.2004, AZ: L 8 RA 53/03, LSG Rheinland-Pfalz vom 13.10.2004, AZ: L 4 RA 140/03 und AZ: L 4 RA 37/04, LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.01.2005, AZ: L 13 RA 52/04, und LSG Hamburg vom 14.02.2006, AZ: L 3 R 31/05, entschieden.

Es gab aber auch verschiedene Urteile, insbesondere der zweiten Instanz (LSG), die der Auffassung des 4. Senates des BSG hinsichtlich der Frage, ob die sozialrechtliche Aufrechnungs- beziehungsweise Verrechnungserklärung im Wege eines Verwaltungsaktes zu erklären ist , in Gänze nicht gefolgt sind.

Hierzu gehören die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.05.2005, AZ: L 1 RA 172/01, des LSG Sachsen vom 24.05.2005, AZ: L 4 RA 110/04, und des Bayerischen LSG vom 08.06.2005, AZ: L 13 R 4045/04, und vom 21.09.2005, AZ: L 13 R 4215/03.

Der 13. Senat des BSG hat zuletzt mit der Entscheidung BSG vom 27.03.2007, AZ: B 13 RJ 43/05 R, deutlich gemacht, dass die Klärung der Rechtsfrage, ob eine Verrechnung durch eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder aber durch einen Verwaltungsakt zu erklären ist, unter Anrufung des Großen Senats des BSG gemäß § 41 Abs. 2 SGG geklärt werden müsse, weil hierzu voneinander abweichende Entscheidungen verschiedener Senate des BSG bestehen.

Der Große Senat des BSG hat mittlerweile am 31.08.2011, AZ: GS 2/10, über die Anfrage des 13. Senats des BSG vom 25.02.2010, AZ: B 13 R 76/09 R, entschieden, sodass damit eine abschließende Klärung dieser Rechtsfrage vorliegt. Der Große Senat des BSG bestätigt in seiner Entscheidung, dass der Leistungsträger die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln darf.

Inhalt und Rechtswirkungen der Aufrechnungserklärung

Die im Wege der Aufrechnung durchzusetzende Forderung (zum Beispiel eine Rückforderung) muss voll wirksam, entstanden und fällig sein. Die Aufrechnungserklärung muss folglich den Rechtsgrund, den Entstehungszeitpunkt sowie die Fälligkeit des Anspruchs beinhalten. Darüber hinaus muss die durchzusetzende Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt sein. Nicht nur der Empfänger der Aufrechnungserklärung, sondern auch Dritte müssen unter Berücksichtigung objektiver Auslegungskriterien (vergleiche § 133 BGB) hinsichtlich Art und Umfang der Aufrechnung feststellen können, mit welcher und gegen welche Forderung aufgerechnet wird. Eine in diesem Sinn nicht ausreichend bestimmte Aufrechnungserklärung ist unwirksam. Dies führt nicht zwangsläufig zur Auszahlung bereits einbehaltener Beträge. Die Aufrechnungserklärung kann dann zur Rechtfertigung der bereits vorläufig einbehaltenen Beträge wirksam nachgeholt werden. Soweit in der Vergangenheit anders verfahren wurde, kann es dabei sein Bewenden haben. Dies gilt nicht bei entsprechenden Überprüfungsanträgen zur Aufrechnungserklärung.

Die Hauptforderung, also die Forderung des Leistungsberechtigten gegen den Rentenversicherungsträger, braucht dagegen nur erfüllbar zu sein.

Allerdings ist die Vorschrift des § 271 Abs. 2 BGB, wonach der Schuldner die Leistung schon vor deren Fälligkeit bewirken kann, für den Rentenversicherungsträger angesichts des Sicherungsziels der von ihm erbrachten Leistungen regelmäßig nicht anwendbar; insbesondere darf der Rentenversicherungsträger eine Rente, abgesehen von der vorschussweisen Zahlung von Kleinstrenten nach § 118 Abs. 2 SGB VI, nicht vor deren Fälligkeit zahlen. Erfüllbarkeit der Hauptforderung ist daher in der Regel erst bei Eintritt der Fälligkeit anzunehmen.

Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen kommt es somit auf die Fälligkeit der einzelnen Leistungen an, sodass mit jedem monatlichen Rentenauszahlungsanspruch eine neue Aufrechnungslage entsteht. Dennoch ist eine monatlich abzugebende Aufrechnungserklärung im Hinblick auf die Fälligkeit der Einzelansprüche auf Zahlung nicht erforderlich; ausreichend ist eine einheitliche Aufrechnungserklärung (auch) für künftige Rentenzahlungsansprüche mit Wirkung für den jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens (BSG vom 26.09.1991, AZ: 4/1 RA 33/90).

Beim Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufrechnung bewirkt erst die Aufrechnungserklärung, dass die sich deckenden Forderungen als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Dies gilt auch, wenn die Aufrechnungserklärung künftig fällig werdende Ansprüche erfasst. Handelt es sich dabei zum Beispiel um in der Zukunft monatlich fällig werdende Rentenansprüche, bedarf es keiner Wiederholung der Aufrechnungserklärung, weil § 832 ZPO entsprechend anwendbar ist.

Anhörung und Bescheiderteilung

Der Große Senat des BSG hat in seiner zur Verrechnung ergangenen Entscheidung BSG vom 31.08.2011, AZ: GS 2/10, klargestellt, dass der Leistungsträger die Verrechnung gemäß § 52 SGB I gegenüber einem Sozialleistungsberechtigten durch Verwaltungsakt regeln darf (vergleiche Abschnitt 9).

Die Aufrechnung und deren Auswirkungen greifen in die Rechte der Berechtigten ein. Dies erfordert generell eine vorherige Anhörung (vergleiche § 24 SGB X) zu einer beabsichtigten Aufrechnung und deren Auswirkungen. Dies gilt auch, wenn eine Aufrechnung zu Lasten eines Abtretungsempfängers durchgeführt werden soll. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70,00 EUR aufgerechnet werden soll (vergleiche § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X).

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Anhörung kann die Aufrechnung nach der Rechtsprechung des BSG in dem Bescheid, in dem zugleich über die Auswirkungen der Aufrechnung auf den Sozialleistungsanspruch - zum Beispiel Kürzung der laufenden Rentenzahlung - entschieden wird, erklärt werden (vergleiche BSG vom 27.03.1996, AZ: 14 REg 10/95). Dabei ist unter Abgabe der Aufrechnungserklärung auch individuell auf das Vorbringen der Berechtigten zur Aufrechnung einzugehen. Erforderlich sind insbesondere Darlegungen zu den angestellten Ermessenserwägungen, damit die Entscheidung - auch für die Sozialgerichtsbarkeit - nachvollziehbar ist. Dies gilt auch, wenn sich die Berechtigten im Anhörungsverfahren nicht äußern (vergleiche insoweit auch die Ausführungen im Abschnitt 8).

Der Aufrechnungsbescheid wird gemäß § 39 SGB X mit seiner Bekanntgabe wirksam; die Aufrechnung kann nach Eintritt der Bestandskraft des Aufrechnungsbescheides vollzogen werden. Ausgenommen hiervon sind Fälle, in denen Widerspruch und Klage gegen den Aufrechnungsbescheid keine aufschiebende Wirkung haben (vergleiche hierzu die Ausführungen in der GRA zu § 86a SGG, Abschnitte 7 und 9). Dies betrifft jedoch nur Fälle, in denen Beitragsforderungen im Wege der Aufrechnung durchgesetzt werden sollen. Unter diesen Umständen darf eine Aufrechnung sogleich - gegebenenfalls mit der Bekanntgabe des Aufrechnungsbescheides - vollzogen werden.

An den Bescheid über die Zahlungsminderung aufgrund der Aufrechnungserklärung und das in ihm zum Ausdruck gebrachte Ermessen bleibt der Rentenversicherungsträger gebunden, es sei denn, neue Tatbestände ermöglichen eine neue Beurteilung des Sachverhalts (zum Beispiel zu der Aufrechnung tritt eine Verrechnung hinzu oder die Rente erhöht sich). Dadurch kann eine Änderung der laufenden Aufrechnung möglich werden. Gegebenenfalls ist ein entsprechendes Änderungsverfahren durchzuführen.

Aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage

Gegen den Aufrechnungsbescheid kann der Bescheidempfänger Widerspruch einlegen. Der Widerspruch kann nach § 86a Abs. 1 SGG eine aufschiebende Wirkung haben (vergleiche GRA zu § 86a SGG, Abschnitte 2 und 3). Siehe auch die Ausführungen im Abschnitt 9.2, vorletzter Absatz. Die aufschiebende Wirkung führt dazu, dass die im Aufrechnungsbescheid erklärte Herabsetzung des Zahlbetrages einstweilen, das heißt bis zur Unanfechtbarkeit des Widerspruchsbescheides, nicht vollzogen wird.

Bei einer anschließenden Klageerhebung gegen die Aufrechnung kann ebenfalls eine aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 1 SGG eintreten. Auf die Ausführungen in der GRA zu § 86a SGG, Abschnitte 7 und 9 wird insoweit hingewiesen.

Folgen einer Rentenerhöhung

Erhöht sich die Rente (zum Beispiel infolge Rentenanpassung), so ist zu unterscheiden, ob die Aufrechnung in Höhe des pfändbaren Betrages, der Hälfte der Rente oder in „bestimmter Höhe“ erklärt wurde.

Bei der Aufrechnung in Höhe des pfändbaren Betrages oder der Hälfte der Rente kann sich abhängig vom Ausmaß der Rentenerhöhung der Aufrechnungsbetrag ändern. Das Ermessen wird nicht erneut ausgeübt. Es bedarf dann auch keiner Abänderung des Bescheides über die Rentenkürzung aufgrund der Aufrechnung. Dies gilt auch für Fälle, in denen sich allein der Aufrechnungsbetrag erhöht, weil ein fester Selbstbehalt (zum Beispiel pauschaler Grenzbetrag für die Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit) festgelegt wurde.

Bei der Aufrechnung in „bestimmter“ Höhe kann der Betrag nur verändert werden, wenn ein neuer Aufrechnungsbescheid erteilt wird. Ein neuer Aufrechnungsbescheid setzt eine neue Ermessensentscheidung über die Höhe des einzubehaltenden Betrages voraus. Wird die Forderung gegen den Leistungsberechtigten in angemessener Zeit getilgt, kann es bei der einmal getroffenen Entscheidung verbleiben.

Auswirkungen der Aufrechnung von Beitragsrückständen

Schuldet ein Leistungsberechtigter Rentenversicherungsbeiträge als Versicherter, so ist die Tilgung dieser Beitragsschuld im Wege der Aufrechnung gegen seine laufende Rente möglich, wenn die Wartezeit ohne die geschuldeten Beiträge erfüllt ist. Wegen der Verfahrensweise sind die nachfolgenden Abschnitte 11.1 bis 11.2 zu beachten.

Neufeststellung der Rente

Erfolgt die Tilgung einer Beitragsschuld gegen die laufende Rente eines Leistungsberechtigten im Rahmen einer Aufrechnung, so ist jedes Jahr einmal eine Neufeststellung der Rente vorzunehmen. Dies gilt auch, wenn mit geschuldeten Rentenversicherungsbeiträgen des verstorbenen Versicherten gegen eine Hinterbliebenenrente aufgerechnet wird (BSG vom 27.01.1972, AZ: 4 RJ 3/71, BSGE 33, 295).

Eine sich bei der Neufeststellung ergebende Nachzahlung ist sofort zur Tilgung der Beitragsschuld zu benutzen und bei der im darauf folgenden Jahr aufgrund der laufend einbehaltenen Beiträge erforderlichen Neufeststellung der Rente zusätzlich zu berücksichtigen.

Überweisung an Einzugsstelle

Die auf Ersuchen der Einzugsstellen aufgerechneten Rentenversicherungsbeiträge sind vom Rentenversicherungsträger nicht zu vereinnahmen, sondern der Einzugsstelle zu überweisen. Bei der Aufrechnung mit einer laufenden Geldleistung (zum Beispiel Rente) hat die Überweisung grundsätzlich nach Abschluss der Aufrechnung zu erfolgen, keinesfalls jedoch vor Eintritt der Bindungswirkung des Aufrechnungsbescheides (vergleiche auch GRA zu § 86a Abs. 1 SGG). Bei längeren Aufrechnungen kann jährlich 1-mal eine Überweisung vorgenommen werden (BSG vom 27.01.1972, AZ: 4 RJ 3/71, BSGE 33, 295 entsprechend). Darüber hinaus bestehen keine Bedenken, die einbehaltenen Beträge auch monatlich zu überweisen, falls die Einzugsstelle dies wünscht. Ein anderer Überweisungsrhythmus (etwa zweimonatlich, viertel- oder halbjährlich) ist jedoch ausgeschlossen.

Konkurrenzen

Im SGB sind für Fälle des Zusammentreffens verschiedener Belastungen keine Regelungen enthalten. Deshalb sind die entsprechenden Vorschriften des BGB und der Insolvenzordnung anwendbar.

Eine Konkurrenz liegt vor, wenn verschiedene Belastungen betragsmäßig denselben Leistungsanteil betreffen. Die Rangfolge richtet sich dann grundsätzlich nach der zeitlichen Reihenfolge des Eintritts der Wirksamkeit der Belastungen. Es können jedoch Besonderheiten gelten (vergleiche zum Beispiel § 406 BGB in Verbindung mit § 53 Abs. 5 SGB I).

Eine Konkurrenz ist nicht gegeben, wenn die vorhandenen Belastungen unterschiedliche Rententeile erfassen. So kann zum Beispiel nach Abtretung eines Teilbetrages einer laufenden Rente eine Aufrechnung im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I bis zur Hälfte der laufenden Rente zusätzlich durchgeführt werden. Dies kann zur gleichzeitigen Ausführung einer Abtretung oder Pfändung und eines Aufrechnungsbescheides führen.

Aufrechnung und Verfahren nach der Insolvenzordnung

Vom Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens werden die nach § 54 SGB I in Verbindung mit § 850c ZPO wegen anderer als Unterhaltsansprüche pfändbaren Beträge vom Insolvenzbeschlag erfasst, das heißt sie gehören zur Insolvenzmasse. Nach § 80 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder über. Näheres zur Insolvenzmasse kann der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 8.7 entnommen werden.

Während der sogenannten Wohlverhaltensperiode erfasst die Abtretungserklärung zur Erlangung der Restschuldbefreiung zugunsten des Treuhänders nur den pfändbaren Teil der Rente (§ 287 Abs. 2 InsO). Weitere Informationen über die Abtretung zur Erlangung der Restschuldbefreiung sind in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 9.7.4 enthalten.

Beachte:

Zu einer Konkurrenzsituation zwischen einer Aufrechnung und einem Verfahren nach der Insolvenzordnung kann es nur in den Fällen einer Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I kommen. Aufrechnungen nach § 51 Abs. 2 SGB I werden von den Regelungen der Insolvenzordnung zu Aufrechnungen (§§ 94 ff., 294 Abs. 3 InsO) jedoch nicht berührt. Vergleiche hierzu den Abschnitt 12.1.2.

Wenn ein Insolvenzgläubiger schon bei der Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes oder aufgrund eines Vertrages zur Aufrechnung berechtigt war, kann er gemäß § 94 InsO weiterhin aufrechnen. Er verliert das Recht zur Aufrechnung auch nicht durch die Anmeldung seiner Forderung im Insolvenzverfahren. Denn die Anmeldung der Forderung selbst stellt keinen Verzicht auf die Aufrechnung dar.

Die Aufrechnung ist auch möglich, wenn die Aufrechnungslage erstmalig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (§ 95 Abs. 1 S. 1 InsO). Voraussetzung ist insoweit, dass die durchzusetzende Forderung des zur Aufrechnung Berechtigten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Das heißt ein Rentenversicherungsträger kann gegen den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Monat für Monat fällig werdenden Einzelanspruch auf Rente aufrechnen, wenn seine durchzusetzende Forderung vor der Aufrechnung (gegen den monatlichen Einzelanspruch) fällig ist (§ 95 Abs. 1 S. 3 InsO).

Zu den Einzelheiten über die Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 51 SGB I nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird auf die Ausführungen im Abschnitt 12.1.2 hingewiesen.

Ausschluss der Aufrechnung

In einigen Fällen schließt die Regelung des § 96 InsO die Aufrechnung ausdrücklich aus. Bei einer Aufrechnung gegen laufende Rentenansprüche zur Durchsetzung von vor dem Insolvenzverfahren entstandenen Forderungen wird den in § 96 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 InsO normierten Aufrechnungsverboten regelmäßig keine Bedeutung zukommen. (vergleiche insoweit auch Abschnitt 12.1.2).

Eine Aufrechnung darf bei folgenden Sachverhalten nicht vorgenommen werden:

  • Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO darf eine Aufrechnung nicht erfolgen, wenn der Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Die Regelung betrifft also Fälle, in denen der Insolvenzgläubiger nach oder mit Eröffnung Schuldner der Masse wird. Dies trifft auf die Fälle zu, in denen der Anspruch des Insolvenzschuldners auf eine - nicht unter die besondere Regelung des § 114 Abs. 2 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 fallende - Sozialleistung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist.
  • Eine Aufrechnung darf nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht erfolgen, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Diese Fallkonstellation ist nicht zu verwechseln mit dem Fall, in dem ein Sozialleistungsträger von einem anderen Sozialleistungsträger nach § 52 SGB I zur Verrechnung einer Forderung ermächtigt wird. Denn dies geschieht, ohne dass damit ein Übergang des Anspruchs auf den um Verrechnung ersuchten Sozialleistungsträger verbunden ist. Somit ist die Regelung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO dann nicht anwendbar.
  • Eine Aufrechnung darf nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht erfolgen, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Von dieser Regelung sind nur Fälle betroffen, in denen das Recht zur Aufrechnung auf einer anfechtbaren Rechtshandlung beruht. In diesen Fällen genügt es, wenn der Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder der Aufrechnung die Einrede der Anfechtbarkeit nach den §§ 129 ff. InsO entgegenhält.
  • Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist dem Insolvenzgläubiger eine Aufrechnung versagt, wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. In diesen Fällen fehlt es an der insolvenzspezifischen Gegenseitigkeit. Die Forderung des Gläubigers ist zur Aufrechnung nicht geeignet, weil sie der Schuldner aus seinem insolvenzfreien Vermögen zu erfüllen hat. Das massezugehörige Vermögen haftet für die Forderung nicht, sodass der Gläubiger einer solchen Forderung, der seinerseits eine Forderung des Insolvenzschuldners zur Insolvenzmasse zu erfüllen hat, auch nicht die Aufrechnung derselben erklären kann.

Auswirkungen des Verfahrens nach der Insolvenzordnung

Bei den Auswirkungen eines Verfahrens nach der Insolvenzordnung ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 oder 2 SGB I handelt.

Eine laufende Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I mit pfändbaren Rentenbeträgen gemäß § 850c ZPO darf ab der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr vorgenommen, das heißt weder begonnen noch fortgesetzt werden. Denn die sich aus der laufenden Rente ergebenden pfändbaren Beträge werden vom Insolvenzbeschlag erfasst. Durch den Rentenversicherungsträger als Drittschuldner ist daher zu beachten, dass der Insolvenzverwalter berechtigt ist, die nach § 850c ZPO pfändbaren Beträge einer Rente bereits ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einzuziehen (vergleiche hierzu auch die Ausführungen im Abschnitt 12.1 und in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 8.7).

Gegen einmalige Geldleistungen (zum Beispiel Witwen-/Witwerrentenabfindungen) darf jedoch auch nach der Insolvenzeröffnung mit dem pfändbaren Teil nach § 94 InsO aufgerechnet werden, wenn die Witwen-/Witwerrentenabfindung (Hauptforderung) vor Insolvenzeröffnung fällig geworden ist (die Witwen-/Witwerrentenabfindung wird mit der Wiederheirat fällig, vergleiche §§ 40, 41 SGB I, § 107 SGB VI). Die Forderung, die aufgerechnet werden soll (Gegenforderung), muss dabei ebenfalls vor der Insolvenzeröffnung entstanden sein. Ferner bleibt nach § 94 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit für bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehende Nachzahlungszeiträume erhalten.

114 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 regelte für Insolvenzverfahren, die bis zum 30.06.2014 beantragt wurden, eine zweijährige Fortwirkungsfrist für die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit pfändbaren Rentenbeträgen gemäß § 850c ZPO nach Ablauf des Monats der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Ablauf des Monats der Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnte die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 SGB I daher fortgesetzt und auch noch begonnen werden. Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2377) wurde die Regelung des § 114 InsO für ab dem 01.07.2014 beantragte Insolvenzverfahren aufgehoben.

Für Aufrechnungen nach § 51 Abs. 2 SGB I hat das Insolvenzverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen, soweit sie über § 850c ZPO hinausgehend Rentenbeträge erfassen, mit denen nur im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig ist. Eine Konkurrenzlage ist nicht gegeben, weil die Aufrechnung nicht auf die Insolvenzmasse zugreift (vergleiche auch Abschnitt 12.1). Die Aufrechnung kann folglich ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters auch während eines Insolvenzverfahrens begonnen werden. Dies gilt auch für Forderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Die Aufrechnung in den pfandfreien Teil der Rentenbeträge ist auch in der sogenannten Wohlverhaltensperiode möglich und muss entweder erst bei Tilgung der Forderung oder bei Erteilung der Restschuldbefreiung beendet werden.

Der BGH hatte mit Beschluss vom 11.04.2013, AZ: IX ZB 94/12 noch nach der vor dem 01.07.2014 geltenden Rechtslage zur InsO entschieden, dass Schuldnern in lang andauernden Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen zu erteilen ist, sofern die Frist der Abtretungserklärung abgelaufen ist, bevor das Insolvenzverfahren beendet wurde. Durch die Verkürzung der Abtretungsfrist auf bis zu drei Jahre ist davon auszugehen, dass sich die Fälle häufen werden, in denen das Insolvenzverfahren über die Abtretungsfrist hinaus andauert. Für das Vermögen, das der Schuldner nach der Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren erlangt (zum Beispiel Renten), stellt § 300a InsO für Verfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, klar, dass derartiges Vermögen nicht zur Insolvenzmasse gehört und als sogenannter Neuerwerb nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Damit stehen diese Bezüge für Forderungen Dritter im Rahmen der §§ 51 bis 54 SGB I zur Verfügung.

Überprüfung der Aufrechnung

Ein Aufrechnungsbescheid zu Lasten laufender Rentenansprüche erfasst entsprechend § 832 ZPO auch die künftig monatlich fällig werdenden Einzelansprüche. Die Aufrechnung selbst wird erst mit der jeweiligen Einbehaltung der Rentenbeträge vollzogen. Während eines Insolvenzverfahrens kann folglich eine Überprüfung des Aufrechnungsbescheides unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erforderlich werden.

Für die Ermessenserwägungen sind auch die Ziele eines Insolvenzverfahrens gemäß § 1 InsO bedeutsam. Das Insolvenzverfahren dient sowohl der Entschuldung eines redlichen Schuldners als auch der gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger. Insoweit ist es nicht ausgeschlossen, dass eine laufende Aufrechnung nach pflichtgemäßem Ermessen eingestellt werden kann.

Aufrechnung nach durchgeführtem Verfahren nach der Insolvenzordnung

Die Möglichkeiten einer weiteren Aufrechnung hängen vom Ausgang des Verfahrens nach der Insolvenzordnung (vergleiche unter anderem § 201 InsO) und dem dann gegebenen Bestand der Forderung ab. Insbesondere können Bestand und Umfang der Forderung im Insolvenzverfahren eine Änderung erfahren.

Wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt, werden die restlichen Insolvenzforderungen - mit Ausnahme der nach § 302 InsO ausgenommenen Insolvenzforderungen - in sogenannte unvollkommene, nicht mehr durchsetzbare Verbindlichkeiten umgewandelt (vergleiche GRA zu Übersicht InsO, Abschnitt 4.4). Eine Aufrechnung dieser Forderungen ist auch im unpfändbaren Bereich des § 51 Abs. 2 SGB I nicht mehr zulässig.

Als deliktisch zur Tabelle angemeldete sozialrechtliche Forderungen sind nach Ablauf der Wohlverhaltensphase nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen, sofern sie als solche nach den §§ 178 ff. InsO festgestellt wurden. Sie können jedoch nur nach § 51 Abs. 1 SGB I aufgerechnet werden.

 Aufrechnung und Verrechnung

Die Aufrechnung zur Durchsetzung eigener Forderung kann generell vorrangig gegenüber einer Verrechnung durchgeführt werden. Dies gilt selbst dann, wenn ein Verrechnungsbescheid bindend geworden ist. Dann bedarf es nicht unbedingt einer Aufhebung dieses Bescheides, sondern es genügt die einstweilige Aussetzung des Verrechnungsbescheides für die Dauer der Aufrechnung.

 Aufrechnung und Abtretung/Pfändung

Aufrechnungen, die vor Wirksamwerden einer Abtretung oder Pfändung erklärt wurden, haben nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität Vorrang vor diesen. Für die im umgekehrten Fall zu beachtenden Besonderheiten gilt die GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 9.4, und die GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 8.5 entsprechend.

Ist die Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I gegenüber einer Pfändung/Abtretung nachrangig, könnte sich ein aufrechenbarer Differenzbetrag nach Abzug des pfändbaren/abtretbaren Betrages der Leistung ergeben, da hier grundsätzlich bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung aufgerechnet werden kann.

 Aufrechnung und Erstattungsansprüche

Es gilt die GRA zu § 106 SGB X, ‘Rangfolge beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach §§ 102 bis 105 SGB X’, Abschnitt 4 ‘Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff. SGB X mit sonstigen Ansprüchen’.

Ist eine Nachzahlung mit einem Erstattungsanspruch belastet, so ist der Erstattungsanspruch vorrangig zu befriedigen und eine Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I bis zur Höhe des gesamten danach noch verbleibenden Nachzahlungsbetrages zulässig, soweit aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X (siehe GRA zu § 107 SGB X) ein Betrag in Höhe von wenigstens der Hälfte der Leistung (Rente/Übergangsgeld) als bereits an den Berechtigten ausgezahlt gilt (siehe RBRTS 1/93, TOP 2).

Siehe Beispiele 5 und 6

Datenschutz

Bei der Bearbeitung von Konkurrenzfällen sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen des SGB X zu beachten. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass den Beteiligten Daten offenbart werden, deren Offenbarung nicht erforderlich ist (vergleiche § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X). Es ist zum Beispiel unzulässig, rangbesseren Gläubigern nachrangige Gläubiger und deren Forderungen zu benennen.

Dem Insolvenzverwalter sind regelmäßig Anfragen zu Rentenansprüchen und deren Belastungen zu beantworten, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten, auf den Insolvenzverwalter übergeht. Damit muss er auch das Vermögen kennen. Dies gilt selbst dann, wenn sich alleine aus der Rente kein pfändbarer Betrag ergibt. Auch dann kann nämlich unter Anwendung des § 36 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 850e Nr. 2a ZPO ein Insolvenzbeschlag aufgrund eines vom Insolvenzgericht erlassenen Zusammenrechnungsbeschlusses eintreten.

Beispiel 1: Zusammentreffen einer Abtretung mit einer Aufrechnungsforderung

(Beispiel zu Abschnitt 4.3)
Rentenbeginn:01.10.2010
Datum der Abtretung:20.09.2010
Kenntnis des Rentenversicherungsträgers von der Abtretung am:15.12.2010
Fälligkeit der Aufrechnungsforderung am:31.03.2011
Lösung:
Es ist eine Aufrechnung gegen die Rentenbeträge ab 01.04.2011 zulässig. Für die Zeit vorher (bis zum 31.03.2011) ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, weil erst mit Fälligkeit der Aufrechnungsforderung eine Aufrechnungslage eingetreten ist. Für die Rentenbeträge ab 01.04.2011 ist die Aufrechnung unter Beachtung von § 53 Abs. 5 SGB I gegenüber der Abtretung vorrangig. Soweit sie sich auf den abgetretenen Betrag erstreckt, ist sie dann jedoch gegenüber dem Abtretungsgläubiger beziehungsweise Zessionar geltend zu machen

Beispiel 2: Zusammenrechnung Versichertenrente mit Arbeitseinkommen

(Beispiel zu Abschnitt 6.1)
Ein Leistungsberechtigter (Schuldner) ohne unterhaltsberechtigte Angehörige bezieht im Jahr 2014 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich netto 
600,00 EUR
und ein Netto-Arbeitseinkommen in Höhe von monatlich800,00 EUR
Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist für sich allein nicht pfändbar, da der unpfändbare Betrag nach der Tabelle zu § 850c ZPO 1.049,99 EUR beträgt.
Lösung:
Der Rentenversicherungsträger kann hier auch das Arbeitseinkommen durch Zusammenrechnung mit der Rente in die Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I einbeziehen. Von dem Gesamtbetrag beider Leistungen gleich 1.400,00 EUR sind nach der Tabelle zu § 850c ZPO 248,47 EUR pfändbar. Bis zu diesem Betrag wäre im Falle der Zusammenrechnung beider Einkommen eine Aufrechnung nach § 51 Abs. 1 SGB I zulässig.

Beispiel 3: Ermittlung des aufrechenbaren Betrages in einer Bedarfsgemeinschaft

(Beispiel zu Abschnitt 7.4.1.1)
Es wird folgende Berechnung des Sozialhilfeträgers über die monatliche Hilfe einer Bedarfsgemeinschaft vorgelegt (Beträge in Euro).
EhegatteHaushaltvorstandGesamt
Regelsatz Leistungen SGB XII311,00 EUR311,00 EUR
Unterkunftskosten158,20 EUR158,20 EUR
Summe Bedarf469,20 EUR469,20 EUR  938,40 EUR
Einkommensberechnung:
Altersrente229,69 EUR
Erwerbsminderungsrente 812,28 EUR
Summe Nettoeinnahmen229,69 EUR 812,28 EUR1.041,97 EUR
Bedarf abzüglich Einkommen239,51 EUR-343,08 EUR
Bedarf übersteigendes Einkommen    0,00 EUR 343,08 EUR
Verteilung auf Bedarfsgemeinschaft- 239,51 EUR       0,00 EUR
Monatliche Hilfe    0,00 EUR     0,00 EUR
Maximaler Aufrechnungsbetrag    103,57 EUR
Lösung:

Je nachdem, gegen welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sich die Aufrechnung richtet, kann entweder gegen die Rente des Haushaltsvorstandes oder gegen die Rente des Ehegatten nach § 51 Abs. 2 SGB I bis zur jeweiligen Hälfte, höchstens aber bis zu 103,57 EUR, aufgerechnet werden.

Die Summe der Bedarfe sind der Summe der Nettoeinkommen auch dann in der aufgezeigten Weise gegenüberzustellen, wenn die Rente des Versicherten die einzige Einnahmequelle der Bedarfsgemeinschaft ist und die anderen Mitglieder dieser Gemeinschaft über kein Einkommen verfügen.

Beispiel 4: Aufrechnung bei Bezug von Wohngeld

(Beispiel zu Abschnitt 7.4.1.3)
Es soll die Aufrechnung einer Beitragsschuld von 2.000,00 EUR erfolgen. Der Versicherte erhält eine Regelaltersrente und Wohngeld. Ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter entsteht bei einem Einkommen von unter 752,00 EUR (Bedarf).
Einkommen des Versicherten vor der Aufrechnung:
Versichertenrente1.200,00 EUR
Wohngeld   170,00 EUR
Einkommen:1.370,00 EUR
Einkommen des Versicherten bei hälftiger Aufrechnung:
Versichertenrente   600,00 EUR
Wohngeld   170,00 EUR
Einkommen:   770,00 EUR
Lösung:
Bei einer Aufrechnung bis zur Hälfte der Rente (600,00 EUR) entsteht kein Grundsicherungsbedarf (Hilfebedürftigkeit). Die Aufrechnung ist daher zulässig. Der Anspruch auf Wohngeld bleibt daher bestehen. Droht bei einer Aufrechnung bis zur Hälfte der Rente Hilfebedürftigkeit, ist die Aufrechnung so zu begrenzen, dass Hilfebedürftigkeit nicht eintritt. Der Anspruch auf Wohngeld wird insoweit allein durch eine Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I nicht berührt.

Beispiel 5: Aufrechnung mit zeitgleichem Erstattungsanspruch

(Beispiel zu Abschnitt 12.4)

Aus der rückwirkenden Feststellung eines Anspruchs auf Altersrente resultiert für die Zeit vom 01.01. bis zum 28.02.2009 eine Nachzahlung in Höhe von

2 mal 900,00 EUR gleich

 
 

1.800,00 EUR

Die Agentur für Arbeit macht auf diese Nachzahlung einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X geltend in Höhe von insgesamt 
1.600,00 EUR
Der die Altersrente zahlende Rentenversicherungsträger beabsichtigt, Sozialversicherungsbeiträge, die der Berechtigte ihm schuldet, gegen die Rentennachzahlung aufzurechnen.
Lösung:

Aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X wird die von der Agentur für Arbeit für die Zeit vom 01.01. bis 28.02.2009 erbrachte Leistung im Nachhinein zur Rente.

Für die von dem Rentenversicherungsträger beabsichtigte Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I kommt deshalb die gesamte nach Erfüllung des Erstattungsanspruchs verbleibende Nachzahlung in Höhe von 200,00 EUR (und nicht etwa nur die Hälfte ihres Betrages gleich 100,00 EUR) in Betracht.

Beispiel 6: Aufrechnung mit teilweise zeitgleichem Erstattungsanspruch

(Beispiel zu Abschnitt 12.4)

Aus der rückwirkenden Feststellung eines Anspruchs auf Altersrente resultiert für die Zeit vom 01.01. bis zum 28.02.2009 eine Nachzahlung in Höhe von

2 mal 900,00 EUR gleich

 
 

1.800,00 EUR

Die Agentur für Arbeit macht auf diese Nachzahlung einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X für den Monat Januar 2009 geltend in Höhe von

Für den Februar 2009 besteht kein Erstattungsanspruch.

 
   800,00 EUR
Der die Altersrente zahlende Rentenversicherungsträger beabsichtigt, Sozialversicherungsbeiträge, die der Berechtigte ihm schuldet, gegen die Rentennachzahlung aufzurechnen.
Lösung:

Für die vom Rentenversicherungsträger beabsichtigte Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I steht nicht etwa die Hälfte der nach Abrechnung des Erstattungsanspruchs verbleibenden Nachzahlung zur Verfügung (1.800,00 EUR minus 800,00 EUR gleich 1.000,00 EUR geteilt durch 2 gleich 500,00 EUR). Eine solche monatsübergreifende Gesamtsicht lässt § 118 Abs. 1 SGB VI nicht zu.

Vielmehr ist monatsweise zu prüfen, welcher Betrag von der hälftigen Rente nach Abzug des Erstattungsanspruchs noch für die Aufrechnung verbleibt. Für Januar 2009 bleiben nach Abzug des vorrangigen Erstattungsanspruchs noch 100,00 EUR über. Aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X wird die von der Agentur für Arbeit für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.01.2009 erbrachte Leistung im Nachhinein zur Rente. Somit hat der Versicherte schon mehr als die Hälfte der Januarrente „erhalten“ und ihm steht für diesen Monat nichts mehr zu. Die verbleibenden 100,00 EUR sind für die Aufrechnung zu verwenden. Da für Februar 2009 kein Erstattungsanspruch besteht, steht die Hälfte der Rente, also 450,00 EUR, für die Aufrechnung zur Verfügung. Der Rentner erhält die restlichen 450,00 EUR. Insgesamt stehen damit für die Aufrechnung 550,00 EUR zur Verfügung.

Kommunales Optionsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 2014)

Inkrafttreten: 06.08.2004

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/2816

In Absatz 2 wurde das gesetzlich manifestierte Auf- und Verrechnungsverbot im Falle des Eintritts von Sozialhilfebedürftigkeit um den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erweitert.

Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 30.12.2003 (BGBl. I S. 3022)

Inkrafttreten: 01.01.2005

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1514

Im Absatz 2 wurde das Wort „Bundessozialhilfegesetz“ durch die Wörter „Zwölften Buches“ ersetzt.

Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954)

Inkrafttreten: 01.01.2005

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/1638

Im Absatz 2 wurde die Beweislast über den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit den Leistungsberechtigten auferlegt. Damit erfolgt durch die gesetzliche Neuregelung eine Abkehr vom Amtsermittlungsprinzip hin zum Beibringungsgrundsatz, mithin eine „Umkehr der Beweislast“.

2. SGBÄndG vom 13.06.1994 (BGBl. I S. 1229)

Inkrafttreten: 18.06.1994

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 12/5187 und 12/7324

Absatz 2 wurde der Änderung in § 54 SGB I angeglichen.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 27.08.1980

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Durch die Änderung wurde klargestellt, dass die Aufrechnung gemäß Absatz 2 nicht zum Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt führen darf.

SGB I vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015)

Inkrafttreten: 01.01.1976

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 305/72

§ 51 SGB I ist am 01.01.1976 in Kraft getreten (Art. II § 23 SGB I). Die Vorschrift gilt für Ansprüche des Berechtigten auf Geldleistungen, die vom 01.01.1976 an fällig werden.

Sie findet auch dann Anwendung, sofern gegen fällige Ansprüche des Berechtigten für Zeiten ab dem 01.01.1976 mit Ansprüchen der Leistungsträger gegen den Berechtigten aufgerechnet wird, die vor dem 01.01.1976 fällig geworden sind. Die Ansprüche der Rentenversicherungsträger dürfen jedoch noch nicht verjährt sein; die Verjährung ist von Amts wegen zu beachten.

Die zuvor die Aufrechnung regelnden §§ 78 und 91 Abs. 4 AVG, §§ 1299 und 1312 Abs. 4 RVO sind mit Wirkung vom 01.01.1976 gestrichen worden (Art. II, §§ 4 und 5 SGB I). Im Beitrittsgebiet findet die Regelung des § 51 SGB I seit dem 01.01.1991 Anwendung.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 51 SGB I