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L 13 RA 52/04

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 1. September 2004 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2003 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu einem Viertel. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung der Beklagten.

Der Kläger bezieht seit dem 1.8.2001 eine Regelaltersrente von der Beklagten. Mit Bescheid vom 1.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2003 forderte die Beklagte vom Kläger die Erstattung der in den Monaten März und April überzahlten Hinterbliebenenrente in Höhe von 1.386,86 Euro, da die Rentenbezieherin, Frau D L - die Mutter des Klägers - am 00.02.2001 verstorben war und der Kläger in der genannten Höhe über das Konto der Verstorbenen verfügt habe. Diese Entscheidung wurde vom Kläger nicht in der Klage angefochten.

Nach Anhörung des Klägers rechnete die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2003 nach § 51 SGB I die von ihr zu Unrecht erbrachte Sozialleistung in Höhe von 1.386,86 Euro gegen die dem Kläger zuerkannte laufende Geldleistung (Rente von 572,70 Euro monatlich) ab dem 01.11.2003 in Höhe von 50,00 Euro monatlich auf.

Dagegen legte der Kläger am 4.11.2003 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er sich gegen die Rechtmäßigkeit der Rückforderung nach § 118 SGB VI wandte. Die Bestandskraft des Bescheides vom 11.12.2002 sei für ihn als Bürger unerheblich. Die Beklagte verstoße mit ihrem Vorgehen gegen die Haager Konvention. Außerdem habe er die Erbschaft seiner Mutter seinerzeit ausgeschlagen.

Die Beklagte wies mit Bescheid vom 18.12.2003 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und nahm die Einbehaltung der monatlichen 50,00 Euro wieder auf.

Mit der am 9.1.2004 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und geltend gemacht, dass die Überzahlung durch die Postbank verschuldet sei und dass er am 4.4.2001 die Erbschaft seiner Mutter ausgeschlagen habe.

Die Beklagte hat auf die Bestandskraft des Bescheides vom 11.12.2002 hingewiesen sowie darauf, dass sie den Kläger nicht als Erben in Anspruch nehme, sondern nach § 118 Satz 4 Abs. 1 SGB VI. Eine Sozialhilfebedürftigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I habe der Kläger trotz Aufforderung bislang nicht glaubhaft gemacht.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 1.9.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beklagte nehme die Aufrechnung ihrer Forderung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 11.12.2002 zu Recht vor, weil der Kläger eine Sozialhilfebedürftigkeit im Sinne des 51 Abs. 2 SGB I trotz der Aufforderung der Beklagten nicht glaubhaft gemacht habe. Die Einwendungen des Klägers gegen den Bescheid vom 11.12.2002 berührten die Aufrechnung nicht, weil der Kläger zwar gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, den Widerspruchsbescheid vom 1.4.2003 jedoch habe bestandskräftig werden lassen. Seine Einwendungen richteten sich jedoch lediglich gegen den bestandskräftigen Bescheid. Tragfähige Argumente, die die Aufrechnung selbst in Frage stellten, habe der Kläger nicht vorgebracht. Soweit der Kläger glaube, dass die Bestandskraft eines Bescheides für ihn als Bürger unerheblich sei, gehe er von einer falschen rechtlichen Würdigung aus.

Gegen das am 11.9.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.10.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Nicht beachtet worden sei, dass die Postbank das Konto gesperrt gehabt habe, bevor für April die Rente der Verstorbenen ausgezahlt worden sei, sodass er als Verfügungsberechtigter über nichts mehr habe verfügen können. Den Widerspruchsbescheid vom 1.4.2003 habe er nicht bestandskräftig werden lassen. Er habe einen Nachsendeantrag gestellt gehabt, der von der Post beachtet worden sei. Von dem Widerspruchsbescheid habe er erst per Fax am 30.7.2003 in Spanien Kenntnis erhalten. Er bitte um Aufhebung der Bindung dieses Bescheides. Nicht er, sondern die Postbank habe das Geld zurückzuzahlen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

  • den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 aufzuheben und die bislang einbehaltenen Aufwendungsbeträge an ihn auszuzahlen sowie zukünftig seine Rente ungekürzt auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der Kläger mit der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und Anlass zur Vertagung nicht bestanden hat.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise, nämlich soweit sie die Anfechtungsklage betrifft, begründet. Die Leistungsklage auf volle Auszahlung der Rente ist hingegen unbegründet.

Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 13.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 ist zulässig und begründet.

Gemäß § 54 Abs. 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte gemäß § 51 SGB I die Aufrechnung ihrer mit Bescheid vom 1.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.4.2003 festgestellten Ansprüche gegen den Anspruch des Klägers auf Altersrente erklärt. Diese Aufrechnungserklärung in den angefochtenen Bescheiden stellt lediglich einen verwaltungsrechtliche Willenserklärung der Beklagten dar und keinen Verwaltungsakt (vgl. BVerwGE 66,218; BFHE 149,482; BSG, Urt. v. 24.7.2003- B 4 RA 60/02 R; Seewald, Kasseler-Kommentar § 51 SGB I Rn 21; Klose in Jahn SGB § 51 SGB I Rn 22). Weil die Beklagte durch die gewählte Überschrift "Bescheid" und den Inhalt in der Rechtsmittelbelehrung den Anschein erweckt hat, sie treffe auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts verbindlich eine Regelung, und damit zwar nicht dem Inhalt, jedoch der äußeren Form nach sich eines - formellen Verwaltungsaktes bedient hat, war der Bescheid vom 13.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheid vom 18.12.2003 auf die Anfechtungsklage des Klägers aufzuheben (vgl. dazu BSG, Urt. v. 23.7.2003 - B 4 RA 60/02 R)

Die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist nicht begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht die (Nach)-Zahlung des monatlich einbehaltenen Betrages von 50 EUR verlangen, weil in dieser Höhe der monatliche Rentenzahlungsanspruch durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen ist (§ 389 BGB).

Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I (in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird.

Die Voraussetzungen einer Aufrechnung gemäß (§ 387 BGB), Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit im Zeitpunkt der Aufrechnung der Beklagten gegenüber dem Altersrentenanspruch des Klägers sind erfüllt. Der Anspruch, mit dem die Beklagte aufrechnet ist, wie das Sozialgericht im insoweit zutreffenden angefochtenen Urteil richtig ausgeführt hat, durch Bescheid der Beklagten vom 1.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.4.2003 festgestellt. Gegen diese Bescheide war und ist bislang nicht Klage erhoben worden, so dass sie bestandskräftig geworden sind. Ob dem Kläger, der auf den Ablauf der Klagefrist hingewiesen, zunächst geltend gemacht hatte, die Bestandskraft des Bescheides betreffe ihn als Bürger nicht, und erst zuletzt Wiedereinsetzungsgründe für sich beansprucht hat, hinsichtlich der Klagefrist gegen den Bescheid vom 1.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.4.2003 Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, könnte nur in einem solchen, bislang nicht anhängig gemachten Klageverfahren gegen die vorstehend genannten Bescheide, nicht aber in diesem Rechtsstreit entschieden werden. Weil die Einwendungen, die der Kläger im Berufungsverfahren vertieft hat ("Erbe ausgeschlagen, Postbank trägt die Schuld") die bestandskräftig festgestellten Ansprüche der Beklagten betreffen, sind sie in diesem Verfahren unbeachtlich.

Die Aufrechnung ist seitens der Beklagten wirksam erklärt worden. Die Aufrechnungserklärung (§ 389 BGB) ist insbesondere auch inhaltlich hinreichend bestimmt.

Das Sozialgericht hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger nichts Überprüfbares dazu dargelegt hat, dass er durch die Aufrechnung in Höhe von 50 EUR sozialhilfebedürftig werde. Der Kläger stellt eine solche Behauptung nicht einmal explizit auf, obwohl er im Verfahren mehrfach auf die letztlich allein maßgebliche Bedeutung der Frage der Sozialhilfebedürftigkeit hingewiesen worden ist. Selbst seine zweitinstanzlichen Ausführungen gehen über Andeutungen nicht hinaus. Etwa der Vortrag, dass seine Rente nicht einmal die Höhe einer Wohnungsmiete in Bonn erreiche, ist ohne Belang. Denn weder hält sich der Kläger in Bonn auf noch zahlt er dort offensichtlich Miete. Vor allem aber sind mit Ausnahme der Rentenhöhe weder der Beklagten noch dem Gericht die sonstigen Einkommens-, Vermögens- und anderen Lebensumstände näher bekannt, so dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger durch die Aufrechnung der Beklagten sozialhilfebedürftig werde und damit die Aufrechnung gegen § 51 SGB I verstoße.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.

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