Übersicht InsO
veröffentlicht am |
10.05.2021 |
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Änderung | Die GRA wurde aufgrund des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 überarbeitet. |
Stand | 27.04.2021 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 in Kraft getreten am 01.10.2020 |
Rechtsgrundlage | InsO |
Version | 002.00 |
- Einführung
- Regelinsolvenzverfahren
- Insolvenzantrag
- Eröffnungsverfahren
- Eröffnungsbeschluss
- Umfang der Insolvenzmasse
- Forderungsanmeldung
- Die Gläubigerversammlung: Berichts- und Prüfungstermin
- Bestreiten angemeldeter Insolvenzforderungen
- Freigabeerklärung durch Insolvenzverwalter
- Insolvenzanfechtung
- Insolvenzplan
- Eigenverwaltung
- Beendigung des Insolvenzverfahrens
- Verbraucherinsolvenzverfahren
- Restschuldbefreiung
- Datenschutz: Auskunftsrechte und Auskunftspflichten der Deutschen Rentenversicherung im Insolvenzverfahren
- Vollstreckungsverbote
- Nachlassinsolvenzverfahren
- Haftung des Insolvenzverwalters
- Internationales Insolvenzverfahren
- Einführung
- Regelinsolvenzverfahren
- Insolvenzantrag
- Eröffnungsverfahren
- Eröffnungsbeschluss
- Umfang der Insolvenzmasse
- Forderungsanmeldung
- Die Gläubigerversammlung: Berichts- und Prüfungstermin
- Bestreiten angemeldeter Insolvenzforderungen
- Freigabeerklärung durch Insolvenzverwalter
- Insolvenzanfechtung
- Insolvenzplan
- Eigenverwaltung
- Beendigung des Insolvenzverfahrens
- Verbraucherinsolvenzverfahren
- Restschuldbefreiung
- Datenschutz: Auskunftsrechte und Auskunftspflichten der Deutschen Rentenversicherung im Insolvenzverfahren
- Vollstreckungsverbote
- Nachlassinsolvenzverfahren
- Haftung des Insolvenzverwalters
- Internationales Insolvenzverfahren
Einführung
Am 01.01.1999 ist die Insolvenzordnung (InsO) vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2866 ff.) in Kraft getreten.
Die Insolvenzordnung ersetzt die Konkurs- und Vergleichsordnung sowie die Gesamtvollstreckungsordnung, die nur in den neuen Bundesländern galt. Das vorherige Recht ist in denjenigen Verfahren weiter anzuwenden, in denen der Eröffnungsantrag vor dem 01.01.1999 gestellt wurde.
Die Ziele der Insolvenzordnung sind:
- die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Verwertung des Vermögens des Schuldners und Verteilung des Erlöses,
- bestehende Unternehmen sollen soweit möglich erhalten werden zum Beispiel durch Aufstellung eines Insolvenzplanes,
- dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (sogenannte Restschuldbefreiung).
Die Insolvenzordnung sieht zwei unterschiedliche Verfahrensarten vor, die sich in den einzelnen Verfahrensabschnitten grundlegend unterscheiden: das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Regelinsolvenzverfahren ist in erster Linie auf Unternehmen zugeschnitten. Aber auch versicherungspflichtige Selbständige haben das Regelinsolvenzverfahren zu durchlaufen. Für Verbraucher und ehemalige Kleinunternehmer gilt das Verbraucherinsolvenzverfahren. Welche Verfahrensart Anwendung findet, entscheidet das Insolvenzgericht. Die Rentenversicherungsträger überprüfen diese Entscheidung nicht.
Seit dem 01.12.2001 hat der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Stundung der Verfahrenskosten. Seit dieser Rechtsänderung werden einerseits deutlich mehr Insolvenzverfahren eröffnet. Zum anderen sehen sich die Rentenversicherungsträger auch häufiger mit einem Regelinsolvenzverfahren konfrontiert, das mit dem Ziel der Restschuldbefreiung geführt wird.
Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2379) wurde unter anderem die Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf drei Jahre bei Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote und eine erleichterte Wahrnehmung von Gläubigerrechten in den Bereichen Versagung und Widerruf der Restschuldbefreiung festgelegt. Die ab dem 01.07.2014 in Kraft getretenen Änderungen der Insolvenzordnung gelten nach Art. 103h EGInsO nur für Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt werden. Für Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, gilt die Insolvenzordnung in der Fassung bis zum 30.06.2014 weiter.
Zu beachten ist aber, dass für Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§ 304 ff. InsO (sie werden bei den Insolvenzgerichten mit dem Merkmal „IK“ im Aktenzeichen geführt), die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, ausnahmsweise das neue Recht gilt, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger in einem Insolvenzplan (§§ 217ff. InsO) geregelt wird.
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ vom 29.03.2017 (BGBl. I S. 654) wurde die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) neu geregelt.
§ 133 Abs. 1 InsO ist unverändert geblieben und fungiert weiter als Grundtatbestand der Vorsatzanfechtung. Er gilt grundsätzlich für sämtliche Schuldnerhandlungen. Die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen ist durch die Sonderregelungen in den Absätzen 2 und 3 maßvoll zurückgenommen worden. Dabei enthält Absatz 2 nun eine Regelung für alle (kongruenten und inkongruenten) Deckungshandlungen, während die Regelung in Absatz 3 nur kongruente Deckungshandlungen betrifft. In den neuen Absatz 4 wurde ohne inhaltliche Änderungen die im bisherigen Absatz 2 enthaltene Regelung über die Anfechtung entgeltlicher Verträge mit nahestehenden Personen übernommen.
Nach Art. 103j Abs. 1 EGInsO gelten für Insolvenzverfahren, die vor dem 05.04.2017 eröffnet wurden - vorbehaltlich des Absatzes 2 - die bis dahin geltenden Vorschriften. Nach Absatz 2 unterliegen vor dem 05.04.2017 im Rahmen einer Insolvenzanfechtung entstandene Ansprüche auf Zinsen oder die Herausgabe von Nutzungen den bis dahin geltenden Vorschriften.
Durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I, S. 3328) wurde unter anderem die reguläre Dauer von Restschuldbefreiungsverfahren in der Insolvenz von sechs Jahren auf drei Jahre reduziert. Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre gilt rückwirkend für ab dem 01.10.2020 beantragte Insolvenzverfahren. Die Änderung kommt allen natürlichen Personen zugute, so dass neben unternehmerisch tätigen Personen auch Verbraucher nach drei Jahren eine Restschuldbefreiung erzielen können. Die Erfüllung besonderer Voraussetzungen oder von Mindestbefriedigungsanforderungen ist hierfür nicht erforderlich.
Die Gesetzesänderung sieht außerdem vor, dass bei weiteren Insolvenzverfahren künftig ein fünfjähriges Restschuldbefreiungsverfahren gilt, wenn den Schuldnern auf der Grundlage eines nach dem 30.09.2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Die bisherige Sperrfrist für die Beantragung eines erneuten Restschuldbefreiungsverfahrens wird von zehn Jahren auf elf Jahre verlängert.
Nach Art. 103k Abs. 1 EGInsO gelten für Insolvenzverfahren, die vor dem 01.10.2020 eröffnet wurden - vorbehaltlich des Absatzes 2 - die bis dahin geltenden Vorschriften. Aus Vertrauensschutzgründen wurde im Absatz 2 eine Übergangsregelung für Insolvenzverfahren geschaffen, die während der Zeit vom 17.12.2019 bis einschließlich 30.09.2020 beantragt worden sind. Bei diesen Insolvenzverfahren wird die reguläre sechsjährige Abtretungsfrist für eine Restschuldbefreiung stufenweise um die Anzahl der vollen Monate vermindert, die seit dem 16.07.2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrags vergangen sind.
Die Bestimmungen der InsO können für die Rentenversicherungsträger als Gläubiger zum Beispiel
- von Beitragsansprüchen versicherungspflichtiger Selbständiger oder
- eines Rückforderungsanspruches wegen überzahlter Leistungen
bedeutsam sein. Wird an den Insolvenzschuldner eine Rente gezahlt, ist der Rentenversicherungsträger von den Regelungen der InsO als Schuldner des Insolvenzschuldners betroffen.
Die häufigsten Fragen im Zusammenhang mit der InsO sind:
- Welche Auskünfte sind dem Insolvenzverwalter zu erteilen (Abschnitt 5)?
- Kann die Forderung des Rentenversicherungsträgers auch nach Ablauf der Anmeldefrist noch angemeldet werden (Abschnitt 2.5.2)?
- Kann der Insolvenzverwalter die Freigabe einer selbständigen Tätigkeit erklären (Abschnitt 2.8)?
- Wann sind Vollstreckungsverbote zu beachten (Abschnitt 6)?
- Gehört die gezahlte Rente zur Insolvenzmasse und ist künftig teilweise an den Insolvenzverwalter zu zahlen (Abschnitt 2.3.2)?
- Ist ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Falle der Insolvenz des Leistungsempfängers weiter zu bedienen (GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 8.7)?
- Wie wirkt sich ein Insolvenzverfahren auf eine Abtretung aus (GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 9.7)?
- Ist eine Aufrechnung beziehungsweise Verrechnung trotz Insolvenzverfahren noch möglich (GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 12.1, und GRA zu § 52 SGB I, Abschnitt 12.6)?
Wegweiser durch die Insolvenzordnung: Wo ist was geregelt?
Im ersten Teil der InsO finden sich die allgemeinen Vorschriften, zum Beispiel über die Zuständigkeit der Gerichte, über Rechtsbehelfe und die Bekanntmachung.
Der zweite bis siebte Teil betrifft das Regelinsolvenzverfahren.
Im achten Teil ist das Verfahren zur Restschuldbefreiung beschrieben.
Im neunten Teil sind die besonderen Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens geregelt, wobei die Vorschriften des zweiten bis fünften Teils der InsO ergänzend heranzuziehen sind.
Im zehnten Teil finden sich die Regelungen zu den besonderen Insolvenzverfahren wie zum Beispiel das Nachlassinsolvenzverfahren.
Im elften Teil ist das internationale Insolvenzverfahren geregelt.
Der Ablauf eines typischen Insolvenzverfahrens im Überblick
Das Regelinsolvenzverfahren beginnt mit dem schriftlichen Antrag des Schuldners beziehungsweise eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht prüft zunächst, ob der Antrag zulässig und begründet ist und ob die Verfahrenskosten aufgebracht werden können (sogenannte Zulassungs- beziehungsweise Eröffnungsverfahren). Während des Eröffnungsverfahrens kann das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen und Sicherungsmaßnahmen anordnen.
Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren durch Beschluss und bestellt einen Insolvenzverwalter, wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind und der Antrag zulässig und begründet ist. Außerdem bestimmt das Gericht den Berichts- und Prüfungstermin sowie die Frist zur Anmeldung der Forderungen beim Insolvenzverwalter. Im Prüfungstermin werden die Forderungen geprüft und gegebenenfalls zur Insolvenztabelle festgestellt. Der Insolvenzverwalter hat die Insolvenzmasse zu verwerten und auf der Grundlage der Insolvenztabelle ein Verteilungsverzeichnis zu erstellen. Das Insolvenzverfahren endet mit der Aufhebung des Verfahrens nach dem Schlusstermin und der Schlussverteilung.
Das Verbraucherinsolvenzverfahren verläuft in drei Stufen: In der ersten Stufe soll sich der Schuldner mit seinen Gläubigern außergerichtlich einigen. Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, kann der Schuldner die zweite Stufe mit dem Insolvenzantrag einleiten. Bevor das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet, kann es ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchführen, wenn es eine Einigung der Gläubiger für möglich hält. In diesem Fall stellt es allen Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan zu. Wird der Plan angenommen beziehungsweise die fehlende Zustimmung vom Gericht ersetzt, ist das Verfahren beendet. Der Plan wirkt wie ein gerichtlicher Vergleich. Der Insolvenzantrag gilt als zurückgenommen.
Ist eine gerichtliche Schuldenbereinigung unwahrscheinlich beziehungsweise scheitert diese, eröffnet das Gericht das (vereinfachte) Insolvenzverfahren. In Verbraucherinsolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, bestellt das Insolvenzgericht einen Treuhänder. Der Treuhänder hat dieselbe Funktion wie ein Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren, aber weniger Kompetenzen. Das vereinfachte Insolvenzverfahren kann schriftlich durchgeführt werden. In nach dem 30.06.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren wird ausschließlich ein Insolvenzverwalter tätig. Er hat dieselben Rechte inne wie der Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren. Das Verfahren endet durch Aufhebungsbeschluss des Insolvenzgerichts nach dem Schlusstermin und der Schlussverteilung.
Ist der Schuldner eine natürliche Person, kann er sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Restschuldbefreiung beantragen. Voraussetzung einer Restschuldbefreiung ist die Abtretung der pfändbaren Bezüge. Für Insolvenzverfahren, die nach dem 30.09.2020 beantragt wurden, beträgt die Dauer der Abtretung drei Jahre (Abtretungsfrist). Ist aufgrund eines nach dem 30.09.2020 beantragten Insolvenzverfahrens schon einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, verlängert sich die Dauer auf fünf Jahre. Für vor dem 01.10.2020 beantragte Insolvenzverfahren beträgt die reguläre Abtretungsfrist unter Beachtung der Regelung des § 103k Abs. 2 EGInsO sechs Jahre (siehe hierzu Abschnitt 1 und 4.1). Das Restschuldbefreiungsverfahren schließt sich an das Insolvenzverfahren an. Bei Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, werden die Gläubiger im Schlusstermin vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zum Antrag auf Restschuldbefreiung gehört. Wird von diesen kein gesetzlicher Versagungsgrund geltend gemacht, kündigt das Gericht Restschuldbefreiung an für den Fall, dass der Schuldner für die Dauer der Abtretungserklärung seinen Obliegenheiten nachkommt. In Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, hat das Insolvenzgericht über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung bereits im Antragsverfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden. Nach Ablauf der Abtretungsfrist erteilt das Gericht Restschuldbefreiung, wenn nicht ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, weil der Schuldner seine Obliegenheiten verletzt hat. Das Insolvenzgericht hat über die Erteilung der Restschuldbefreiung auch dann zu entscheiden, sofern das Insolvenzverfahren nach Ablauf der Abtretungsfrist noch nicht beendet ist.
Regelinsolvenzverfahren
Das Regelinsolvenzverfahren ist über das Vermögen
- einer juristischen Person des Privatrechts (zum Beispiel AG, GmbH),
- einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (zum Beispiel OHG, KG, GbR),
- eines Vereins,
- einer natürlichen Person, die eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt beziehungsweise in größerem Umfang ausgeübt hat,
durchzuführen.
Streng zu trennen ist zwischen den vom Insolvenzverfahren betroffenen Vermögensmassen. Wird nur über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (zum Beispiel einer GbR) ein Insolvenzverfahren eröffnet, nicht jedoch zugleich über das Vermögen des einzelnen Gesellschafters, gehört nur das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschaft zur Insolvenzmasse, nicht das Privatvermögen der Gesellschafter. Offene Forderungen, die der Rentenversicherungsträger gegen einen versicherungspflichtigen Gesellschafter hat, fließen nicht in das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft ein, so dass die Einzelvollstreckung weiter möglich ist. Umgekehrt hat der Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf Zahlung der Rente eines Gesellschafters an ihn, da diese nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschaft zählt.
Insolvenzantrag
Das Insolvenzverfahren wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eingeleitet (§ 13 Abs. 1 S. 1 InsO). Antragsberechtigt sind der Schuldner selbst sowie jeder Gläubiger (§ 13 Abs. 1 S. 2 InsO).
Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, hat er ein rechtliches Interesse glaubhaft zu machen. Ein rechtliches Interesse besteht, wenn eine Forderung vom Schuldner über einen längeren Zeitraum nicht ausgeglichen wird. Auf die Höhe der bestehenden Forderung kommt es nicht an.
Der Rentenversicherungsträger kann als Gläubiger einer Forderung zwar grundsätzlich einen Insolvenzantrag stellen. Diese Vorgehensweise ist aber regelmäßig nicht zu empfehlen, da der Rentenversicherungsträger als Antragssteller das Kostenrisiko für den Antrag nach § 23 Abs. 1 GKG trägt (Anlage 1 zum GKG - KV - Nr. 2311). Außerdem ist Folgendes zu beachten:
Das rechtliche Interesse eines Rentenversicherungsträgers als Gläubiger fehlt, wenn die dem Antrag zugrunde liegende Forderung verjährt oder gestundet ist. Es ist auch dann zu verneinen, wenn mit dem Antrag insolvenzfremde Zwecke verfolgt werden (zum Beispiel Anerkennung einer zweifelhaften Forderung oder Einsatz als Druckmittel, um den Schuldner zur Ratenzahlung anzuhalten) oder die Forderung auf einfachere Weise durchgesetzt werden kann (zum Beispiel wenn die Forderung des Rentenversicherungsträgers durch eine Sicherungshypothek oder die Abtretung einer Lebensversicherung gesichert ist).
Mit dem Eingang des Antrages beim Insolvenzgericht beginnt das sogenannte Eröffnungsverfahren.
Eröffnungsverfahren
Geht ein Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht ein, prüft dieses vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags. Außerdem müssen die Verfahrenskosten gedeckt sein. Man spricht vom Zulassungs- beziehungsweise Eröffnungsverfahren.
Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren, wenn
- der Antrag zulässig ist (Abschnitt 2.2.1),
- der Antrag begründet ist, das heißt ein Insolvenzgrund vorliegt (Abschnitt 2.2.3) und
- die Insolvenzmasse voraussichtlich wenigstens die Verfahrenskosten deckt oder diese gestundet beziehungsweise vorgeschossen werden (Abschnitt 2.2.3).
Das Insolvenzgericht kann im Eröffnungsverfahren vorläufige Sicherungsmaßnahmen anordnen (Abschnitt 2.2.2).
Das Eröffnungsverfahren dauert in der Regel mehrere Wochen und endet mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag (Abschnitt 2.2.4).
Zulässigkeit des Insolvenzantrags
Der Insolvenzantrag ist zulässig, wenn
- das angegangene Gericht zuständig ist,
- der Antragssteller prozess- und parteifähig ist,
- der Antragssteller antragsbefugt ist, das heißt er muss entweder Insolvenzschuldner oder Insolvenzgläubiger sein,
- der Insolvenzschuldner insolvenzfähig ist und
- die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes durch den Gläubiger.
Fehlt eine dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen, wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.
Erachtet das Insolvenzgericht den Antrag für zulässig, hat es über Sicherungsmaßnahmen zu entscheiden.
Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
Ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, entscheidet das Gericht regelmäßig erst einige Wochen nach Eingang des Insolvenzantrages. Um den Bestand der Insolvenzmasse zu sichern, hat das Insolvenzgericht nach § 21 InsO alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag verhindern.
Das Insolvenzgericht kann zur Sicherung der Insolvenzmasse:
- einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen,
- dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen,
- Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen lassen,
- eine vorläufige Postsperre anordnen.
Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht nach § 22 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners bereits in diesem Stadium auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (im Regelfall: § 80 InsO - erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens).
Wird dem Rentenversicherungsträger ein Beschluss des Insolvenzgerichts über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zugestellt, sind diese zu beachten und den gegebenenfalls eingeschalteten Vollstreckungsbehörden zur Kenntnis zu geben.
Begründetheit des Insolvenzantrags und gedeckte Verfahrenskosten
Das Insolvenzverfahren wird nur eröffnet, wenn der Insolvenzantrag begründet ist und die Verfahrenskosten voraussichtlich gedeckt sind. Der Insolvenzantrag ist begründet, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt.
Insolvenzgründe nach § 16 InsO sind:
Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er dauerhaft nicht in der Lage ist, fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Eine vorübergehende Zahlungsstockung ist kein Insolvenzgrund. Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann nur vom Schuldner selbst geltend gemacht werden. Überschuldung kommt nur bei juristischen Personen zum Tragen.
Außerdem prüft das Gericht, ob die Insolvenzmasse voraussichtlich wenigstens die Verfahrenskosten deckt. Ist ausreichende Masse nicht vorhanden, können die Verfahrenskosten unter Umständen nach § 4a InsO dem Schuldner gestundet oder vom Schuldner beziehungsweise einem Gläubiger vorgeschossen werden (vergleiche § 26 InsO). Die Kosten des Insolvenzverfahrens bestehen nach § 54 InsO aus den Gerichtskosten sowie den Vergütungen und Auslagen für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss.
Die Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners überträgt das Insolvenzgericht häufig auf einen Sachverständigen beziehungsweise auf den vorläufigen Insolvenzverwalter.
Ist die Prüfung abgeschlossen, entscheidet das Insolvenzgericht über den Insolvenzantrag.
Entscheidung über den Insolvenzantrag
Das Eröffnungsverfahren endet mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag. Das Gericht hat zwei Möglichkeiten:
- Abweisung des Antrages
Der Antrag wird nach § 26 InsO mangels Masse abgewiesen, wenn die Verfahrenskosten nicht gedeckt sind. Der Schuldner kann über sein Vermögen wieder frei verfügen, wird aber in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen können eingeleitet beziehungsweise fortgeführt werden.
Seit der Einführung der Stundungsmöglichkeit nach § 4a InsO werden Insolvenzanträge nur noch selten mangels Masse abgewiesen. - Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Ist der Insolvenzantrag zulässig, begründet und sind die Verfahrenskosten voraussichtlich gedeckt, ergeht ein Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts.
Eröffnungsbeschluss
Das Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinne beginnt mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses durch das Insolvenzgericht.
Inhalt und Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses
Der Eröffnungsbeschluss enthält unter anderem folgende Angaben:
- genaue Bezeichnung, Geburtsdatum (seit dem 01.07.2014) und Anschrift des Schuldners,
- Name und Anschrift des Insolvenzverwalters,
- die Stunde der Eröffnung (im Zweifel die Mittagsstunde des Tages, an dem der Eröffnungsbeschluss ergangen ist),
- Anmeldefrist für die Insolvenzforderungen,
- Berichts- und Prüfungstermin.
Der Eröffnungsbeschluss ist sofort öffentlich bekannt zu machen (§ 30 Abs. 1 InsO).
Der Eröffnungsbeschluss ist dem Schuldner, den Gläubigern und den Schuldnern des Schuldners, soweit bekannt, gesondert zuzustellen. Allerdings genügt nach § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, selbst wenn die besondere Zustellung im Gesetz vorgeschrieben ist.
Seit dem 01.01.2009 erfolgt die öffentliche Bekanntmachung ausschließlich über das Internet (www.insolvenzbekanntmachungen.de). Bis zum 31.12.2008 konnte sie zusätzlich über die Printmedien vorgenommen werden. Maßgeblich für den Eintritt der mit der Bekanntmachung verbundenen Wirkungen ist ausschließlich die Bekanntmachung im Internet. Die Daten werden spätestens nach sechs Monaten nach Aufhebung oder Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens wieder gelöscht. Das Insolvenzgericht muss den Rentenversicherungsträger unabhängig davon, ob seine Gläubigerstellung bekannt ist, von einem Eröffnungsbeschluss informieren, wenn dies im Hinblick auf den Beruf oder den Geschäftsbetrieb des Schuldners erforderlich erscheint.
Ist unklar, wer von einem Insolvenzverfahren betroffen ist, bestehen folgende Nachforschungsmöglichkeiten:
- Ist das gerichtliche Aktenzeichen bekannt, kann beim Insolvenzgericht erfragt werden, wer als Insolvenzverwalter eingesetzt wurde, beziehungsweise eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses angefordert werden.
- Ist der Insolvenzverwalter bekannt, sind dort nähere Informationen wie das Geburtsdatum des Schuldners einzuholen beziehungsweise der Stand des Verfahrens - am besten telefonisch - zu erfragen.
Geht ein Eröffnungsbeschluss beim Rentenversicherungsträger ein, ist von der Sachbearbeitung einerseits zu prüfen, ob eine laufende Rente gezahlt wird und pfändbare Beträge vorhanden sind, andererseits, ob eigene Forderungen bestehen.
Rechtliche Folgen des Eröffnungsbeschlusses
Die Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses sind in den §§ 80 ff. InsO beschrieben.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner nach § 80 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen an den Insolvenzverwalter. Verfügungen des Schuldners sind unwirksam (§ 81 InsO). Der Schuldner ist nach § 97 InsO verpflichtet, über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.
Ist der Rentenversicherungsträger Gläubiger einer Forderung gegen den Schuldner, gilt Folgendes:
Mit der Eröffnung des Verfahrens können die bis zu diesem Zeitpunkt begründeten Forderungen des Rentenversicherungsträgers - mit Ausnahme der Aufrechnung - nur noch nach den Vorschriften der InsO verfolgt werden (§ 87 InsO).
Zahlt der Schuldner im Rahmen einer Stundung Raten an den Rentenversicherungsträger, wird er diese Zahlungen aufgrund des Verlustes seines Verwaltungs- und Verfügungsrechtes über sein Vermögen ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einstellen. Ferner ist der Rentenversicherungsträger nicht mehr berechtigt, weitere Ratenzahlungen anzunehmen, da er seine Insolvenzforderungen ab diesem Zeitpunkt nur noch nach den Vorschriften der InsO verfolgen kann und diese schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden muss (§ 174 InsO).
Sicherungsrechte, die im letzten Monat vor der Antragsstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise nach der Antragsstellung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden, sind nach § 88 InsO unwirksam (sogenannte Rückschlagsperre).
Solange das Insolvenzverfahren läuft, sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse wie in das sonstige Vermögen unzulässig (§ 89 InsO). Hat der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt, schließt sich an das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO während der Wohlverhaltensperiode nahtlos an. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Rentenversicherungsträgers als Insolvenzgläubiger haben während dieses Zeitraums zu unterbleiben.
Ein laufendes Klageverfahren ist nach §§ 202 SGG, 240 ZPO unterbrochen, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist.
Zu den Aufrechnungs- beziehungsweise Verrechnungsmöglichkeiten des Rentenversicherungsträgers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens siehe GRA zu § 51 SGB I, Abschnitt 12.1, beziehungsweise GRA zu § 52 SGB I, Abschnitt 12.6.
Ist der Rentenversicherungsträger Drittschuldner, ist Folgendes zu beachten:
Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, den Teil der Rente einzuziehen, der zur Insolvenzmasse gehört. Zur Insolvenzmasse ist nur der nach § 36 InsO, §§ 850 ff. ZPO pfändbare Teil der Rente zu rechnen. Der übrige Rentenanspruch wird nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.
Der Insolvenzverwalter kann nicht vom Rentenversicherungsträger verlangen, die Rente mit anderen Einkünften zusammenzurechnen. Dies muss der Insolvenzverwalter beim Insolvenzgericht beantragen.
Nähere Einzelheiten finden sich zur
- Pfändung während des Insolvenzverfahrens in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 8.7,
- Abtretung während des Insolvenzverfahrens in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 9.7.
Umfang der Insolvenzmasse
Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Eine Änderung des Massebestandes ist somit durch Neuerwerb möglich. Insoweit gehören zum Neuerwerb auch die Einkünfte, die der Versicherte aus einer selbständigen Tätigkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, sowie die nach Eröffnung monatlich entstehenden Einzelansprüche an Rente.
Nicht zur Insolvenzmasse gehört dagegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners. Dies sind insbesondere die unpfändbaren Gegenstände im Sinne von § 36 Abs. 1 InsO. Die Vorschrift schützt damit den Schuldner vor allem vor einem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände und bewahrt ihm einen im Kern geschützten, unantastbaren Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter. Es handelt sich darüber hinaus auch um einen Anreiz für den Schuldner, durch den Einsatz der verbleibenden Vermögensgegenstände seinen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachzukommen. Im Übrigen ist die Anreicherung der Insolvenzmasse im Sinne von § 35 Abs. 1 InsO durch eine geschäftliche Betätigung des Schuldners ohnehin nur möglich, wenn ihm dazu genügend Mittel belassen werden.
Forderungsanmeldung
Die Insolvenzgläubiger haben ihre Insolvenzforderungen nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter schriftlich anzumelden.
Bei der Anmeldung sind bestimmte formelle Anforderungen (Abschnitt 2.5.1) und die Anmeldefrist (Abschnitt 2.5.2) zu beachten.
Nach § 174 InsO sind nur Insolvenzforderungen (Abschnitt 2.5.3) beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Besonderheiten sind zu beachten, wenn der Rentenversicherungsträger
- aussonderungsberechtigt beziehungsweise absonderungsberechtigt (Abschnitt 2.5.4),
- Massegläubiger oder (Abschnitt 2.5.5)
- sogenannter Neu-Gläubiger (Abschnitt 2.5.6)
ist.
Siehe Beispiel 1
Hinweis:
Eine eventuell durch den Insolvenzverwalter erfolgte Freigabe einer selbständigen Tätigkeit im Sinne von § 35 Abs. 2 InsO hat Auswirkungen auf die Frage, ob der Rentenversicherungsträger Masse- oder Neu-Gläubiger ist (Abschnitt 2.8).
Form der Anmeldung
Insolvenzforderungen sind schriftlich beim Insolvenzverwalter, nicht beim Insolvenzgericht anzumelden.
Bei der Anmeldung sind der Betrag und der Grund der Forderung anzugeben. Beitragsforderungen sind nach Hauptforderung, Säumniszuschlägen, Mahngebühren, Zinsen, Kosten, Barauslagen und der errechneten Gesamtsumme aufzuschlüsseln. Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht müssen ohne weitere Prüfung erkennen können, für welche Zeit und in welcher Höhe Beiträge geschuldet werden beziehungsweise Rückforderungsansprüche des Rentenversicherungsträgers bestehen. Bereits erteilte Bescheide oder Beitragsrechnungen sind der Anmeldung in Kopie beizufügen. Sofern noch Ermittlungen zur Forderungshöhe geführt werden, ist die Forderung zunächst aufgrund des Akteninhalts zu beziffern, notfalls ist ein Schätzbetrag anzugeben.
Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt (zum Beispiel Überzahlung einer Hinterbliebenenrente wegen fehlender Anzeige der Wiederheirat oder Überzahlung aufgrund von über den Tod hinaus gezahlten Leistungen, wenn der Schuldner über einen längeren Zeitraum in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit der Leistung über diese verfügt hat), ist diese Forderung als eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung anzumelden. Bei der Anmeldung sind die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung ergibt (§ 174 Abs. 2 InsO). Sind Beweismittel vorhanden, aus denen sich die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung ergibt, sind diese bei der Forderungsanmeldung beizufügen. Ist die Forderung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet worden und lautet die Feststellung zur Tabelle entsprechend, wird sie von der Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) nicht erfasst und kann nach deren Erteilung durchgesetzt werden (vergleiche hierzu Abschnitt 4.4).
Vorhandene Sicherungsrechte führen zu einem Absonderungsrecht und sind dem Insolvenzverwalter gesondert mitzuteilen (siehe Abschnitt 2.5.4). Der Gegenstand, für den das Sicherungsrecht beansprucht wird, ist ebenso zu bezeichnen wie Art und Entstehung des Sicherungsrechts (zum Beispiel Zwangssicherungshypothek am Grundstück A, eingetragen im Grundbuch am 05.11.2004).
Vom Insolvenzverwalter übersandte Anmeldungsformulare können verwendet werden, sind aber gegebenenfalls anzupassen (zum Beispiel keine Rubrik für Säumniszuschläge). Die Insolvenzverwalter gehen nach und nach dazu über, die Insolvenzgläubiger aufzufordern, ihre Forderungen über das Internet auf der Webseite des Verwalters anzumelden. Die Rentenversicherungsträger können diese Form der Anmeldung derzeit noch nicht wählen, da die Mitarbeiter noch nicht über qualifizierte Signaturen verfügen und so die Sicherheit der Datenübermittlung nicht gewährleistet werden kann. Der Insolvenzverwalter muss deshalb die Anmeldung in Papierform akzeptieren.
Anmeldefrist
Im Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderung innerhalb einer bestimmten Frist beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 Abs. 1 S. 1 InsO).
Die Anmeldefrist ist vom Insolvenzgericht auf einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monate, gerechnet ab dem Eröffnungsbeschluss, festzusetzen (§ 28 Abs. 1 S. 2 InsO).
Die Anmeldefrist ist keine Ausschlussfrist. Auch nach Ablauf der Anmeldefrist können Forderungen noch angemeldet werden (§ 177 InsO). Werden Forderungen zwar nach Ablauf der Anmeldefrist, aber vor dem Prüfungstermin angemeldet, werden sie in der Regel noch im Prüfungstermin berücksichtigt. Kosten fallen in diesem Fall nicht an.
Ist der Prüfungstermin bereits abgehalten worden, beraumt das Gericht für verspätete angemeldete Forderungen einen besonderen Prüfungstermin an. Für den gesonderten Prüfungstermin entstehen pauschale Kosten entsprechend der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKV). Die Kosten hat der säumige Insolvenzgläubiger, also der Rentenversicherungsträger zu tragen. Trotz der anfallenden Kosten sind die Insolvenzforderungen nachträglich anzumelden, außer es handelt sich um Bagatellbeträge. Anderenfalls droht der Ausfall der kompletten Forderung.
Spätester Termin für die Anmeldung der Forderung ist der Schlusstermin (§ 197 InsO). Im Schlusstermin können letztmals Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis erhoben werden. Diese Einwendungen müssen allerdings mündlich vorgetragen werden, auch wenn sie zuvor bereits schriftlich gegenüber dem Gericht oder dem Insolvenzverwalter erhoben wurden (vergleiche Abschnitt 2.12). Ist der Verfahrensstand nicht bekannt, sollte dieser umgehend beim Insolvenzverwalter erfragt werden.
Wurde die Forderung bereits angemeldet, kann die Höhe der Forderung nach unten korrigiert werden, wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass der ursprünglich angemeldete Betrag unzutreffend ist. In diesem Fall entstehen dem Rentenversicherungsträger keine Kosten. Möchte der Rentenversicherungsträger nachträglich den angemeldeten Betrag erhöhen oder den Schuldgrund auswechseln, ist die geänderte Anmeldung wie eine Neuanmeldung zu behandeln, die regelmäßig einen besonderen Prüfungstermin mit der geschilderten Kostenfolge erforderlich macht. Auch bei einer fristgerecht angemeldeten Forderung ist es möglich, nachträglich die Tatsachen anzugeben, aus denen sich ergibt, dass eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorliegt. Die Prüfung des deliktischen Charakters der Forderung kann im schriftlichen Verfahren oder in einem besonderen Prüfungstermin erfolgen.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur vom Schuldner, nicht vom Rentenversicherungsträger gestellt werden.
Anzumeldende Forderungen
Im Insolvenzverfahren sind nur die Insolvenzforderungen anzumelden.
Insolvenzforderungen stehen den Insolvenzgläubigern im Sinne des § 38 InsO zu. Das sind diejenigen Gläubiger, deren Anspruch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.
Dem Rentenversicherungsträger können unter anderem folgende Insolvenzforderungen zustehen:
- Rückforderungsansprüche nach § 50 SGB X beziehungsweise § 118 Abs. 4 SGB VI wegen überzahlter Leistungen,
- Beitragsansprüche,
- Säumniszuschläge und Mahngebühren.
Es kommt nicht darauf an, ob und wann die Forderung mit Bescheid geltend gemacht wurde. Allein maßgeblich ist, wann die Forderungen begründet wurden. Rückforderungsansprüche werden im Zeitpunkt der Überzahlung begründet. Beitragsansprüche entstehen nach § 22 Abs. 1 SGB IV in dem Zeitpunkt, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht (zum Beispiel nach § 2 SGB VI) vorliegen. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit oder der Bescheiderteilung kommt es nicht an.
Siehe Beispiel 1
Zinsen und Säumniszuschläge können nur bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO geltend gemacht werden. Die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsforderungen und Säumniszuschläge sind nachrangig. Nachrangige Insolvenzforderungen nach § 39 InsO sind nur dann anzumelden, wenn das Insolvenzgericht hierzu ausdrücklich auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO).
Aussonderungs- beziehungsweise Absonderungsrechte
Gehört ein Vermögensgegenstand nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten, kann dieser vom Insolvenzverwalter die Herausgabe (ist gleich Aussonderung aus der Insolvenzmasse) verlangen. Dem Rentenversicherungsträger steht in der Regel kein Aussonderungsrecht zu.
Im Einzelfall kann der Rentenversicherungsträger jedoch ein Absonderungsrecht nach §§ 49 ff. InsO geltend machen. Ein Absonderungsrecht besteht zum Beispiel dann, wenn zugunsten des Rentenversicherungsträgers im Grundbuch eine Zwangssicherungshypothek an einem Grundstück eingetragen wurde, das zur Insolvenzmasse gehört. Der Absonderungsberechtigte ist aus der Verwertung des Massegegenstandes, an dem das Absonderungsrecht besteht, bevorzugt zu befriedigen. Ist zum Beispiel eine Zwangssicherungshypothek eingetragen und kommt es zum Verkauf beziehungsweise zur Versteigerung des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter, ist der Erlös im Wesentlichen an den Absonderungsberechtigten auszukehren.
Ein bestehendes Absonderungsrecht ist vom Rentenversicherungsträger beim Insolvenzverwalter ausdrücklich geltend zu machen (zur Form der Geltendmachung siehe Abschnitt 2.5.1). Zugleich ist trotz Absonderungsrechts die Forderung des Rentenversicherungsträgers in voller Höhe als Insolvenzforderung beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Insolvenzverwalter hat die Forderung zunächst in voller Höhe in die Insolvenztabelle aufzunehmen. Im Regelfall betreibt der Insolvenzverwalter die Verwertung des Gegenstandes, an dem das Absonderungsrecht besteht. Erst nach Verwertung des Gegenstandes steht fest, ob der Erlös für die vollständige Befriedigung der Forderung ausreicht oder nicht. Deckt der Erlös die Forderung nicht in voller Höhe, muss der Insolvenzverwalter die Restforderung (die sogenannte Ausfallforderung) bei der Verteilung der übrigen Insolvenzmasse in Höhe der jeweiligen Quote berücksichtigen, ohne dass der Rentenversicherungsträger noch einmal tätig werden muss.
Siehe Beispiel 2
Der Rentenversicherungsträger muss die Höhe der Ausfallforderung dem Insolvenzverwalter nur dann rechtzeitig vor der Schlussverteilung benennen, wenn er selbst die Verwertung des Gegenstandes betreibt, an dem das Absonderungsrecht besteht.
Masseforderungen
Masseforderungen sind die Kosten des Verfahrens sowie die in § 55 InsO geregelten Ansprüche.
Masseforderungen genießen im Insolvenzverfahren eine besondere Stellung. Nach § 53 InsO sind sie aus der Insolvenzmasse vorweg zu befriedigen. Massegläubiger können daher im Gegensatz zu den Insolvenzgläubigern damit rechnen, dass ihre Forderungen voll befriedigt werden (Ausnahme: masseunzulängliche Verfahren nach § 208 InsO).
Rechtsgrundlagen einer Masseforderung eines Rentenversicherungsträgers können zum Beispiel sein:
- § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Übt ein versicherungspflichtiger Selbständiger dieselbe Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter aus, wovon bis zum Nachweis des Gegenteils auszugehen ist, so handelt es sich bei den Beitragsforderungen, die ab dem Tag der Eröffnung des Verfahrens entstehen, nach Auffassung der Rentenversicherungsträger um eine Masseforderung nach dieser Vorschrift. Diese Masseforderungen entstehen grundsätzlich bis zur formellen Beendigung des Insolvenzverfahrens (Abschnitt 2.12).
Siehe Beispiel 1
Des Weiteren endet die Entstehung von Masseforderungen bei Ausübung einer selbständigen versicherungspflichtigen Tätigkeit, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgenommen wurde, mit der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter im Sinne von § 35 Abs. 2 InsO (Abschnitt 2.8). - § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Hierunter fällt beispielsweise der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI, wenn die Rentenzahlung der Insolvenzmasse nach der Eröffnung zugeflossen ist. - § 55 Abs. 2 S. 1 InsO
Beitragsansprüche gegen einen versicherungspflichtigen Selbständigen, wenn die Tätigkeit im Eröffnungsverfahren weiter ausgeübt wurde und ein vorläufiger Insolvenzverwalter das Verwaltungs- und Verfügungsrecht innehatte.
Masseforderungen sind grundsätzlich mit Bescheid geltend zu machen. Allerdings ist die Geltendmachung von Masseforderungen auch durch einfache Mitteilung an den Insolvenzverwalter möglich. Adressat des Bescheides oder der Mitteilung ist der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes.
Durch eine verspätete Bekanntgabe von Masseforderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter können Rechtsverluste eintreten, da diese Verbindlichkeiten den Beschränkungen des § 206 InsO unterliegen.
Danach können Massegläubiger, deren Ansprüche dem Insolvenzverwalter bei einer Abschlagsverteilung erst nach der Festsetzung des Bruchteils (Abschnitt 2.6), bei der Schlussverteilung erst nach der Beendigung des Schlusstermins (Abschnitte 1.2, 2.6, 2.12 und 3.3) oder bei einer Nachtragsverteilung erst nach der öffentlichen Bekanntmachung bekanntgeworden sind (Abschnitt 4.5), Befriedigung durch den Insolvenzverwalter nur noch aus den Mitteln verlangen, die nach der Verteilung in der Insolvenzmasse verbleiben. § 206 InsO schützt die Insolvenzgläubiger im Rahmen von Verteilungen der Insolvenzmasse (§ 187 InsO) insbesondere davor, dass durch nachträglich bekanntgewordene Masseforderungen die Insolvenzquote nachträglich korrigiert werden muss.
Der Ausschluss wirkt allerdings nur zugunsten der Insolvenzmasse und der Insolvenzgläubiger. Daher können Massegläubiger ihre Ansprüche nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder gegen den Schuldner geltend machen. Allerdings besteht dann auch gegen den Schuldner nur noch ein eingeschränktes Befriedigungsrecht. Dessen Haftung ist auf die aus der Masse (zum Beispiel durch Freigabe) zurückgewährten Gegenstände und den verbleibenden Überschuss in Form von Barmitteln (§ 199 InsO) begrenzt.
Ist dem Insolvenzverwalter der Anspruch des Rentenversicherungsträgers (als Massegläubiger) dem Grunde nach bekannt, ist dieser Anspruch aber noch nicht bezifferbar oder noch nicht gegen den Insolvenzverwalter durchsetzbar (zum Beispiel wegen noch nicht eingetretener Fälligkeit), hat der Insolvenzverwalter entsprechende Rückstellungen für die Masseforderungen zu bilden. Wird dies vom Insolvenzverwalter versäumt, kommt gegebenenfalls aufgrund der Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht gegenüber den Massegläubigern die persönliche Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO in Betracht (vergleiche auch Abschnitt 8).
Für Masseforderungen der Rentenversicherungsträger findet das Zwangsvollstreckungsverbot des § 90 Abs. 1 InsO keine Anwendung, wenn diese Forderungen durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind (§§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 2 S. 1 InsO). In den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO angezeigt hat, könnte die Zwangsvollstreckung nur wegen der Beitragsforderungen betrieben werden, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden sind.
Neu-Gläubiger
Vom Insolvenzverfahren ausgeschlossen sind die sogenannten Neu-Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen.
Die Stellung als Neu-Gläubiger kann der Rentenversicherungsträger hinsichtlich der Beitragsansprüche einnehmen, die dadurch entstehen, dass der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine neue versicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt.
Siehe Beispiel 1
Neu-Gläubiger ist der Rentenversicherungsträger auch für die Beitragsansprüche, die aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit resultieren, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgenommen wurde, und deren Entstehen nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens (durch Aufhebung oder Einstellung) liegt (Abschnitt 2.12).
Ferner ist der Rentenversicherungsträger Neu-Gläubiger für Beitragsansprüche, die ab der Wirkung der Freigabeerklärung der selbständigen versicherungspflichtigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter im Sinne von § 35 Abs. 2 InsO entstehen (Abschnitt 2.8), soweit diese Tätigkeit ebenfalls bereits vor der Eröffnung des Verfahrens aufgenommen und durchgehend ausgeübt wurde.
Neu-Gläubiger nehmen nicht am Insolvenzverfahren teil, das heißt sie können ihre Forderungen nicht im Verfahren anmelden. Andererseits gilt für sie das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 2 InsO und die Vollstreckungssperre des § 91 Abs. 1 InsO. Für die Dauer des Insolvenzverfahrens ist eine Zwangsvollstreckung nur in das sogenannte freie Vermögen, das heißt das Vermögen außerhalb der Insolvenzmasse möglich. Freies Vermögen ist aber in aller Regel nicht vorhanden beziehungsweise wertlos. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen während des Insolvenzverfahrens sind daher nicht Erfolg versprechend.
Eine Zwangsvollstreckung während der Wohlverhaltensperiode ist für Neu-Gläubiger zwar grundsätzlich zulässig. Das Vollstreckungsverbot des § 294 InsO gilt für Neu-Gläubiger nicht. Häufig wird das Vollstreckungsverfahren aber keinen Erfolg bringen. Denn das vorhandene Vermögen ist im Insolvenzverfahren verwertet worden und die pfändbaren Bezüge hat der Schuldner an den Treuhänder abgetreten. Zugreifen lässt sich auf Schenkungen und Erbschaften, die der Schuldner nur zur Hälfte an den Treuhänder abzuführen hat, die Erträge eines Selbständigen, soweit sie noch nicht dem Treuhänder überlassen wurden, sowie auf den sogenannten Motivationsrabatt im fünften und sechsten Jahr der Wohlverhaltensperiode nach § 292 Abs. 1 S. 4 InsO in der Fassung bis zum 30.6.2014 (siehe Abschnitt 4.3).
Die Gläubigerversammlung: Berichts- und Prüfungstermin
Das Insolvenzverfahren setzt sich mit den Gläubigerversammlungen fort.
Die Gläubigerversammlung ist die Gemeinschaft aller Insolvenzgläubiger. Sie wird vom Insolvenzgericht einberufen und geleitet (§§ 74, 76 InsO). Die wichtigsten Gläubigerversammlungen sind der Berichtstermin (§ 156 InsO), der Prüfungstermin (§ 176 InsO) und der Schlusstermin (§ 197 InsO).
Der Berichtstermin und der Prüfungstermin werden bereits im Eröffnungsbeschluss vom Insolvenzgericht festgelegt. Sie können zeitlich zusammenfallen.
Alle Insolvenzgläubiger sind berechtigt, an den Terminen teilzunehmen. Erscheint ein Gläubiger nicht, so hat dies für seine Forderung keine nachteiligen Auswirkungen. Die Rentenversicherungsträger sind daher in den Terminen regelmäßig nicht vertreten.
Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter die wirtschaftliche Lage des Schuldners darzustellen. Die Gläubigerversammlung entscheidet, ob die Insolvenzmasse verwertet oder ein Unternehmen vorläufig weitergeführt wird. Sie kann den Insolvenzverwalter auch beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§§ 156, 157 InsO).
Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Insolvenzforderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft. Die Insolvenzforderungen können vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder von einem anderen Gläubiger im Termin bestritten werden. Ein schriftlicher Widerspruch ist unbeachtlich. Bestrittene Insolvenzforderungen sind einzeln zu erörtern.
Hat der Rentenversicherungsträger eine Insolvenzforderung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet, kann die Qualifizierung der Forderung als solche ausschließlich durch den Schuldner und nicht durch den Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder im Prüfungstermin mündlich bestritten werden (vergleiche hierzu Abschnitt 2.7.2).
Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Insolvenzforderung in die Tabelle ein, inwieweit die Insolvenzforderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung in welcher Höhe widersprochen hat. Wird von keiner Seite beziehungsweise nur vom Schuldner Widerspruch erhoben, gilt die Insolvenzforderung nach § 178 Abs. 1 S. 1 InsO ihrem Betrag und ihrem Rang nach als festgestellt. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Insolvenzforderungen wie ein rechtskräftiges Urteil dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern gegenüber.
Diejenigen Gläubiger, deren Insolvenzforderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt. Einen beglaubigten Auszug aus der Insolvenztabelle erhält nur der Gläubiger, dessen Insolvenzforderung bestritten wurde.
Auf der Grundlage der Insolvenztabelle erstellt der Insolvenzverwalter das Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO). Aus dem Verteilungsverzeichnis geht hervor, welche Insolvenzforderungen bei der Verteilung zu berücksichtigen sind. Die Verteilung kann als Abschlags- oder Schlussverteilung erfolgen. Vor dem Schlusstermin nach § 197 InsO hat der Insolvenzverwalter das Schlussverzeichnis zu erstellen, anhand dessen der Insolvenzverwalter die Schlussverteilung vornimmt, wenn im Schlusstermin keine Einwendungen erhoben werden (vergleiche Abschnitt 2.12).
Wurde die vom Rentenversicherungsträger angemeldete Insolvenzforderung bestritten, ist nach Abschnitt 2.7 zu prüfen, wie weiter zu verfahren ist.
Bestreiten angemeldeter Insolvenzforderungen
Die rechtlichen Folgen des Bestreitens unterscheiden sich je nachdem, ob bereits ein Bescheid ergangen ist und wer zu welchem Zeitpunkt das Bestehen oder die Höhe der Insolvenzforderung bestreitet. Folgende Varianten sind denkbar:
- Der Schuldner hat bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid erhoben beziehungsweise die Widerspruchsfrist ist noch nicht abgelaufen (Abschnitt 2.7.1).
- Der Schuldner bestreitet die Forderung im Prüfungstermin (Abschnitt 2.7.2).
- Der Insolvenzverwalter oder ein anderer Insolvenzgläubiger bestreitet die Forderung im Prüfungstermin (Abschnitt 2.7.3).
Widerspruch des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen an den Insolvenzverwalter. Nach § 87 InsO dürfen Insolvenzforderungen nur nach den Regelungen der InsO geltend gemacht werden. Ist bereits ein Klageverfahren anhängig, führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Unterbrechung des Klageverfahrens nach § 202 SGG, § 240 ZPO.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens darf nur gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Widerspruchsbescheid erteilt werden. Ein gegenüber dem Schuldner erteilter Widerspruchsbescheid wäre gegenüber dem Insolvenzverwalter unwirksam.
Bevor ein Widerspruchsbescheid erteilt wird, ist zunächst abzuwarten, ob im Prüfungstermin die Insolvenzforderung ebenfalls bestritten wird. Wird die Insolvenzforderung im Prüfungstermin nicht bestritten, wird der vom Schuldner eingelegte Widerspruch oder die vom Schuldner erhobene Klage hinsichtlich der Insolvenzforderungen mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Wird die Insolvenzforderung auch im Prüfungstermin bestritten, ist nach Abschnitt 2.7.2 beziehungsweise Abschnitt 2.7.3 zu verfahren, je nachdem, wer die Insolvenzforderung bestreitet.
Bestreiten der Insolvenzforderung durch den Schuldner im Prüfungstermin
Bestreitet der Schuldner die angemeldete Insolvenzforderung im Prüfungstermin, ist dies für das Insolvenzverfahren unbeachtlich. Ein Bestreiten des Schuldners hindert nach § 178 Abs. 1 S. 2 InsO die Feststellung der Insolvenzforderung zur Tabelle nicht. Der Widerspruch des Schuldners wirkt sich erst aus, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Nach § 201 Abs. 2 InsO kann aus der Eintragung in die Tabelle nicht gegen den Schuldner vollstreckt werden, wenn er die Insolvenzforderung im Prüfungstermin bestritten hat.
Richtet sich der mündliche Widerspruch des Schuldners im Prüfungstermin, bei gleichzeitiger Anerkennung der Insolvenzforderung, nur gegen die Qualifizierung der Insolvenzforderung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, ist eine Feststellungsklage durch den Rentenversicherungsträger nicht erforderlich. Ein ausschließlich gegen den angemeldeten Rechtsgrund eingelegter Widerspruch hindert nicht die Vollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle. Gegen eine nach der Erteilung der Restschuldbefreiung eingeleitete Vollstreckung kann der Schuldner mittels einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO vorgehen (Beschlüsse des BGH vom 03.04.2014, AZ: IX ZB 83/13 und BGH vom 18.06.2020, AZ: IX ZB 46/18). Im Rahmen dieser Klage wird dann abschließend festgestellt, ob der Anspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht.
Bestreiten der Insolvenzforderung durch den Insolvenzverwalter beziehungsweise durch andere Gläubiger
Der besseren Verständlichkeit wegen ist im Folgenden nur vom Insolvenzverwalter die Rede. In der Praxis werden vom Rentenversicherungsträger angemeldete Insolvenzforderungen regelmäßig vom Insolvenzverwalter bestritten. Die folgenden Ausführungen gelten aber auch für den Fall, dass ein anderer Gläubiger die Insolvenzforderungen bestreiten sollte.
Häufig werden angemeldete Insolvenzforderungen vom Insolvenzverwalter nur vorläufig bestritten.
Wird die Insolvenzforderung nur vorläufig bestritten, ist mit dem Insolvenzverwalter eine Klärung herbei zu führen. Der Insolvenzverwalter ist zu befragen, warum die Insolvenzforderung bestritten wurde. Gegebenenfalls sind fehlende Unterlagen nachzureichen oder Höhe beziehungsweise Grund der Insolvenzforderung näher zu erläutern. Reagiert der Insolvenzverwalter nicht, ist er unter Fristsetzung aufzufordern, die Insolvenzforderung anzuerkennen.
Hält der Insolvenzverwalter nach Überprüfung das Bestreiten nicht länger aufrecht, gilt die Insolvenzforderung nach § 178 Abs. 1 S. 1 InsO als festgestellt. Die Insolvenztabelle ist entsprechend zu berichtigen.
Wird die Insolvenzforderung endgültig bestritten, richtet sich die weitere Vorgehensweise danach, ob dem Schuldner vor Insolvenzeröffnung bereits ein Feststellungsbescheid erteilt wurde oder nicht. Es sind folgende Varianten denkbar:
a) | Es ist noch kein Bescheid ergangen Dem Insolvenzverwalter ist ein Feststellungsbescheid zu erteilen. Der Feststellungsbescheid ist an den Insolvenzverwalter zu richten (An Herrn/Frau … als Insolvenzverwalter über das Vermögen des …). Der Tenor lautet: ‘Es wird festgestellt, dass der Deutschen Rentenversicherung XXX in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn/Frau…eine Insolvenzforderung über …. EUR zusteht’. Als Rechtsbehelfsbelehrung ist die Widerspruchsklausel zu verwenden. Gegen diesen Bescheid kann der Insolvenzverwalter Widerspruch erheben. Legt der Insolvenzverwalter nicht fristgerecht Widerspruch ein, gilt die Insolvenzforderung als festgestellt. Im Falle des Obsiegens hat der Rentenversicherungsträger nach § 183 Abs. 2 InsO beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle zu beantragen. |
b) | Dem Schuldner wurde ein Bescheid erteilt, der bestandskräftig ist Die Bestandskraft wirkt auch gegen den Insolvenzverwalter. Der Widerspruch ist in diesem Fall wie ein Überprüfungsantrag zu behandeln. Adressat des Bescheides ist der Bestreitende, also in der Regel der Insolvenzverwalter. |
c) | Dem Schuldner wurde ein Bescheid erteilt, der noch nicht bestandskräftig ist In diesem Fall ist je nach Verfahrensstand zu differenzieren. Lief die Widerspruchsfrist im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch, ist das Bestreiten des Insolvenzverwalters wie ein fristgerechter Widerspruch zu behandeln. Das Widerspruchsverfahren ist durchzuführen und dem Insolvenzverwalter gegebenenfalls ein Widerspruchsbescheid zu erteilen. Wegen § 87 InsO ist der Tenor des Widerspruchsbescheides wie unter a) zu formulieren. Hatte der Schuldner bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Widerspruch erhoben, ist das vom Schuldner eingeleitete Widerspruchsverfahren aufgrund des Bestreitens des Insolvenzverwalters fortzusetzen. Ist der Ausgangsbescheid rechtsfehlerfrei, ist das Widerspruchsverfahren mit einem Widerspruchsbescheid gegen den Insolvenzverwalter mit geändertem Tenor wie unter a) abzuschließen ist. Läuft bereits ein Klageverfahren, ist dieses nach § 202 SGG, § 240 ZPO unterbrochen. Beim zuständigen Gericht ist die Wiederaufnahme des Klageverfahrens anzuzeigen mit dem Hinweis, dass die Insolvenzforderung im Prüfungstermin vom Verwalter bestritten wurde. |
Freigabeerklärung durch Insolvenzverwalter
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person, die eine selbständige Tätigkeit ausübt, stellt sich regelmäßig sowohl für den Insolvenzverwalter als auch für den Schuldner die Frage, ob die selbständige Tätigkeit aus wirtschaftlicher Sicht fortgeführt werden sollte. Als problematisch ist dabei die Tatsache anzusehen, dass der Schuldner weiterhin persönlich für die Erfüllung seiner Neuverbindlichkeiten haftet, während er den aus der selbständigen Tätigkeit resultierenden Neuerwerb in vollem Umfang den Insolvenzgläubigern zur Verfügung stellen muss (Abschnitt 2.4). So können zum Beispiel die durch das Weiterbestehen einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit entstehenden Masseverbindlichkeiten zu finanziellen Nachteilen für die Insolvenzmasse führen.
Um dieser Problematik begegnen zu können, wurde mit Artikel 1 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (InsVerfVereinfG) vom 13.04.2007 (BGBl. I S. 509) der § 35 InsO um zwei Absätze ergänzt. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103c Abs. 1 EGInsO finden diese Vorschriften nur für Verfahren, die ab dem 01.07.2007 eröffnet wurden, Anwendung.
Dem Insolvenzverwalter wurde die Aufgabe übertragen, in den Fällen, in denen der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt oder beabsichtigt, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Nach dem Gesetzeszweck sind somit lediglich zwei Konstellationen möglich:
- Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit gehört zur Insolvenzmasse und Ansprüche aus dieser Tätigkeit können im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten verfolgt werden (ist gleich keine Freigabeerklärung) oder
- Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit gehört nicht zur Insolvenzmasse und Ansprüche aus dieser Tätigkeit können nicht im Insolvenzverfahren verfolgt werden (ist gleich Freigabeerklärung).
Eine bestimmte Form zur Abgabe der Erklärung ist nicht erforderlich.
Folge der Freigabe ist zum einen, dass dem Schuldner ein eventuell aus der selbständigen Tätigkeit erzielter Gewinn (wieder) allein zusteht und zum anderen, dass Ansprüche von Gläubigern, die im Zuge dieser Tätigkeit vom Schuldner begründet werden, im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Masse kann somit für diese Forderungen nicht länger haftbar gemacht werden.
Gibt der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners frei, hat der Schuldner die Verpflichtung, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre (§ 35 Abs. 2 S. 2 InsO, Abschnitt 4.3).
Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters. Erklärungsempfänger ist der Insolvenzschuldner. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind immer erst von dem Zeitpunkt an wirksam, zu dem sie dem Empfänger zugehen. Das heißt, die Haftung der Insolvenzmasse endet zu dem Zeitpunkt, zu dem die Freigabeerklärung den Schuldner erreicht und damit ihre Wirkung entfaltet. Masseschulden im Sinne von § 55 InsO können demnach bis zum Tag vor dem Wirksamwerden der Erklärung entstehen.
Die Gläubiger, die ab erfolgter Freigabe (weiterhin) Forderungen gegen den Schuldner geltend zu machen haben, nehmen dann den Rang von Neu-Gläubigern ein (Abschnitt 2.5.6).
Eine Frist für die Abgabe der Erklärung sieht § 35 Abs. 2 InsO nicht vor. Der Insolvenzverwalter sollte sich allerdings möglichst schnell einen Überblick über die wirtschaftliche Lage der schuldnerischen selbständigen Tätigkeit verschaffen und zu einer entsprechend zügigen Erklärung im Sinne der Regelung gelangen, da eine rückwirkende Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter nicht möglich ist.
Mit Artikel 6 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3328) wurde ein neuer Absatz 3 in § 35 InsO eingefügt. Gemäß Artikel 103l EGInsO findet diese Regelung für Insolvenzverfahren Anwendung, die nach dem 30.12.2020 beantragt worden sind.
Nach dieser Regelung ist der Schuldner verpflichtet, gegenüber dem Insolvenzverwalter unverzüglich eine beabsichtigte oder bereits ausgeübte selbständige Tätigkeit anzuzeigen. Der Insolvenzverwalter ist auf diese Information angewiesen, um abschätzen zu können, ob eine Freigabe der selbständigen Tätigkeit im Interesse der Insolvenzmasse geboten ist.
Nach Absatz 3 Satz 2 kann der Schuldner den Verwalter um die Freigabe der angezeigten Tätigkeit ersuchen. In diesem Fall hat sich der Insolvenzverwalter unverzüglich, spätestens jedoch nach einem Monat zu dem Ersuchen des Schuldners zu erklären. Hierdurch erlangt der Schuldner Rechts- und Planungssicherheit hinsichtlich der von ihm geplanten oder bereits ausgeübten Tätigkeit. Kann der Verwalter allerdings binnen der Monatsfrist die Vor- und Nachteile, die eine Freigabe für die Masse hätte, nicht abschließend beurteilen, ist er im Falle einer hierauf gestützten vorsorglichen Verweigerung der Freigabe nicht gehindert, die Entscheidung zu korrigieren, sobald er die erforderliche Einschätzung vornehmen kann.
Öffentliche Bekanntmachung der Freigabeerklärung
Entsprechend der Regelung des § 35 Abs. 4 InsO ist die Erklärung des Insolvenzverwalters dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat dann die Erklärung öffentlich bekannt zu machen. Durch die öffentliche Bekanntgabe wird der Inhalt der Erklärung auch nach außen hin dokumentiert. Dadurch werden insbesondere die Verfahrensbeteiligten wie die Gläubiger, aber auch Dritte entsprechend informiert. Unklarheiten im weiteren Geschäftsverkehr des Schuldners können damit vermieden werden. Des Weiteren erleichtert die öffentliche Bekanntmachung die Nachweisführung, ob der Insolvenzverwalter endgültig auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Sinne von § 80 InsO verzichtet hat und ob die Masse gegebenenfalls nicht länger für Verbindlichkeiten aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners haftet.
Die öffentliche Bekanntmachung ist allerdings keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung, sondern hat lediglich deklaratorischen Charakter.
Insolvenzanfechtung
Der Insolvenzverwalter kann nicht nur Insolvenzforderungen der Insolvenzgläubiger bestreiten, sondern unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO eine bereits erfolgte Befriedigung eines Insolvenzgläubigers rückgängig machen, wenn dadurch die Insolvenzmasse geschmälert wird und andere Insolvenzgläubiger benachteiligt werden. Mit der Insolvenzanfechtung soll der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger durchgesetzt werden.
Die Insolvenzanfechtung kann auch den Rentenversicherungsträger treffen. Hat der Rentenversicherungsträger eine Zahlung aufgrund einer nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbaren Handlung erlangt, ist das Erlangte nach § 143 InsO zur Insolvenzmasse zurück zu gewähren. Die Rentenversicherungsträger werden nur auf Anfrage des Insolvenzverwalters tätig. Sie sind nach der InsO nicht verpflichtet, den Insolvenzverwalter über Umstände, die eine Anfechtung begründen könnten, insbesondere das Datum der letzten Zahlung des Schuldners, von Amts wegen zu unterrichten.
Erklärt der Insolvenzverwalter gegenüber dem Rentenversicherungsträger die Insolvenzanfechtung, ist zunächst zu prüfen, ob der Anfechtungsanspruch noch nicht verjährt ist. Nach § 146 InsO richtet sich die Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem BGB. Demnach beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre, wobei die Verjährungsfrist frühestens am 01. Januar des Jahres zu laufen beginnt, das auf die Insolvenzeröffnung folgt (§§ 195, 199 BGB). Wurde die Anfechtungsfrist nicht eingehalten, ist der Anfechtungsanspruch nach § 146 InsO verjährt.
Des Weiteren muss ein Anfechtungsgrund vorliegen. Der Insolvenzverwalter stützt die Insolvenzanfechtung gegenüber dem Rentenversicherungsträger regelmäßig auf § 130 InsO beziehungsweise auf § 131 InsO.
Rechtshandlungen können nach den §§ 130, 131 InsO nur angefochten werden, wenn sie bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag beziehungsweise nach Stellung des Antrages bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Länger zurückliegende Zahlungen können vom Verwalter nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO rückgängig gemacht werden.
Nach § 130 InsO können sogenannte kongruente Deckungshandlungen angefochten werden. Als kongruente Deckung bezeichnet die Insolvenzordnung eine Sicherung der Forderung oder eine Befriedigung (Erfüllung der Forderung), auf die der Gläubiger in dieser Form und zu dieser Zeit einen Anspruch hatte.
Nach § 130 InsO ist eine Anfechtung möglich, wenn dem Rentenversicherungsträger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beziehungsweise der Insolvenzantrag im Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung bekannt war. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Diese Kenntnis hat der Rentenversicherungsträger in aller Regel nicht. Allein rückständige Beitragsforderungen lassen nicht zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen. Es könnte sich auch um vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten handeln. Insbesondere versicherungspflichtige Selbständige sind häufig nur zahlungsunwillig, weil sie die Versicherungspflicht nicht anerkennen. Eine Insolvenzanfechtung gegenüber dem Rentenversicherungsträger kann nur dann auf § 130 InsO gestützt werden, wenn der Schuldner seine wirtschaftlichen Verhältnisse zum Beispiel im Rahmen eines Antrages auf Stundung oder Erlass vollständig offen gelegt hat. Die Beweislast für die beim Rentenversicherungsträger vorhandene Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit liegt beim Insolvenzverwalter.
Eine Anfechtung nach § 131 InsO ist unter erleichterten Voraussetzungen möglich, da der Insolvenzgläubiger in diesem Fall eine Sicherung oder Befriedigung erhalten hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sogenannte inkongruente Deckung). Im Unterschied zu § 130 InsO muss der Insolvenzgläubiger die Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise den Insolvenzantrag nicht kennen.
Der Insolvenzverwalter kann sich auf ein inkongruentes Deckungsgeschäft nach § 131 InsO berufen, wenn der Schuldner im Rahmen der Vollstreckung Zahlungen an den Vollziehungsbeamten leistet oder Vermögensgegenstände verwertet werden und der Erlös an den Rentenversicherungsträger ausgekehrt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei Zahlungen aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen um ein inkongruentes Deckungsgeschäft nach § 131 InsO (Urteile des BGH vom 09.09.1997, AZ: IX ZR 14/97, und BGH vom 22.01.2004, AZ: IX ZR 39/03). Selbst die Zahlung des Schuldners zur Abwendung unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen soll zu einer inkongruenten Deckung führen (Urteile des BGH vom 11.04.2002, AZ: IX ZR 211/01, und BGH vom 20.01.2011, AZ: IX ZR 8/10).
Hat das Verwaltungsvollstreckungsverfahren in den letzten drei Monaten vor der Verfahrenseröffnung zu Zahlungen an den Rentenversicherungsträger geführt, ist der Betrag an den Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse zu zahlen, wenn dieser die Insolvenzanfechtung erklärt und nachweist, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig war.
Des Weiteren kann der Insolvenzverwalter eine Insolvenzanfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO geltend machen. Nach Absatz 1 Satz 1 ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird nach Absatz 1 Satz 2 vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Es handelt sich dabei um eine Regelung zur Beweiserleichterung für den Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter muss demnach nicht einen unmittelbaren Nachweis für das Wissen des Rentenversicherungsträgers im Hinblick auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz erbringen. Der Nachweis kann vielmehr durch die in Absatz 1 Satz 2 genannten Beweisanzeichen (Tatsachen und Indizien) erbracht werden.
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ vom 29.03.2017 ist der § 133 InsO um die Absätze 2 und 3 ergänzt worden. Diese Änderungen gelten für alle Insolvenzverfahren, die ab dem 05.04.2017 (Inkrafttreten des Gesetzes) eröffnet worden sind. Der bisherige Absatz 2 wurde Absatz 4.
Nach § 133 Abs. 2 InsO ist bei einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung zu unterscheiden, ob es sich bei der Rechtshandlung um eine Vermögensverschiebung im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO oder um eine kongruente oder inkongruente Deckungshandlung handelt. Bei einer Vermögensverschiebung beträgt der Anfechtungszeitraum weiterhin zehn Jahre. Handelt es sich dagegen um eine Deckungshandlung (zum Beispiel die Zahlung von Pflichtbeiträgen eines versicherungspflichtigen Selbständigen), beträgt der Anfechtungszeitraum nur noch vier Jahre. Damit soll das Risiko einer Anfechtung in der Praxis kalkulierbarer werden.
Mit der Ergänzung durch § 133 Abs. 3 S. 1 InsO soll bei kongruenten Deckungszahlungen die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz abgeschwächt werden. In den Fällen einer kongruenten Deckungshandlung (zum Beispiel Zahlung von Pflichtbeiträgen eines versicherungspflichtigen Selbständigen) kann die Vermutung der Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nur noch auf die Kenntnis einer tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gestützt werden. Allein die Kenntnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist für die Erfüllung der Anfechtungsvoraussetzungen nicht mehr ausreichend.
Die weitere neue Regelung in § 133 Abs. 3 S. 2 InsO enthält eine Klarstellung für die Behandlung der Fallgruppen der Zahlungserleichterung. Demnach wird in den Fällen, in denen der Rentenversicherungsträger mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen hat oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat, vermutet, dass der Rentenversicherungsträger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Damit soll für die Gläubiger Rechtssicherheit geschaffen werden, die im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht sind und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen abschließen oder diesem in anderer Weise Zahlungserleichterungen gewähren.
Der Begriff der Zahlungsvereinbarung umfasst insbesondere Vereinbarungen im Sinne von § 76 Abs. 2 SGB IV, wie zum Beispiel eine Stundung mit oder ohne Ratenzahlungsvereinbarung.
Allerdings kann auch diese neu eingefügte gesetzliche Vermutungsregelung vom Insolvenzverwalter widerlegt werden.
Folgen rechtswirksam angefochtener Beiträge
Da es sich bei rechtswirksam angefochtenen Beiträgen nicht um zu Unrecht entrichtete Beiträge im Sinne von § 26 SGB IV handelt, kommt es nicht zu einem Beanstandungs- und Erstattungsverfahren. Die Beiträge sind faktisch durch deren Auszahlung beseitigt. Damit liegen ab dem Zeitpunkt der Auszahlung keine wirksam gezahlten Beiträge mehr vor. Die Beitragsforderungen der Rentenversicherungsträger leben wieder auf (§ 144 InsO).
Die an den Insolvenzverwalter zurückgewährten Beträge sind unbedingt als Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden.
Des Weiteren sind bereits erteilte Bescheide (zum Beispiel Anerkennung von Beitragszeiten bei Durchführung eines Kontenklärungsverfahrens, Befreiung als Gewerbetreibender nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI) im Rahmen der Vorschriften des SGB X zu überprüfen.
Insolvenzplan
Ein Insolvenzplan kam nach der vor dem 01.07.2014 geltenden Rechtslage praktisch nur bei Unternehmensinsolvenzen in Frage und wurde aufgrund des komplizierten Verfahrens nur in circa 5 % der Insolvenzen angewendet. Infolge der Streichung des § 312 InsO durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 kann das Insolvenzplanverfahren seit dem 01.07.2014 auch bei Verbraucherinsolvenzverfahren zur Anwendung kommen. Da das Insolvenzplanverfahren auch in Verbraucherinsolvenzverfahren aufgrund des aufwendigen Verfahrens voraussichtlich nicht häufig auftreten dürfte, wird das Verfahren nur kurz umrissen.
Mit dem Instrument des Insolvenzplanes soll einerseits die Gläubigerautonomie gestärkt, andererseits die Sanierung insolventer Unternehmen und Verbraucher erleichtert werden. Im Insolvenzplan kann die Verwertung der Insolvenzmasse, die Befriedigung der Gläubiger und die Haftung des Schuldners abweichend von den Regelungen der InsO vereinbart werden (§ 217 InsO). Der Schuldner oder der Insolvenzverwalter können einen Insolvenzplan vorlegen. Der Plan wird in einer Gläubigerversammlung erörtert und gegebenenfalls angenommen. Für die Annahme ist nach § 244 InsO eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger erforderlich. Auch der Schuldner muss in der Regel zustimmen (§ 247 InsO).
Anschließend bestätigt das Insolvenzgericht den Plan durch Beschluss. Mit Rechtskraft des Beschlusses treten die Regelungen des Insolvenzplans in Kraft (§ 254 InsO). Das Insolvenzverfahren wird anschließend vom Gericht aufgehoben (§ 258 InsO).
Eigenverwaltung
Eigenverwaltung bedeutet, dass der Schuldner trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Vermögen weiter selbst verwaltet. Anders als im Regelfall verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Verfahrens nicht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen.
Im Regelfall soll ein unabhängiger Insolvenzverwalter dafür sorgen, dass die Insolvenzmasse optimal verwertet und alle Gläubiger gleich behandelt werden. Nach den §§ 270 ff. InsO ist ausnahmsweise auch die Eigenverwaltung des Schuldners möglich. Die Eigenverwaltung ist sinnvoll, wenn der Schuldner über ein besonderes Know-how verfügt und die Fortführung des Unternehmens für die Gläubiger vorteilhaft ist.
Der Schuldner muss die Eigenverwaltung beantragen. Das Insolvenzgericht hat sorgfältig zu prüfen, ob die Eigenverwaltung zur Verzögerung des Verfahrens führt oder Nachteile für die Gläubiger mit sich bringt (§ 270 Abs. 2 InsO).
Ordnet das Gericht die Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss an, ist der Schuldner berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Er steht unter der Aufsicht eines sogenannten Sachwalters. Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners, dessen Geschäfts- und Lebensführung laufend zu überwachen. Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Benachteiligung der Gläubiger, hat er das Insolvenzgericht und die Gläubiger zu informieren (§ 274 Abs. 3 InsO).
Die Eigenverwaltung ist aufzuheben, wenn die Gläubigerversammlung oder der Schuldner dies beantragen. Bei drohenden Nachteilen für die Gläubiger ist die Eigenverwaltung auch auf Antrag eines einzelnen Gläubigers aufzuheben.
Führt der Schuldner sein Unternehmen in Eigenverwaltung fort, sind die für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auflaufenden Beiträge aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit als Masseschulden nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO beim Schuldner geltend zu machen (vergleiche Abschnitt 2.5.5) Es gilt das Vollstreckungsverbot bei Masseverbindlichkeiten nach § 90 InsO. Nach Ablauf von sechs Monaten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Zwangsvollstreckung zulässig, außer das Verfahren ist masseunzulänglich.
Beendigung des Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzverfahren endet durch Aufhebung oder durch Einstellung des Verfahrens. Hierüber entscheidet das Insolvenzgericht durch Beschluss.
- Aufhebung des Insolvenzverfahrens
Wird das Insolvenzverfahren regulär beendet, hebt das Insolvenzgericht das Verfahren durch Beschluss auf.
Von einem regulären Verlauf spricht man, wenn der Insolvenzverwalter nach Verwertung der Insolvenzmasse eine Schlussverteilung vornimmt. Hat der Verwalter seine Verwertungsmaßnahmen abgeschlossen, so dass weitere Verwertungserlöse nicht zu erwarten sind, kann er die Schlussverteilung nach §§ 196 ff. InsO einleiten. Er erstellt ein Verzeichnis darüber, wie die Insolvenzmasse an die Insolvenzgläubiger zu verteilen ist, das sogenannte Schlussverzeichnis. Grundlage des Schlussverzeichnisses ist die Insolvenztabelle mit den darin festgestellten Forderungen. Das Schlussverzeichnis übergibt der Verwalter dem Insolvenzgericht zusammen mit seinem Schlussbericht und seiner Schlussrechnung. Das Gericht hat das Schlussverzeichnis auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten auszulegen. Das Gericht stimmt der Schlussverteilung zu, wenn es ebenso wie der Verwalter der Auffassung ist, dass die Insolvenzmasse vollständig verwertet wurde.
Stimmt das Gericht der Schlussverteilung zu, beraumt es den Schlusstermin nach § 197 InsO an. Im Schlusstermin können letztmals Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis erhoben werden. Einwendungen sind mündlich im Termin vorzubringen, anderenfalls werden sie nicht berücksichtigt.
Genehmigt die Gläubigerversammlung im Schlusstermin das Schlussverzeichnis, kehrt der Insolvenzverwalter die zur Verfügung stehende Teilungsmasse an die Insolvenzgläubiger entsprechend der im Verzeichnis festgelegten Quoten aus. Nach der Schlussverteilung beschließt das Insolvenzgericht nach § 200 Abs. 1 InsO die Aufhebung des Verfahrens.
Der Beschluss ist nach § 9 InsO öffentlich bekannt zu machen. Ein Rechtsmittel ist nicht zulässig. Die Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses tritt mit Ablauf des zweiten Tages nach der Veröffentlichung ein.
Hat der Schuldner keine Restschuldbefreiung beantragt, bewirkt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens Folgendes:- Der Schuldner kann wieder über sein Vermögen verfügen.
- Die Insolvenzgläubiger können ihre restlichen Forderungen unbeschränkt geltend machen (§ 201 Abs. 1 InsO).
In Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, hat das Insolvenzgericht durch Beschluss über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung bereits im Antragsverfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden. Die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 ist deshalb entfallen.
Danach schließt sich ein Restschuldbefreiungsverfahren an, das in Abschnitt 4 näher beschrieben wird. - Einstellung des Verfahrens
Wenn das eröffnete Insolvenzverfahren vorzeitig endet, spricht man von einer Einstellung des Verfahrens. Das Insolvenzverfahren wird eingestellt, wenn die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr erreicht werden kann.
Die Einstellungsgründe sind in den §§ 207 ff. InsO geregelt. Zu unterscheiden ist die (sofortige) Einstellung des Verfahrens mangels Masse nach § 207 InsO von der Einstellung nach § 211 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit.
Reicht die Insolvenzmasse entgegen der Annahme des Insolvenzgerichts beim Eröffnungsbeschluss nicht einmal zur Deckung der Kosten des Verfahrens nach § 54 InsO, ist das Insolvenzverfahren nach § 207 InsO unverzüglich einzustellen. Die Einstellung unterbleibt nur, wenn die Kosten vorgeschossen oder gestundet werden. Bei einer Einstellung nach § 207 InsO kann keine Restschuldbefreiung erfolgen.
Das Insolvenzverfahren ist nach § 211 InsO einzustellen, wenn zwar die Verfahrenskosten gedeckt, nicht aber die sonstigen Masseverbindlichkeiten vollständig befriedigt werden können. Der Insolvenzverwalter hat die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Das Verfahren wird zunächst im Interesse der Massegläubiger fortgeführt. Die vorhandene Insolvenzmasse ist möglichst schnell zu liquidieren und unter den Massegläubigern entsprechend der Reihenfolge des § 209 InsO zu verteilen. In diesem Fall kann sich ein Restschuldbefreiungsverfahren anschließen (§ 289 Abs. 3 InsO).
Verbraucherinsolvenzverfahren
Für Verbraucher und ehemalige Kleinunternehmer wurde ein stark vereinfachtes Insolvenzverfahren geschaffen: das Verbraucherinsolvenzverfahren. Während bei Unternehmensinsolvenzen regelmäßig hunderte von Gläubiger betroffen sind und sich die vertraglichen Beziehungen sowie die Sicherungsgeschäfte sehr komplex gestalten können, sind Verbraucherinsolvenzen leichter zu bewältigen.
Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren haben nach § 304 Abs. 1 InsO Schuldner, die keine selbständige Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben.
Hat der Schuldner in der Vergangenheit eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, kann er nur dann ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchführen, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse, wenn er im Zeitpunkt des Insolvenzantrages weniger als 20 Gläubiger hat.
Das Verbraucherinsolvenzverfahren gliedert sich in drei Phasen:
- die außergerichtliche Schuldenbereinigung (Abschnitt 3.1),
- das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren (Abschnitt 3.2) und
- das vereinfachte Insolvenzverfahren (Abschnitt 3.3).
Die jeweils nächste Phase wird nur erreicht, wenn in der vorangegangenen Phase keine Einigung zwischen Schuldner und seinen Gläubigern erzielt werden konnte.
Beachte:
Bei Anfragen im Zusammenhang mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren ist wegen der unterschiedlichen Konsequenzen sorgfältig zu unterscheiden, ob die Zustimmung zu einem Schuldenbereinigungsplan im außergerichtlichen oder im gerichtlichen Verfahren erbeten wird. Das jeweilige Stadium des Verfahrens ist in der Regel am Verfasser des Schreibens ersichtlich. Wendet sich der Schuldner beziehungsweise sein Bevollmächtigter (Schuldnerberatungsstelle, Rechtsanwalt, oder Ähnliches) an den Rentenversicherungsträger, soll regelmäßig eine außergerichtliche Einigung erzielt werden. Wird der Schuldenbereinigungsplan vom Insolvenzgericht zugestellt, ist bereits das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren eingeleitet.
Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren ist in seinen Einzelheiten nicht gesetzlich geregelt. Es ist in der Insolvenzordnung lediglich als zwingende Voraussetzung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens erwähnt. Bevor das Insolvenzgericht eingeschaltet wird, soll der Schuldner versuchen, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Dies kann er alleine tun oder sich durch eine geeignete Person oder Stelle (zum Beispiel Schuldnerberatungsstelle, Rechtsanwalt, Notar oder Steuerberater) vertreten lassen. Die Bundesländer können bestimmen, wer im Einzelnen als geeignet anzusehen ist.
Ziel der außergerichtlichen Schuldenbereinigung ist es, einen Überblick über die Zahlungsverpflichtungen zu erhalten und die Gläubiger auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplanes zu einem (Teil-)Verzicht zu bewegen, ohne das Gericht bemühen zu müssen. Stimmen alle Gläubiger dem vom Schuldner vorgelegten Plan zu, ist ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB zustande gekommen.
Die Gläubiger sind nach § 305 Abs. 2 InsO verpflichtet, dem Schuldner auf ihre Kosten eine schriftliche Aufstellung über die bestehenden Forderungen zu erteilen. Die Forderungen sind nach Hauptforderung, Säumniszuschlägen, Mahngebühren, Zinsen und Kosten aufzuschlüsseln. Derartige Anforderungen von Versicherten beziehungsweise deren Bevollmächtigten dienen in aller Regel der Vorbereitung eines Schuldenbereinigungsplanes. Sie sind unverzüglich schriftlich in freier Form zu beantworten.
Sobald der Schuldner beziehungsweise sein Vertreter einen Überblick über sämtliche Forderungen gewonnen hat, werden die Gläubiger gebeten, einer Schuldenbereinigung zuzustimmen. Die Bandbreite der unterbreiteten Schuldenbereinigungspläne ist groß. Die Vorschläge reichen von einer Einmalzahlung, mit der ein bestimmter Prozentsatz der Forderung sofort getilgt wird, über eine über mehrere Jahre laufende Tilgungsvereinbarung in Höhe einer bestimmten Quote bis zu einem sogenannten Null-Plan. Von einem Null-Plan spricht man, wenn kein pfändbares Einkommen vorhanden ist, die Forderung aber gleichwohl nach einem bestimmten Zeitraum für den Gläubiger nicht mehr durchsetzbar sein soll. Der Schuldenbereinigungsplan muss die Schulden, die Gläubiger und die diesen unterbreiteten Vorschläge zur Schuldenregulierung einschließlich Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen enthalten. Denkbare Varianten der Regulierung sind Stundung oder Erlass von Forderungen, Abtretungen und Ratenzahlungsvereinbarungen. Auch die Absicherung von Zahlungen durch Verwandte ist möglich. Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, das heißt der Rentenversicherungsträger kann auch Änderungen oder Ergänzungen des Planes vorschlagen.
Es liegt im Ermessen des jeweiligen Rentenversicherungsträgers, inwieweit die Vorschläge angenommen werden. Sämtliche Umstände des Einzelfalles sind in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Es ist darauf zu achten, dass der Schuldner die Unterlagen eingereicht hat, die im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren vorzulegen sind. Er hat insbesondere zu versichern, dass sämtliche Angaben vollständig und richtig sind.
Einem Schuldenbereinigungsplan kann zugestimmt werden, wenn
- der Schuldner sein gesamtes Vermögen und pfändbares Einkommen zur Schuldentilgung einsetzt,
- die angebotenen Zahlungen unter Berücksichtigung des vorhandenen Vermögens und Einkommens sowie des Alters des Schuldners angemessen sind,
- alle Gläubiger mit der gleichen Quote befriedigt werden, es sei denn, es bestehen zugunsten einzelner Gläubiger Pfandrechte oder Sicherheiten,
- nach den Umständen damit zu rechnen ist, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen aus dem Plan vollständig und fristgerecht nachkommen wird,
- kein Versagungsgrund nach § 290 InsO vorliegt (siehe Abschnitt 4.2).
Die Zustimmung zu einem Null-Plan ist nicht von vorneherein ausgeschlossen. Ziel der Insolvenzordnung ist die vollständige Entschuldung des redlichen Schuldners. Eine gesetzliche Mindestquote ist nicht vorgeschrieben. Wer wegen Alters oder Krankheit mittelfristig keine pfändbaren Einkünfte zu erwarten hat, kann den Gläubigern nicht weiter entgegenkommen. Ein Null-Plan sollte in jedem Fall die Verpflichtung des Schuldners enthalten, pfändbares Einkommen an die Gläubiger auszukehren, soweit dieses während der Laufzeit der Vereinbarung anfallen sollte.
Bietet der Schuldner eine teilweise Tilgung an, obwohl pfändbares Einkommen nicht vorhanden ist, kann dem Vorschlag in der Regel zugestimmt werden, außer der dem Rentenversicherungsträger zufließende Betrag ist so gering, dass er in keinem Verhältnis zum Verwaltungsaufwand steht.
Bei der Ermessensentscheidung ist außerdem zu berücksichtigen, dass die fehlende Zustimmung vom Gericht im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (vergleiche Abschnitt 3.2) ersetzt werden kann, wenn die Mehrheit der Gläubiger den Plan akzeptiert. Auch wenn ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird, ist in der Praxis selten mit einer Quote von über 5 % zu rechnen.
Der Rentenversicherungsträger sollte einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan seine Zustimmung nur unter dem Vorbehalt erteilen, dass die Forderung in voller Höhe (abzüglich bereits getilgter Beträge) wieder auflebt und sofort fällig wird, wenn es zu einem Insolvenzverfahren kommt oder der Schuldner der Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich nicht nachkommt (Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einer Einmalzahlung oder einer mehrjährigen Tilgungsvereinbarung. Bei einer Einmalzahlung wird der Vergleich hinfällig, wenn die Zahlungsfrist nicht eingehalten wird. Bei einer Tilgung über mehrere Jahre wird die restliche Forderung in voller Höhe sofort fällig, wenn der Schuldner mit xx Zahlungen im Rückstand ist).
Der Rentenversicherungsträger steht im außergerichtlichen Einigungsverfahren nicht unter Zeitdruck. Der Schuldner kann den Gläubiger zwar unter Fristsetzung um Zustimmung bitten. Es droht jedoch kein Nachteil, wenn die Frist nicht eingehalten wird. Schweigen gilt im Unterschied zum gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren nicht als Zustimmung. Kann die vom Schuldner gesetzte Frist nicht eingehalten werden, sollte dem Schuldner mitgeteilt werden, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist.
Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch zieht sich regelmäßig über mehrere Monate hin. Das Forderungsverfahren sollte ausgesetzt werden und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unterbleiben. Denn nach § 305a InsO gilt das außergerichtliche Verfahren als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt. Allerdings ist der Sachstand in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Die Zwangsvollstreckung ist einzuleiten, wenn aufgrund des Zeitablaufs (länger als sechs Monate) zu vermuten steht, dass der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch nur der Verschleppung dient. Ein Vollstreckungsverbot besteht während des außergerichtlichen Einigungsverfahrens nicht.
Einigt sich der Schuldner mit seinen sonstigen Gläubigern, ohne den Rentenversicherungsträger an den Verhandlungen zu beteiligen, ist dieser nicht an den Schuldenbereinigungsplan gebunden. Der Schuldenbereinigungsplan wirkt als Vergleich nur zwischen den Beteiligten. Bestehende Forderungen können in diesem Fall ohne Einschränkung beim Schuldner geltend gemacht werden.
Stimmt der Rentenversicherungsträger dem außergerichtlichen Einigungsversuch zu und kommt ein Vergleich im Sinne von § 779 BGB zustande, kann der Schuldner nur noch den Betrag wirksam zahlen, auf den er sich mit dem Rentenversicherungsträger geeinigt hat. Spätere zusätzliche Zahlungen (zum Beispiel zur Erfüllung der Wartezeit oder zur Erhöhung der Rentenanwartschaften) sind nicht zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner der Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich nicht nachkommt und dieser dadurch hinfällig wird. Dann lebt die Forderung wieder in voller Höhe auf und wird sofort fällig.
Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, hat sich der Schuldner dies von einer geeigneten Stelle bescheinigen zu lassen. Innerhalb von sechs Monaten nach dem Scheitern kann der Schuldner einen Insolvenzantrag stellen.
Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Kann sich der Schuldner nicht außergerichtlich mit seinen Gläubigern einigen, soll in der nächsten Stufe mit Hilfe des Insolvenzgerichts versucht werden, eine Schuldenbereinigung herbeizuführen, ohne dass ein Insolvenzverfahren notwendig wird. Diese Phase leitet der Schuldner mit einem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens prüft das Gericht, ob ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren sinnvoll ist.
Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren ist ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Insolvenzverfahren. Es wird vom Gericht immer dann eingeleitet, wenn die Mehrheit der Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan des Schuldners bereits im außergerichtlichen Stadium zugestimmt hat. Mit Hilfe des Gerichts sollen die übrigen Gläubiger zur Zustimmung bewegt beziehungsweise deren fehlende Zustimmung ersetzt werden. Hat der Schuldner einen sogenannten Null-Plan vorgeschlagen beziehungsweise die Mehrheit der Gläubiger den außergerichtlichen Plan des Schuldners abgelehnt, kann das Gericht diese Stufe überspringen und sofort das Insolvenzverfahren eröffnen (§ 306 Abs. 1 S. 3 InsO). Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren hat stark an Bedeutung verloren, seit seine Durchführung im Ermessen des Gerichts steht.
Während des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens ruht das Eröffnungsverfahren. Ein Vollstreckungsverbot besteht nicht, außer das Insolvenzgericht hat nach § 21 InsO vorläufige Sicherungsmaßnahmen wie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verfügt.
Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren läuft in zwei Schritten ab: Zunächst stellt das Gericht den Antrag des Schuldners den Gläubigern förmlich zu. Nach Ablauf der Einwendungsfrist entscheidet es gegebenenfalls über die Ersetzung fehlender Zustimmung einzelner Gläubiger.
Mit dem Insolvenzantrag hat der Schuldner unter anderem folgende Unterlagen vorzulegen:
- eine Bescheinigung einer geeigneten Stelle über den gescheiterten Einigungsversuch,
- ein Verzeichnis über Einkommen und Vermögen,
- ein Gläubiger- beziehungsweise Forderungsverzeichnis,
- einen Schuldenbereinigungsplan,
- gegebenenfalls Antrag auf Restschuldbefreiung. Bei Verfahren, die ab dem 01.07.2014 beantragt werden, soll der Antrag auf Restschuldbefreiung mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden.
Das Gericht stellt den Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan und die Vermögensübersicht mit der Aufforderung zu, binnen einer Notfrist von einem Monat zu den vom Schuldner eingereichten Verzeichnissen und zum Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen.
Beachte:
Äußert sich ein Gläubiger nicht innerhalb der Monatsfrist, gilt seine Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan nach § 307 Abs. 2 InsO als erteilt. Außerdem werden die Angaben des Schuldners über die Forderungshöhe als zutreffend unterstellt. Hat ein versicherungspflichtiger Schuldner beispielsweise im Forderungsverzeichnis den Rentenversicherungsträger mit einer Forderung von 0,00 EUR angegeben, weil er der Auffassung ist, dass Versicherungspflicht nicht besteht, und widerspricht der Rentenversicherungsträger diesen Angaben nicht binnen der Monatsfrist, erlischt die Forderung. Zwar ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO grundsätzlich möglich, in aller Regel wird sich der Rentenversicherungsträger jedoch nicht auf einen Wiedereinsetzungsgrund berufen können. Die Monatsfrist ist daher unbedingt einzuhalten. Eine Fristverlängerung kann beim Gericht nicht beantragt werden, da es sich um eine Notfrist handelt (§ 224 ZPO).
Der Schuldenbereinigungsplan ist angenommen, wenn kein Gläubiger innerhalb der Monatsfrist Einwendungen erhebt. Die Annahme des Plans stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest (§ 308 Abs. 1 InsO).
Werden fristgerecht Einwendungen erhoben, kann das Insolvenzgericht die fehlende Zustimmung einzelner Gläubiger ersetzen, wenn diese sich ohne Begründung einer wirtschaftlich sinnvollen Lösung widersetzen. Die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht ist nur unter den Voraussetzungen des § 309 InsO möglich. Zum einen muss der Schuldenbereinigungsplan bei den übrigen Gläubigern überwiegend auf Zustimmung stoßen: mindestens die Hälfte der Gläubiger nach Kopfzahl und Forderungshöhe muss den Schuldenbereinigungsplan akzeptiert haben. Sind zum Beispiel bei zehn Gläubigern Forderungen von insgesamt 50.000.00 EUR im Raum, von denen auf einen Gläubiger 26.000,00 EUR entfallen, kann dessen fehlende Zustimmung vom Gericht selbst dann nicht ersetzt werden, wenn alle anderen Gläubiger zustimmen.
Zum anderen kann die fehlende Zustimmung nach § 309 Abs. 1 S. 2 InsO nicht ersetzt werden, wenn der Gläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird oder er schlechter gestellt wird als bei Durchführung eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens.
Ist der Rentenversicherungsträger mit dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan nicht einverstanden, muss er seine Ablehnung gegenüber dem Gericht unmissverständlich in schriftlicher Form zum Ausdruck bringen. Folgende Gründe können vom Rentenversicherungsträger vorgebracht werden:
- die Forderung des Rentenversicherungsträgers ist wesentlich höher als im Forderungsverzeichnis angegeben;
- der Rentenversicherungsträger wird im Verhältnis zu anderen Gläubigern schlechter gestellt, ohne dass dies durch besondere Sicherungsrechte der anderen Gläubiger gerechtfertigt ist;
- der Rentenversicherungsträger wird durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt, als es bei Durchführung eines Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung der Fall wäre;
- der Schuldner hat im Forderungsverzeichnis Schulden aufgeführt, bei denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob sie überhaupt oder in der angegebenen Höhe bestehen (zum Beispiel Darlehen eines nahen Verwandten).
Die Einwendungen sind - soweit möglich - mit entsprechenden Unterlagen glaubhaft zu machen. Beruft sich der Rentenversicherungsträger auf eine Schlechterstellung gegenüber einem Insolvenzverfahren, ist dem Gericht eine Vergleichsrechnung zu übersenden. Eine Schlechterstellung kann bereits damit begründet werden, dass der Plan keine Klausel enthält, nach der die Forderung in voller Höhe wiederauflebt, wenn der Schuldner den Gläubiger nicht entsprechend der Festlegungen im Plan befriedigt. Nicht ausreichend ist der Verlust abstrakter Aufrechnungsmöglichkeiten oder der Einwand, die Forderung sei bereits tituliert.
Das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren endet entweder durch Annahme des Schuldenbereinigungsplans - gegebenenfalls nach Ersetzung der fehlenden Zustimmung einzelner Gläubiger - oder mit einem Scheitern der gerichtlichen Einigungsbemühungen, weil die fehlende Zustimmung nicht ersetzt werden kann. Wird der Schuldenbereinigungsplan angenommen, stellt dies das Insolvenzgericht durch Beschluss fest. Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat dieselbe Wirkung wie ein Prozessvergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: Eine Ausfertigung des Schuldenbereinigungsplans wird den Gläubigern zugestellt und ist Vollstreckungstitel. Die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung gelten als zurückgenommen, das heißt das Verfahren endet ohne Insolvenzverfahren.
Endet das Verfahren mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans, ohne dass die Forderung des Rentenversicherungsträgers in zutreffender Höhe berücksichtigt wurde, stellt sich die Frage, inwieweit diese noch beim Schuldner geltend gemacht werden kann. Die Forderung des Rentenversicherungsträgers erlischt (teilweise), wenn der Schuldner die Forderung im Forderungsverzeichnis nicht in der korrekten Höhe aufgeführt hat und der Rentenversicherungsträger nicht innerhalb der Monatsfrist widersprochen hat (§ 308 Abs. 3 S. 2 InsO). Andererseits kann der Rentenversicherungsträger nach § 308 Abs. 3 S. 1 InsO noch in vollem Umfang Erfüllung verlangen, wenn der Schuldner die Forderung im Forderungs- und Gläubigerverzeichnis vollständig unterschlagen hat. In diesem Fall kann der Rentenversicherungsträger unbeschränkt nachfordern, da er am Schuldenbereinigungsverfahren nicht beteiligt war. Ein Vollstreckungsverbot besteht nicht.
Ist eine Schuldenbereinigung selbst unter Mithilfe des Gerichtes nicht zu erzielen, schließt sich die dritte Stufe an: Das Gericht hat über die Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach den §§ 311 ff. InsO zu entscheiden. Für die Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzantrages gelten dieselben Regeln wie im Regelinsolvenzverfahren (siehe Abschnitte 2.2.1 und 2.2.3): Deckt die Insolvenzmasse die Verfahrenskosten nicht und wird der entsprechende Geldbetrag weder vorgeschossen noch gestundet, wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen. Eine Restschuldbefreiung ist in diesem Fall nicht möglich.
Vereinfachtes Insolvenzverfahren
Ist der Insolvenzantrag zulässig und begründet und sind die Verfahrenskosten gedeckt, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Bei Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, gelten noch die §§ 312 bis 314 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 für das vereinfachte Insolvenzverfahren. Gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren bestehen folgende Besonderheiten:
- Kein Berichtstermin
Der Berichtstermin dient der Entscheidung der Gläubiger über die Fortführung und Sanierung eines Unternehmens, so dass dieser im Verbraucherinsolvenzverfahren entfallen kann. - Schriftliches Verfahren
Das Insolvenzgericht kann bei überschaubaren Vermögensverhältnissen das schriftliche Verfahren anordnen, was auch häufig geschieht. Statt eines Prüfungs- und Schlusstermins werden in diesem Fall vom Gericht nur bestimmte Fristen gesetzt, innerhalb derer Forderungen bestritten beziehungsweise Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis erhoben werden müssen. - Treuhänder
Statt eines Insolvenzverwalters wird nach § 313 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 ein Treuhänder eingesetzt, der die Insolvenzmasse verwaltet. Im Unterschied zum Insolvenzverwalter ist der Treuhänder weder zur Insolvenzanfechtung noch zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Absonderungsrechte bestehen. Schließt sich an das Insolvenzverfahren ein Restschuldbefreiungsverfahren an, nimmt der Treuhänder in der Regel auch die Aufgaben wahr, die in der Wohlverhaltensperiode anfallen. - Dreimonatige Rückschlagsperre
Durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangte Sicherungen sind im Zeitraum von drei Monaten (im Regelinsolvenzverfahren nur 1 Monat) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam (§ 312 Abs. 1 S. 3 InsO in der Fassung bis 30.06.2014). - Insolvenzplan und Eigenverwaltung
Die Regelungen über den Insolvenzplan und Eigenverwaltung finden keine Anwendung. - Vereinfachte Verteilung
Der Schuldner kann nach § 314 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 die Verwertung der Insolvenzmasse verhindern, wenn er nach Antrag des Treuhänders einen entsprechenden Wertausgleich (aus pfändungsfreien Einkünften beziehungsweise Zahlungen Dritter) leistet.
Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 wurden die Vorschriften der §§ 312 bis 314 InsO für Verfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, aufgehoben. In den Insolvenzverfahren wird nun ein Insolvenzverwalter tätig, der die gleichen Rechte innehat wie im Regelinsolvenzverfahren. Die weggefallenen Regelungen wurden teilweise in andere Vorschriften der InsO verlagert (zum Beispiel §§ 5 Abs. 2, 29 Abs. 2 InsO). Die dreimonatige Rückschlagsperre bleibt auch weiterhin bestehen und ist nun in § 88 Abs. 2 InsO geregelt. Die Regelungen über die Eigenverwaltung finden weiterhin keine Anwendung. Hingegen sind Insolvenzpläne nun auch in Verbraucherinsolvenzverfahren möglich (siehe hierzu auch die Ausführungen im Abschnitt 2.10).
Für die Anmeldung von Forderungen des Rentenversicherungsträgers gelten dieselben Grundsätze wie im Regelinsolvenzverfahren (Abschnitte 2.5.1 und 2.5.2). Selbst wenn der Rentenversicherungsträger einer vom Schuldner vorgeschlagenen Schuldenbereinigung zugestimmt hat, ist im Insolvenzverfahren die ursprüngliche Forderung anzumelden. Denn die Zustimmung wird nur wirksam, wenn ein Schuldenbereinigungsplan zustande kommt.
Nach der Verwertung der Insolvenzmasse beziehungsweise Eingang des vom Schuldner ersatzweise gezahlten Geldbetrages nimmt der Treuhänder oder der Insolvenzverwalter die Schlussverteilung vor, nachdem ein Schlusstermin abgehalten wurde beziehungsweise die im schriftlichen Verfahren gesetzte Frist für Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis abgelaufen ist.
Im Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt der Schuldner in aller Regel Restschuldbefreiung. Nur bei Verbraucherinsolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, wird das Verfahren erst dann aufgehoben, wenn über die Ankündigung der Restschuldbefreiung rechtskräftig entschieden wurde. Bei Verbraucherinsolvenzverfahren, die ab dem 01.07.2014 beantragt wurden, hat das Insolvenzgericht über die Restschuldbefreiung bereits im Antragsverfahren zu entscheiden. Für diese Verfahren ist eine Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung nicht mehr vorgesehen.
Die näheren Einzelheiten zum Restschuldbefreiungsverfahren finden sich im folgenden Abschnitt.
Restschuldbefreiung
Das Verfahren zur Restschuldbefreiung ist in den §§ 286 ff. InsO geregelt. Die Restschuldbefreiung können natürliche Personen sowohl im Regelinsolvenzverfahren als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen. Der Gesetzgeber will dem redlichen Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn ermöglichen. Kommt er während der sogenannten Wohlverhaltensperiode seinen Verpflichtungen nach, müssen sich die Insolvenzgläubiger mit den an sie geflossenen Zahlungen zufrieden geben.
Ein Restschuldbefreiungsverfahren ist ausgeschlossen, wenn der Insolvenzantrag nach § 26 InsO mangels Masse abgewiesen wurde oder wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse nach § 207 InsO eingestellt wurde. Bei einer Einstellung des Verfahrens nach § 211 InsO kann sich ein Restschuldbefreiungsverfahren anschließen.
Das Restschuldbefreiungsverfahren beginnt mit dem Antrag des Schuldners, der in der Regel bereits mit dem Insolvenzantrag gestellt wird. Bei vor dem 01.07.2014 beantragten Insolvenzverfahren werden im Schlusstermin die Gläubiger und der Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder zu dem Antrag gehört. Werden keine Einwendungen erhoben, kündigt das Insolvenzgericht nach § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 die Restschuldbefreiung an. In Insolvenzverfahren, die ab dem 01.07.2014 beantragt wurden, hat das Insolvenzgericht über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung bereits im Antragsverfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss zu entscheiden. An die Ankündigung der Restschuldbefreiung beziehungsweise an die Aufhebung des Insolvenzverfahrens schließt sich die sogenannte Wohlverhaltensperiode an, nach deren Ablauf das Gericht Restschuldbefreiung erteilt, wenn kein begründeter Versagungsantrag gestellt wurde. In Ausnahmefällen kann die Restschuldbefreiung nach § 303 InsO widerrufen werden.
Antrag
Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbunden werden soll (§§ 287, 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist den Gläubigern deshalb bereits im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren bekannt, dass Restschuldbefreiung beantragt wurde. Diese Tatsache soll in ihre Überlegungen, ob sie dem Schuldenbereinigungsplan zustimmen, einfließen.
Dem Antrag ist nach § 287 Abs. 2 InsO eine Abtretungserklärung beizufügen. Der Schuldner muss für die Dauer von drei Jahren seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge, wie zum Beispiel Renten, an einen vom Insolvenzgericht zu bestimmenden Treuhänder abtreten. Ist aufgrund eines nach dem 30.09.2020 beantragten Insolvenzverfahrens schon einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, verlängert sich die Dauer in einem neuen Insolvenzverfahren auf fünf Jahre. Die Frist beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen, das heißt die Dauer eines außergerichtlichen beziehungsweise gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens ist nicht mitzurechnen.
Für die Frist und den Fristbeginn gelten folgende Übergangsvorschriften:
- Ist das Insolvenzverfahren vor dem 01.10.2020 beantragt worden, beträgt die reguläre Dauer der Abtretung der pfändbaren Beträge sechs Jahre. Die Frist verkürzt sich für Insolvenzverfahren, die in der Zeit vom 17.12.2019 bis zum 30.09.2020 beantragt worden sind, um die Anzahl an vollen Monaten, die seit dem 16.07.2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrages vergangen sind (Art. 103k Abs. 2 EGInsO). Sofern in Verfahren, die im Übergangszeitraum beantragt wurden, eine abweichende Frist nach altem Recht festgelegt wurde, ist diese unbeachtlich.
- Ist das Insolvenzverfahren vor dem 01.12.2001 eröffnet worden, verlängert sich die Frist auf sieben Jahre. Fristbeginn ist in diesen Fällen nicht der Beschluss über die Eröffnung, sondern über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (Art. 103a EGInsO).
- Ist das Insolvenzverfahren vor dem 01.12.2001 eröffnet worden und war der Schuldner bereits am 01.01.1997 zahlungsunfähig, verkürzt sich die Laufzeit der Abtretung auf fünf Jahre (Art. 107 EGInsO). Über eine Verkürzung der Frist entscheidet das Insolvenzgericht. Die Rentenversicherungsträger überprüfen diese Entscheidung nicht.
- Hat der Schuldner sein pfändbares Einkommen bereits an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, hat er in seiner Erklärung darauf hinzuweisen. Diese Vorausverfügung über die Bezüge bleibt nur bei Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, nach § 114 Abs. 1 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 für die Dauer von zwei Jahren (beziehungsweise drei Jahren im Falle eines Insolvenzverfahrens, das vor dem 01.12.2001 eröffnet wurde) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam. Bei nach dem 30.06.2014 beantragten Insolvenzverfahren sind aufgrund des Wegfalls des § 114 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 Abtretungen des Schuldners zugunsten eines Dritten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zu berücksichtigen (vergleiche hierzu auch die Ausführungen in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 8.6.3).
- Selbst wenn der Schuldner über kein pfändbares Einkommen verfügt, ist die Restschuldbefreiung nicht ausgeschlossen. Die Abtretungserklärung wird nicht dadurch unwirksam, dass keine pfändbaren Einkünfte vorhanden sind. Die Gläubiger müssen daher spätestens in diesem Stadium eine Situation akzeptieren, die einem Null-Plan gleichkommt.
Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.07.2013 wurde geregelt, dass bei Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, das Insolvenzgericht nun bereits im Antragsverfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung zu entscheiden hat (sogenannte Eingangsentscheidung, § 287a Abs. 1 InsO). Das Gericht hat dabei über die Zulässigkeit des Antrages auf Restschuldbefreiung zu befinden. Die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 entfällt daher bei diesen Verfahren. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung kann mit dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden.
Gleichzeitig wurde für wiederholte Anträge des Schuldners auf Restschuldbefreiung gesetzlich geregelt, dass sie vor Ablauf bestimmter Fristen unzulässig sind (§ 287a Abs. 2 InsO).
Der vor dem 01.07.2014 bisher in den Regelungen der §§ 294 bis 300 InsO gebräuchliche Begriff der „Laufzeit der Abtretungserklärung“ wird durch den Begriff der „Abtretungsfrist“ abgelöst. Bei Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt werden, beginnt die Abtretungsfrist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Abtretung an den Treuhänder wird für den Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist wirksam. Dem Schuldner obliegt es nach § 287b InsO nun bereits im eröffneten Insolvenzverfahren, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine Beschäftigung zu bemühen. Wird die Erwerbsobliegenheit verletzt, kann das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO versagen.
Dem Schuldner wird die Restschuldbefreiung nach Ablauf der Abtretungsfrist erteilt, wenn der Schuldner seinen Obliegenheiten nachgekommen ist (§§ 287 Abs. 2, 300 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzgericht kann im Rahmen des § 300 Abs. 2 InsO in nach dem 30.09.2020 beantragten Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners die Restschuldbefreiung sofort erteilen, wenn kein Insolvenzgläubiger Forderungen angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und die Verfahrenskosten samt der sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt sind.
Für Insolvenzverfahren, die in der Zeit vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2020 beantragt worden sind, ist eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach § 300 InsO in der Fassung bis 30.09.2020 gleichfalls möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner die Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren beglichen hat. Es kann die Restschuldbefreiung nach Ablauf der Anmeldefrist für die Insolvenzgläubiger sofort erteilen,
- wenn kein Insolvenzgläubiger im Verfahren eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt worden sind und
- der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten beglichen hat (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO in der Fassung bis 30.09.2020).
Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung drei Jahre nach Beginn der Abtretungsfrist erteilen, wenn er
- innerhalb dieser Frist über den Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder mindestens 35 % der Insolvenzforderungen befriedigt werden (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO in der Fassung bis 30.09.2020).
Die Restschuldbefreiung kann auf Antrag des Schuldners zudem auch nach Ablauf von fünf Jahren der Abtretungsfrist erteilt werden, wenn er innerhalb dieser Frist die Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren vollständig beglichen hat.
Wenn lang andauernde Insolvenzverfahren auftreten, in denen die Laufzeit der Abtretungserklärung beziehungsweise die Abtretungsfrist überschritten wird, entscheidet das Insolvenzgericht über die Restschuldbefreiung, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Bei Insolvenzverfahren, die ab dem 01.07.2014 beantragt werden, können durch die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre zudem verstärkt Fälle auftreten, in denen die Abtretungsfrist vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgelaufen ist.
Für diese Fälle wird durch die Regelung des § 300a Abs. 1 InsO klargestellt, dass das Vermögen, das der Schuldner nach der Erteilung der Restschuldbefreiung erlangt, nicht zur Insolvenzmasse gehört und daher nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt. In Absatz 2 der Regelung wird weiter festgelegt, dass der Insolvenzverwalter die pfändbaren Beträge in der Zeit zwischen dem Ablauf der Abtretungsfrist und der rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung treuhänderisch verwahren und für die Masse sichern darf. Er rechnet sie nach der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung mit dem Schuldner ab. Wird die Restschuldbefreiung nicht erteilt, stehen die pfändbaren Beträge den Insolvenzgläubigern zu.
Ankündigung der Restschuldbefreiung
Die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 kommt nur noch für Insolvenzverfahren in Betracht, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden.
Bevor das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren aufhebt oder einstellt, werden die Gläubiger und der Insolvenzverwalter/Treuhänder im Schlusstermin zu dem Antrag auf Restschuldbefreiung gehört (§ 289 Abs. 1 InsO).
Den Insolvenzgläubigern steht nach § 290 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 das Recht zu, im Schlusstermin zu beantragen, dass Restschuldbefreiung zu versagen ist.
In Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, können die Insolvenzgläubiger den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung schriftlich bis zum Schlusstermin oder bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit stellen. Sie können sich für diesen Antrag nur auf die in § 290 InsO genannten Gründe berufen:
- rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 bis 283c StGB; in nach dem 30.06.2014 beantragten Insolvenzverfahren ist für die Versagung zusätzlich die rechtskräftige Verurteilung zu einer erheblichen Geld- oder Freiheitsstrafe erforderlich und die Verurteilung muss in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insolvenzverfahrens bis zum Schlusstermin erfolgt sein,
- falsche oder unvollständige Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse, um Kredite oder Sozialleistungen zu erhalten,
- Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem neuerlichen Insolvenzantrag (nur bei Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden),
- Gläubiger schädigende Handlungen nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO,
- Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der InsO während des Insolvenzverfahrens,
- falsche oder unvollständige Angaben im Gläubiger-, Forderungs-, Einkommens- oder Vermögensverzeichnis,
- Verletzung der Erwerbsobliegenheiten nach § 287b InsO, die die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.
An die Pflicht des Schuldners, richtige und vollständige Angaben zu machen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Selbst Nebeneinkünfte von einigen hundert Euro müssen im Einkommensverzeichnis enthalten sein. Auch ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss sich der Schuldner in der Regel zurechnen lassen. Nur unwesentliche Pflichtverletzungen, die sich nicht ausgewirkt haben, sind zu vernachlässigen. Außerdem kann der Schuldner die Versagung der Restschuldbefreiung dadurch abwenden, dass er nicht vorsätzlich gemachte Falschangaben nachträglich berichtigt.
Das Insolvenzgericht prüft die Versagungsgründe nicht von Amts wegen. Die Insolvenzgläubiger haben den Versagungsgrund im Schlusstermin glaubhaft zu machen. Ein zuvor schriftlich gestellter Antrag ist im Termin mündlich zu wiederholen, außer das Gericht hat nach § 312 Abs. 2 InsO in der Fassung bis 30.06.2014 das schriftliche Verfahren angeordnet, so dass ein Schlusstermin gar nicht abgehalten wird. Da in den Schlusstermin ein Vertreter entsandt werden müsste, um den Versagungsantrag wirksam zu stellen, ist sorgfältig abzuwägen, ob dieser Aufwand unter Berücksichtigung der Forderungshöhe und der Schwere des Versagungsgrundes gerechtfertigt ist. Hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet, können die Versagungsgründe schriftlich vorgebracht werden, allerdings nur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist.
Wurde kein Versagungsantrag gestellt oder ein Versagungsgrund nicht glaubhaft gemacht, kündigt das Insolvenzgericht in Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, Restschuldbefreiung an. Der Beschluss des Gerichts lautet: Der Schuldner erlangt Restschuldbefreiung, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach §§ 297, 298 InsO nicht vorliegen. In dem Beschluss bestimmt das Gericht einen Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge nach Maßgabe der Abtretungserklärung übergehen. Im Regelfall wählt das Gericht den Treuhänder, der bereits im Insolvenzverfahren beteiligt war.
Das Gericht wartet die Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung ab. Denn nach § 289 Abs. 2 InsO kann gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Beschwerdeberechtigt ist allerdings nur derjenige Insolvenzgläubiger, der im Schlusstermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat. Erst nach Eintritt der Rechtskraft hebt das Gericht das Insolvenzverfahren auf.
Bei Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, entscheidet das Insolvenzgericht erst nach dem Schlusstermin oder nach der Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens wegen Masseunzulänglichkeit über den Antrag der Insolvenzgläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung. Da das Insolvenzgericht über den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung bereits im Antragsverfahren über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss zu entscheiden hat, entfällt die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014. Der Treuhänder für das Restschuldbefreiungsverfahren wird nun zusammen mit der Entscheidung über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder der Einstellung nach § 211 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit bestimmt.
Wohlverhaltensperiode
Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung, § 291 InsO in der Fassung bis 30.06.2014, beziehungsweise nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bei nach dem 30.06.2014 beantragten Insolvenzverfahren beginnt die sogenannte Wohlverhaltensperiode.
Während der Wohlverhaltensperiode treffen den Schuldner die Obliegenheiten des § 295 InsO und bei einer ausgeübten selbständigen Tätigkeit zusätzlich des § 295a InsO. An die Redlichkeit des Schuldners werden strenge Anforderungen gestellt. Er hat sich nach Kräften zu bemühen, die Gläubiger zu befriedigen. Nach § 295 InsO muss er
- eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben oder sich um die Aufnahme einer solchen Tätigkeit bemühen,
- die Hälfte des Vermögens, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, an den Treuhänder herausgeben,
- Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie oder einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, in voller Höhe an den Treuhänder herausgeben, sofern der Gewinn einen geringen Wert übersteigt,
- einen Wechsel des Wohnsitzes oder der Arbeitsstelle dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder unverzüglich anzeigen und
- auf Verlangen des Gerichts oder des Treuhänders diesen Auskünfte über seine Erwerbstätigkeit, seine Bezüge und sein Vermögen erteilen.
Darüber hinaus darf er kein Vermögen verheimlichen oder einem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen.
Besondere Obliegenheiten treffen den selbständig tätigen Schuldner. Grundsätzlich bleibt ihm das Wahlrecht zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit. Wählt er die Selbständigkeit, hat er nach § 295 Abs. 2 InsO in der Fassung bis zum 30.12.2020 sicherzustellen, dass die Insolvenzgläubiger dieselben Zahlungen erhalten wie im Fall einer abhängigen Beschäftigung.
Durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht wurden die Regelungen des § 295 Abs. 2 InsO gestrichen und mit Wirkung ab dem 31.12.2020 in dem neu eingefügten § 295a Abs. 1 S. 1 InsO inhaltlich unverändert verortet und durch eine Regelung zur Konkretisierung der Zahlungsmodalitäten ergänzt. Danach sind die Zahlungen durch den Schuldner an den Insolvenzverwalter kalenderjährlich und spätestens zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten. Von der Festlegung monatlicher Zahlungen wird nunmehr abgesehen, da es in der Natur selbständiger Tätigkeiten liegen kann, dass Einkommen nicht in regelmäßigen Abständen und in gleicher Höhe vereinnahmt wird.
Nach § 295a Abs. 2 InsO stellt das Gericht auf Antrag des Schuldners den Betrag fest, der den Bezügen aus dem nach Absatz 1 zugrunde zu legenden Dienstverhältnis entspricht. Dies ermöglicht dem Schuldner, Rechtssicherheit in der Frage zu erlangen, in welcher Höhe er die Zahlungen zu leisten hat. Ihm wird damit das Recht eingeräumt, eine gerichtliche Feststellung der fiktiven Bezüge aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu erwirken. Auf Grundlage dieser Feststellung kann der Schuldner den pfändbaren Anteil am Nettoeinkommen und damit die Höhe der ihn treffenden Abführungsobliegenheit errechnen. Um dem Gericht die Entscheidung zu ermöglichen, obliegt es dem Schuldner, die Höhe der aus dem fiktiven Dienstverhältnis erzielbaren Bezüge glaubhaft zu machen. Der Treuhänder und die Insolvenzgläubiger sind vor der Entscheidung anzuhören. Dem Schuldner und den Gläubigern steht die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung zu.
Die Gläubiger können regelmäßig nicht überblicken, ob der Schuldner seinen Obliegenheiten nachkommt. Sie können deshalb im Schlusstermin den Treuhänder beauftragen, die Einhaltung der Obliegenheiten durch den Schuldner zu überwachen (§ 292 Abs. 2 InsO). Allerdings muss dem Treuhänder diese Tätigkeit gesondert vergütet werden (§ 15 InsVV ), so dass von dieser Möglichkeit nur in begründeten Ausnahmefällen (zum Beispiel Versicherter hat in der Vergangenheit bereits vorsätzlich falsche Angaben gegenüber dem Rentenversicherungsträger gemacht) Gebrauch gemacht werden sollte.
Wird den Insolvenzgläubigern bekannt, dass der Schuldner eine Obliegenheit verletzt hat, können sie nach § 296 Abs. 1 InsO binnen eines Jahres nach Kenntnis der Obliegenheitsverletzung beim Insolvenzgericht beantragen, dem Schuldner Restschuldbefreiung zu versagen. Bei Insolvenzverfahren, die vor dem 01.07.2014 beantragt wurden, kann der Gläubiger in diesem Verfahrensstadium seinen Versagungsantrag nicht mehr auf die Gründe des § 290 Abs. 1 InsO stützen, selbst wenn diese Gründe erst nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung bekannt werden.
Das Gericht kann im schriftlichen Verfahren entscheiden oder einen Anhörungstermin anberaumen.
Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass durch die Obliegenheitsverletzung die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt wurde. Gelingt dies dem Gläubiger, trifft den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Er muss dem Insolvenzgericht alle erforderlichen Auskünfte geben und die Richtigkeit an Eides Statt versichern, wenn dies vom Insolvenzgläubiger beantragt wurde. Kommt der Schuldner diesen Verpflichtungen nicht nach, versagt das Gericht die Restschuldbefreiung. Der rechtskräftige Beschluss über die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekannt zu machen. Den Gläubigern steht nunmehr wieder das unbeschränkte Nachforderungsrecht nach § 201 InsO zu.
Siehe Beispiel 3
Ein Versagungsantrag kann außerdem gestellt werden, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung beziehungsweise während der Abtretungsfrist wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt wurde. Wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens lediglich neue Verpflichtungen eingeht oder dem Rentenversicherungsträger Beiträge schuldig bleibt, reicht dies allein für einen begründeten Versagungsantrag nicht aus.
In Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, kann das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf Antrag der Insolvenzgläubiger nun auch bei nachträglich bekannt gewordenen Versagungsgründen nach § 290 Abs. 1 InsO (siehe Abschnitt 4.2) nach dem Schlusstermin in der Wohlverhaltensperiode versagen (§ 297a InsO).
Der Treuhänder erhält aufgrund der Abtretungserklärung den pfändbaren Teil der Bezüge des Schuldners. Einmal jährlich verteilt er die bei ihm eingegangene Summe an die Insolvenzgläubiger. Kürzere Zahlungsrhythmen sind möglich. Die Verteilung richtet sich nach dem Schlussverzeichnis, das im Insolvenzverfahren erstellt wurde. Bei Insolvenzverfahren, die bis zum 30.06.2014 beantragt wurden, erhält der Schuldner im fünften und sechsten Jahr nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens den sogenannten Motivationsrabatt. Um den Schuldner bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode zur Redlichkeit zu motivieren, zahlt der Treuhänder nach § 292 Abs. 1 S. 4 InsO 10 % beziehungsweise 15 % der bei ihm eingegangenen Summe an den Schuldner aus.
Siehe Beispiel 4
Der Motivationsrabatt ist für Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt worden sind, weggefallen.
Die Rentenversicherungsträger können in der Regel nicht die Einkommenssituation des Schuldners während der Wohlverhaltensperiode überblicken. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Treuhänder die pfändbaren Bezüge richtig ermittelt hat. Selbst ein Totalausfall der Forderung muss akzeptiert werden, wenn der Schuldner in der gesamten Wohlverhaltensperiode kein pfändbares Einkommen erzielt. Die Insolvenzordnung schreibt keine Mindestquote vor.
Erteilung der Restschuldbefreiung
Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode beziehungsweise nach Ablauf der Abtretungsfrist entscheidet das Insolvenzgericht darüber, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird. Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung des § 300 InsO besteht für den Schuldner die Möglichkeit, auf Antrag die Restschuldbefreiung vorzeitig zu erlangen. Zu den einzelnen Möglichkeiten, die Wohlverhaltensperiode zu verkürzen, wird auf die Ausführungen im Abschnitt 4.1 hingewiesen.
Vor der abschließenden Entscheidung über die Restschuldbefreiung hat das Gericht nach § 300 InsO Schuldner, Treuhänder und Insolvenzgläubiger anzuhören. Die Anhörung kann schriftlich erfolgen. Für die Insolvenzgläubiger besteht letztmals die Möglichkeit, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Es gelten dieselben Voraussetzungen wie für einen Versagungsantrag während der Wohlverhaltensperiode (siehe Abschnitt 4.3).
Das Gericht erteilt dem Schuldner Restschuldbefreiung, wenn kein (begründeter) Versagungsantrag gestellt wurde. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Das Recht der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss steht nur dem Insolvenzgläubiger zu, der die Versagung vergeblich beantragt hatte.
Die Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger. Selbst Forderungen, die nicht angemeldet wurden, sind nach § 301 Abs. 1 S. 2 InsO von der Restschuldbefreiung betroffen. Von der Restschuldbefreiung werden allerdings ausschließlich Insolvenzforderungen erfasst. Masseforderungen (soweit sie nicht den Beschränkungen des § 206 InsO unterliegen, siehe Abschnitt 2.5.5) und Forderungen als Neu-Gläubiger (vergleiche Abschnitte 2.5.5 und 2.5.6) können trotz Restschuldbefreiung beim Schuldner weiter geltend gemacht werden.
Mit Artikel 2 des Gesetztes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht wurde zum 01.10.2020 die Regelung des§ 301 InsO um den Absatz 4 ergänzt. Danach tritt ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft.
Des Weiteren bleibt bei erlaubnis- oder zulassungspflichtigen Tätigkeiten die im Erlaubnis- und Zulassungsvorbehalt angelegte Erforderlichkeit der Einholung einer Erlaubnis oder Zulassung unberührt.
Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind auch die in § 302 InsO genannten Insolvenzforderungen.
Hat der Rentenversicherungsträger seine Forderung als eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet und wurde sie als solche zur Tabelle festgestellt, weil der Schuldner gegen die Qualifizierung keinen Widerspruch erhoben hat oder mit seinem Widerspruch nicht durchdrang, wird diese Forderung von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen. Der insoweit privilegierte Rentenversicherungsträger darf seine Forderung jedoch erst nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Restschuldbefreiung im Sinne des § 300 InsO unbeschränkt geltend machen und in das Vermögen des Schuldners vollstrecken. Ein Antrag auf vollstreckbare Ausfertigung eines Auszugs aus der Tabelle kann durch das Insolvenzgericht erst ab dem Zeitpunkt erteilt werden, zu dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wird.
Hat der Rentenversicherungsträger seine Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Insolvenzverfahren nicht angemeldet, hilft § 302 Nr. 1 InsO nicht weiter. Selbst wenn der Schuldner den Rentenversicherungsträger vorsätzlich nicht in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen hat, stellt dies zwar eine unerlaubte Handlung dar. Die Forderung wird aber dennoch von der Restschuldbefreiung erfasst, da sie im Insolvenzverfahren nicht unter Angabe dieses Rechtsgrundes angemeldet wurde.
Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind nach § 302 Nr. 2 InsO Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners. Dabei handelt es sich bei versicherungspflichtigen Selbständigen um Bußgelder nach § 320 SGB VI.
Mit der Restschuldbefreiung werden die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers zu sogenannten unvollkommenen Verbindlichkeiten. Sie erlöschen nicht, sondern können vom Schuldner noch erfüllt werden. Andererseits können sie nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden.
Widerruf der Restschuldbefreiung
In Ausnahmefällen kann die Restschuldbefreiung nach § 303 InsO widerrufen werden. Für Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, sind die Tatbestände für einen Widerruf der Restschuldbefreiung erweitert worden.
Der Antrag auf Widerruf kann nur von einem Insolvenzgläubiger gestellt werden. Er hat glaubhaft zu machen, dass er nach Erteilung der Restschuldbefreiung erfahren hat, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheit verletzt hat.
Des Weiteren ist glaubhaft zu machen, dass die Befriedigung der Gläubiger erheblich beeinträchtigt wurde. Davon kann ausgegangen werden, wenn die erreichte Quote um mehr als 5 % hinter diejenige Quote zurückfällt, die ohne die Obliegenheitsverletzung zu erreichen gewesen wäre. Hat der Schuldner beispielsweise Arbeitseinkünfte verheimlicht, die aufgrund der Abtretungserklärung an den Treuhänder abzuführen gewesen wären, ist die Restschuldbefreiung zu widerrufen, wenn der Rentenversicherungsträger nur mit einer Quote von 1,8 % befriedigt wurde, bei ordnungsgemäßer Abführung der Einkünfte jedoch eine Quote von 7 % erzielt hätte.
Darüber hinaus kann die Restschuldbefreiung in Insolvenzverfahren, die nach dem 30.06.2014 beantragt wurden, widerrufen werden,
- wenn sich nachträglich die Verurteilung des Schuldners wegen einer Insolvenzstraftat nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO während der Abtretungsfrist herausstellt oder
- wenn die Verurteilung nach der Restschuldbefreiung erfolgt und der Schuldner die Insolvenzstraftat nach Maßgabe von § 297 Abs. 1 InsO bis zum Ende der Abtretungsfrist begangen hat,
- wenn der Schuldner nach der Restschuldbefreiung in dem noch andauernden Insolvenzverfahren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.
Die Restschuldbefreiung kann nur bis zu einem Jahr nach Rechtskraft des Beschlusses über die Erteilung widerrufen werden. Die Jahresfrist ist eine Ausschlussfrist. Werden nach Ablauf der Jahresfrist noch Vermögenswerte bekannt, die zur Insolvenzmasse gehören, kann eine Nachtragsverteilung nach § 203 InsO beantragt werden.
Datenschutz: Auskunftsrechte und Auskunftspflichten der Deutschen Rentenversicherung im Insolvenzverfahren
Im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren stellt sich häufig die Frage, welche Auskünfte beim Insolvenzgericht beziehungsweise Insolvenzverwalter eingeholt werden können. Umgekehrt stellen Insolvenzverwalter Anfragen an den Rentenversicherungsträger, die unter Umständen mit dem Datenschutz kollidieren können.
Uneingeschränkt zu bejahen ist das Auskunftsrecht des Rentenversicherungsträgers über Sachverhalte und Entscheidungen, die nach der InsO öffentlich bekannt zu machen sind, insbesondere der Eröffnungsbeschluss selbst. Die im Eröffnungsbeschluss bestimmten Termine und Fristen können in der Regel unproblematisch beim Verwalter erfragt werden. Im Restschuldbefreiungsverfahren muss der Treuhänder die Abtretungserklärung des Schuldners vorlegen, wenn er die Auszahlung der Rente an sich begehrt.
Auf die Erteilung anderer Informationen wie Quotenprognosen oder voraussichtliches Verfahrensende besteht kein Anspruch. Der Rentenversicherungsträger kann als betroffener Gläubiger aber mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht Akteneinsicht nach § 299 Abs. 1 ZPO beantragen.
Soweit der Rentenversicherungsträger kein Gläubiger im Insolvenzverfahren ist, ist ihm vom Gericht Akteneinsicht zu gewähren oder Auskünfte nach § 299 Abs. 2 ZPO zu erteilen, soweit dies zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben erforderlich ist.
Rechtsgrundlage des Auskunftsrechts des Rentenversicherungsträgers ist § 67a Abs. 1 SGB X. Telefonische Auskünfte dürfen vom Gericht grundsätzlich nicht erteilt werden.
Muss der Sachverhalt noch ermittelt werden, beispielsweise die Versicherungspflicht eines Selbständigen oder die Beitragshöhe, können Anfragen parallel an den Versicherten und den Insolvenzverwalter gerichtet werden. Der Schuldner hat dem Insolvenzverwalter nach § 97 InsO umfassend Auskunft zu erteilen. Außerdem treffen den Insolvenzverwalter alle Anzeige-, Melde- und Auskunftspflichten gegenüber dem Rentenversicherungsträger, die vor Eröffnung des Verfahrens vom Schuldner zu erfüllen waren.
Anfragen des Insolvenzverwalters während des laufenden Insolvenzverfahrens zu Rentenhöhe, Pfändungen oder Abtretungen sind zu beantworten. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter muss ermitteln, welches Vermögen zur Insolvenzmasse zu rechnen ist. Hierzu kann er vom Rentenversicherungsträger Informationen über Rentenanwartschaften und Höhe der Rente einschließlich eines etwaigen Zuschusses zur Krankenversicherung oder einer Rentennachzahlung verlangen. Auch Daten aus einem Verrechnungsbescheid oder einer Abtretungsvereinbarung können übermittelt werden, sofern sie vom Insolvenzverwalter für die Ermittlung der Insolvenzmasse benötigt werden.
Im Eröffnungsverfahren gelten diese Grundsätze nur, wenn das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter per Gerichtsbeschluss hierzu ermächtigt hat. Anderenfalls muss eine Einwilligung des Schuldners vorgelegt werden. Ist im Eröffnungsverfahren nur ein Sachverständiger eingesetzt, der die wirtschaftliche Situation des Schuldners aufklären soll, dürfen diesem Auskünfte nur mit Einwilligung des Schuldners erteilt werden. Selbst das Insolvenzgericht kann den Sachverständigen nicht wirksam ermächtigen, ohne Mitwirkung des Schuldners beim Rentenversicherungsträger Auskünfte einzuholen.
Vollstreckungsverbote
Die Insolvenzordnung will sicherstellen, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden und kein Gläubiger durch Einzelzwangsvollstreckung Vorteile erlangt. Diesem Ziel dienen verschiedene Vollstreckungsverbote, die zum Teil schon vor der Eröffnung des Verfahrens einsetzen.
Die nachstehend aufgeführten Vollstreckungsverbote gelten nur für Insolvenzgläubiger. Ist der Rentenversicherungsträger Massegläubiger oder Neu-Gläubiger, sind Besonderheiten zu beachten, die unter Abschnitt 2.5.5 beziehungsweise 2.5.6 näher erläutert sind.
- Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO kann das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagen oder einstweilen einstellen. Wirksam wird das Vollstreckungsverbot mit dem Zeitpunkt, der in dem Beschluss genannt ist beziehungsweise mit Erlass des Beschlusses. Dieses Vollstreckungsverbot gilt auch in der Vollstreckung nach dem VwVG und ist vom Rentenversicherungsträger von Amts wegen zu beachten.
Außerdem ist die sogenannte Rückschlagsperre des § 88 InsO zu beachten. Hat ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betrieben und in der Krise des Schuldners eine Sicherung an einem Gegenstand der Insolvenzmasse erlangt (zum Beispiel Pfändung), so wird diese Sicherung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Der kritische Zeitpunkt beginnt im Regelinsolvenzverfahren ein Monat vor Stellung des Insolvenzantrages, im Verbraucherinsolvenzverfahren bereits drei Monate vor Antragstellung. Wurde beispielsweise am 02.08.2004 Insolvenzantrag gestellt und das Regelinsolvenzverfahren am 01.10.2004 eröffnet, sind alle Sicherungen unwirksam, die im Zeitraum vom 02.07.2004 bis 30.09.2004 im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden.
Während der Phasen der außergerichtlichen und gerichtlichen Einigung im Verbraucherinsolvenzverfahren ist die Einzelzwangsvollstreckung zulässig, wenn nicht das Insolvenzgericht während des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens die Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt hat. Allerdings ist wegen § 305a InsO im außergerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, da anderenfalls das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren als gescheitert gilt. - Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO: Vollstreckungsmaßnahmen von Insolvenzgläubigern sind während des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.
Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet, sollte das Vollstreckungsverfahren wieder aufgenommen werden. - Nach Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens
Mit dem Ende des Insolvenzverfahrens ist die Einzelzwangsvollstreckung wieder möglich, wenn der Schuldner nicht Restschuldbefreiung beantragt hat. Ohne Restschuldbefreiung besteht nach § 201 Abs. 1 InsO ein unbeschränktes Nachforderungsrecht der Gläubiger.
Ist Restschuldbefreiung angekündigt, gilt während der Wohlverhaltensperiode das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO, das heißt während der Laufzeit der Abtretungserklärung beziehungsweise der Abtretungsfrist ist eine Zwangsvollstreckung für Insolvenzgläubiger nicht zulässig. - Nach wirksam erteilter Restschuldbefreiung
Ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung wirksam erteilt worden, ist eine Vollstreckung der nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen (zum Beispiel bei versicherungspflichtigen Selbständigen die Bußgelder nach § 320 SGB VI) wieder zulässig.
Nachlassinsolvenzverfahren
Die Rentenversicherungsträger sind von einem Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff. InsO) betroffen, wenn der Versicherte verstirbt, der Nachlass des Verstorbenen überschuldet ist und Ansprüche des Rentenversicherungsträger bestehen, weil zum Beispiel die Rente über den Tod hinaus gezahlt wurde oder Beitragsforderungen aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit des Verstorbenen offen sind.
Das Nachlassinsolvenzverfahren soll die gleichmäßige Befriedigung der Nachlassgläubiger sicherstellen. Außerdem kann der Erbe mit einem derartigen Verfahren die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass begrenzen. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe grundsätzlich mit seinem eigenen Vermögen für die Verbindlichkeiten des Erblassers. Um die Haftung mit seinem eigenen Vermögen auszuschließen, kann der Erbe entweder das Erbe ausschlagen oder ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen.
Wenn der Erbe die Überschuldung des Nachlasses kennt, ist er nach § 1980 BGB sogar verpflichtet, ein Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen. Unterlässt er den Insolvenzantrag, macht er sich gegenüber den Insolvenzgläubigern schadensersatzpflichtig.
Antragsberechtigt sind neben dem Erben die Nachlassgläubiger, der Nachlassverwalter oder -pfleger sowie der Testamentsvollstrecker. Ist im Zeitpunkt des Todes des Schuldners bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet, wird dieses Verfahren vom Insolvenzgericht von Amts wegen in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet.
Gründe für die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens sind die (drohende) Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung des Nachlasses.
Die Insolvenzmasse ist wie im normalen Insolvenzverfahren nach den §§ 35 ff. InsO zu bestimmen. Maßgeblich sind daher die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, nicht die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Hat der Erbe vor Verfahrenseröffnung über Nachlassgegenstände verfügt, sind diese Verfügungen zwar wirksam, nach § 322 InsO aber erleichtert anfechtbar. Außerdem führen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Zeitraum zwischen Tod des Erblassers und Eröffnung des Verfahrens nicht zu einer Sonderstellung des Gläubigers im Verfahren. § 321 InsO führt im Ergebnis zu einer zeitlich nicht beschränkten Rückschlagsperre. Nur wenn die Zwangsvollstreckung zur Befriedigung des Gläubigers geführt hat, darf er das Erlangte - vorbehaltlich einer Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO - behalten.
Im Unterschied zum normalen Insolvenzverfahren ist der Kreis der Masseverbindlichkeiten um die Kosten der Beerdigung und Ähnliches erweitert (§ 324 InsO).
Ist der Rentenversicherungsträger Nachlassgläubiger, zum Beispiel im Falle einer überzahlten Rente im Todesfall, ist die Forderung nach den allgemeinen Grundsätzen (Abschnitt 2.5) beim Insolvenzverwalter anzumelden.
Haftung des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter haftet gegenüber allen am Verfahren Beteiligten persönlich für Schäden, die durch die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten entstanden sind.
Rechtsgrund der Haftung ist das gesetzliche Schuldverhältnis, das zwischen dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten während des Insolvenzverfahrens besteht. Anspruchsgrundlage ist § 60 Abs. 1 S. 1 InsO. Die Vorschrift gilt für die Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Treuhänders und des Sachwalters entsprechend.
Die Pflichten des Insolvenzverwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern beziehen sich in erster Linie auf das Anmelde-, Prüfungs-, Feststellungs- und Verteilungsverfahren. Will der Verwalter beispielsweise eine angemeldete Forderung nicht in die Tabelle eintragen, muss er den Gläubiger auf die aus seiner Sicht unzureichende Forderungsanmeldung hinweisen. Der Verwalter ist außerdem verpflichtet, festgestellte Forderungen in das Schlussverzeichnis zu übernehmen. Nach § 188 InsO ist der Verwalter für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Schlussverzeichnisses verantwortlich. Wird ein Gläubiger nicht berücksichtigt, kann dieser ebenso Schadensersatz verlangen wie derjenige, der bei der Schlussverteilung seine Quote nicht erhält, obwohl die Forderung im Schlussverzeichnis enthalten ist.
Den Verwalter trifft des Weiteren die Pflicht, die Masse zu erhalten und zu mehren, indem er Forderungen einzieht, gegebenenfalls auch Gerichtsverfahren führt oder die Anfechtung erklärt.
Für den Insolvenzverwalter bestehen auch gegenüber den Massegläubigern insolvenzspezifische Pflichten. Ist ihm der Anspruch eines Rentenversicherungsträgers auf Masseforderungen bekannt, ist dieser Anspruch durch den Rentenversicherungsträger aber noch nicht bezifferbar oder ist dieser noch nicht gegen den Insolvenzverwalter durchsetzbar (zum Beispiel wegen noch nicht eingetretener Fälligkeit), hat der Insolvenzverwalter entsprechende Rückstellungen für die Masseforderungen zu bilden. Wird dies vom Insolvenzverwalter versäumt, kommt aufgrund der Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht gegenüber den Massegläubigern die persönliche Haftung nach § 60 Abs. 1 InsO in Betracht (vergleiche hierzu Abschnitt 2.5.5).
Der Rentenversicherungsträger kann allerdings nur dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn die Pflichtverletzung des Verwalters ursächlich für den Schaden war und der Verwalter schuldhaft gehandelt hat. Hätte auch ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Insolvenzverwalter den Eintritt des Schadens nicht verhindert, entfällt die persönliche Haftung des Verwalters.
Liegen sämtliche Haftungsvoraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Quote, die ohne die schädigende Handlung auf den Rentenversicherungsträger entfallen wäre. In der Regel ist jedoch ein Mitverschulden zu berücksichtigen, weil die Rentenversicherungsträger das Schlussverzeichnis regelmäßig nicht überprüfen und deshalb im Schlusstermin keine Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis erheben. Unterlässt der Gläubiger die Prüfung des Schlussverzeichnisses, reduziert sich der Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens in der Regel um die Hälfte.
Der Schadensersatzanspruch verjährt drei Jahre nach Kenntnis der schadensbegründenden Umstände, spätestens jedoch drei Jahre nach der rechtskräftigen Aufhebung beziehungsweise Einstellung des Verfahrens. Der Schadensersatzanspruch muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden.
Internationales Insolvenzverfahren
Das internationale Insolvenzrecht betrifft Fragen, welche sich in Insolvenz- und Vergleichsverfahren mit Auslandsberührung stellen. Dabei geht es um die insolvenzrechtlichen Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs eines Schuldners bei Auslandsinsolvenzen im Inland und von Inlandsinsolvenzen im Ausland.
Das internationale Insolvenzrecht ist im Bereich der EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) durch die VO (EU) Nr. 2015/848 - Verordnung über das Insolvenzverfahren (EuInsVO, in Kraft getreten am 25.06.2015) geregelt. Die EuInsVO hat die VO (EG) Nr. 1346/2000 abgelöst. Die Regelungen der EuInsVO sind gegenüber den nationalen Regelungen über das internationale Insolvenzrecht vorrangig (Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Europarechts). Zur EuInsVO vergleiche auch Abschnitt 9.1.
Im deutschen Recht ist das internationale Insolvenzverfahren in den §§ 335 ff. InsO geregelt, wobei die §§ 335 bis 342 InsO allgemeine Bestimmungen und die §§ 343 bis 353 InsO Vorschriften über das ausländische Insolvenzverfahren enthalten. Diese Bestimmungen finden im Verhältnis zu Dänemark und zu den Staaten, die nicht EU-Mitgliedstaaten sind, Anwendung. Das nationale Recht ist dabei im Wesentlichen deckungsgleich mit den Bestimmungen der EuInsVO, das heißt das Verfahren nach §§ 335 ff. InsO ist dem Verfahren nach der EuInsVO nachempfunden. Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzfahrens wird damit grundsätzlich anerkannt und der ausländische Insolvenzverwalter ist zur Massesicherung und -verwaltung auch in Deutschland befugt.
EuInsVO
Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Abschnitt 9 findet auf Insolvenzverfahren in anderen EU-Mitgliedstaaten die EuInsVO Anwendung.
Bis zum 24.06.2015 war dies in der VO (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.05.2000 geregelt. Diese Verordnung war am 01.05.2002 in Kraft getreten und galt - mit Ausnahme von Dänemark - in allen EU-Mitgliedstaaten. Nach Art. 46 VO (EG) Nr. 1346/2000 musste die Kommission zum 01.06.2012 einen Erfahrungsbericht über die Anwendung der EuInsVO vorlegen. Auf der Grundlage dieses Berichts wurde die Verordnung (EU) Nr. 2015/848 vom 20.05.2015 verabschiedet, die grundsätzlich bereits am 25.06.2015 in Kraft getreten ist und damit die VO (EG) Nr. 1346/2000 abgelöst hat (Art. 91 VO (EU) Nr. 2015/848). In Art. 84 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2015/848 wurde ergänzend zum Inkrafttreten geregelt, dass sie erst für Insolvenzverfahren Anwendung findet, die ab dem 26.06.2017 eröffnet werden. Dies wurde mit der Berichtigung im ABl. (EU) L 349/6 vom 21.12.2016 richtig gestellt.
Für Verfahren, die vor diesem Datum eröffnet wurden, gilt die VO (EG) Nr. 1346/2000 weiterhin (Art. 84 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2015/848). Auch die VO (EU) Nr. 2015/848 gilt - mit Ausnahme von Dänemark - für alle EU-Mitgliedstaaten.
Die EuInsVO legt EU-weite Regeln fest,
- welches Gericht für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig ist,
- welches nationale Recht auf das Insolvenzverfahren Anwendung findet und
- regelt die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen.
Für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist regelmäßig das Gericht des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei natürlichen Personen wird dabei auf den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts abgestellt.
Nach Art. 4 VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise Art. 7 VO (EU) Nr. 2015/848 ist dasjenige Recht anzuwenden, das in dem Mitgliedstaat gilt, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (sogenanntes lex fori concursus).
Eine Auflistung der Bezeichnungen der Insolvenzverfahren in den EU-Mitgliedstaaten enthält jeweils der Anhang A der jeweiligen Verordnung. Im Anhang B der VO (EG) Nr. 1346/2000 sind die Liquidationsverfahren aufgeführt. Im Anhang C zur VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise im Anhang B zur VO (EU) Nr. 2015/848 werden die jeweiligen, nationalen Bezeichnungen des (Insolvenz-)Verwalters aufgelistet. Im Anhang D zur VO (EU) Nr. 2015/848 ist eine Synopse der beiden Verordnungen enthalten.
Die Frage, welche Vermögenswerte zur Masse gehören, richtet sich nach Art. 4 Abs. 2b) VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise nach Art. 7 Abs. 2 b) VO (EU) Nr. 2015/848 nach dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wurde. Der Schuldnerschutz ergibt sich somit aus dem ausländischen Recht mit der Folge, dass die §§ 850 ff. ZPO keine Anwendung finden.
Siehe Beispiel 5
Art. 16 VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise Art. 19 VO (EU) Nr. 2015/848 enthält den Grundsatz, dass Insolvenzverfahren in allen übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Von diesem Grundsatz ist nur in besonderen Ausnahmefällen abzuweichen: Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens kann nur bei einem Verstoß gegen den ‘ordre public’ verweigert werden (Art. 26 VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise Art. 33 VO (EU) Nr. 2015/848). Ein derartiger Verstoß ist anzunehmen, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, nicht vereinbar ist. Diese Ausnahmebestimmung ist eng auszulegen und nur dann anzuwenden, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen völlig untragbar erscheint.
Die jeweiligen Formerfordernisse und Verfahrensvorschriften ergeben sich aus der EuInsVO. Nach Art. 19 VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise Art. 22 VO (EU) Nr. 2015/848 hat der ausländische Insolvenzverwalter seine Bestellung durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt wurde, oder durch eine vergleichbare Bescheinigung der zuständigen Stelle, im Regelfall das Insolvenzgericht, nachzuweisen. Die Bezeichnungen der Verwalter und vergleichbare Personen sind im Anhang C der VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise im Anhang B der VO (EU) Nr. 2015/848 aufgeführt. Bei staatlich anerkannten Schuldnerberatungsstellen ist eine Kopie des Bestellungsbeschlusses ausreichend.
Grundinformationen über das jeweilige nationale Insolvenzrecht der EU-Mitgliedstaaten stehen im Europäischen Justizportal unter Rubik „Klage vor Gericht“ (dort Insolvenz) zur Verfügung.
Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Restschuldbefreiung
Die Anerkennung des mitgliedstaatlichen Insolvenzverfahrens führt im Ergebnis auch dazu, dass der Abschluss des Verfahrens mit einer Restschuldbefreiung grundsätzlich anzuerkennen ist (Art. 17 VO (EG) Nr. 1346/2000 beziehungsweise Art. 20 VO (EU) Nr. 2015/848). Dies wurde entsprechend durch den Bundesgerichtshof durch Urteil BGH vom 18.09.2001, AZ: IX ZB 51/00, bestätigt.
Durch die Vorlage einer mitgliedstaatlichen Restschuldbefreiung durch den Schuldner, werden etwaige titulierte Forderungen aber nicht automatisch unwirksam. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass aus der Restschuldbefreiung nicht ersichtlich ist, welche Forderungen tatsächlich von der Restschuldbefreiung erfasst werden beziehungsweise ob der Schuldner im Insolvenzverfahren tatsächlich alle Verbindlichkeiten angegeben hat.
Der Bundesgerichtshof hatte zunächst durch Urteil BGH vom 25.09.2008, AZ: IX ZB 205/06, entschieden, dass der Schuldner Einwendungen gegen Fortsetzung der Zwangsvollstreckung im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO beim zuständigen deutschen Prozessgericht betreiben muss, wenn ein Gläubiger aus der titutlierten Forderung weiterhin die Vollstreckung betreiben will und damit die mitgliedstaatliche Restschuldbefreiung nicht akzeptiert. Der BGH hat nunmehr durch Urteil BGH vom 10.09.2015, Az: lX ZR 304/13, entschieden, dass Einwendungen gegen die Wirksamkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat erlangten Restschuldbefreiung nur noch vor den zuständigen Gerichten des für das Insolvenzverfahren zuständigen Mitgliedstaats geltend gemacht werden können. Somit müssen nunmehr die Gläubiger aktiv gegen die Restschuldbefreiung vorgehen und müssen daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Rechtsverfolgung im Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung betreiben.
Für die Deutsche Rentenversicherung als etwaiger Drittschuldner ergibt sich daher, dass nach Vorlage einer mitgliedstaatlichen Restschuldbefreiung umgehend die Gläubiger darüber in Kenntnis zu setzen sind. Dabei sind die Gläubiger auf das vorgenannte BGH-Urteil vom 10.09.2015 hinzuweisen. Die Gläubiger sind um zeitnahe Rückmeldung zu bitten, falls weiterhin die Zwangsvollstreckung aus einem von ihnen erwirkten deutschen Titel betrieben werden soll und die Gläubiger rechtliche Schritte gegen die Restschuldbefreiung einlegen möchten (zum Beispiel Antrag auf Annullierung des Eröffnungsbeschlusses eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht). Wird dies bestätigt, so sind etwaige pfändbare Beträge gegebenenfalls durch die Deutsche Rentenversicherung bis zur endgültigen Klärung der Wirksamkeit der Restschuldbefreiung zu verwahren. Den Gläubigern ist mitzuteilen, dass sie die Deutsche Rentenversicherung über das Ergebnis ihrer Rechtsverfolgung informieren müssen.
Bei Verrechungsersuchen ist beim zuständigen Leistungsträger (zum Beispiel Krankenkasse) zu klären, ob dieser über das Insolvenzverfahren im anderen Mitgliedstaat informiert war und damit grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, seine Forderung in das Verfahren einzubringen. Wird dies bejaht, so kann entsprechend dem BGH-Urteil vom 18.09.2001 das Verrechungsersuchen nicht weiter berücksichtigt werden.
War der Leistungsträger nicht über das Insolvenzverfahren informiert, so muss der Verrechnungsgläubiger Einwände gegen die Restschuldbefreiung gegebenenfalls unmittelbar beim zuständigen Gericht im anderen Mitgliedstaat geltend machen. Analog der Vorgehensweise ist auch in diesen Fällen zunächst der Verrechnungsgläubiger über die Vorlage einer mitgliedstaatlichen Restschuldbefreiung zu informieren und um Rückmeldung zu bitten, ob hier eventuell Einwände im Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung geltend gemacht werden.
- Beispiel 1: Forderungsanmeldung
- Beispiel 2: Absonderungsrecht
- Beispiel 3: Folgen der Versagung der Restschuldbefreiung
- Beispiel 4: Restschuldbefreiung und auf die Deutsche Rentenversicherung entfallende Quote
- Beispiel 5: Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Privatinsolvenz
Beispiel 1: Forderungsanmeldung
(Beispiel zu Abschnitt 2.5, 2.5.3, 2.5.5, 2.5.6)
Der Versicherte ist seit dem 01.01.2014 als Selbständiger mit einem Auftraggeber nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI tätig. Bis zum 31.01.2015 schuldet der Versicherte 3.000,00 EUR Pflichtbeiträge zuzüglich 280,00 EUR Säumniszuschläge sowie 25,00 EUR Mahngebühren. Am 01.02.2015 wird über das Vermögen des Versicherten das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter im Sinne von § 35 Abs. 2 InsO erfolgte nicht.
Der Versicherte teilt mit, dass er seine Tätigkeit als Selbständiger mit einem Auftraggeber zum 30.04.2015 aufgegeben hat. Anfang 2016 erfährt der Rentenversicherungsträger, dass der Versicherte seit dem 01.10.2015 als Dozent tätig ist.
Welche Forderungen sind in welcher Form beim Insolvenzverwalter anzumelden?
Lösung:
Als Insolvenzforderungen sind beim Insolvenzverwalter die bis 31.01.2015 aufgelaufenen Forderungen, getrennt nach Pflichtbeiträgen, Säumniszuschlägen und Mahngebühren unter Angabe des Rechtsgrundes - § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI, § 24 SGB IV - anzumelden. Die Anmeldefrist ist zu beachten.
Für Februar bis April 2015 sind weitere Beitragsforderungen und gegebenenfalls Säumniszuschläge entstanden. Diese Beitragsforderungen sind, ebenso wie die hierauf entfallenden Säumniszuschläge, Masseforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Masseforderungen sind mit einer Mitteilung oder einem Bescheid beim Insolvenzverwalter geltend zu machen.
Für den Fall, dass ab dem 01.10.2015 für die neu aufgenommene selbständige Tätigkeit Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI besteht, entstehen weitere Beitragsforderungen. Diese Forderungen einschließlich hierauf entfallender Säumniszuschläge und Mahngebühren nehmen weder als Insolvenzforderungen noch als Masseverbindlichkeiten am Insolvenzverfahren teil. Der Rentenversicherungsträger ist insoweit sogenannter Neu-Gläubiger. Die Forderungen werden nicht von einer etwaigen Restschuldbefreiung erfasst. Sie sind vom Schuldner zu fordern, jedoch während des Insolvenz- beziehungsweise Restschuldbefreiungsverfahrens in der Regel nicht zwangsweise beizutreiben, da der Schuldner über kein freies Vermögen verfügt. Um den Eintritt von Verjährung (§ 25 SGB IV) zu vermeiden, sollte einmal jährlich ein Forderungsbescheid erteilt werden.
Beispiel 2: Absonderungsrecht
(Beispiel zu Abschnitt 2.5.4)
Dem Rentenversicherungsträger steht eine Forderung von 10.000,00 EUR zu, für die er sich an der Eigentumswohnung des Versicherten eine Zwangssicherungshypothek eintragen ließ. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldet der Rentenversicherungsträger 10.000,00 EUR als Insolvenzforderung beim Insolvenzverwalter an, die zur Tabelle festgestellt wird.
Lösung:
Der Insolvenzverwalter erlöst im Rahmen einer Zwangsversteigerung für die Wohnung 50.000,00 EUR. Da an der Wohnung vorrangige Absonderungsrechte bestanden, erhält der Rentenversicherungsträger aus dem Erlös lediglich 8.000,00 EUR.
Der Rentenversicherungsträger fällt somit mit einem Betrag von 2.000,00 EUR aus. Diese Ausfallforderung hat der Insolvenzverwalter bei der Verteilung der (übrigen) Insolvenzmasse zu berücksichtigen. Bei einer angenommenen Quote von 5% in der Schlussverteilung muss der Insolvenzverwalter an den Rentenversicherungsträger weitere 100,00 EUR zahlen.
Beispiel 3: Folgen der Versagung der Restschuldbefreiung
(Beispiel zu Abschnitt 4.3)
Der Rentenversicherungsträger hat im Insolvenzverfahren eine Forderung über 1.000,00 EUR angemeldet. Aus der Schlussverteilung erhält er 50,00 EUR. Das Insolvenzverfahren wird aufgehoben und Restschuldbefreiung angekündigt. Während der Wohlverhaltensperiode zahlt der Treuhänder weitere 150,00 EUR an den Rentenversicherungsträger. Auf Antrag eines anderen Gläubigers wird dem Versicherten Restschuldbefreiung versagt, da er ererbtes Vermögen nicht zur Hälfte an den Treuhänder herausgegeben hat.
Welche Forderungen kann der Rentenversicherungsträger noch durchsetzen?
Lösung:
Von der ursprünglichen Forderung von 1.000,00 EUR wurden 200,00 EUR getilgt. Die Restforderung von 800,00 EUR kann vom Versicherten noch eingefordert werden, da Restschuldbefreiung nicht erteilt wurde. Es besteht ein Nachforderungsrecht nach § 201 Abs. 1 InsO.
Beispiel 4: Restschuldbefreiung und auf die Deutsche Rentenversicherung entfallende Quote
(Beispiel zu Abschnitt 4.3) | |
Dem Versicherten wurde auf seinen Antrag hin Restschuldbefreiung erteilt. Der Versicherte hatte folgende Verbindlichkeiten: | |
A-Bank Lieferant Rentenversicherungsträger | 70.000,00 EUR 20.000,00 EUR 10.000,00 EUR |
Sein pfändbares Einkommen von 300,00 EUR monatlich hat der Versicherte an den Treuhänder abgetreten. Für die Gläubiger stehen für eine Verteilung folgende Beträge zur Verfügung: | |
1. bis 4. Jahr (48 mal 300,00 EUR) 5. Jahr (12 mal 300,00 EUR ist gleich 3.600,00 EUR, davon 90 %) 6. Jahr (12 mal 300,00 EUR ist gleich 3.600,00 EUR, davon 85 %) | 14.400,00 EUR 3.240,00 EUR 3.060,00 EUR |
Hiervon abzuziehen sind gegebenenfalls die Gerichtskosten, wenn diese nach § 4a InsO gestundet wurden, in jedem Fall die Vergütung des Treuhänders ist gleich | 1.035,00 EUR |
zu verteilende Gesamtsumme | 19.665,00 EUR |
Lösung: | |
Im Ergebnis erhalten | |
A-Bank Lieferant Rentenversicherungsträger | 13.765,50 EUR 3.933.00 EUR 1.966,50 EUR |
Die Restforderung von 8.033,50 EUR ist unbefristet niederzuschlagen. | |
Beispiel 5: Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Privatinsolvenz
(Beispiel zu Abschnitt 9.1)
Für einen Rentenbezieher mit Wohnsitz in Belgien wird der Beschluss eines belgischen Amtsgerichts über eine ‘Collectieve Schuldenregeling’ (ist gleich Privatinsolvenz) übermittelt, wonach die Deutsche Rentenversicherung Bund jegliche Zahlung an den Rentenberechtigten ab dem Empfang des Beschlusses an den ‘Schuldbemiddelaar’ (ist gleich Insolvenzverwalter) zu leisten hat.
Welche Qualität hat dieser Beschluss für die Deutsche Rentenversicherung und wie ist weiter zu verfahren?
Lösung:
Es handelt sich um ein Insolvenzverfahren nach belgischem Recht (vergleiche Anhang A - Belgien zur EuInsVO) das nach der EuInsVO anzuerkennen ist.
Da das belgische Recht einen kompletten Übergang der Rente auf den Insolvenzverwalter (‘Schuldenbemiddelaar/médiateur de dettes’) vorsieht, ist die Rentenleistung entsprechend diesem Beschluss an den Insolvenzverwalter auszuzahlen.