Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

Sowjetunion (bis 1991) - 2.3 Besondere Arbeitsverhältnisse und Berufsgruppen: Recht der Herkunftsgebiete

Änderungsdienst
veröffentlicht am

05.06.2021

Änderung

Es wurde eine redaktionelle Anpassung vorgenommen.

Dokumentdaten
Stand30.06.2017
Rechtsgrundlage

Recht der Herkunftsgebiete

Version003.00

Allgemeines

Neben den in der GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.2 Versicherte Personen (Arbeitnehmer): Recht der Herkunftsgebiete beschriebenen Grundregelungen zur Einbeziehung in die sowjetische Sozialversicherung (und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Anerkennung von FRG-Zeiten) müssen unter Umständen noch Besonderheiten beachtet werden. Sie sind in dieser GRA beschrieben.

Besonderheiten gab es

  • für Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Ausbildung (Fachschüler und Hochschüler, Praktikanten, Aspirantur, Ordinatur) siehe Abschnitt 2,
  • für Tätigkeiten während einer Freiheitsbeschränkung (Trud-Armee, Kriegsgefangene, verbrachte Spezialisten, reparationsverschleppte Rumäniendeutsche, Häftlinge) siehe Abschnitt 3,
  • für Grenzfälle zwischen abhängig Beschäftigten und Selbständigen (Gewerbegenossenschaften, Rechtsanwälte, Künstler) siehe Abschnitt 4 und
  • für bestimmte Berufsgruppen (öffentlicher Dienst, Kirchenbedienstete, Wissenschaftler) siehe Abschnitt 5.

Darüber hinaus enthalten die GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.4 Kolchosmitglieder: Recht der Herkunftsgebiete und die GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.5 Militärpersonen: Recht der Herkunftsgebiete ausführliche Erläuterungen zu diesen Personenkreisen.

Tätigkeiten während einer Ausbildung

Ausgehend von den in der Sowjetunion sehr weitgehenden Regelungen der Sozialversicherung wird mitunter die Anerkennung von bestimmten Ausbildungszeiten als FRG-Zeiten geltend gemacht. In den folgenden Abschnitten sind Einzelheiten zu diesen Sachverhalten beschrieben:

  • Fachschüler und Hochschüler (siehe Abschnitt 2.1),
  • Praktikanten (siehe Abschnitt 2.2),
  • Aspirantur (siehe Abschnitt 2.3) und
  • Ordinatur (siehe Abschnitt 2.4).

Fachschüler und Hochschüler

Fach- und Hochschüler waren zwar grundsätzlich in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen und ihre Ausbildungszeiten wurden (unter der Voraussetzung der Vorversicherung) zu den Arbeitszeiten gezählt; eine Beitragszahlung erfolgte jedoch nicht.

Die Ausbildung an einer Fachschule (Technikum) oder einer Hochschule erfolgte in der Sowjetunion nicht nur im Anschluss an eine Schulausbildung, sondern häufig auch im Rahmen der Weiterbildung der Berufstätigen. Dementsprechend gab es verschiedene Ausbildungsformen (Direktstudium oder Vollzeitstudium sowie das berufsbegleitende Abendstudium oder Fernstudium) und auch unterschiedliche arbeitsrechtliche Regelungen.

Beim berufsbegleitenden Abendstudium oder Fernstudium wurde das (normal entlohnte) Arbeitsverhältnis üblicherweise beibehalten, für einzelne Unterrichtsveranstaltungen oder Prüfungstermine wurde bei Bedarf bezahlter Sonderurlaub gewährt.

Mitunter wurde der Betreffende auch völlig von der Arbeit freigestellt, um ein Direktstudium oder Vollzeitstudium absolvieren zu können, meist verbunden mit der Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis anschließend im bisherigen Betrieb fortzusetzen. In diesen Fällen wurde vom Betrieb in der Regel kein Gehalt mehr gezahlt. Stattdessen hatte der Betreffende Anspruch auf ein Stipendium. Da das Stipendium oft nach der Höhe des letzten Gehalts bemessen war und vom Arbeitgeber ausgezahlt werden konnte, wurde es mitunter (zu Unrecht!) als Gehaltsfortzahlung angesehen.

Hinweise zu Praktikanten (siehe Abschnitt 2.2), zur Aspirantur (siehe Abschnitt 2.3) und zur Ordinatur (siehe Abschnitt 2.4) sind in den folgenden Abschnitten erläutert.

Erläuterungen zu den in der Sowjetunion bestehenden Ausbildungsstätten, den Ausbildungsgängen und den dort erreichbaren Berufsqualifikationen sind in der GRA zu § 22 FRG, Anlage 4 - 'Sowjetunion' enthalten.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Zeiten einer Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung können „nur“ als Anrechnungszeiten anerkannt werden, sofern die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt sind.

Eine Anerkennung als Beitragszeit nach § 15 FRG ist ausgeschlossen, weil keine Beitragszahlung zur Rentenversicherung erfolgt ist (die teilweise Gleichstellung der Ausbildungszeiten mit Arbeitszeiten im sowjetischen Recht ist unbeachtlich).

Darüber hinaus widerspräche eine Gleichstellung von Beitragszeiten den Grundsätzen des Fremdrentenrechts, weil keine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde und auch kein anderer dem deutschen Recht vergleichbarer Versicherungstatbestand erfüllt ist (Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 01.06.2010, AZ: L 10 R 300/09).

Eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG scheitert daran, dass es sich um keine Beschäftigung handelt.

Unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit, ein neben der Ausbildung (fort-)bestehendes Beschäftigungsverhältnis als Beitragszeit oder Beschäftigungszeit anzuerkennen. Das gilt aber nur, wenn für diese Beschäftigung tatsächlich Lohn oder Gehalt gezahlt wurde und nicht etwa ein Stipendium.

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen neben einem Beschäftigungsverhältnis eine Anrechnungszeit anerkannt werden kann, wird auf die GRA zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI verwiesen. Die Einschränkung des § 252a Abs. 1 S. 4 SGB VI gilt nicht für Abend- oder Fernstudien neben einer Beschäftigung in der Sowjetunion (oder anderen FRG-Herkunftsländern).

Praktikanten

Fachschüler und Hochschüler hatten während ihrer Ausbildung häufig Praktika abzuleisten. Das erfolgte meist in Produktionsbetrieben. Durch entsprechende Erlasse aus den Jahren 1959 und 1960 wurde geregelt, dass die Betriebe auch für diese Personen - sofern das Praktikum gegen Entgelt geleistet wurde - Beiträge abzuführen hatten und die Praktikanten somit in die allgemeine Sozialversicherung einzubeziehen waren. Für das Praktikum der Hochschüler galt das seit 31.12.1959, für das Praktikum der Fachschüler seit 11.02.1960.

Schüler allgemeinbildender Schulen hatten mitunter ebenfalls Praktika abzuleisten. Solche Produktionspraktika dienten zur Berufsorientierung (erste Grundlagen der Berufsausbildung) oder auch zur Ableistung „gesellschaftlich nützlicher produktiver Arbeit“ (zum Beispiel Hilfe bei Ernteeinsätzen oder anderen landwirtschaftlichen Arbeiten). Meist wurden sie in den den Schulen zugeordneten Betrieben (oft als Patenbetriebe oder Basisbetriebe bezeichnet) absolviert. Teilweise wurden in diesen Betrieben eigene Schülerproduktionsbrigaden eingerichtet. Anders als die Fachschüler und Hochschüler wurden die Schüler allgemeinbildender Schulen während solcher Praktika nicht generell in die allgemeine Sozialversicherung einbezogen. Sie erwarben während der Praktika Ansprüche nur bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Während einer Hochschulausbildung können Zeiten des Praktikums ab 31.12.1959,

während einer Fachschulausbildung können Zeiten des Praktikums ab 11.02.1960

als Beitragszeiten nach § 15 FRG anerkannt werden.

Für frühere Zeiten eines solchen Praktikums können keine Beitragszeiten anerkannt werden, weil es an der Beitragszahlung fehlte.

Während der Ausbildung an einer allgemeinbildenden Schule kann ein Praktikum zu keiner Zeit als Beitragszeit nach § 15 FRG anerkannt werden, weil die Schüler nur in die Unfallversicherung, nicht aber in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen waren.

Eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG ist ausgeschlossen, weil das während einer Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung abgeleistete Praktikum nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht versicherungsfrei geblieben wäre - anders als das vor oder nach dem Studium abgeleistete Praktikum - (siehe GRA zu § 16 FRG, Abschnitt 3.5.2.3). Bei den Schülern wird die Anerkennung regelmäßig bereits am Lebensalter scheitern.

Ob die Bewertung der anerkennungsfähigen Beitragszeiten nach § 22 Abs. 1 FRG (Einstufung nach Wirtschaftsbereichen und Qualifikationsgruppen) oder nach § 22 Abs. 2 FRG (Ausbildungszeit) zu erfolgen hat, hängt von der Art des Praktikums ab. Zur Abgrenzung wird auf die GRA zu § 22 FRG hingewiesen.

Aspirantur

Die Aspirantur war ein forschungsbezogenes (wissenschaftlich ausgerichtetes) Aufbaustudium für Personen, die bereits über einen Hochschulabschluss (Diplom) verfügten. Wie das Grundstudium konnte auch die Aspirantur

  • ohne Unterbrechung der Arbeit
    (meist in Form eines vierjährigen Abendstudiums oder Fernstudiums) oder
  • mit Unterbrechung der Arbeit
    (meist in Form eines dreijährigen Direktstudiums oder Vollzeitstudiums)

an bestimmten Hochschuleinrichtungen durchgeführt werden. Nach erfolgreichem Abschluss wurde in der Regel der akademische Grad „Kandidat der Wissenschaften“ verliehen.

Die Aspirantur ohne Unterbrechung der Arbeit ließ das daneben bestehende Beschäftigungsverhältnis unberührt; es bestand lediglich Anspruch auf einen zusätzlichen bezahlten Urlaub für die Prüfungstermine.

In dieser Form (ohne Unterbrechung der Arbeit) wurde regelmäßig auch die maximal einjährige Aspirantur (sogenannte „Jahresaspirantur“) für Personen, die bereits zuvor wissenschaftlich tätig waren, durchgeführt.

Während der Aspirantur mit Unterbrechung der Arbeit bestand Anspruch auf ein Stipendium, das sich (unter bestimmten Voraussetzungen) nach dem letzten Gehalt richtete und daher mitunter (zu Unrecht!) als Gehaltsfortzahlung angesehen wurde. Eine Beitragszahlung zur Sozialversicherung erfolgt hiervon nicht. Die Zeit der Aspirantur wurde lediglich (unter der Voraussetzung der Vorversicherung) den Arbeitszeiten gleichgestellt (§ 109 Buchst. i Ausführungsverordnung Nr. 1044 vom 04.08.1956 zum Staatsrentengesetz vom 14.07.1956).

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die Aspirantur selbst kann rentenrechtlich nicht berücksichtigt werden.

Das wurde - gestützt auf Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 29.06.1999 und 05.01.2004 - inzwischen mehrfach von der Rechtsprechung bestätigt:

Die Anerkennung als Beitragszeit nach § 15 FRG scheitert daran, dass keine Beitragszahlung zu einer gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt ist. Die Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG ist ausgeschlossen, weil es sich um keine Beschäftigung handelt. Die Anerkennung als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI ist verwehrt, weil die Hochschulausbildung bereits mit der vorangegangenen Diplomprüfung abgeschlossen ist.

Das während der Aspirantur ohne Unterbrechung der Arbeit weiterbestehende Beschäftigungsverhältnis kann dagegen ohne Besonderheiten als Beitragszeit oder Beschäftigungszeit anerkannt werden.

Ordinatur

Die Ordinatur war die höchste Form der klinischen Weiterbildung für Ärzte an medizinischen Hochschulen, Weiterbildungsinstituten und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Sie war vergleichbar mit der Aspirantur (in den anderen Fachrichtungen) und wurde wie diese in der Sowjetunion rentenrechtlich nur als gleichgestellte Zeit berücksichtigt.

Die Ausführungen zur Aspirantur (siehe Abschnitt 2.3) gelten daher auch für die Ordinatur.

Das bedeutet, dass die Ordinatur im Rahmen der FRG-Anwendung rentenrechtlich nicht berücksichtigt werden kann. Lediglich die Anerkennung einer daneben ausgeübten Beschäftigung bleibt unberührt.

Tätigkeiten während einer Freiheitsbeschränkung

Wurden Tätigkeiten während einer Freiheitsbeschränkung (zum Beispiel Haft oder Internierung) ausgeübt, so kann zweifelhaft sein, ob die Personen wie Arbeitnehmer behandelt wurden und wie diese Tätigkeiten rentenrechtlich behandelt wurden. In den folgenden Abschnitten sind Einzelheiten zu diesen Personen beschrieben:

  • Angehörige der Trud-Armee (siehe Abschnitt 3.1),
  • Kriegsgefangene (siehe Abschnitt 3.2),
  • Verbrachte Spezialisten (siehe Abschnitt 3.3),
  • Reparationsverschleppte Rumäniendeutsche (siehe Abschnitt 3.4),
  • Häftlinge (siehe Abschnitt 3.5).

Angehörige der Trud-Armee

Der Begriff „Trud-Armee“ (abgeleitet aus dem russischen „trud“ = Arbeit) ist die allgemein gebräuchliche (aber keine offizielle) Bezeichnung für den von den deutschstämmigen Personen während und nach dem 2. Weltkrieg abzuleistenden Arbeitsdienst. Nicht gemeint ist die unter ähnlicher Bezeichnung bereits seit der russischen Revolution bestehende besondere Arbeitseinheit der Sowjetarmee.

Von der in der Sowjetunion generell bestehenden Möglichkeit, die Bevölkerung zwangsweise zur Arbeit heranzuziehen, wurde insbesondere nach dem Angriff Deutschlands (1941) verstärkt Gebrauch gemacht. Gründe hierfür waren die Verlagerung der Industrie von den bereits besetzten oder frontnahen westlichen Gebieten der Sowjetunion in das Hinterland (Ural, Sibirien, Mittelasien) und der dortige Neuaufbau sowie der wegen der Einberufung zum Militär herrschende allgemeine Arbeitskräftemangel. Dass von diesem Arbeitszwang besonders die deutschstämmige Bevölkerung betroffen war, lag daran, dass sie wegen einer befürchteten Unterstützung der deutschen Truppen ohnehin in die entlegenen Gebiete der Sowjetunion umgesiedelt, unter Kommandanturaufsicht gestellt und für „wehrunwürdig“ betrachtet wurde (Erlass vom 28.08.1941). Zur Trud-Armee wurden die Betroffenen einberufen („mobilisiert“). Trotz dieser militärischen Begriffe hat es sich um keinen militärischen Dienst gehandelt.

Die einberufenen Deutschen wurden getrennt von etwaigen anderen Insassen in Arbeitslagern untergebracht und zu Sondereinheiten zusammengefasst. Teilweise wurden von den Lagern eigenständige Arbeiten ausgeführt (zum Beispiel Rodungen für Ansiedlungen oder Bahntrassen), oft aber auch Arbeiten für andere Betriebe verrichtet. Den Betrieben, in denen solche Arbeitskolonnen eingesetzt waren, wurde von der Lagerverwaltung ein Tariflohn in Rechnung gestellt, der in erster Linie zur Finanzierung der Arbeitslager diente. Die Betroffenen hatten offenbar keinen Anspruch auf Lohn; die Aushändigung des nach Abzug der Kosten für die Lagerunterbringung verbleibenden Restlohns war (verhaltensabhängig) nur als besondere Form der „Ehrung“ vorgesehen.

Die Vorschriften sahen ferner vor, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht berechnet wurden. Dass die Angehörigen der Trud-Armee nicht von der Sozialversicherung erfasst wurden, ergibt sich auch daraus, dass im Krankheitsfall offenbar keine Leistungen der Sozialversicherung zustanden, sondern der Unterhalt aus einem Sonderfonds des Lagers bestritten werden musste.

Ab 1946 wurden die Beschränkungen gelockert, sodass sich die Verhältnisse allmählich denen in den „normalen“ Arbeitslagern anglichen (siehe Abschnitt 3.5). Teilweise ist aber noch bis 1955/56 von der Trud-Armee die Rede.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die Zugehörigkeit zur Trud-Armee ist regelmäßig ein Ersatzzeit-Tatbestand nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI (GRA zu § 250 SGB VI, Abschnitt 4). Zur Anerkennung als Ersatzzeit kommt es aber nur insoweit, wie keine vorrangige Beitragszeit zu berücksichtigen ist.

Im BSG-Urteil vom 18.06.1997, AZ: 5 RJ 20/96 wurde keine konkrete Entscheidung über die Behandlung der Zeiten in der Trud-Armee getroffen. Es wurde lediglich der schon in früheren Urteilen vertretene Grundsatz bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis ungeachtet der sonstigen Lebensumstände zu beurteilen ist. Ob ein abhängiges, entlohntes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat, muss daher im Einzelfall geprüft werden, wobei die während der Zugehörigkeit zur Trud-Armee bestehende Kommandanturaufsicht oder der Lageraufenthalt dem nicht generell entgegenstehen.

Angesichts der (auch gegenüber anderen Insassen von Arbeitslagern) abweichenden Behandlung und des offenbar fehlenden Lohnanspruchs ist das Entstehen eines regulären Beschäftigungsverhältnisses unwahrscheinlich. Hinzu kommt die ausdrückliche Regelung, dass Beiträge zur Sozialversicherung nicht berechnet wurden.

Zumindest für die Kriegszeit und die unmittelbar anschließende Nachkriegszeit kommt die Anerkennung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach den §§ 15, 16 FRG regelmäßig nicht in Betracht. Einem insoweit entgegenstehenden Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.09.1998, AZ: L 11 RJ 3125/97 wird nicht gefolgt. Stattdessen sind Ersatzzeiten anzuerkennen.

Mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Kriegsende und der Lockerung der Beschränkungen (ab 1946) ist auch die Anerkennung vorrangiger Beitragszeiten nach § 15 FRG möglich.

Ein allgemein verbindlicher Zeitpunkt für den Wechsel von Ersatz- zu Beitragszeiten kann nicht festgelegt werden; er muss anhand der im Einzelfall vorhandenen Unterlagen festgestellt werden. Wichtiges Indiz ist dabei das Arbeitsbuch.

Die Ausstellung eines Arbeitsbuches, vom Betrieb während der Beschäftigung vorgenommene Eintragungen oder aufgrund von Betriebsunterlagen gemachte Nachträge sprechen für ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Nachträge aufgrund von Bescheinigungen des NKWD oder MWD (= Volkskommissariat/Ministerium für innere Angelegenheiten) oder deren Bezeichnung als „Betrieb“ sprechen gegen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Kriegsgefangene

Kriegsgefangene sind regelmäßig zu Arbeitsleistungen herangezogen worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie nicht unter „normalen“ arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Betrieben eingesetzt waren und keinen Lohnanspruch hatten.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Zeiten der Kriegsgefangenschaft sind als Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu berücksichtigen.

Eine vorrangige Anerkennung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten ist regelmäßig nicht möglich. Die Anerkennung als Beitragszeit nach § 15 FRG scheitert daran, dass mangels Lohnanspruch auch keine Beitragszahlung erfolgte. Die Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG ist ausgeschlossen, weil sich Kriegsgefangene in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis befanden und die Arbeit daher nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet wurde.

Abgesehen davon gehören die meisten Kriegsgefangenen ohnehin nicht zum Personenkreis des § 1 FRG.

Verbrachte Spezialisten

Als „verbrachte Spezialisten“ werden Personen bezeichnet, die nach Ende des 2. Weltkrieges im Rahmen von Reparationsleistungen oder nach der Demontage von Industriebetrieben als Fachkräfte (Spezialisten) zur Arbeitsleistung aus der DDR in die Sowjetunion verbracht wurden. Dies erfolgte insbesondere im Oktober 1946 sowie in den Frühjahren 1947/48.

In der Sowjetunion waren sie trotz der Freiheitsbeschränkungen in ihrem persönlichen Umfeld in das „normale“ Arbeitsrecht und Sozialrecht einbezogen.

Nach ihrer Rückkehr wurden die sowjetischen Arbeitszeiten nach DDR-Recht in der dortigen Rentenversicherung berücksichtigt und auch regelmäßig im Sozialversicherungsausweis nachgetragen.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die verbrachten Spezialisten sind im Rahmen der FRG-Berechtigung ein eigenständiger Personenkreis (§ 1 Buchst. c FRG). Weitere Details hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen dieses Personenkreises enthält die GRA zu § 1 FRG, Abschnitt 5.

Trotz der Gleichstellung nach DDR-Recht werden die Arbeitszeiten der verbrachten Spezialisten nicht zu Zeiten im Beitrittsgebiet, sondern bleiben Zeiten in der Sowjetunion, die nur bei Vorliegen der FRG-Berechtigung berücksichtigt werden können. Dann sind sie wie „normale“ Arbeitnehmerzeiten als Beitragszeiten nach § 15 FRG anzuerkennen.

Die Eintragungen im DDR-Sozialversicherungsausweis können regelmäßig als Mittel der Glaubhaftmachung dieser Zeiten angesehen werden.

Reparationsverschleppte Rumäniendeutsche

Anfang 1945 sind in größerem Umfang deutschstämmige Personen aus Rumänien zur Arbeitsleistung in die Sowjetunion deportiert worden. Sie wurden dort in Arbeitslagern untergebracht und in Betrieben eingesetzt. Wie auch bei anderen Insassen von Arbeitslagern (siehe Abschnitt 3.5) unterlagen sie weitestgehend den „normalen“ arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Von ihrem Lohn wurden allerdings große Teile für Lagerunterbringung, und Verpflegung einbehalten.

Abgesehen von früheren Rücktransporten arbeitsunfähiger Personen, kehrten die meisten Deportierten 1948/49 (nach Rumänien oder Deutschland) zurück; die letzten wurden 1950/51 aus der Internierung entlassen.

In Rumänien wird die Zeit der Verschleppung als „(Wieder-) Aufbauarbeit in der UdSSR“ rentenrechtlich berücksichtigt (Art. 86 Buchst. f DVO vom 20.11.1962 zum Dekret Nr. 292/59; Art. 30 Abs. 1 Buchst. f Ministerratsbeschluss (DVO) zum Gesetz Nr. 27/1966). Sie ist daher häufig im rumänischen Arbeitsbuch eingetragen oder in anderen Bescheinigungen bestätigt.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die von den reparationsverschleppten Rumäniendeutschen in den sowjetischen Betrieben verrichtete Arbeit kann - wie bei sonstigen Insassen von Arbeitslagern (siehe Abschnitt 3.5) - als Beitragszeit nach § 15 FRG anerkannt werden. Entscheidend hierfür ist, dass aufgrund der Lohnzahlung der Betriebe „automatisch“ auch Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung abgeführt wurden.

Die rumänischen Bestätigungen über die „Aufbauarbeit“ können zur Glaubhaftmachung herangezogen werden.

Bei der Bewertung der Beitragszeiten ist nicht das Arbeitslager als Arbeitgeber anzusehen; der Wirtschaftsbereich ist vielmehr nach dem Betrieb zu bestimmen, für den die Arbeit verrichtet wurde.

Eine Anhebung auf die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Beitragszeiten mit Sachbezug (§ 259 SGB VI) kommt nicht in Betracht, weil die Deportierten die Kosten für Unterbringung und Verpflegung durch den Lohnabzug selbst tragen mussten (siehe GRA zu § 259 SGB VI, Abschnitt 3.2).

Von einer Anerkennung als Beitragszeit ist nur bei einem Einsatz im Lager selbst (zum Beispiel als Köchin oder Krankenschwester) abzusehen, weil in diesen Fällen zweifelhaft ist, wer als Arbeitgeber fungierte und ob es zu einer Lohnzahlung und damit zu einer Beitragsentrichtung gekommen ist.

Die Verschleppung in die Sowjetunion kann ein Ersatzzeit-Tatbestand im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sein (siehe GRA zu § 250 SGB VI, Abschnitt 4). Zur Anerkennung als Ersatzzeit kann es aber nur dann kommen, wenn keine vorrangige Beitragszeit zu berücksichtigen ist. Das gilt selbst dann, wenn die Ersatzzeit zu einem höheren Rentenbetrag führen würde (Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.09.1988, AZ: L 10 An 430/87).

Häftlinge

Nach sowjetischem Strafrecht waren Häftlinge verpflichtet, „gesellschaftlich nützliche Arbeit“ zu verrichten. Die Haft wurde daher regelmäßig in Arbeitslagern, die dem Innenministerium unterstanden, verbüßt. Nur in seltenen Fällen führten die Arbeitslager eine Produktionstätigkeit in eigener Regie durch. Meist befanden sie sich in der Nähe von Industriegebieten und dienten den dortigen Betrieben als „Zulieferer von Arbeitskräften“. Ganz überwiegend wurden die Häftlinge also in Betrieben eingesetzt und unterlagen dort weitestgehend den „normalen“ arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Damit verbunden war auch eine Lohnzahlung der Betriebe, die allerdings an die Lagerverwaltung erfolgte. Ein Teil des Lohnes wurde an den Staatshaushalt abgeführt, ein weiterer Teil diente der Kostendeckung für Lagerunterbringung und Verpflegung und nur der verbleibende Rest stand dem Häftling zur Verfügung.

In den Arbeitslagern waren nicht nur strafrechtlich Verurteilte untergebracht, sondern während des Krieges sowie in der Nachkriegszeit oft auch die Verschleppten und Deportierten (siehe Abschnitte 3.1 und 3.4).

Nach sowjetischem Recht wurden Haftzeiten rentenrechtlich nicht berücksichtigt (quasi als zusätzliche Strafe). Etwas anderes galt nur dann, wenn der Häftling nachträglich (ganz oder teilweise) rehabilitiert wurde.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die von Häftlingen und anderen Insassen der Arbeitslager für Betriebe verrichtete Arbeit kann als Beitragszeit nach § 15 FRG anerkannt werden. Entscheidend hierfür ist, dass aufgrund der Lohnzahlung der Betriebe „automatisch“ auch Beiträge zur allgemeinen Sozialversicherung abgeführt wurden. Dass diese Zeiten in der Sowjetunion rentenrechtlich nicht angerechnet wurden, ist unerheblich.

Bei der Bewertung der Beitragszeiten ist nicht die Haftanstalt oder das Arbeitslager als Arbeitgeber anzusehen; der Wirtschaftsbereich ist vielmehr nach dem Betrieb zu bestimmen, für den die Arbeit verrichtet wurde.

Eine Anhebung auf die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Beitragszeiten mit Sachbezug (§ 259 SGB VI) kommt nicht in Betracht, weil die Häftlinge die Kosten für Unterbringung und Verpflegung durch den Lohnabzug selbst tragen mussten (siehe GRA zu § 259 SGB VI, Abschnitt 3.2).

Sofern in Einzelfällen keine Beschäftigung verrichtet wurde und daher auch keine Beitragszeiten anzuerkennen sind, bleibt zu prüfen, ob ein Ersatzzeittatbestand im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 5 SGB VI vorliegt.

Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen

Arbeitnehmer waren in der Sowjetunion in die Sozialversicherung einbezogen (siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.2 Versicherte Personen (Arbeitnehmer): Recht der Herkunftsgebiete, Abschnitt 2), Selbständige dagegen nicht (siehe Abschnitt 5.1).

Bei bestimmten Tätigkeitsformen, insbesondere bei Zusammenschlüssen auf genossenschaftlicher Basis, kann eine Abgrenzung zweifelhaft sein, weil sich Merkmale einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Erwerbstätigkeit mischen. In den folgenden Abschnitten sind Einzelheiten zu solchen Tätigkeitsformen und Berufsgruppen beschrieben:

  • Gewerbeartel (siehe Abschnitt 4.1),
  • Rechtsanwälte (siehe Abschnitt 4.2),
  • Künstler (siehe Abschnitt 4.3).

Die Regelungen für die (auch zahlenmäßig) wichtigste Gruppe der Kolchosmitglieder, für die ein eigenständiges Sozialversicherungssystem geschaffen wurde, sind in der GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.4 Kolchosmitglieder: Recht der Herkunftsgebiete erläutert.

Gewerbeartel

„Artel“ ist eine andere Bezeichnung für Genossenschaft. Im Gewerbeartel waren vorwiegend Handwerker und Kleingewerbetreibende zusammengeschlossen. Arbeitsrechtlich waren die Mitglieder der Gewerbeartel/Gewerbegenossenschaften stark weisungsgebunden. Sie erhielten einen garantierten Grundlohn und nach dem Jahresabschluss eine Gewinnbeteiligung.

Für die Artelmitglieder gab es seit dem 26.06.1929 ein eigenständiges Sicherungssystem. Träger waren die Versicherungs- und Unterstützungskassen der Gewerbeartels, die regional gegliedert und an der Spitze in einem Unionsrat zusammengeschlossen waren.

Zum 30.09.1960 wurden die Gewerbeartels aufgelöst oder in allgemeine Produktionsbetriebe umgewandelt. Ihre Mitglieder wurden in die Industrie versetzt oder als „normale“ Arbeitnehmer von den umgewandelten Produktionsbetrieben übernommen. Mit dem Ende der Gewerbeartels wurden auch ihre Versicherungs- und Unterstützungskassen aufgelöst, die bisherigen Artelmitglieder von der allgemeinen Sozialversicherung übernommen.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Aufgrund ihrer arbeitsrechtlichen Stellung sind die Mitglieder der Gewerbeartels als abhängig Beschäftigte anzusehen. Eine Anerkennung von Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG ist daher möglich.

Die Versicherungs- und Unterstützungskassen stellen ein System der gesetzlichen Rentenversicherung dar, sodass mit ihrer Errichtung ab 26.06.1929 vorrangig Beitragszeiten nach § 15 FRG anzuerkennen sind.

Im Rahmen der Bewertung sind Gewerbeartels als Produktionsgenossenschaften des Handwerks anzusehen, sodass für ihre Mitglieder der Wirtschaftsbereich 23 zuzuordnen ist.

Für Zeiten nach Auflösung der Gewerbeartels (ab 01.10.1960) sind keine Besonderheiten zu beachten.

Rechtsanwälte

Nach Gründung der Sowjetunion begann eine Kollektivierung der Rechtsanwälte in Rechtsberatungsstellen (häufig auch als Anwaltskollegien oder Anwaltskollektive bezeichnet). Sie war um 1930 abgeschlossen; danach gab es so gut wie keine freiberuflichen Rechtsanwälte mehr, sondern nur noch diese Rechtsberatungsstellen. Die dort tätigen Rechtsanwälte hatten einen arbeitnehmerähnlichen Status. Zum 01.10.1932 wurden sie in die allgemeine Sozialversicherung einbezogen.

Mit den Ende der 1980er Jahre eingeleiteten Wirtschaftsreformen war dann wieder eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt möglich.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Die Tätigkeit der Rechtsanwälte in den Rechtsberatungsstellen (Anwaltskollegien, Anwaltskollektiven) kann angesichts ihrer arbeitnehmerähnlichen Stellung grundsätzlich als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG anerkannt werden. Ab 01.10.1932 sind aber vorrangig Beitragszeiten nach § 15 FRG zu berücksichtigen.

Eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt bis zum Ende der 1980er Jahre kann weder als Beitrags- noch als Beschäftigungszeit berücksichtigt werden. Für die letzten Jahre der Sowjetunion gelten die Ausführungen für die Selbständigen (siehe Abschnitt 5.1).

Im Rahmen der Bewertung sind sowohl die Rechtsberatungsstellen als auch private Anwaltskanzleien dem Wirtschaftsbereich 21 (sonstige nichtproduzierende Bereiche) zuzuordnen.

Künstler

Die Tätigkeit als Künstler (oft auch als „Kunstschaffender“ oder „Kulturschaffender“ bezeichnet) konnte üblicherweise sowohl in abhängiger Beschäftigung (zum Beispiel als Sänger oder Musiker eines Opernhauses) als auch freiberuflich (zum Beispiel Bildhauer oder Maler) erfolgen. Die weitgehende Beseitigung der privaten Wirtschaft in der Sowjetunion während der 1920er und 1930er Jahre schränkte allerdings auch die Möglichkeiten einer selbständigen künstlerischen Tätigkeit stark ein. Öffentliche Auftritte oder Ausstellungen waren nur noch unter staatlicher Kontrolle und Organisation möglich. Vor diesem Hintergrund ist sowohl die Bildung der diversen staatlichen Künstlerverbände (Komponistenverband, Schriftstellerverband und andere) als auch die Errichtung von Künstlerproduktionswerkstätten zu sehen.

Zur Förderung der künstlerischen Tätigkeiten wurde als gesellschaftliche Organisation des sowjetischen Künstlerverbandes der Künstlerfonds gegründet (Verordnung vom 04.02.1940; Bestätigung des Musterstatuts durch Verordnung vom 03.06.1944).

Die Künstlerproduktionswerkstätten waren zunächst als Gewerbegenossenschaften (siehe Abschnitt 4.1) organisiert, später wurden sie vom Künstlerfonds übernommen oder neu errichtet. Die in den Künstlerproduktionswerkstätten tätigen Künstler hatten eine arbeitnehmerähnliche Stellung gegenüber der Genossenschaft/dem Kulturfonds und erhielten einen festen Lohn.

Selbständige Tätigkeiten sind in größerem Umfang erst wieder seit den Ende der 1980er Jahre eingeleiteten Wirtschaftsreformen möglich.

Die soziale Sicherung der Künstler erfolgte (teilweise parallel) sowohl in der allgemeinen Sozialversicherung als auch in besonderen Künstlersystemen. Bei mehreren parallelen Ansprüchen konnten die Betroffenen die für sie günstigere Leistung wählen.

Ansprüche gegenüber der allgemeinen Sozialversicherung hatten alle abhängig beschäftigten Künstler. Hierzu gehörten auch die Mitglieder der Künstlerproduktionswerkstätten. Vor Übernahme dieser Werkstätten durch den Künstlerfonds erfolgte deren soziale Sicherung durch das eigenständige System der Gewerbegenossenschaften.

Den abhängig beschäftigten Künstlern gleichgestellt wurden durch eine Verordnung vom 11.11.1929 freie künstlerische Mitarbeiter (insbesondere bildende Künstler wie Maler, Bildhauer, Grafiker), wenn sie die künstlerischen Arbeiten persönlich (also ohne weitere Beschäftigte) und für Betriebe und Organisationen (also nicht für Privatpersonen) ausführten und dies ihre Haupterwerbsquelle war.

Ansonsten wurden freiberufliche Künstler (wie die übrigen Selbständigen) erst mit den 1990 durchgeführten Reformen in die Rentenversicherung einbezogen.

Unabhängig von der allgemeinen Sozialversicherung konnten auch Ansprüche in besonderen Künstlersystemen erworben werden.

Durch die Verordnungen vom 30.11.1930 und 30.11.1931 wurde in der Russischen Sowjetrepublik ein eigenständiges Sicherungssystem für Künstler eingeführt. Leistungsansprüche erwarben unter anderem Schriftsteller, Komponisten und bildende Künstler und zwar unabhängig davon, ob sie abhängig beschäftigt oder freiberuflich tätig waren. Die Künstler mussten allerdings Mitglied der Gewerkschaft sein. Eine Beitragszahlung zu diesem Künstlerrentensystem erfolgte nicht.

Aus anderen Sowjetrepubliken sind uns keine solchen Rechtsgrundlagen bekannt; es ist aber zu vermuten, dass auch dort im Laufe der Zeit ähnliche Regelungen geschaffen wurden.

Auch der 1940 (landesweit) gegründete Künstlerfonds gewährte Künstlerrenten; regelmäßig aber nur als Unterstützung im Falle der Bedürftigkeit. Mitglied beim Künstlerfonds konnten nur Mitglieder des sowjetischen Künstlerverbandes oder seiner Mitgliedsverbände (zum Beispiel Verband der bildenden Künstler, Schriftstellerverband, Komponistenverband) werden. Ob sie abhängig beschäftigt oder freiberuflich tätig waren, war unerheblich. Für die Mitgliedschaft hatten sie (wie auch die Betriebe/Organisationen, für die sie tätig waren) Beiträge zu zahlen. Ein zwangsweiser Beitragseinzug erfolgte nicht und auch die Mitgliedschaft war freiwillig.

Mit Wirkung vom 01.09.1957 (Verordnung vom 07.08.1957) wurde das System der Künstlerrenten neu gestaltet. Es wurden jetzt der allgemeinen Sozialversicherung vergleichbare Leistungen gewährt. Ansprüche erwarben alle abhängig beschäftigten oder freiberuflich tätigen Mitglieder des Schriftstellerverbandes, des Komponistenverbandes und des Verbandes der bildenden Künstler. Eine Beitragszahlung erfolgte nicht; die Renten wurden aus dem Staatshaushalt finanziert.

Neben den „normalen“ Renten aus der allgemeinen Sozialversicherung oder einem besonderen Künstlersystem konnten die Künstler auch Ansprüche auf Dienstaltersrenten erwerben.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Eine Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG kann (nur) aufgrund der Einbeziehung in die allgemeine Sozialversicherung erfolgen für:

  • abhängig beschäftigte Künstler
    ohne Besonderheiten und ohne zeitliche Einschränkungen
  • Künstler in Künstlerproduktionswerkstätten
    ab 26.06.1929 (aufgrund der damaligen Organisation als Gewerbegenossenschaften);
    für etwaige davor liegende Zeiten ist eine Anerkennung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG möglich
  • freiberuflich tätige bildende Künstler (zum Beispiel Maler, Bildhauer, Grafiker)
    ab 11.11.1929, wenn sie die Arbeiten persönlich und für Betriebe oder Organisationen ausführten und dies ihre Haupterwerbsquelle war.
  • sonstige freiberuflich tätige Künstler
    nach den Reformen von 1990, wenn die Beitragszahlung glaubhaft gemacht ist (insbesondere durch die Bestätigung des Rentenversicherungsträgers).

Für die übrigen Künstler ist eine Anerkennung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nicht möglich.

Eine Berücksichtigung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG scheitert daran, dass nur abhängige Beschäftigungen anerkennungsfähig sind.

Die Zugehörigkeit zu einem der besonderen Künstlersysteme führt nicht zur Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG. Bei den Systemen aufgrund der Verordnungen vom 30.11.1930 und 30.11.1931 (in der Russischen Sowjetrepublik) sowie der Verordnung vom 07.08.1957 (in der gesamten Sowjetunion) fehlt es an einer Beitragszahlung. An den (1940 gegründeten) Künstlerfonds erfolgte zwar eine Beitragszahlung, die Einbeziehung war aber freiwillig, beruhte also nicht auf öffentlich-rechtlichem Zwang, sodass der Künstlerfonds aus diesem Grund nicht als gesetzliche Rentenversicherung im Sinne von § 15 Abs. 2 FRG angesehen werden kann.

Bei der Beweiswürdigung ist zu beachten, dass die nicht anerkennungsfähigen Künstlersysteme auch abhängig beschäftigten Künstlern offen standen. Die Zugehörigkeit zu einem dieser Systeme oder der Bezug einer der dortigen Leistungen schließt daher nicht aus, dass der Künstler (auch) Beitragszeiten in der anerkennungsfähigen allgemeinen Sozialversicherung erworben hat.

Einzelne Berufsgruppen

In den folgenden Abschnitten sind weitere Einzelheiten zu folgenden Berufsgruppen beschrieben:

  • Selbständige (Abschnitt 5.1),
  • Öffentlicher Dienst (Abschnitt 5.2),
  • Kirchenbedienstete (Abschnitt 5.3) und
  • Wissenschaftler (Abschnitt 5.4).

Selbständige

Bei Gründung der Sowjetunion waren in verschiedenen Wirtschaftsbereichen noch Selbständige tätig (zum Beispiel in der Landwirtschaft, im Handwerk, in den freien Berufen). Mit Einführung der sozialistischen Wirtschaftsordnung wurde der Bereich der privaten Wirtschaft in den 1920er und 1930er Jahren weitgehend beseitigt. Stattdessen wurden die Selbständigen vielfach in Kollektiven oder Genossenschaften zusammengeschlossen, zum Beispiel in Kolchosen (siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.4 Kolchosmitglieder: Recht der Herkunftsgebiete), Gewerbeartels (siehe Abschnitt 4.1), Anwaltskollegien (siehe Abschnitt 4.2) oder Künstlerproduktionswerkstätten (siehe Abschnitt 4.3), wo sie nicht mehr als Selbständige anzusehen sind. In der Folgezeit konnten selbständige Erwerbstätigkeiten daher nur noch in seltenen Ausnahmefällen ausgeübt werden. Hierzu zählen beispielsweise Tätigkeiten im Rahmen eines Werkvertrags.

Abgesehen von den in den Kollektiven oder Genossenschaften zusammengeschlossenen Personen sowie den Künstlern, für die jeweils besondere Regelungen galten, wurden Selbständige in der Sowjetunion grundsätzlich nicht in die allgemeine Sozialversicherung einbezogen.

Dies änderte sich erst mit den gegen Ende der 1980er Jahre eingeleiteten Wirtschaftsreformen. Ab 01.05.1987 trat das Gesetz über die individuelle Arbeit in Kraft. Danach war eine selbständige Erwerbstätigkeit in verschiedenen Bereichen möglich (Handwerk, Dienstleistungen sowie soziale und kulturelle Bereiche), allerdings in der Regel nur für Personen, die nicht im Arbeitsleben standen (wie Hausfrauen, Invaliden, Rentner, Studenten u. ä.). Abgesehen von Familienangehörigen durften sie keine Arbeitnehmer beschäftigen. Nach und nach wurden diese Einschränkungen aber gelockert. Im Bereich der Landwirtschaft wurde die Gründung sogenannter „Bauernwirtschaften“, also selbständig arbeitende Betriebe von Einzelpersonen/Familien sogar ausdrücklich gefördert.

Als Folge der Wirtschaftsreform kam es auch zu einer sozialversicherungsrechtlichen Änderung durch die sowjetische Rentenreform von 1990 (unter Umständen ergänzt durch parallele Regelungen in den jeweiligen Unionsrepubliken). Danach wurden Selbständige beitragspflichtig und konnten Rentenansprüche erwerben. Nähere Einzelheiten für die kurze Zeitspanne bis zum Ende der Sowjetunion liegen nicht vor.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Eine Anerkennung von Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG scheidet von vornherein aus, weil es sich bei den selbständigen Tätigkeiten nicht um Beschäftigungen handelt. Die Besonderheiten bei den Zusammenschlüssen in Genossenschaften werden in den dortigen Abschnitten behandelt.

Auch die Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG ist - abgesehen von den Sonderregelungen für die Genossenschaften sowie für Künstler - für Zeiten bis Ende der 1980er Jahre ausgeschlossen, weil die Selbständigen in kein System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen waren.

Erst danach können Beitragszeiten zurückgelegt sein. Die Anerkennung als Beitragszeit ist aber nur dann möglich, wenn die Beitragszahlung durch eine entsprechende Bestätigung des Rentenversicherungsträgers belegt ist. Allein aus der Tätigkeit kann - anders als bei abhängig Beschäftigten - nicht auf die Beitragszahlung geschlossen werden. Mit der Bestätigung durch den Rentenversicherungsträger ist die Beitragszeit dann aber auch nachgewiesen, sodass keine 5/6-Kürzung nach § 22 Abs. 3 FRG erfolgt.

Öffentlicher Dienst

Eine verbindliche Definition des Begriffs „Öffentlicher Dienst“ oder „Staatsapparat“ existiert nicht. Angesichts der staatlichen Planwirtschaft war der Bereich des öffentlichen Dienstes nach sowjetischem Verständnis sehr viel weiter als in Deutschland und reichte oft bis in die Leitungsebene der Staatsbetriebe.

Tätigkeiten im öffentlichen Dienst wurden oft als besondere Dienstverhältnisse angesehen, weil die Tätigkeit teilweise (wie bei leitenden Funktionären) nicht auf einem Arbeitsvertrag beruhte, sondern durch Ernennung oder Berufung erfolgte.

Dennoch gab es - abgesehen von den Militärpersonen, die eine eigenständige Versorgung besaßen (siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.5 Militärpersonen: Recht der Herkunftsgebiete) - für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst keine besonderen Sicherungssysteme; sie waren vielmehr in die allgemeine Sozialversicherung einbezogen. Einzelne Berufsgruppen (wie zum Beispiel Lehrer) konnten aber besondere, zusätzliche Leistungen (wie Dienstaltersrenten) in Anspruch nehmen (siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.6 Rentenleistungen: Recht der Herkunftsgebiete, Abschnitt 2.4).

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Staatsapparat) brauchen grundsätzlich keine Besonderheiten beachtet zu werden.

Seit Einführung der allgemeinen Sozialversicherung können regelmäßig Beitragszeiten nach § 15 FRG anerkannt werden.

Eine Ausnahme gilt lediglich für Militärpersonen (siehe GRA zu Sowjetunion (bis 1991) - 2.5 Militärpersonen: Recht der Herkunftsgebiete). Zu beachten ist dabei, dass hierzu nicht nur Armeeangehörige zählen, sondern alle Sicherheitsorgane einschließlich der Polizei (siehe GRA zu § 15 FRG, Abschnitt 3.4.4).

Die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 20 ist entsprechend der GRA zu § 256b SGB VI auf die Verwaltung beschränkt, auch wenn der öffentliche Dienst nach sowjetischem Verständnis bis in die Betriebe reicht.

Sind leitende Funktionäre durch Ernennung oder Wahl in eine Tätigkeit im Staatsapparat berufen worden, ist bei Rentenbezugszeiten bis 1996 die Regelung des § 22a Abs. 1 FRG zu beachten (siehe GRA zu § 22a FRG).

Kirchenbedienstete

Geistliche und andere Kirchenbedienstete waren zunächst generell nicht von der Sozialversicherung erfasst. Das galt gleichermaßen für Personen, die seelsorgerische Aufgaben wahrnahmen, als auch für solche, die nur einfache Hilfstätigkeiten verrichteten. Unter Umständen konnten sie aber kirchlichen Versorgungseinrichtungen angehören.

Zum 23.05.1956 wurden zumindest die bei den Kirchen und Religionsgemeinschaften beschäftigten Reinemachefrauen, Wächter, Hausverwalter und Heizer in die Sozialversicherung einbezogen; allerdings nur dann, wenn sie nicht gleichzeitig das Amt eines Kirchenältesten ausübten oder Mitglied von Vollzugsorganen religiöser Behörden waren.

Seit 01.01.1980 soll eine Einbeziehung der Geistlichen und anderen Kirchenbediensteten in die Sozialversicherung möglich gewesen sein. Näheres hierzu konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Die in der Regel fehlenden Eintragungen im Arbeitsbuch sprechen aber gegen eine tatsächliche Erfassung in der Sozialversicherung.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Im Rahmen der FRG-Anwendung ist eine Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG nur selten möglich; nämlich dann, wenn die Betreffenden nach den vorstehenden Ausführungen in die Sozialversicherung einbezogen waren und dies durch entsprechende Unterlagen dokumentiert ist (insbesondere durch die Eintragungen im Arbeitsbuch). Eine Beitragszahlung an kirchliche Versorgungseinrichtungen kann nicht berücksichtigt werden (Systeme im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 3 FRG).

In der Regel können Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG anerkannt werden. Zu prüfen ist aber ein etwaiger Ausschluss wegen kirchlicher Versorgungsansprüche in Deutschland (siehe GRA zu § 18 FRG, Abschnitt 4).

Als Arbeitgeber im Rahmen der Bewertung sind die Kirchen/Religionsgemeinschaften in den Wirtschaftsbereich 20 einzuordnen.

Wissenschaftler

Wissenschaftler (das sind an Hochschulen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen tätige Rektoren, Professoren, Dozenten, wissenschaftliche Mitarbeiter sowie verschiedene gleichgestellte Personen) waren als Beschäftigte der Hochschulen oder anderer Arbeitgeber in die allgemeine Sozialversicherung einbezogen.

Daneben gab es für sie aber auch ein eigenständiges Versorgungssystem. In diesem Versorgungssystem, das als Leistungen (Dienst-)Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten gewährte, wurden keine Beiträge gezahlt; es wurde vielmehr ausschließlich aus Staatsmitteln finanziert.

Die Wissenschaftler konnten daher wählen, ob sie Leistungen aus der allgemeinen Sozialversicherung oder aus dem eigenen Versorgungssystem beziehen wollten.

Zur Ausbildung der Wissenschaftler (Aspirantur) wird auf die Ausführungen im Abschnitt 2.3 hingewiesen.

Auswirkungen auf die FRG-Anwendung

Aufgrund ihrer Einbeziehung in die allgemeine Sozialversicherung ist eine Anerkennung von Beitragszeiten nach § 15 FRG ohne Besonderheiten möglich. Das zusätzlich bestehende Versorgungssystem ist insoweit ohne Bedeutung.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

Recht der Herkunftsgebiete