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§ 106 SGB X: Rangfolge bei mehreren Erstattungsansprüchen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

28.09.2020

Änderung

Ergänzung des Beispiels 1

Dokumentdaten
Stand21.09.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG) vom 07.08.1996 in Kraft getreten am 01.01.1997
Rechtsgrundlage

§ 106 SGB X

Version003.00

Inhalt der Regelung

§ 106 SGB X legt fest, in welcher Reihenfolge Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X beim Zusammentreffen zu befriedigen sind, wenn die Leistung des letztlich verpflichteten Leistungsträgers nicht zur Erfüllung der Ansprüche aller Erstattungsberechtigten ausreicht.

Absatz 1 der Vorschrift regelt die Reihenfolge der konkurrierenden Erstattungsansprüche, die in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis stehen. Absatz 2 trifft für den Fall eine Regelung, dass ranggleiche Ansprüche von Leistungsträgern zusammentreffen. Absatz 3 legt fest, dass bei einer Vielzahl von Erstattungsberechtigten der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht mehr zu erstatten hat, als er nach den für ihn geltenden Erstattungsvorschriften einzeln zu erbringen hätte.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 106 SGB X steht in direktem Zusammenhang mit den Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 bis 105 SGB X.

Anwendungsbereich

§ 106 SGB X regelt, wie mehrere Erstattungsansprüche nach §§ 102 bis 105 SGB X von einem Leistungsträger zu erfüllen sind, wenn die zur Verfügung stehende Leistung nicht zur vollständigen Befriedigung der Ansprüche ausreicht. Der erstattungspflichtige Leistungsträger hat nämlich insgesamt nicht mehr zu erstatten, als er nach seinen Vorschriften einzeln zu erbringen hätte (§ 106 Abs. 3 SGB X).

Ist der Rentenversicherungsträger erstattungspflichtig, so ist maßgebender Höchstwert der Betrag, der an den Berechtigten, gegebenenfalls gemindert um dessen Beitragsanteile zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung, auszuzahlen wäre.

Die Zuschüsse zur Krankenversicherung (§ 106 SGB VI) und die bis 31.03.2004 gewährten Zuschüsse zur Pflegeversicherung (§ 106a SGB VI) werden grundsätzlich nicht von den Erstattungsansprüchen nach §§ 102 bis 105 SGB X erfasst und unterliegen damit auch nicht der Erstattungsregelung des § 106 SGB X. Das gilt auch dann, wenn der Träger der Sozialhilfe ausnahmsweise einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auf die Zuschüsse nach § 106 SGB VI und § 106a SGB VI geltend machen kann (vergleiche GRA zu § 104 SGB X, Abschnitt 3.3).

Bestimmung der Rangfolge

Liegen mehrere Erstattungsansprüche vor, ist zunächst der Umfang der Einzelansprüche nach den Ausführungen in der entsprechenden GRA zu § 102 SGB X bis GRA zu § 105 SGB X festzustellen. Treffen Erstattungsansprüche zeitlich zusammen und reicht die zur Verfügung stehende Rentennachzahlung zur vollständigen Erfüllung der Ansprüche nicht aus, ist die Rangfolgebestimmung nach § 106 SGB X unter Einbeziehung sämtlicher - auch geringfügiger - Erstattungsansprüche vorzunehmen. Auf die Erfüllbarkeit wegen § 110 S. 2 SGB X kommt es dabei zunächst nicht an (vergleiche GRA zu § 110 SGB X, Abschnitt 3 Bagatellbeträge).

Rangfolgekatalog nach § 106 Abs. 1 SGB X

Aufgrund der Zuordnung der Einzelansprüche in § 102 bis § 105 SGB X lässt sich bereits eine Rangfolgebestimmung nach § 106 Abs. 1 SGB X vornehmen. Danach sind die Erstattungsansprüche in folgender Reihenfolge zu erfüllen:

Erster Rang:

Der Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers nach § 102 SGB X (vergleiche GRA zu § 102 SGB X).

Zweiter Rang:

Der Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nach § 103 SGB X (vergleiche GRA zu § 103 SGB X).

Dritter Rang:

Der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X (vergleiche GRA zu § 104 SGB X).

Vierter Rang:

Der Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers nach § 105 SGB X (vergleiche GRA zu § 105 SGB X).

Siehe Beispiel 1

Bei der Rangfolgebestimmung genießt der nicht unter die §§ 102 ff. SGB X einzuordnende Anspruch des Lastenausgleichsamtes aufgrund der Bestimmung des § 290 Abs. 3 S. 5 LAG absoluten Vorrang. Dagegen treten sonstige Erstattungsansprüche, die nicht unter das SGB X fallen, an die letzte Rangstelle.

Ein rangniederer Erstattungsanspruch kann nur insoweit erfüllt werden, als nach Abrechnung des ranghöheren Erstattungsanspruches noch Beträge zur Verfügung stehen.

Liegen mehrere Erstattungsansprüche zu einer der Vorschriften der §§ 102 bis 105 SGB X vor, ist die Verteilung nach § 106 Abs. 2 SGB X zu beurteilen (vergleiche Abschnitt 3.2).

Rangfolge nach § 106 Abs. 2 SGB X

Treffen ranggleiche Erstattungsansprüche zeitlich zusammen und reicht die Rentennachzahlung nicht aus, um alle ranggleichen Erstattungsansprüche in vollem Umfang zu erfüllen, ist die Erfüllung

Mehrere ranggleiche Erstattungsansprüche nach §§ 102, 103 oder § 105 SGB X (§ 106 Abs. 2 S. 1 SGB X)

Treffen mehrere Erstattungsansprüche eines Ranges (Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X, § 103 SGB X beziehungsweise § 105 SGB X) zusammen und reicht die Rentennachzahlung nicht aus, um alle ranggleichen Erstattungsansprüche in vollem Umfang zu erfüllen, erfolgt die Verteilung im Verhältnis der Höhe des einzelnen Erstattungsanspruchs zur Summe aller ranggleichen Erstattungsansprüche.

Siehe Beispiel 2

Übersteigt die Leistung einer erstattungsberechtigten Stelle bereits den Nachzahlungsbetrag im gleichen Zeitraum, werden für die anteilige Aufteilung die auf die Nachzahlung begrenzten Erstattungsansprüche und nicht die tatsächlich erbrachten Leistungen berücksichtigt.
Siehe Beispiel 3

Mehrere Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X (§ 106 Abs. 2 S. 2 SGB X)

Beim Zusammentreffen mehrerer Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X ist grundsätzlich die Forderung des Leistungsträgers vorrangig zu erfüllen, der im Verhältnis dieser Leistungsträger untereinander einen Erstattungsanspruch hätte, das heißt der die Leistung des anderen Trägers anzurechnen/zu berücksichtigen hat beziehungsweise hätte (§ 106 Abs. 2 S. 2 SGB X).

Abweichend ist zu verfahren, wenn ein Leistungsträger nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII zusätzlich zur Leistung des Rentenversicherungsträgers Leistungen zu erbringen hatte (sogenannter Aufzahlungsfall).

In diesen Fällen ist der Erstattungsanspruch des Leistungsträgers nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII den anderen Erstattungsansprüchen nach § 104 SGB X nachrangig (siehe RBRTN 1/87, TOP 1).

Siehe Beispiel 4

 Besonderheiten bei Erstattungsansprüchen der SGB II-Träger nach § 104 SGB X bei getrennter Trägerschaft (bis 31.12.2011)

Träger der Leistungen nach dem SGB II sind neben der Bundesagentur für Arbeit auch kommunale Träger (§ 6 SGB II).

Bis zum 31.12.2010 konnten sich die Träger nach § 44b SGB II zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen. Außerdem wurden gemäß § 6a SGB II in der Fassung bis 11.08.2010 im Wege der Erprobung 69 kommunale Träger (Optionskommunen) zugelassen, die für die Agenturen für Arbeit deren Leistungen erbringen. Es konnten jedoch auch Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragt sein (§ 44b Abs. 3 S. 3 SGB II in der Fassung bis 31.12.2010). In einigen Gemeinden kam es nicht zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern beziehungsweise zur Kündigung einer bestehenden Arbeitsgemeinschaft. In diesen Kommunen wurde die SGB-II-Leistung in getrennter Trägerschaft erbracht.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil BVerfG vom 20.12.2007, AZ: 2 BvR 2433/04 und AZ: 2 BvR 2434/04 entschieden, dass es sich bei den Arbeitsgemeinschaften um eine mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Mischverwaltung handelt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.12.2010 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen. Mit dem am 27.07.2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21.07.2010 (BGBl. I S. 944) und dem in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.2011 in Kraft getretenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 (BGBl. I S. 1112) hat der Gesetzgeber einen verfassungskonformen Zustand hergestellt.

Seit dem 01.01.2011 führen die gemeinsamen Einrichtungen (§ 44b SGB II) und die zugelassenen kommunalen Träger einheitlich die Bezeichnung Jobcenter (§ 6d SGB II); die getrennte Aufgabenwahrnehmung gibt es mit einer Übergangsfrist seit dem 01.01.2012 (§ 76 Abs. 1 SGB II) nicht mehr.

Bei Erstattungsansprüchen der SGB II-Träger nach § 104 SGB X (vergleiche GRA zu § 104 SGB X, Abschnitt 4), welche das Arbeitslosengeld II in getrennter Trägerschaft erbracht haben, gilt Folgendes:

Nach § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II (bis zum 31.12.2010 § 19 S. 3 SGB II) mindert das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen zunächst die Geldleistung der Agentur für Arbeit. Nur wenn Einkommen und Vermögen darüber hinaus zu berücksichtigen ist, mindert es die Geldleistung der kommunalen Träger. Reicht die Rentennachzahlung nicht aus, um die Erstattungsforderungen der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers zu erfüllen, ist der Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit nach § 104 SGB X vorrangig vor dem Erstattungsanspruch des kommunalen Trägers nach § 104 SGB X zu befriedigen.

Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff. SGB X mit sonstigen Ansprüchen

§ 106 SGB X regelt ausschließlich die Rangfolge beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 bis 105 SGB X untereinander. Das Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen mit Verfügungen und Belastungen von Rentenansprüchen nach den §§ 48 bis 54 SGB I wird von dieser Vorschrift nicht berührt.

Bei der Festlegung der Rangfolge solcher Forderungen wird zum einen unterschieden, ob sich die Forderungen allein auf den Nachzahlungszeitraum beschränken oder ob sie sich auf die laufende Zahlung beziehen. Zum anderen ist entscheidend, welcher Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch geltend macht.

Die nachfolgenden Abschnitte beschreiben die Rangfolge bei einem

Rangfolge beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen mit Belastungen/Verfügungen nach den §§ 48 bis 54 SGB I im Nachzahlungszeitraum

Treffen im Nachzahlungszeitraum Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X mit Leistungsansprüchen aufgrund von Verfügungen beziehungsweise Belastungen gemäß §§ 48, 51 bis 54 SGB I (Abzweigung, Aufrechnung, Verrechnung, Abtretung, Pfändung) zusammen, ist der Erstattungsanspruch vorrangig zu erfüllen (AGFAVR 2/2008, TOP 9).

Besteht allerdings ein interner Ausgleichsanspruch des Rentenversicherungsträgers (vergleiche GRA zu § 103 SGB X, Abschnitt 7.2), so ist dieser vorrangig gegenüber allen anderen Ansprüchen, also auch gegenüber Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff. SGB X, zu erfüllen.

Das BSG hatte in Fällen des Zusammentreffens von einem Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X auf die laufende Rentenzahlung und einer Belastung/Verfügung des Rentenanspruchs entschieden, dass sich die Rangfolge grundsätzlich nach der zeitlichen Priorität richtet (vergleiche hierzu Abschnitt 4.2). Dieser Grundsatz kann jedoch im Nachzahlungszeitraum keine Anwendung finden. Die Rentenversicherungsträger vertreten die Auffassung, dass in diesen Fällen eine Übertragung der BSG-Rechtsprechung nicht möglich ist.

Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X können sich - mit Ausnahme des Anspruchs nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X - nur auf Rentenbeträge im Rentennachzahlungszeitraum erstrecken. Belastungen oder Verfügungen von Rentenansprüchen nach den §§ 48 bis 54 SGB I können dagegen auch aus der laufenden Rentenzahlung bedient werden. Im Hinblick auf die erforderliche zeitliche Deckung der Sozialleistungen bei der Abwicklung von Erstattungsansprüchen ist zunächst der Erstattungsanspruch aus der Rentennachzahlung zu erfüllen. Eventuelle Restbeträge sind für die Ansprüche nach den §§ 48 bis 54 SGB I zu verwenden.

Das Erstattungsrecht dient unter anderem dazu, Doppelleistungen zu vermeiden. Aus diesem Grund bestimmt § 107 SGB X, dass der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Träger als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Der Gläubiger einer Forderung nach den §§ 48 bis 54 SGB I kann nur den Teil der Rente erhalten, der auch dem Berechtigten zusteht. Da die mit dem Erstattungsanspruch beanspruchte Rentennachzahlung durch § 107 SGB X bereits gegenüber dem Berechtigten als erfüllt gilt, kann dieser Betrag nicht nochmals einem Gläubiger zur Erfüllung seiner Forderung zur Verfügung gestellt werden. Der Berechtigte hat die Beträge, die vom Erstattungsanspruch erfasst werden, bereits durch den vorleistenden Sozialleistungsträger erhalten.

Würde das zeitliche Prioritätsprinzip im Nachzahlungszeitraum Anwendung finden, würde der Sinn und Zweck des § 107 SGB X Doppelleistungen zu vermeiden, unterlaufen werden.

Beachte:

Beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen der Sozialhilfeträger mit einer Abtretung oder Pfändung nach den § 53 SGB I oder § 54 SGB I ergibt sich eine andere Rechtsfolge. Hier hat der Gesetzgeber den Vorrang im Gesetz durch die Regelung des § 113 SGB XII ausdrücklich festgelegt (vergleiche hierzu Abschnitt 4.2).

Rangfolge bei einem Zusammentreffen eines Erstattungsanspruchs des Sozialhilfeträgers mit einer Abtretung nach § 53 SGB I oder Pfändung nach § 54 SGB I 

Nach § 113 SGB XII - bis zum 31.12.2004 § 122a BSHG - geht der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 SGB X einem Anspruch aus einer Abtretung oder Pfändung der Rente nach §§ 53, 54 SGB I generell vor. Das gilt auch dann, wenn die Rente vor dem Entstehen des Erstattungsanspruches abgetreten oder verpfändet wurde. Die Vorrangregelung des § 113 SGB XII ist sowohl für die Fälle zu beachten, in denen ein Sozialhilfeträger einen Erstattungsanspruch auf eine Rentennachzahlung geltend macht, als auch für die Fälle, in denen der Sozialhilfeträger die laufende Rente nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X (zum Beispiel wegen Heimunterbringung) in Anspruch nimmt.

Wegen der Nachrangigkeit des Anspruchs aus der Abtretung beziehungsweise Pfändung der Rente können dem Abtretungs- beziehungsweise Pfändungsgläubiger nur die Rentenbeträge zur Verfügung gestellt werden, die vom Sozialhilfeträger nicht beansprucht werden.

§ 113 SGB XII ist mit der Überführung der Sozialhilfe in das SGB XII am 01.01.2005 in Kraft getreten und ersetzt seither den nahezu wortgleichen § 122a BSHG. Diese Vorschrift wirkt jedoch nur auf das Rangfolgeverhältnis zwischen einem Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers und Abtretungen oder Pfändungen. Bei Ansprüchen nach den §§ 48 bis 52 SGB I entfaltet sie hingegen keine Wirkung.

Sofern ein Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers auf die laufende Rentenzahlung mit Ansprüchen nach den §§ 48 bis 52 SGB I zusammentrifft, ist der Anschnitt 4.3 zu beachten. Handelt es sich um ein Zusammentreffen eines Erstattungsanspruchs des Sozialhilfeträgers mit Ansprüchen nach den §§ 48 bis 52 SGB I im Nachzahlungszeitraum ist der Abschnitt 4.1 zu beachten.

Rangfolge beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X auf die laufende Rentenzahlung mit Belastungen/Verfügungen nach den §§ 48 bis 52 SGB I

Grundsätzlich beziehen sich Erstattungsansprüche allein auf den Nachzahlungszeitraum des erstattungspflichtigen Leistungsträgers. Erstattungsansprüche nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X bilden hierbei eine Ausnahme. Es handelt sich um einen Erstattungsanspruch besonderer Art. Die in dieser Vorschrift namentlich genannten Träger der Sozialhilfe, Kriegsopferfürsorge und Jugendhilfe können auch einen Erstattungsanspruch auf die laufende Rentenzahlung geltend machen, sofern sie gegenüber dem Berechtigten einen Aufwendungsersatz geltend gemacht oder einen Kostenbeitrag erhoben haben. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Berechtigte in einer vollstationären Einrichtung (Heim) untergebracht ist.

Trifft ein solcher Erstattungsanspruch mit einer Belastung des Rentenanspruchs durch die §§ 48 bis 52 SGB I zusammen, ist zu prüfen, welche Forderung vorrangig zu erfüllen ist. Im Nachfolgenden werden verschiedene Möglichkeiten des Zusammentreffens von Forderungen beschrieben:

  • Nach § 48 SGB I können laufende Geldleistungen in angemessener Höhe abgetrennt werden, wenn der Leistungsberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Hierbei ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners (Rentenberechtiger) zu prüfen. Diese liegt nicht vor, wenn der unterhaltsverpflichtete Rentenberechtigte außerstande ist, für seinen eigenen Lebensbedarf selbst aufzukommen (§ 1603 Abs. 1 BGB), das heißt selbst bedürftig ist. Befindet sich ein Rentenberechtigter in einer vollstationären Einrichtung (Heim) und erhält Leistungen nach den §§ 27 ff., 61 ff. SGB XII oder nach den §§ 26c, 27a BVG, kann auf seine Rente nicht (mehr) wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zurückgegriffen werden. Der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträger oder der Hauptfürsorgestelle nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X ist vorrangig zu erfüllen (AGFAVR 2/2008, TOP 10).
  • Eine Auf- oder Verrechnung nach den §§ 51 und 52 SGB I ist nur zulässig, sofern der Berechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII - Sozialhilfe - über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder nach dem Dritten Kapitel, Abschnitt 2 des SGB II wird (vergleiche hierzu die GRA zu § 51 SGB I und die GRA zu § 52 SGB I).
    Befindet sich ein Rentenberechtigter in einer vollstationären Einrichtung (Heim), erhält er in der Regel auch Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII. Diese Hilfe schließt die Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt mit ein. Der Träger der Sozialhilfe übernimmt die Kosten, soweit sie der Pflegebedürftige beziehungsweise seine Einsatzgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft) nicht aufbringen kann. Damit liegt Sozialhilfebedürftigkeit vor. Eine Auf- oder Verrechnung ist demzufolge ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X ist unter diesen Umständen vorrangig (AGFAVR 2/2008, TOP 10).
  • Bei einem Zusammentreffen einer Auf- beziehungsweise Verrechnung nach den §§ 51, 52 SGB I mit einem Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle (Träger der Kriegsopferfürsorge) nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X ergibt sich eine andere Rechtsfolge.
    Der Träger der Kriegsopferfürsorge erbringt unter anderem ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG. Für diese Leistung gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Ist der Berechtigte in einer vollstationären Einrichtung (Heim) untergebracht, zahlt die Hauptfürsorgestelle regelmäßig Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG. Diese Vorschrift entspricht § 61 SGB XII.
    Das Auf- beziehungsweise Verrechnungsverbot der §§ 51, 52 SGB I bezieht sich nach dem reinen Wortlaut allein auf die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften nach dem SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. § 27a BVG verweist direkt auf die Vorschriften des Dritten Kapitel des SGB XII, das heißt auf die Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese werden nach dem BVG nur gewährt, wenn die Voraussetzungen des SGB XII vorliegen. Die Grundrente nach dem BVG wird jedoch bei der Einkommensanrechnung nicht berücksichtigt (§ 82 SGB XII). Der Berechtigte erhält somit im Ergebnis die volle Grundrente sowie zusätzlich die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, denn die Grundrente ist eine zweckgebundene Leistung, die nicht nur zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt ist, sondern auch Entschädigungscharakter hat. Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII und die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung nach § 27a BVG sind nicht identisch. Demzufolge greift das Auf- beziehungsweise Verrechnungsverbot der §§ 51, 52 SGB I bei der Gewährung von ergänzenden Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BVG grundsätzlich nicht.
    Die Auf- und Verrechnung steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Neben dem Interesse des Leistungsberechtigten sind auch soziale und haushaltsrechtliche Erwägungen in die Entscheidung mit einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist daher, dass bei einer Auf- oder Verrechnung auch Schulden durch einen Sozialleistungsträger getilgt werden. Aufgrund des Verweises in § 27a BVG auf die Vorschriften im SGB XII kann im Rahmen einer Ermessensausübung von einer Auf- oder Verrechnung abzusehen sein. Der Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle wäre demnach vorrangig zu erfüllen. Sollte jedoch aufgrund der zeitlichen Abfolge vor dem Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle eine Abtretung oder Pfändung bedient werden müssen, ist das weitere Vorgehen im Einzelfall zu prüfen.
  • Trifft ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X des Trägers der Jugendhilfe auf die laufende Rentenzahlung mit einer Auf- oder Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I zeitlich zusammen, hat der Rentenversicherungsträger auch hier im pflichtgemäßen Ermessen über die Auf- oder Verrechnung zu entscheiden. Im Ergebnis gelten hier die Ausführungen in dem vorangegangenen Absatz.

Rangfolge beim Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X auf die laufende Rentenzahlung mit Ansprüchen aus einer Abtretung nach § 53 SGB I/Pfändung nach § 54 SGB I

Trifft der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X jedoch mit einer Abtretung nach § 53 SGB I oder einer Pfändung nach § 54 SGB I zusammen, ist die Rangfolge nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität zu bestimmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG richtet sich die Rangfolge zwischen Abtretung (§ 53 SGB I) oder Pfändung (§ 54 SGB I) einerseits und den Erstattungsansprüchen (§§ 102 ff. SGB X) andererseits - mit Ausnahme der Erstattungsansprüche des Sozialhilfeträgers (siehe Abschnitt 4.2) - nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität (BSG vom 06.09.1989, AZ: 5 RJ 32/88, BSG vom 07.09.1989, AZ: 5 RJ 63/88, SozR 1300 § 104 Nr. 17, und BSG vom 27.02.1990, AZ: 5 RJ 4/89). Der Grundsatz der zeitlichen Priorität gilt auch für die weiteren Ansprüche nach dem Ersten Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (zum Beispiel §§ 51, 52 SGB I).

Das BSG hat jedoch bereits in bestimmten Fällen Einschränkungen des Prioritätsprinzips zugelassen (BSG vom 25.04.1990, AZ: 5 RJ 12/89, BSGE 67, 6).

Bei der Bestimmung der zeitlichen Priorität sind folgende Zeitpunkte maßgebend:

  • für den Erstattungsanspruch das Datum des den Erstattungsanspruch begründenden Rentenbescheides,
  • für die Abtretung das Datum des Abtretungsvertrages,
  • für die Pfändung das Datum der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses,
  • für die Aufrechnung/Verrechnung das Datum der Bekanntgabe des Aufrechnungs-/Verrechnungsbescheides,
  • für die Abtrennung das Datum der Bekanntgabe des Abtrennungsbescheides und
  • für den Rückgriff auf die laufende Rente ("Überleitung") der Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungsersatzlage, das heißt der Zeitpunkt, in dem beide Leistungen zusammentreffen.

Dieser Grundsatz der zeitlichen Priorität findet bei Erstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers keine Anwendung (siehe Abschnitte 4.2 und 4.3).

In den vor dem BSG verhandelten Fällen trafen Erstattungsansprüche auf die laufende Rentenzahlung nach § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X mit anderen Belastungen von Rentenansprüchen zusammen. Ein Fall des Zusammentreffens eines Erstattungsanspruchs und einer Belastung/Verfügung des Rentenanspruchs im Nachzahlungszeitraum wurde nicht verhandelt (vergleiche hierzu Abschnitt 4.1). Die Rentenversicherungsträger vertreten deshalb die Auffassung, dass sich die BSG-Rechtsprechung zur zeitlichen Priorität allein auf Fälle des Zusammentreffens mit der laufenden Rentenzahlung beziehen und nicht auf Fälle des Zusammentreffens im Nachzahlungszeitraum übertragen werden kann.

Zusammentreffen von Erstattungsansprüchen mit Abtretungen im Insolvenzverfahren

Nach § 107 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten im Umfang des Erstattungsanspruchs als erfüllt. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters/Treuhänders auf den an andere Sozialleistungsträger zu zahlenden Erstattungsbetrag besteht daher nicht.

Beispiel 1: Rangfolge nach § 106 Abs. 1 SGB X

(Beispiel zu Abschnitt 3.1)

Beide Erstattungsansprüche beziehen sich auf den gesamten Monat der Rentennachzahlung

Rentenbescheid vom 19.03.2015
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2015600,00 EUR
Nachzahlung für den Zeitraum 01.03.2015 bis 31.03.2015 wird einbehalten.
Die Krankenkasse meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2015 500,00 EUR Krankengeld gezahlt wurden.
Das Jobcenter meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2015 ergänzend 200,00 EUR Arbeitslosengeld II gezahlt wurden.
Lösung:

Die von der Krankenkasse und dem Jobcenter geltend gemachten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 700,00 EUR übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung von 600,00 EUR. Es ist daher zu prüfen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der einzelne Erstattungsanspruch besteht.

Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse ergibt sich aus § 103 SGB X (vergleiche GRA zu § 103 SGB X), der Erstattungsanspruch des Jobcenters aus § 104 SGB X (vergleiche GRA zu § 104 SGB X). Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse nach § 103 SGB X ist dem Zweiten Rang zuzuordnen, der Erstattungsanspruch des Jobcenters nach § 104 SGB X dem Dritten Rang.

Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse in Höhe von 500,00 EUR ist vorrangig zu erfüllen. Den dann noch zur Verfügung stehenden Betrag in Höhe von 100,00 EUR erhält das Jobcenter.

Ein Erstattungsanspruch bezieht sich auf den gesamten Monat, ein Erstattungsanspruch auf einen Teil des Monats der Rentennachzahlung

Nachzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung November 2017 gesamt 450,00 EUR

01.11. bis 19.11.2017 285,00 EUR

20.11. bis 30.11.2017 165,00 EUR

Erstattungsforderung des SGB III-Trägers vom 01.11. bis 19.11.2017 180,00 EUR

Erstattungsforderung des SGB II-Trägers für November 2017 gesamt 360,00 EUR

1.Schritt:

Zeitraum 01.11. bis 19.11.2017

285,00 EUR (Rentennachzahlung) minus 180,00 EUR (Erstattungsforderung des SGB III-Trägers) ist gleich 105,00 EUR (Restbetrag Rentennachzahlung)

2. Schritt:

105,00 EUR (Restbetrag Rentennachzahlung aus Schritt 1) plus 165,00 EUR (verbleibende Rentennachzahlung 20.11.bis 30.11.2017) ist gleich 270,00 EUR stehen für die Erstattungsforderung des SGB II-Trägers zur Verfügung

Es verbleibt kein Restbetrag, der an den Rentenberechtigten auszuzahlen ist.

Beispiel 2: Mehrere ranggleiche Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X, § 103 SGB X oder § 105 SGB X (§ 106 Abs. 2 S. 1 SGB X)

Einzelleistungen der erstattungsberechtigten Leistungsträger übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung nicht

(Beispiel zu Abschnitt 3.2.1)
Rentenbescheid vom 19.03.2010
Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2010750,00 EUR
Nachzahlung für den Zeitraum 01.03.2010 bis 31.03.2010 wird einbehalten.
Die Krankenkasse meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2010 500,00 EUR Krankengeld gezahlt wurden.
Die Agentur für Arbeit meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2010 300,00 EUR Aufstockungsbeträge nach § 10AltTZG gezahlt wurden.
Lösung:

Die von der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit geltend gemachten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 800,00 EUR übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung von 750,00 EUR. Es ist daher zu prüfen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der einzelne Erstattungsanspruch besteht.

Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse ergibt sich aus § 103 SGB X, ebenso der Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit (vergleiche GRA zu § 103 SGB X). Beide Erstattungsansprüche sind nach § 103 SGB X dem Zweiten Rang zuzuordnen.

Da es sich um ranggleiche Erstattungsansprüche handelt, sind die Erstattungsansprüche anteilig zu erfüllen.

Berechnung:

Erstattungsanspruch der Krankenkasse

750,00 EUR Rentennachzahlungmal500,00 EUR Erstattungsanspruch der Krankenkassegeteilt durch800,00 EUR Summe aller Erstattungsansprüche (Krankenkasse und Agentur für Arbeit)gleich468,75 EUR
Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit
750,00 EUR Rentennachzahlungmal300,00 EUR Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeitgeteilt durch800,00 EUR Summe aller Erstattungsansprüche (Krankenkasse und Agentur für Arbeit)gleich281,25 EUR
Der Krankenkasse sind daher statt der geforderten 500,00 EUR lediglich 468,75 EUR zu zahlen, der Agentur für Arbeit statt 300,00 EUR nur 281,25 EUR.

Beispiel 3: Mehrere ranggleiche Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X, § 103 SGB X oder § 105 SGB X (§106 Abs. 2 S. 1 SGB X)

Einzelleistungen der erstattungsberechtigten Leistungsträger übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung

(Beispiel zu Abschnitt 3.2.1)
Rentenbescheid vom 19.03.2010
Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2010750,00 EUR
Nachzahlung für den Zeitraum 01.03.2010 bis 31.03.2010 wird einbehalten.
Die Krankenkasse meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2010 800,00 EUR Krankengeld gezahlt wurden.
Die Agentur für Arbeit meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2010 300,00 EUR Aufstockungsbeträge nach § 10AltTZG gezahlt wurden.
Lösung:

Die von der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit geltend gemachten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 1.100,00 EUR übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung von 750,00 EUR. Es ist daher zu prüfen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der einzelne Erstattungsanspruch besteht.

Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse ergibt sich aus § 103 SGB X, ebenso der Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit (vergleiche GRA zu § 103 SGB X). Beide Erstattungsansprüche sind nach § 103 SGB X dem Zweiten Rang zuzuordnen.

Da es sich um ranggleiche Erstattungsansprüche handelt, sind die Erstattungsansprüche anteilig zu erfüllen. Da bereits die Einzelleistung der Krankenkasse die zur Verfügung stehende Nachzahlung übersteigt, ist für die Berechnung die Einzelleistung der Krankenkasse auf die Nachzahlung (750,00 EUR) zu begrenzen.

Berechnung:

Erstattungsanspruch der Krankenkasse

750,00 EUR Rentennachzahlungmal750,00 EUR Erstattungsanspruch der Krankenkasse (800,00 EUR begrenzt auf Nachzahlung)geteilt durch1.050,00 EUR Summe aller Erstattungsansprüche (Krankenkasse 750,00 EUR und Agentur für Arbeit 300,00 EUR)gleich535,71 EUR
Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit
750,00 EUR Rentennachzahlungmal300,00 EUR Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeitgeteilt durch1.050,00 EUR Summe aller Erstattungsansprüche (Krankenkasse 750,00 EUR und Agentur für Arbeit 300,00 EUR)gleich214,29 EUR
Der Krankenkasse sind daher statt der geforderten 800,00 EUR lediglich 535,71 EUR zu zahlen, der Agentur für Arbeit statt 300,00 EUR nur 214,29 EUR.

Beispiel 4: Mehrere Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X (§ 106 Abs. 2 S. 2 SGB X)

(Beispiel zu Abschnitt 3.2.2)
Rentenbescheid vom 19.03.2015
Waisenrente ab 01.03.2015350,00 EUR
Nachzahlung für den Zeitraum 01.03.2015 bis 31.03.2015 wird einbehalten.
Die Unterhaltsvorschusskasse meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2015 180,00 EUR Unterhaltsvorschuss gezahlt wurden.
Das Jobcenter meldet einen Erstattungsanspruch an und teilt mit, dass im März 2015 267,00 EUR SGB II-Leistungen gezahlt wurden.
Lösung:

Die von der Unterhaltsvorschusskasse und dem Jobcenter geltend gemachten Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 447,00 EUR übersteigen die zur Verfügung stehende Nachzahlung von 350,00 EUR. Es ist daher zu prüfen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der einzelne Erstattungsanspruch besteht.

Der Erstattungsanspruch der Unterhaltsvorschusskasse ergibt sich aus § 104 SGB X, ebenso der Erstattungsanspruch des Jobcenters (vergleiche GRA zu § 104 SGB X). Beide Erstattungsansprüche sind nach § 104 SGB X dem Dritten Rang zuzuordnen.

Da es sich um Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X handelt, wäre grundsätzlich der Erstattungsanspruch des Leistungsträgers vorrangig zu erfüllen, der im Verhältnis der Leistungsträger untereinander einen Erstattungsanspruch hätte, das heißt der die Leistung des anderen Trägers anzurechnen / zu berücksichtigen hat beziehungsweise hätte (§ 106 Abs. 2 S. 2 SGB X). Dies wäre das Jobcenter, da dieses unter Anrechnung des Unterhaltsvorschusses bis zum Bedarf Leistungen zu erbringen hat.

Es ist jedoch zu beachten, dass dies hier nicht gilt, da das Jobcenter auch bei rechtzeitiger Bewilligung der Rente hätte Leitungen erbringen müssen (das heißt, es liegt ein sogenannter Aufzahlungsfall vor).

Der Erstattungsanspruch der Unterhaltsvorschusskasse ist daher vorrangig, das heißt in voller Höhe von 180,00 EUR zu erfüllen, der verbleibende Rest von 170,00 EUR steht dem Jobcenter zu.

Art. 6 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes - UVEG - vom 07.08.1996 (BGBl. I S. 1254)

Inkrafttreten: 01.01.1997

Quellen zum Entwurf: BR-Drucksache 426/96

§ 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB X wurde mit Wirkung ab 01.01.1997 ersatzlos gestrichen.

SGB X - Art. II - Übergangs- und Schlussvorschriften sowie Änderung von weiteren Gesetzen vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.07.1983

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 9/95 und 9/1753

§ 106 SGB X ist am 01.07.1983 in Kraft getreten und gilt für alle seit diesem Zeitpunkt fällig werdenden Ansprüche, im Beitrittsgebiet jedoch erst für Leistungen ab 01.01.1991. Bis zum 30.06.1983 gab es keine dem § 106 SGB X entsprechende gesetzliche Regelung.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 106 SGB X