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§ 86a SGG: Aufschiebende Wirkung im Widerspruchsverfahren

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Änderung der Rechtsauffasung, sofern es um eine Aufrechnung/Verrechnung wegen einer Beitragsforderung (zum Beispiel aus einer Betriebsprüfung) geht. In einem derartigen Fall ist § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG einschlägig. Aufschiebende Wirkung tritt somit nicht ein.

Dokumentdaten
Stand05.08.2015
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in Kraft getreten am 01.01.2004
Rechtsgrundlage

§ 86a SGG

Version001.01

Inhalt der Vorschrift

§ 86a SGG bildet zusammen mit § 86b SGG die Grundlage des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren. Beide Vorschriften sind § 80 VwGO nachgebildet worden.

In § 86a Abs. 1 SGG wird der Grundsatz festgeschrieben, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben.

§ 86a Abs. 2 SGG enthält eine abschließende Aufzählung von Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung des § 86a Abs. 1 SGG durchbrochen wird. Dies gilt zum Teil bereits für das Widerspruchsverfahren, zum Teil aber erst ab dem Klageverfahren. Der Gesetzgeber hat für die in Abs. 2 genannten Fälle entschieden, dass das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug Vorrang vor dem Interesse des Versicherten hat, vom Vollzug des belastenden Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Für die Rentenversicherungsträger sind in Abs. 2 nur die Nummern 1, 3 und 5 von Interesse. Um die dort geregelten Ausnahmen einstweilig wieder rückgängig zu machen, kann vom Betroffenen bei Gericht ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gestellt werden (siehe GRA zu § 86b SGG, Abschnitt 3.2).

§ 86a Abs. 3 SGG räumt dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit ein, die Vollziehung eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes auszusetzen. Dadurch wären zum Beispiel geforderte Beiträge vorerst nicht zu zahlen. Damit soll zum einen Rechtsschutz gewährt, zum anderen aber auch eine Entlastung der Sozialgerichte erreicht werden.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 86b SGG regelt den einstweiligen Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren.

Aufschiebende Wirkung

Die grundsätzlich durch Widerspruch und Klage herbeigeführte aufschiebende Wirkung ist ein Wesensmerkmal des im Grundgesetz gewährleisteten Verwaltungsrechtsschutzes. Für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit regelt § 86a Abs. 1 SGG, dass der Verwaltungsakt zwar wirksam wird, er jedoch für die Dauer des Widerspruchsverfahrens nicht vollzogen werden darf. Allein die Einlegung des Widerspruchs bewirkt damit, dass der Rentenversicherungsträger von der angeordneten Maßnahme zunächst keinen Gebrauch machen darf. Eine entzogene Rente muss zum Beispiel vorläufig wieder zur Zahlung angewiesen werden.

Ohne aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage würde der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Verwaltung häufig hinfällig werden. Denn bei einer sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes könnten von der Verwaltung vollendete Tatsachen geschaffen werden, die auch dann nicht oder jedenfalls nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnten, wenn der Betroffene mit seinem Rechtsmittel letzten Endes Erfolg hat. Dadurch würde der Zweck der Nachprüfung des Verwaltungsaktes durch unabhängige Gerichte vereitelt und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unterlaufen. Die in der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe liegende Sicherung vorläufigen Rechtsschutzes gehört daher zu den wesentlichen Elementen des Rechtsschutzes überhaupt (unter anderen Beschluss des BVerfG vom 01.10.2008, AZ: 1 BvR 2466/08, Rdnr. 12-14).

Aufschiebende Wirkung des (Anfechtungs-)Widerspruchs

Die vom Gesetzgeber in § 86a Abs. 1 SGG gewählte Formulierung bedeutet nicht, dass jeder Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. Wie bei den Klagearten, bei denen nur die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, trifft dies bei den Widersprüchen nur auf den (Anfechtungs-)Widerspruch zu. (Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86a, Rdnr. 6).Siehe Beispiele 1 bis 4

Aufschiebende Wirkung soll im Ergebnis nur für die Fälle gewährt werden, in denen in bestehende Rechte eingegriffen wird (zum Beispiel Widerspruch gegen die Entziehung einer Rente). Sie gilt somit nicht für sogenannte Vornahmesachen, bei denen die Erweiterung einer Rechtsposition angestrebt wird (zum Beispiel Widerspruch gegen die Ablehnung einer Rente).

Ausnahmen hierzu sind in § 86a Abs. 2 SGG geregelt.

Beginn der aufschiebenden Wirkung des (Anfechtungs-) Widerspruchs

Die aufschiebende Wirkung setzt ein mit der

  • Einlegung des Rechtsbehelfs oder
  • der Aussetzung der Vollziehung durch die für die Bearbeitung des Widerspruchs zuständige Stelle gemäß § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG (siehe Abschnitt 12) oder
  • der Anordnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 SGG (siehe GRA zu § 86b SGG, Abschnitt 3).

Weitere Voraussetzungen gibt es nicht.

Lediglich ein offensichtlich unzulässiger Widerspruch löst keinen Beginn der aufschiebenden Wirkung aus (Lüdkte, HK-SGG, Binder, § 86a, Rdnr. 11). Maßgebend ist allein, dass ohne eine ins Detail gehende Prüfung feststellbar ist, ob der Widerspruch zulässig ist oder nicht. Regelmäßig wird dies nur für die Frage der Einhaltung der Widerspruchsfrist möglich sein. Wegen der hohen Anforderung des § 37 Abs. 2 2. Halbsatz SGB X dürfte dies nur auf Bescheide zutreffen, bei denen sich der Zugang beim Versicherten nachweisen lässt (zum Beispiel Bekanntgabe durch Einschreiben mit Rückschein gemäß § 4 VwZG). Grundsätzlich ist deshalb davon auszugehen, dass der Widerspruch zulässig ist.

Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs, also dessen Begründetheit, sind für den Beginn der aufschiebenden Wirkung nicht von Bedeutung.

Die aufschiebende Wirkung hat zur Folge, dass inzwischen erfolgte Vollziehungsmaßnahmen ab Erlass des belastenden Verwaltungsaktes rückgängig zu machen sind. Sollte die Rente also bereits entzogen worden sein, so ist sie von Amts wegen für die Dauer des Widerspruchsverfahrens zur Zahlung anzuweisen. Es besteht für alle Behörden und Gerichte sowie etwaige vom Verwaltungsakt Begünstigte ein Verbot, Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt zu ziehen (Wehrhahn, Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86a, Rdnr. 14).

Ende der aufschiebenden Wirkung des (Anfechtungs-) Widerspruchs

Der Gesetzgeber hat keine dem § 80b VwGO entsprechende Regelung in das SGG übernommen. In § 80b VwGO wird das Ende der aufschiebenden Wirkung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit geregelt. In Anlehnung an diese Norm ist davon auszugehen, dass das Ende der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit der Unanfechtbarkeit des Widerspruchsbescheides eintritt.

Wird Klage erhoben, endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit dem Tag vor Eintritt der Rechthängigkeit der Klage (BSG vom 23.09.1997, AZ: 2 RU 44/96, SozR 3-1300 § 50 Nr. 20). Zur aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage siehe Abschnitt 4).

Zur Rückforderung von während der aufschiebenden Wirkung gezahlten Beträgen siehe Abschnitt 13.

Aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage

§ 86a Abs. 1 SGG ist hinsichtlich der betroffenen Klageart eng auszulegen. Gemeint ist ausschließlich die in § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG erwähnte (reine) Anfechtungsklage. Ziel der Anfechtungsklage ist es, einen belastenden Verwaltungsakt durch ein Gerichtsurteil zu beseitigen. Zur Bedeutung der aufschiebenden Wirkung siehe Abschnitt 2.

Für die Träger der Deutschen Rentenversicherung kommen im Wesentlichen folgende Fallgruppen für eine Anfechtungsklage in Frage:

Fallgruppe

Klage hat aufschiebende
Wirkung

Fundstelle

Forderung von Beiträgen
(zum Beispiel nach einer Betriebsprüfung)
NeinAbschnitt 7
Entziehung einer RenteNeinAbschnitt 8
Herabsetzung des Zahlbetrages einer Rente (zum Beispiel wegen Zusammentreffen mit Einkommen)NeinAbschnitt 8
Durchführung einer Abzweigung, Aufrechnung, Verrechnung ohne Realisierung einer BeitragsforderungJaAbschnitt 9
Durchführung einer Aufrechnung, Verrechnung zur Realisierung einer BeitragsforderungNeinAbschnitt 9
Rückforderung einer überzahlten RenteJaAbschnitt 10

Beginn und Dauer der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage

Hat die Anfechtungsklage kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung (siehe Abschnitt 4), so beginnt die aufschiebende Wirkung grundsätzlich mit der Einlegung der Klage.

Hat die Anfechtungsklage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, kann der Kläger die aufschiebende Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG beim Sozialgericht beantragen. Das Sozialgericht entscheidet hierüber durch Beschluss (siehe GRA zu § 86b SGG, Abschnitt 3.2). Enthält der Beschluss keine Regelung über den Beginn der aufschiebenden Wirkung, tritt die aufschiebende Wirkung rückwirkend mit Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes ein. Der Beschluss wirkt auch noch für ein sich anschließendes Berufungsverfahren, solange er nicht aufgehoben wird oder bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 86b SGG, Rdnr. 19).

Ende der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage

Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage endet, wenn

Liegt ein Aufhebungsbeschluss vor, endet die aufschiebende Wirkung zu dem im Beschluss genannten Zeitpunkt. Hat der Beschluss zum Beispiel zur Folge, dass eine Rentenzahlung nunmehr einzustellen ist, ist dem Rentner sowie dem Gericht hierüber eine kurze Mitteilung zu geben. Die im Wege der aufschiebenden Wirkung gezahlten Beträge sind zurückzufordern (Abschnitt 13). Im Hinblick auf das noch anhängige Klageverfahren/Berufungsverfahren sollte die Rückforderung zwar angekündigt, jedoch erst durchgeführt werden, wenn das gesamte Verfahren tatsächlich zu Gunsten des Rentenversicherungsträgers abgeschlossen wurde.

Rechtsgestaltende und feststellende Verwaltungsakte

§ 86a Abs. 1 Satz 2 SGG beinhaltet lediglich eine Klarstellung. Es wird festgelegt, dass die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auch bei rechtsgestaltenden (konstitutiven) und feststellenden (deklaratorischen) Verwaltungsakten eintritt.

Der gestaltende Verwaltungsakt zielt auf eine Veränderung der Rechtslage (zum Beispiel Rentenentziehung), der feststellende Verwaltungsakt stellt nur eine ohnedies bestehende Rechtsfolge klar (zum Beispiel Versicherungspflicht gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI).

Verwaltungsakt mit Drittwirkung

Die Ausführungen unter Abschnitte 2, 3 und 4 gelten gemäß § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG auch für Verwaltungsakte mit Drittwirkung. Ein für die Rentenversicherung typisches Beispiel ist die Aufteilung von Witwenrenten und Witwerrenten auf mehrere Berechtigte § 91 SGB VI.

Entfallen der aufschiebenden Wirkung bei Versicherungs- und Beitragspflicht (Absatz 2 Nummer 1)

Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sowohl im Widerspruchs- als auch im Klageverfahren bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Der Gesetzgeber will durch diese Regelung der Deutschen Rentenversicherung kontinuierliche Beitragseinnahmen sichern (BT-Drucks. 14/5943, S. 25).

Beachte: § 7a Abs. 7 SGB IV ist als lex specialis zu beachten in den Fällen von Statusentscheidungen im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV und außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7b SGB IV.

§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG findet vor allem für die Fälle Anwendung, in denen vom Rentenversicherungsträger Beiträge gefordert werden. Im Bereich der Versicherung können dies geforderte Beiträge aus einer Betriebsprüfung sein. Im Bereich der Rentenzahlung betrifft dies zum Beispiel die rückständigen Beitragsanteile/Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die der Rentenversicherungsträger nach § 255 Abs. 2 SGB V aus der laufenden Rente einzubehalten hat (siehe GRA RKV und Pflege V, §§ 249a, 255 SGB V, E. Beitragserhebung, Abschnitt 3.2). Sowohl bei der Feststellung der nachzuerhebenden Beitragsanteile/Beiträge (Nacherhebungsbescheid) als auch bei der Entscheidung über die Höhe des tatsächlichen Einbehalts (Durchsetzungsbescheid) entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs.

Ob zu den im Gesetz genannten Nebenkosten auch die Säumniszuschläge gehören, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Bis zum Vorliegen einer einheitlichen Rechtsauffassung wird vorerst davon ausgegangen, dass die Säumniszuschlägen zu den Nebenkosten gehören. Aufschiebende Wirkung ist deshalb bei der Forderung von Säumniszuschlägen nicht zu beachten, sofern ein entsprechender Bescheid angefochten wird.

Beachte: Widerspruch und Klage gegen die Ausführung einer Aufrechnung/Verrechnung wegen einer Beitragsforderung haben keine aufschiebende Wirkung im Gegensatz zu einer Aufrechnung/Verrechnung wegen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen (siehe Abschnitt 9).

Der Gesetzgeber hat jedoch durch § 86a Abs. 3 SGG eine Norm geschaffen, die den Widerspruchsführer vor der sofortigen Vollziehung schützen soll (siehe Abschnitt 12). Im Übrigen kann der Widerspruchsführer jederzeit beim zuständigen Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragen (§ 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG, siehe GRA zu § 86b SGG, Abschnitt 3)

Entfallen der aufschiebenden Wirkung bei Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung (Absatz 2 Nummer 3)

Die aufschiebende Wirkung entfällt für die Anfechtungsklage bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen. Zu einer laufenden Zahlung gehört auch eine eventuelle Nachzahlung. Typische Anwendungsfälle sind Klageverfahren beim Zusammentreffen von Renten und Einkommen (§§ 89 ff SGB VI).

Während also ein Widerspruch gegen derartige Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung hat (siehe Abschnitt 3), kann sich der Versicherte im Klageverfahren nicht darauf berufen. Er muss vielmehr einen Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG stellen (siehe GRA zu § 86b SGG, Abschnitt 3)

Anfechtungsklage gegen Aufrechnung, Verrechnung oder Abzweigung (mit und ohne Beitragsforderung)

Geht es in dem Klageverfahren um eine Aufrechnung, Verrechnung oder Abzweigung wegen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen (also NICHT um eine Beitragsforderung), hat die Klage aufschiebende Wirkung, da § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht einschlägig ist. Es gilt deshalb § 86a Abs. 1 SGG.

Denn durch einen Verrechnungsbescheid wird die bezogene laufende Rente weder beseitigt noch in der Höhe herabgesetzt. Durch die Verrechnung zum Beispiel mit einem Anspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen den Rentner wird der Anspruch des Rentners auf die Rentenleistung in ungekürzter Höhe nicht berührt. Dass der Rentenversicherungsträger dem Rentner einen geringeren monatlichen Zahlbetrag gewähren will, liegt allein daran, dass der Rentenversicherungsträger einen Teil seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Rentner durch Zahlung an einen Dritten tilgen will. Streitig ist damit nicht die Höhe der vom Rentenversicherungsträger geschuldeten Rente, sondern die Frage, wie und an wen die der Höhe nach unstreitige Rente zu zahlen ist.

Dies gilt jedoch nicht, wenn es in dem Klageverfahren um eine Aufrechnung/Verrechnung wegen einer Beitragsforderung (zum Beispiel aus einer Betriebsprüfung) geht. In einem derartigen Fall ist § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG einschlägig (siehe Abschnitt 7). Denn die "Anforderung" im Sinne d. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfasst nicht nur das Geltendmachen einer Geldforderung, sondern alle Verwaltungsakte, die zur Realisierung des behördlichen Anspruchs auf öffentliche Abgaben ergehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 86a Rdnr. 13a). Darunter fallen auch die Aufrechnung nach § 51 des Ersten Sozialgesetzbuches (SGB I) und die Verrechnung nach § 52 SGB I (Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 14.02.2011, AZ: L 5 R 17/11 B ER; vergleiche auch Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage, Udsching, V, 14 sowie RBRTN 2/2008, TOP 3).

Anfechtungsklage gegen Rückforderung einer überzahlten Rente

Geht es in dem Klageverfahren um die Rückforderung einer überzahlten Rente, hat die Klage aufschiebende Wirkung, da dieser Sachverhalt nicht von § 86a Abs. 2 SGG erfasst wird. Es gilt deshalb § 86a Abs. 1 SGG.

Entfallen der aufschiebenden Wirkung durch Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Rentenversicherungsträger (Absatz 2 Nummer 5)

Die aufschiebende Wirkung entfällt in Fällen, in denen

  • die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse ist (Abschnitt 11.1) oder
  • im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist (Abschnitt 11.2) und
  • die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet (Abschnitte 11.3, 11.4 und 11.5).

Diese Norm gibt dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt im Einzelfall zu vollziehen, obwohl der erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. Es handelt sich somit um einen Ausgleich für die grundsätzliche aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte nach Abs. 1. Der Gesetzgeber verzichtet hier bewusst auf eine detaillierte Aufzählung von möglichen Fällen (BT-Drucks. 14/5943, S. 25). Dies hat zur Folge, dass jeder Einzelfall, bei dem der Rentenversicherungsträger eine Durchbrechung der aufschiebenden Wirkung erreichen will, individuell geprüft und beschieden werden muss.

Öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung

Den unbestimmten Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses hat die Rechtsprechung geklärt. Nach der Rechtsprechung ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt,

wenn eine umfassende Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu dem Ergebnis kommt, dass das Vollziehungsinteresse überwiegt.

Weil für jeden belastenden Verwaltungsakt als hoheitliche Maßnahme ein öffentliches Interesse bestehen muss, reicht dieses allgemeine öffentliche Interesse zur Begründung der sofortigen Vollziehung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darstellung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 86a, Rdnr. 20, BVerfG vom 17.07.1973, AZ: 1 BvR 764/70, BVerfGE 35, 377, 402).

Die Anordnung ist in der Regel begründet, wenn der Allgemeinheit (bei der Deutschen Rentenversicherung also die Versichertengemeinschaft) erhebliche Nachteile oder Gefahren drohen würden, falls sich die Vollziehung des Verwaltungsaktes hinauszögern würde. Dies ist so gut wie nie der Fall.

Derartige Fälle spielen deshalb in der Praxis der Deutschen Rentenversicherung so gut wie keine Rolle. Zuletzt wurde in größerem Umfang bei Widersprüchen gegen die Minderung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung ab 01.07.2005 davon Gebrauch gemacht.

Überwiegendes Interesse eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung

Bei einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung kann der vom Verwaltungsakt begünstigte Dritte ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung haben. In der Praxis der Rentenversicherungsträger spielt dies jedoch keine Rolle, was sich aus folgendem Beispiel ergibt:

Beispiel:

Versicherter A erhält eine Monatsrente von 1.000,00 EUR. Durch eine Abzweigung (§ 48 SGB I) reduziert sich die Rente um 100,00 EUR auf 900,00 EUR.

Die abgezweigten 100,00 EUR erhält die B.

Versicherter A legt Widerspruch ein mit dem Ziel, die ungekürzte Rente zu erhalten.

Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Aus diesem Grund ist die Rente des Versicherten A wieder in ursprünglicher Höhe (1.000,00 EUR) anzuweisen (siehe Abschnitt 3.1). Dies berechtigt jedoch nicht dazu, der B die abgezweigten 100,00 EUR im Rahmen der aufschiebenden Wirkung zu entziehen. In der Praxis geschieht dies jedoch häufig, um einen Überzahlungsfall zu verhindern. Die B. ist vielmehr über den von A erhobenen Widerspruch zu informieren und als beteiligte Dritte in das Widerspruchsverfahren mit einzubeziehen.

Vor diesem Hintergrund gibt es keine Notwendigkeit, dass die B als Dritte einen Antrag auf sofortige Vollziehung stellt. Für sie ist es nicht von Belang, ob der Versicherte A während des Widerspruchsverfahrens 1.000,00 EUR oder 900,00 EUR erhält, da dies keinen Einfluss auf die ihr gezahlten abgezweigten 100,00 EUR hat.

Um einen Überzahlungsfall zu verhindern, müsste der RV-Träger die sofortige Vollziehung anordnen (Reduzierung der Monatsrente von 1.000,00 EUR auf 900,00 EUR) und nachweisen, dass ein öffentliches Interesse daran besteht (siehe Abschnitt 11.4).

Beachte: Sofern sich im Verlauf des Widerspruchsverfahrens herausstellt, dass der Widerspruch des A begründet sein könnte, ist im Hinblick auf die B die Anwendung von § 49 SGB X zu prüfen (siehe GRA zu § 49 SGB X und GRA zu § 84 SGG, Abschnitt 3.2).

Entscheidung über die sofortige Vollziehung

Über die sofortige Vollziehung entscheidet die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat.

Schriftliche Begründung des sofortigen Vollziehungsinteresses

Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG ist eine schriftliche Begründung der sofortigen Vollziehungsanordnung unumgänglich. In der Begründung muss angegeben werden, warum der Rentenversicherungsträger das besondere Interesse an der Vollziehung bejaht. Allgemeine Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlautes reichen nicht aus. Die Betroffenen und vor allem das Gericht müssen anhand der Gründe in die Lage versetzt werden, die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zu überprüfen.

Die Entscheidung muss deshalb eine Abwägung enthalten, die sich mit der konkreten Situation des Einzelfalles auseinandersetzt. Bei dieser Abwägung kommt es nicht darauf an, ob der Rentenversicherungsträger die Vollziehung für notwendig hält, sondern ob sie nach objektiven Gesichtspunkten notwendig ist.

Beachte: Wie unter Abschnitt 11.1 erläutert, dürfte für die Deutsche Rentenversicherung eine sofortige Vollziehung aus öffentlichem Interesse nur ausnahmsweise in Frage kommen.

Wird die Begründung vergessen oder ist sie unzureichend, kann dies nachträglich nicht mehr geheilt werden. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist damit rechtswidrig (Wehrhahn, Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86a, Rdnr. 37). Auch § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X findet keine Anwendung, da die Vollziehbarkeitsanordnung kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X ist (siehe Abschnitt 11.5)

Die Vollziehbarkeitsanordnung ist kein Verwaltungsakt und wirkt nur für die Zukunft

Die Vollziehbarkeitsanordnung ist kein Verwaltungsakt (Wehrhahn, Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86a, Rdnr. 39; Urteil des BVerwG vom 12.05.1966, AZ: II C 197.62, BVerwGE 24, 92, 94). Die Betroffenen können sich weder mit Widerspruch noch mit Anfechtungsklage dagegen wehren. Aus diesem Grund ist die Vollzugsanordnung ohne Rechtsbehelfsbelehrung zu fertigen und den Beteiligten mit einfachem Brief bekannt zu geben. In dem Schreiben ist zu erwähnen, dass nunmehr ein Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG beim zuständigen Sozialgericht gestellt werden muss, sofern kein Einverständnis mit der getroffenen Entscheidung besteht. Das Sozialgericht ist zu benennen.

Ihre rechtliche Wirkung entfaltet die Anordnung der sofortigen Vollziehung nur für die Zukunft. Dies resultiert aus dem Gebot der effektiven Rechtschutzgewährung, denn würde der Vollziehungsanordnung Rückwirkung beigemessen, wäre die kraft Gesetzes eingeräumte aufschiebende Wirkung im Nachhinein unterlaufen (Wehrhahn, Breitkreuz/Fichte, SGG, § 86a, Rdnr. 33).

Anhörung ist nicht notwendig

Da die Anordnung der sofortigen Vollziehung kein Verwaltungsakt ist (siehe Abschnitt 11.5), findet das SGB X keine Anwendung. Aus § 24 SGB X ergibt sich daher für derartige Fälle keine Pflicht zur Anhörung. Die formellen Anforderungen sind vielmehr in § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG abschließend geregelt. Eine Anhörung muss daher nicht erfolgen; diese wird vielmehr zum Verwaltungsakt selbst durchgeführt (Lüdkte, HK-SGG, Binder, § 86a, Rdnr. 20).

Voraussetzungen für die Aussetzung der sofortigen Vollziehung (Absatz 3)

§ 86a Abs. 3 SGG räumt Rentenversicherungsträgern die Möglichkeit ein, die Vollziehung eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes auszusetzen. Dadurch wären zum Beispiel geforderte Beiträge vorerst nicht zu zahlen. Damit soll zum einen Rechtsschutz gewährt, zum anderen aber auch eine Entlastung der Sozialgerichte erreicht werden.

§ 86a Abs. 3 SGG gilt ausschließlich für die in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fälle. Für die Deutsche Rentenversicherung ist in erster Linie § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG von Interesse (zum Beispiel Forderung von Beiträgen nach einer Betriebsprüfung). Die Aussetzung soll gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG erfolgen,

„...wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder

wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.“

Die Entscheidung über die Aussetzung kann auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen. Bei der Entscheidung über die Aussetzung in „Beitragsforderungssachen“ sind immer die Aussichten des Rechtsbehelfs zu prüfen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind anzunehmen, wenn der Erfolg des Rechtsmittels im Hauptverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 86a, Rdnr. 27a).

Die zweite Alternative, die sogenannte Härteklausel, setzt voraus, dass der Vollzug des Verwaltungsaktes dem Betroffenen einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügt, der auch zum Beispiel durch eine etwaige spätere Rückzahlung der Beiträge durch den Rentenversicherungsträger nicht ausgeglichen werden kann (zum Beispiel wenn die Zahlung der geforderten Beiträge die Insolvenz herbeiführt oder sonst zur Existenzvernichtung führen würde).

Der Rentenversicherungsträger wird im Ergebnis durch § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG bei der Entscheidung über die Aussetzung dahingehend eingeengt, dass die Aussetzung der Vollziehung bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen (also wenn die Vollziehung der Entscheidung eine für den Versicherten unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat) im Regelfall erfolgen muss (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 86a, Rdnr. 30).

Entscheidung über die Aussetzung der sofortigen Vollziehung

Über die Aussetzung der Vollziehung entscheidet die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat (§ 86a Abs. 3 Satz 1 SGG).

Auflagen oder Befristung

Das Gesetz gibt dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, die Aussetzung der Vollziehung von Auflagen abhängig zu machen oder zu befristen (§ 86a Abs. 3 Satz 4 SGG). Auflagen dürften regelmäßig nur in Frage kommen, sofern dem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung stattgegeben wird. Denkbar ist es unter anderen, dass dem Widerspruchsführer aufgegeben wird, eine sogenannte Prozessbürgschaft beizubringen (§§ 765, 767 BGB). Dann bürgt ein Kreditinstitut für die von der Deutschen Rentenversicherung geforderten Beiträge.

Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird bewilligt

Die Bewilligung der Aussetzung erfolgt in einem formlosen Schreiben. Den Betroffenen ist mitzuteilen, dass und gegebenenfalls ab wann dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes stattgegeben wird. Die Aussetzungsentscheidung hat grundsätzlich Rückwirkung (analog Abschnitt 3.1). In diesem Schreiben ist auch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung jederzeit geändert oder aufgehoben werden kann (§ 86a Abs. 3 Satz 5 SGG).

Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird abgelehnt

Die Ablehnung der Aussetzung der sofortigen Vollziehung erfolgt in einem formlosen Schreiben. In diesem Schreiben sind die wesentlichen Gründe darzulegen, warum dem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht stattgegeben wurde. Gegen eine derartige Entscheidung sind Widerspruch und Klage unzulässig (Redecker/von Oertzen, § 80 VwGO, Rdnr. 34).

In dem Schreiben ist zu erwähnen, dass nunmehr ein Antrag gemäß § 86b Abs. 1 SGG beim zuständigen Sozialgericht gestellt werden muss, sofern kein Einverständnis mit der getroffenen Entscheidung besteht. Das Sozialgericht ist zu benennen.

Rückforderung der während der aufschiebenden Wirkung gezahlten Beträge

Bei den während der Dauer der aufschiebenden Wirkung geleisteten Zahlungen handelt es sich um vorläufige Leistungen, die nach Beendigung der aufschiebenden Wirkung zurückgezahlt werden müssen. Die Erstattungspflicht richtete sich nach § 50 Abs. 1 SGB X (BSG vom 23.09.1997, AZ: 2 RU 44/96, SozR 3-1300 § 50 Nr. 20 sowie RBRTN 2/2002, TOP 22)). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, die vorläufigen Leistungen gutgläubig in Empfang genommen zu haben, da er über deren Vorläufigkeit informiert war (siehe GRA zu § 50 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X, Abschnitt 3.1). Die Rückforderung erfolgt durch einen Verwaltungsakt.

Soweit Leistungen noch über den Zeitpunkt des Endes der aufschiebenden Wirkung hinaus geleistet worden sind, richtet sich die Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X)

Beispiel 1: (Anfechtungs-)Widerspruch bei Rentenentziehung

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Dem Versicherten wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entzogen. Da er keine laufende Zahlung mehr erhält, wehrt er sich gegen diesen Eingriff und legt Widerspruch ein.

Lösung:

Entscheidend ist, dass der Kläger mit dem (Anfechtungs-)Widerspruch eine Veränderung seiner Situation (hier: Entzug der ihm bereits gewährten Rente) verhindern will. Hierfür ist es sachgerecht, dass Kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung eintritt. Allein die Tatsache, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht vollzogen werden darf, führt hier dazu, dass die Rente wieder ausgezahlt werden muss.

Hinweis:

Eine nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens eventuell erhobene Anfechtungsklage hätte keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Beispiel 2: (Anfechtungs-)Widerspruch bei Rückforderung überzahlter Rente

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Der Versicherte wehrt sich gegen die Rückforderung einer für die Vergangenheit überzahlten Rente.

Lösung:

Entscheidend ist, dass der Kläger mit dem (Anfechtungs-)Widerspruch eine Veränderung seiner Situation (hier: Rückforderung der für die Vergangenheit gezahlten Rente) verhindern will. Hierfür ist es sachgerecht, dass kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung eintritt. Allein die Tatsache, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht vollzogen werden darf, führt hier dazu, dass der Versicherte die überzahlte Rente vorerst nicht zurückzahlen muss.

Beispiel 3: (Anfechtungs-)Widerspruch bei Durchführung von Aufrechnung/Verrechnung wegen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Der Versicherte wehrt sich dagegen, dass durch ein Verrechnungsersuchen der zuständigen Krankenkasse die laufende Rentenzahlung um 100,00 EUR gekürzt wurde.

Lösung:

Auch hier handelt es sich um einen (Anfechtungs-)Widerspruch, mit dem der Versicherte eine Veränderung seiner Situation verhindern will. Durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist die Rente vorläufig für die Dauer des Widerspruchsverfahrens in ungekürzter Höhe anzuweisen. Der Krankenkasse ist durch einfaches Schreiben mitzuteilen, dass aufgrund des Widerspruchs das Verrechnungsersuchen vorläufig nicht befriedigt werden kann.

Beispiel 4: Kein (Anfechtungs-)Widerspruch Rentenablehnung

(Beispiel zu Abschnitt 3)

Der Versicherte wehrt sich dagegen, dass ihm eine beantragte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt wurde.

Lösung:

Würde man die Terminologie der Klagen auch auf diesen Widerspruch übertragen, müsste man von einem Anfechtungs- und Verpflichtungswiderspruch (analog § 54 Abs. 4 SGG) sprechen. Denn dem Versicherten geht es nicht nur um die Anfechtung der Ablehnung der Rente. Er will den Rentenversicherungsträger vielmehr außerdem dazu verpflichten, ihm eine Rente zu zahlen. Im Gegensatz zum (Anfechtungs-)Widerspruch will der Versicherte somit eine Veränderung seiner Situation erreichen.

In diesem Fall ist es sachgerecht, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Denn selbst wenn der ablehnende Verwaltungsakt (Ablehnung der Rentengewährung) nicht vollzogen wird, verändert sich nichts zugunsten des Versicherten; er bekommt nach wie vor keine Rente. Eine schützenswerte Rechtsposition (zum Beispiel laufende Rentenzahlung) hat der Versicherte nämlich noch nicht erreicht.

3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848)
Inkrafttreten: 01.01.2004

Die Bezeichnung „Bundesanstalt für Arbeit“ in Absatz 2 Nr. 2 wurde in „Bundesagentur für Arbeit“ geändert.

6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144)

Inkrafttreten: 02.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5943

§ 86a SGG wurde am 22.08.2001 durch das 6. SGG-ÄndG in das SGG eingefügt (BGBl. I S. 2144) und ist am 02.01.2002 in Kraft getreten. Bis zum 01.01.2002 enthielten §§ 86 Abs. 2, 97 SGG entsprechende Regelungen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 86a SGG