Art. 1 SVA-Türkei: Begriffsbestimmungen
veröffentlicht am |
04.01.2021 |
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Änderung |
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Stand | 18.09.2020 |
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Rechtsgrundlage | |
Version | 004.00 |
- Inhalt der Regelung
- Staatsangehöriger
- Rechtsvorschriften
- Zuständige Behörden und Träger
- Versicherungszeiten
- Geldleistungen und Renten
- Inhalt der Regelung
- Staatsangehöriger
- Rechtsvorschriften
- Zuständige Behörden und Träger
- Versicherungszeiten
- Geldleistungen und Renten
Inhalt der Regelung
Der Art. 1 SVA-Türkei regelt, wie bestimmte, im Abkommen verwendete Ausdrücke zu verstehen sind (Legaldefinition), um einer unterschiedlichen Auslegung durch die beiden Vertragsparteien vorzubeugen. Ist ein Ausdruck nicht definiert, wird auf dessen Bedeutung nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht zurückgegriffen.
Im Folgenden werden die Begriffe Staatsangehöriger (vergleiche Abschnitt 2), Rechtsvorschriften (vergleiche Abschnitt 3), zuständige Behörde und Träger (vergleiche Abschnitt 4), Versicherungszeiten (vergleiche Abschnitt 5) sowie Geldleistungen (Abschnitt 6) näher erläutert.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
- Art. 27 SVA-Türkei
Nach Art. 27 SVA-Türkei können deutsche und türkische Versicherungszeiten für die Anspruchsprüfung zusammengerechnet werden (siehe GRA zu Art. 27 SVA-Türkei). - Nr. 1 SP zum SVA-Türkei
In Bezug auf die Türkei gelten auch Erlasse der zuständigen, türkischen Behörde als Verordnungen im Sinne von Art. 1 Nr. 3 SVA-Türkei. - Art. 1 DV zum SVA-Türkei
Die in Art. 1 SVA-Türkei festgelegten Bedeutungen von Ausdrücken gelten auch bei der Anwendung der Durchführungsvereinbarung (DV zum SVA-Türkei). - Art. 1 VV zum SVA-Türkei
Ebenso gelten die Legaldefinitionen aus Art. 1 SVA-Türkei in Bezug auf die Verwaltungsvereinbarung (VV zum SVA-Türkei).
Staatsangehöriger
Der Art. 1 Nr. 1 SVA-Türkei enthält die Definition, was im Abkommen unter „Staatsangehörigen“ zu verstehen ist, um daran anknüpfend Weiteres zu regeln, etwa den persönlichen Geltungsbereich (Art. 3 SVA-Türkei) oder die Gleichbehandlungsklausel (Art. 4 SVA-Türkei).
In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland bedeutet Staatsangehöriger „einen Deutschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland“; dies entspricht der Definition aus § 2 Abs. 1a SGB IV in Verbindung mit Art. 116 GG.
In Bezug auf die Türkei sind damit Personen gemeint, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass im deutsch-türkischen Verhältnis eine doppelte Staatsangehörigkeit möglich ist (zum Beispiel aufgrund einer Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 StAG) oder ehemalige türkische Staatsangehörige, die heute Deutsche sind, eine sogenannte türkische „Blaue Karte“ besitzen können; bei der Anwendung von türkischen Rechtsvorschriften (zum Beispiel Gesetz Nr. 3201) werden sie von türkischer Seite daher wie türkische Staatsangehörige behandelt.
Rechtsvorschriften
Der Begriff „Rechtsvorschriften“ umfasst bei der Anwendung des SVA-Türkei die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, die in Art. 2 SVA-Türkei aufgeführt werden. Der Art. 2 SVA-Türkei regelt den sogenannten sachlichen Geltungsbereich des Abkommens (vergleiche GRA zu Art. 2 SVA-Türkei).
Hinweis:
In Bezug auf die vom Abkommen erfassten türkischen Rechtsvorschriften gibt es zwischen den beiden Vertragsparteien andauernde Diskussionen darüber, ob türkische Versicherungszeiten, die nach dem Gesetz Nr. 3201 zurückgelegt wurden, unter das Abkommen fallen oder nicht (vergleiche dazu auch Abschnitt 5.3.1). Die türkische Seite vertritt gegenwärtig die Auffassung, dass die türkischen Renten, die auf diesen nachgezahlten Versicherungszeiten basieren, im Bereich der Krankenversicherung durchaus als „Abkommensrenten“ hinsichtlich der Zuordnung für die KVdR nach Art. 14 SVA-Türkei zu qualifizieren sind, diese Auffassung aber nicht auf den Bereich der Rentenversicherung übertragen werden könne. Gleichwohl will sie die Versicherungszeiten aus nachgezahlten Beiträgen im Vordruck TR 4 mitteilen, so dass diese von deutscher Seite entsprechend als türkische Versicherungszeiten berücksichtigt werden.
Zuständige Behörden und Träger
In Art. 1 Nr. 3 und 4 bis 7 SVA-Türkei werden die Begriffe „zuständige Behörde“ und „Träger“ definiert. In Art. 48 Abs. 2 SVA-Türkei werden ergänzend noch die „Verbindungsstellen“ für die einzelnen Sozialversicherungszweige festgelegt.
Zuständige Behörden sind in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland das heutige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und in der Republik Türkei das heutige Ministerium für Familie, Arbeit und Sozialdienste.
Träger sind nach Art. 1 Nr. 4 SVA-Türkei die Einrichtungen oder die Behörden, der die Durchführung in Art. 2 SVA-Türkei bezeichneter Rechtsvorschriften obliegt.
In Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland sind dies damit die Träger der Deutschen Rentenversicherung, wobei die Festlegungen in Art. 48 Abs. 2 SVA-Türkei dazu führen, dass für die Anwendung des SVA-Türkei in Deutschland
- die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern,
- die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und
- die Deutsche Rentenversicherung Bund
in ihrer Funktion als Verbindungsstellen die Verwaltungsverfahren nach dem SVA-Türkei mit der türkischen Seite abwickeln.
In der Türkei ist die Sosyal Güvenlik Kurumu Baskanligi (SGK) beziehungsweise sind ihre landesweiten Dienststellen zuständiger Träger im Sinne von Art. 1 Nr. 4 SVA-Türkei. Verbindungsstelle im Sinne von Art. 48 Abs. 2 SVA-Türkei ist die Hauptstelle der SGK in Ankara für alle für die Türkei vom sachlichen Geltungsbereich erfassten Versicherungszweige und für den Bereich Rentenversicherung ist dies dort die zuständige Generaldirektion für Rentenversicherung (siehe GRA zu Organisation der Sozialversicherung Türkei). Sie ist für Grundsatzaufgaben und Vorgänge im Zusammenhang mit Rentenzahlungen zuständig (vergleich auch GRA zu Art. 40 SVA-Türkei). Die eigentliche Sachbearbeitung erfolgt grundsätzlich in den landesweiten Dienststellen der SGK (vergleiche auch GRA zu Organisation der Sozialversicherung Türkei); lediglich die Sachbearbeitung für die Fälle von Staatsbediensteten (ehemalige TCES-Versicherte) wird in Ankara durchgeführt.
Hinweis:
Die türkische Verbindungsstelle SGK verfolgt eine sehr enge Auslegung, wer Träger im Sinne des Abkommens ist. Dies führt dazu, dass zum Beispiel Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland keine Auskunft über türkische Rentenhöhen erteilt wird, gleichwohl die deutschen, gesetzlichen Krankenkassen Träger im Sinne des Art. 1 Nr. 4 SVA-Türkei sind.
Ferner werden deutschen Fürsorgeträgern oder auch Job-Centern regelmäßig keine Auskünfte zu türkischen Rentenhöhen erteilt.
Die deutschen Verbindungsstellen aus dem Bereich der Rentenversicherung haben sich daher an die zuständige Behörde – das BMAS – gewandt, damit diese Problematik auf der Ebene der Ministerien abgestimmt wird.
Sollte eine der vorgenannten Stelle an eine der deutschen Verbindungsstellen mit der Bitte um Amtshilfe bezüglich der Ermittlung der türkischen Rentenhöhe bei der SGK herantreten, so kann dem im Einzelfall entsprochen werden. Eine generelle Abfrage bei der SGK durch die Rentenversicherungsträger für andere deutsche Leistungsträger ist nicht vorgesehen.
Versicherungszeiten
In Art. 1 Nr. 12 SVA-Türkei wird der Begriff „Versicherungszeiten“ für die beiden Seiten definiert:
In Bezug auf Deutschland sind danach „Beitragszeiten“ und „gleichgestellte Zeiten“ Versicherungszeiten im Sinne des SVA-Türkei. Diese Begriffe werden in Art. 1 Nr. 10 und 11 SVA-Türkei näher erläutert, wobei diese Definitionen noch auf das Recht vor 1992 abstellen. Nähere Ausführungen zu den deutschen Versicherungszeiten bei der Anwendung des SVA-Türkei enthält der Abschnitt 5.1.
Für die Türkei ergeben sich die Versicherungszeiten aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften (vergleiche dazu Abschnitt 5.2).
Deutsche Versicherungszeiten
Nach Art. 1 Nr. 12 SVA-Türkei gelten als deutsche Versicherungszeiten Beitragszeiten und gleichgestellte Zeiten. Der allgemeine Begriff der Versicherungszeiten aus dem SVA-Türkei würde nach heutigem deutschen Verständnis dem der „rentenrechtlichen Zeiten“ entsprechen.
Beitragszeiten
Deutsche Beitragszeiten sind dabei Zeiten, für die Beiträge wirksam entrichtet wurden oder als entrichtet gelten. Zu den einzelnen Sachverhalten, die zur Anrechnung von Beitragszeiten führen, vergleiche bitte GRA zu § 51 SGB VI, Abschnitt 2.1. Ergänzend dazu gehören auch
- Beitragszeiten aus Gutschrift an Entgeltpunkten für gleichzeitige Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürften Kindes für mehrere Kinder,
- Zeiten einer fiktiven Nachversicherung,
- Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach §§ 15 und 16 FRG,
- Beitragszeiten nach dem WGSVG oder dem ZRBG,
- Beitragszeiten, die aufgrund von Versicherungslastregelungen in der Deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigten sind (vergleiche auch Abschnitt 5.1.1.1.).
Hinweis:
Sind polnische Zeiten im Sinne des DPSVA 1975 alternativ auch nach dem FRG anrechenbar, werden sie zu deutschen Versicherungszeiten im Sinne des Abkommens.
Keine deutschen Versicherungszeiten sind Beschäftigungszeiten in einem Sonderversorgungssystem einer internationalen Organisation nach dem RVIOBeschZG (siehe GRA zu § 3 RVIOBeschZG).
Versicherungslastregelungen
Zeiten, die aufgrund von Versicherungslastregelungen in die deutsche Last fallen, werden mit allen Konsequenzen zu deutschen Versicherungszeiten und sind daher im Formblatt TR 4 zu bescheinigen.
Versicherungszeiten, die auf Grund von Versicherungslastregelungen aus der deutschen Rentenversicherung ausgeschieden sind, sind so zu betrachten, als wären sie in der deutschen Rentenversicherung niemals existent gewesen. Derartige Zeiten können folglich keine deutschen Versicherungszeiten im Sinne von Art. 1 Nr. 12 SVA-Türkei sein.
Gleichgestellte Zeiten
Gleichgestellte Zeiten im Sinne von Art. 1 Nr. 11 SVA-Türkei („Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten“) sind nach heutigem Verständnis grundsätzlich die beitragsfreien Zeiten. Im Hinblick darauf, dass der heutige Begriff der „rentenrechtlichen Zeiten“ weiter als der frühere Begriff der „Versicherungszeiten“ aus dem SVA-Türkei geht, gehören zu den „gleichgestellten Zeiten“ neben den Ersatz-, Anrechnungszeiten und Zurechnungszeiten auch
- die Berücksichtigungszeiten sowie
- die wartezeitähnlichen Monate aus dem Versorgungsausgleich, Rentensplitting oder aus geringfügiger Beschäftigung (siehe GRA zu § 52 SGB VI, Abschnitt 2).
Beachte:
| Da es im türkischen Recht keine vergleichbaren Wartezeitregelungen von 35 beziehungsweise 45 Jahren (§ 50 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 und 5 SGB VI) für langjährig und besonders langjährig Versicherte gibt, wurde mit der türkischen Seite vereinbart, dass
nicht im deutschen Versicherungsverlauf (Formblatt TR 4) als deutsche Versicherungszeiten ausgewiesen werden (vergleiche auch GRA zu Art. 27 SVA-Türkei). |
| Sofern wartezeitähnliche Monate aus dem Versorgungsausgleich, Rentensplitting oder geringfügiger, versicherungsfreien Beschäftigung vorhanden sind, werden diese im TR 4 jeweils mit dem Gesamtzeitraum (Ehezeitraum oder Beschäftigungsbeginn/-ende) mitgeteilt. |
Türkische Versicherungszeiten
Nach Art. 1 Nr. 12 SVA-Türkei bedeutet der Begriff Versicherungszeiten für die türkische Seite Versicherungszeiten im Sinne der anzuwendenden türkischen Rechtsvorschriften.
Nähere Informationen über die einzelnen Rechtsgrundlagen, insbesondere in Bezug auf die früheren Träger, enthalten die GRA zu Organisation der Sozialversicherung Türkei, Abschnitt 2.1 und die GRA zu Art. 2 SVA-Türkei, Abschnitt 3.1 ff.
In der türkischen Rentenversicherung können Versicherungszeiten aufgrund von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen sowie als gleichgestellte Versicherungszeiten zurückgelegt worden sein. Das türkische Recht kennt diverse Nachzahlungsmöglichkeiten für die Versicherten.
Beitragszeiten
Das türkische Recht kennt Pflichtbeitragszeiten und Zeiten einer freiwilligen Versicherung. Nach Art. 4 Abs. 1 Gesetz Nr. 5510 sind pflichtversichert gemäß Buchstabe
a) | Personen mit einem Arbeitsvertrag - (früher zuständiger Träger SSK), |
b) | selbständig Beschäftigte - (früher zuständiger Träger Bag-Kur), |
c) | im öffentlichen Dienst Beschäftigte - (früher zuständiger Träger TCES). |
Hinweis:
Im türkischen Versicherungsverlauf TR 4 werden die Beitragszeiten daher entsprechend mit 4/a, 4/b oder 4/c bezeichnet.
Die türkischen Arbeitgeber sind verpflichtet, sowohl die vom Lohn der Arbeitnehmer abgezogenen Beiträge wie auch die von ihnen selbst zu zahlenden Beiträge an die SGK abzuführen (Art. 80 Abs. 1 Gesetz Nr. 506). Häufig kommen jedoch die Arbeitgeber ihren Beitragsverpflichtungen entweder überhaupt nicht, unzureichend oder verspätet nach. Die SGK hat das Recht, die Beitragsforderungen bei den Arbeitgebern mit Verspätungszuschlag und -zinsen einzuziehen.
Auch bei der freiwilligen Beitragsleistung hängt die Wirksamkeit der Beitragszahlung nicht von der rechtzeitigen Zahlung der Beiträge ab. Bei nicht rechtzeitiger Zahlung werden - wie bei Pflichtbeiträgen - lediglich Verspätungszinsen nach Art. 80 Gesetz Nr. 506 berechnet (Art. 85 Gesetz Nr. 506).
Für den Bereich der ehemaligen Bag-Kur (frühere Versicherungsanstalt für Selbständige) gibt es keine Verjährungsfrist für Beitragsforderungen. Auch hier haben Versicherte beziehungsweise Hinterbliebene Verspätungszinsen zu zahlen. Diese Versicherungszeiten werden allerdings erst dann im TR 4 bestätigt, wenn alle Beitragsschulden bezahlt sind, weil aus türkischer Sicht bis zur Begleichung aller Beitragsforderungen keine Vertragszeiten vorhanden sind.
Zuordnung zur knappschaftlichen Rentenversicherung
Die Zuordnung der türkischen Versicherungszeiten richtet sich nach Art. 28 Abs. 1 SVA-Türkei. Hiernach sind die türkischen Versicherungszeiten dann der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, wenn sie in bergbaulichen Betrieben unter Tage zurückgelegt worden sind und ein Beitrag aufgrund einer Beschäftigung zur knappschaftlichen Rentenversicherung gezahlt worden ist. Ist für die besonderen knappschaftlichen Rentenleistungen Voraussetzung, dass ständige Arbeiten unter Tage verrichtet worden sind, können hierfür die im türkischen Bergbau verrichteten Tätigkeiten ebenfalls berücksichtigt werden, soweit diese den nach deutschen Rechtsvorschriften maßgebenden ständigen Arbeiten unter Tage entsprechen.
Die gemäß Art. 28 Abs. 1 SVA-Türkei der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnenden türkischen Versicherungszeiten hat der türkische Versicherungsträger zusätzlich im Formblatt TR 5 aufzuführen. Grundsätzlich ist eine Zuordnung von Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung nur möglich, wenn diese vom türkischen Versicherungsträger sowohl im Formblatt TR 4 als auch im Formblatt TR 5 bescheinigt werden.
Nachzahlung von Beiträgen nach türkischem Recht
Neben der laufenden Beitragszahlung als Pflichtversicherter oder freiwillig Versicherter kennt das türkische Recht auch verschiedene Nachzahlungsmöglichkeiten, wobei insbesondere die Nachzahlung nach dem Gesetz Nr. 3201 sowohl im Hinblick auf die Anwendung von Art. 14 SVA-Türkei als auch für die Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei Bedeutung hat:
Nachzahlung nach dem türkischen Gesetz Nr. 3201
Türkische Staatsangehörige (siehe dazu auch Abschnitt 2) - sowie nach dem Tod des Versicherten seine Hinterbliebenen - können für Zeiten
- der Beschäftigung,
- der Pflegetätigkeit,
- der Arbeitslosigkeit sowie
- der Kindererziehung
im Ausland Beiträge nachentrichten. Für Zeiten der Arbeitslosigkeit dürfen Beiträge nur bis zu jeweils einem Jahr nachentrichtet werden. Die Nachentrichtungsmöglichkeit für Kindererziehungszeiten wurde von 2 auf 3 Kinder erhöht und gilt für alle Versicherten. Das Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen steht ebenfalls weiblichen türkischen Staatsangehörigen ab dem 18. Lebensjahr zu, die sich als Hausfrauen im Ausland aufgehalten haben.
Die frühere Voraussetzung, wonach für den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen die Rückkehr in die Türkei erforderlich war, ist seit dem 25.04.2003 entfallen. Der Antrag kann daher bereits bei Wohnsitz in Deutschland gestellt werden.
Den Versicherten ist es freigestellt, für die gesamte Dauer der Auslandsbeschäftigung beziehungsweise der übrigen Tatbestände oder lediglich für bestimmte Zeiträume eine Beitragsnachentrichtung vorzunehmen.
Beitragszeiten nach dem Gesetz Nr. 3201 werden mit anderen türkischen Beitragszeiten bei der Anwendung des türkischen Sozialversicherungsgesetzes Nr. 506 innerstaatlich zusammengerechnet.
Beachte:
- Die deutschen Versicherungsträger sind der Auffassung, dass das türkische Gesetz Nr. 3201 eine Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 SVA-Türkei ist und diese Rechtsansicht wird auch vom Bundesminister für Arbeit und Soziales als zuständiger Behörde im Sinne von Art. 1 Nr. 3 SVA-Türkei geteilt.
Die SGK vertritt jedoch die Rechtsauffassung, dass die nach den türkischen Sondervorschriften nachgezahlten Beiträge für die Rentenversicherung nicht unter den sachlichen Geltungsbereich nach Art. 2 SVA-Türkei fallen (siehe dazu auch Abschnitt 3).
Trotz dieser unterschiedlichen Rechtsauffassungen hat das LSG Berlin die Anrechenbarkeit eines in der Türkei entrichteten freiwilligen Beitrags, der zur Erfüllung der Wartezeit fehlte, schon aufgrund der Tatsache bejaht, dass dem Versicherten aus den freiwilligen Beiträgen eine Rente vom türkischen Versicherungsträger zugebilligt worden war (LSG Berlin vom 26.11.1997, AZ: L 6 J 4/93). Die Auffassung des türkischen Rentenversicherungsträgers, die entsprechenden Rechtsgrundlagen seien keine Rechtsvorschriften im Sinne des SVA-Türkei, sei nicht bindend. Die Revision gegen dieses Urteil wurde zurückgewiesen. Mangels entsprechender Verfahrensrüge an die Feststellungen des LSG zum ausländischen Recht, hat das BSG keinen Verstoß gegen das SVA-Türkei erkennen können (BSG vom 07.07.1998, AZ: B 5 RJ 2/98 R). - Anlässlich der VSB 2018, TOP 6 DE konnte aber Einvernehmen diesbezüglich erzielt werden, dass die Dienststellen der SGK die Beiträge nach dem Gesetz Nr. 3201 im türkischen Versicherungsverlauf TR 4 mitteilen und mit dem Zusatz "N" versehen werden; im TR4 wird auch das Datum der Einzahlung vermerkt beziehungsweise sollte dieses nicht angegeben worden sein, muss es von deutscher Seite bei der SGK erfragt werden. Somit stehen für die Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei auch diese türkischen Versicherungszeiten zur Verfügung und werden von deutschen Trägern entsprechend berücksichtigt.
- Sofern Leistungen in der Vergangenheit von deutscher Seite abgelehnt wurden oder nunmehr durch die Anrechnung der nachentrichteten Beiträge im Einzelfall eine günstigere Leistung für die rentenberechtigte Person möglich ist, werden Ansprüche auf Antrag überprüft und im Rahmen von § 44 SGB X neu festgestellt.
Nachzahlung von Pflichtbeiträgen
Nach Art. 79 Abs. 8 Gesetz Nr. 506 ist eine Beschäftigungszeit als Versicherungszeit anzuerkennen, wenn aufgrund eines Beschlusses des Arbeitsgerichtes festgestellt wird, dass der Beschäftigte trotz der Nichtleistung der Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber tatsächlich im Betrieb versicherungspflichtig gearbeitet hat. Die Versicherungsbeiträge sind durch den Arbeitgeber nachzuzahlen. Die entsprechende Feststellungsklage muss innerhalb von zehn Jahren, beginnend mit Ablauf des Jahres, in dem die Beschäftigung endete, beim Arbeitsgericht anhängig gemacht werden.
Die türkischen Versicherungsträger sehen Beiträge, die für nichtversicherte türkische Beschäftigungsverhältnisse erst nach dem Leistungsfall entrichtet wurden, als rechtzeitig geleistete Pflichtbeiträge an. Diese Verfahrensweise im türkischen Recht ist von den deutschen Trägern im Rahmen der Anwendung des SVA-Türkei zu übernehmen und die von der türkischen Verbindungsstelle als anrechenbar bestätigten Versicherungszeiten sind für den Anspruchserwerb nach Art. 27 SVA-Türkei zu berücksichtigen. Der Beginn der deutschen Rentenleistung wird durch die Nachzahlung nach türkischem Recht nicht berührt.
Hinweis:
Hat jedoch ein Selbständiger seine Beiträge nicht vollständig entrichtet und werden die geschuldeten Beiträge zur Erfüllung der deutschen Wartezeit nachgezahlt, wird die Wartezeit erst mit Entrichten des letzten geschuldeten Beitrages erfüllt. Bis zur vollständigen Begleichung der Beitragsforderungen sind keine Vertragszeiten vorhanden. Die Rente beginnt in diesem Fall mit Ablauf des Monats der tatsächlichen Beitragsentrichtung (vergleiche auch Abschnitt 5.2.1).
Wehrdienst und Nachzahlung für den Militärdienst
Während der Ableistung des Wehrdienstes besteht keine Versicherungspflicht und folglich entstehen keine Versicherungszeiten. Die Dauer des gesetzlichen Wehrdienstes in Türkei beträgt ab:
14.07.1950 ist gleich | 3 Jahre bei der Marine 20 Monate bei der Gendarmerie und beim Zoll 2 Jahre bei den anderen Einheiten |
01.02.1963 ist gleich | 24 Monate |
27.07.1970 ist gleich | 20 Monate |
01.03.1985 ist gleich | 18 Monate |
10.09.1992 ist gleich | 15 Monate |
06.01.1995 ist gleich | 18 Monate |
23.07.2003 ist gleich | 15 Monate |
Soweit bereits ein Hochschulabschluss vorliegt, ist nur noch ein Wehrdienst von 12 Monaten zu leisten.
Arbeitnehmer im Ausland können nach einer Sonderregelung einen verkürzten Wehrdienst ableisten, wenn hierfür ein bestimmter Betrag entrichtet wird. Der verkürzte Wehrdienst beträgt für die Zeit ab:
20.03.1980 ist gleich | 2 Monate |
01.06.1992 ist gleich | 1 Monat |
Nach Art. 60 Buchst. F Gesetz Nr. 506 können türkische Versicherte für die Zeit ihres Militärdienstes Beiträge zur türkischen Rentenversicherung nachzahlen. Dieses Recht steht nach dem Tode des Versicherten auch seinen Hinterbliebenen zu. Die nachgezahlten Beiträge sind nach türkischem Recht auch auf einen bereits eingetretenen Leistungsfall, mit Wirkung von dem der Einzahlung der Nachzahlung folgenden Monatsersten, anrechenbar.
Die Nachzahlung ist, sofern noch keine türkische Rente bezogen wird, ohne Altersbegrenzung jederzeit zulässig. Für die Antragstellung sind weder Fristen einzuhalten noch andere Voraussetzungen zu erfüllen. Der Versicherte, der einen Antrag auf Nachzahlung gestellt hat und dem daraufhin die Höhe des Nachzahlungsbetrages mitgeteilt wurde, hat die Nachzahlungssumme jedoch ab Zustellungsdatum der Mitteilung innerhalb von zwei Jahren in Raten oder in einem Betrag zu entrichten.
Zur Frage der Anrechenbarkeit derartiger Beiträge auf die deutsche Wartezeit im Wege der Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei hat das BSG entschieden (BSG vom 21.02.1989, AZ: 5/4a RJ 35/87, SozR 6930 Art. 27 Nr. 3), dass nach dem Wortlaut des Art. 27 SVA-Türkei die Anrechenbarkeit der türkischen Beiträge ausschließlich von der Rechtswirksamkeit und der Anrechenbarkeit nach türkischem Recht abhängt. Insbesondere wird durch die Nachzahlung für Zeiten des Militärdienstes eine Gleichstellung des türkischen Versicherten im Sinne des Art. 27 SVA-Türkei mit den deutschen Versicherten in Bezug auf Beitragszeiten im Falle der Wehrdienstleistung erreicht. Diesem Urteil folgen die deutschen Versicherungsträger. Demnach sind die nach Eintritt eines Leistungsfalles für den in der Zeit vor Eintritt des Leistungsfalles absolvierten türkischen Wehrdienst nachgezahlten türkischen Beiträge auch auf diesen Leistungsfall anrechenbar. Dies gilt auch dann, wenn erst nach dem Tode des Versicherten die Hinterbliebenen von der Beitragsnachzahlung Gebrauch machen.
Nach den türkischen Vorschriften haben diese nachgezahlten Beiträge die Rechtswirkung von freiwilligen Beiträgen; es handelt sich also nicht um Pflichtbeitragszeiten.
Nachzahlung für Geburten
Mit Art. 41 Buchst. a Gesetz Nr. 5510 der Türkei vom 31.05.2006 (in der Fassung des Gesetzes Nr. 5754, Art. 67 vom 17.04.2008) wurde für Frauen eine neue Nachentrichtungsmöglichkeit für Zeiten der Geburt und des Mutterschaftsurlaubes geschaffen. Nach dieser Vorschrift können für Zeiten der Geburt und des Mutterschaftsurlaubes für bis zu drei Kinder für die ersten zwei Jahre nach der Geburt freiwillige Beiträge nachentrichtet werden (720 Beitragstage), also insgesamt für maximal sechs Jahre (2160 Beitragstage). Jede Berechtigte kann bis zu zwei Mal diese Nachentrichtung beantragen. Die nachentrichteten Beiträge gelten nicht für den Tatbestand des „erstmaligen Versicherungseintritts“.
Die nachgezahlten freiwilligen Beiträge werden von der SGK mit dem Versicherungsverlauf TR 4 als Abkommenszeiten gemeldet. Sie werden bei der Anwendung von Art. 27 SVA-Türkei als freiwillige Beiträge berücksichtigt.
Voraussetzungen für die Nachentrichtung sind, dass mindestens ein (echter) Beitrag zur SGK geleistet wurde, das Kind im Nachzahlungszeitraum gelebt hat und im Nachzahlungszeitraum kein Beschäftigungsverhältnis aufgrund eines Arbeitsvertrages vorgelegen hat.
Beachte:
Nach türkischem Rentenrecht steht die Nachentrichtungsmöglichkeit nach dem Gesetz Nr. 5510 auch nach einem bereits eingetretenen Leistungsfall der Invalidität zu. Selbst Hinterbliebene können nach dem Tod der Versicherten hiervon noch Gebrauch machen. Ein Rentenantrag darf allerdings erst nach Abschluss der Nachentrichtung, das heißt mit Einzahlung des Nachentrichtungsbetrages gestellt werden. Die türkische Rente beginnt in diesen Fällen frühestens mit dem Folgemonat der Antragstellung.
Gleichgestellte Zeiten
Nach türkischem Recht gelten als „gleichgestellte Zeiten“ im Sinne des Art. 1 Nr. 11 SVA-Türkei zusätzliche Versicherungszeiten für Wechselbeschäftigungen, Zeiten der Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes und die Dienstzulagen.
- Wechselbeschäftigungen als Versicherungszeit bei der ehemaligen SSK
Wechselbeschäftigung unter Tage im türkischen Bergbau bedeutet, dass jeweils eine bestimmte Gruppe der Belegschaft einen Monat lang arbeitet und anschließend für zwei Monate aussetzt. Nach Art. 60 Buchst. F Gesetz Nr. 506 wird zu den Beitragszeiten der Versicherten, die in bergbaulichen Betrieben unter Tage während mindestens 1800 Tagen Wechselbeschäftigung ausgeübt haben, 1/4 dieser Zeiten hinzugerechnet (Hinzurechnungszeiten). Die Gesamtzeit gilt als Beitragszeit.
Art, Umfang und Anrechenbarkeit der zu berücksichtigenden türkischen Zeiten richten sich ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Hinzurechnungszeiten können allerdings nicht gemäß Art. 28 Abs. 1 SVA-Türkei als knappschaftliche Zeiten berücksichtigt werden, da sie nicht tatsächlich unter Tage zurückgelegt worden sind. Die SGK nimmt deshalb solche zusätzlichen Zeiten nur im Vordruck TR 4, nicht aber im Vordruck TR 5 auf. - Zeiten der der Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes
Versicherungszeiten, die nach dem 01.10.2008 von weiblichen Versicherten zurückgelegt werden, die ein pflegebedürftiges Kind mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60% haben, werden ebenfalls um 25% erhöht (Art. 28 Abs. 8 Gesetz Nr. 5510). - Dienstzulagen als Versicherungszeit zur ehemaligen Pensionskasse (TCES)
Nach dem türkischen Pensionskassengesetz 5434 werden von der Pensionskasse für bestimmte Berufsgruppen (zum Beispiel Bergleute in den staatlichen Bergwerksbetrieben, Lokführer und -heizer, Schiffsheizer), die eine schwere und gefährliche Tätigkeit ausüben, Dienstzulagen gewährt. Für die Dauer der tatsächlichen Verrichtung dieser Tätigkeit erhalten die Versicherten für jedes Jahr 2 bis 6 Monate als Dienstzulage angerechnet. Diese Hinzurechnungszeiten dürfen höchstens 8 Jahre betragen. Die Dienstzulagen werden gesondert im Formblatt TR 4 bestätigt.
Diese gleichgestellten Zeiten können bei der Anspruchsprüfung nach Art. 27 SVA-Türkei nur insoweit berücksichtigt werden, wie sie in den zurückgelegten Versicherungszeiträumen untergebracht werden können.
Abfindung/Erstattung/ Wiederbelebung von Beiträgen
Das türkische Recht kennt neben der Erstattung auch eine Abfindung von Beiträgen. Beiträge, deren Abfindung beziehungsweise Erstattung nicht beantragt wird, können unter bestimmten Voraussetzungen als verjährt gelten. Abgefundene, erstattete oder vom türkischen Versicherungsträger als verjährt erklärte Beiträge, dürfen für die Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei nicht berücksichtigt werden. Sie begründen auch nicht die Zuständigkeit der Verbindungsstelle.
Abgefundene, erstattete oder verjährte Beiträge können jedoch „wiederbelebt“ werden. In welchem Umfang und mit welcher Rechtsqualität diese Beiträge anrechnungsfähig sind, richtet sich allein nach türkischem Recht. Werden derartige Beiträge vom türkischen Versicherungsträger im zwischenstaatlichen Verfahren auf dem vereinbarten Vordruck TR 4 bestätigt, entfaltet dieser Vorgang Tatbestandswirkung in dem Sinne, dass der zuständige deutsche Träger von der Anrechnungsfähigkeit der Beiträge nach türkischem Recht auszugehen hat. Dies gilt auch dann, wenn das Entrichtungsdatum der wiedereingezahlten Beiträge erst nach dem Eintritt des deutschen Leistungsfalles liegt.
Recht der ehemaligen SSK
Nach dem Gesetz Nr. 506:
- Erstattungen mangels Wartezeit
Art. 64 beziehungsweise Art. 71 Gesetz Nr. 506 kennen Ansprüche auf Beitragserstattungen in voller Höhe (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil), wenn Invaliditäts- oder Alters- beziehungsweise Hinterbliebenenrenten mangels Wartezeit nicht anfallen. Eine Möglichkeit zur Wiederbelebung (Rückzahlung der erstatteten Beiträge) gibt es nicht. - Erstattungen wegen Heirat
Nach dem Zusatzartikel 1 zu Art. 64 Gesetz Nr. 506 besteht die Möglichkeit einer Erstattung von Beiträgen an weibliche Versicherte wegen Heirat und damit verbundener Beschäftigungsaufgabe.
Nimmt die Versicherte danach erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf und zahlt sie die erstatteten Beiträge zuzüglich der ab dem Erstattungsdatum berechneten Zinsen zurück, so werden die früheren Beiträge wieder berücksichtigt.
Recht der ehemaligen TCES
Nach dem Pensionskassengesetz (Gesetz Nr. 5434):
- Abfindung mangels Wartezeit
Nach Art. 82 Gesetz Nr. 5434 gibt es unter anderem ein Recht auf Abfindung der Beiträge, wenn bei Erreichen der Altersgrenze oder bei Eintritt der Invalidität oder bei Tod des Versicherten weniger als 10 Jahre Beitragszeiten zurückgelegt sind. - Erstattung bei Beschäftigungsaufgabe
Bei freiwilliger oder unfreiwilliger Aufgabe einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von 5 bis weniger als 10-jähriger Dauer besteht nach Art. 87 Gesetz Nr. 5434 ein Erstattungsanspruch (Erstattung der Arbeitnehmeranteile).
Für die vorgenannte Abfindung beziehungsweise Erstattung ist auch eine Verjährung im Gesetz Nr. 5434 geregelt:
Die Abfindung nach Art. 82 und die Erstattung nach Art. 87 Gesetz Nr. 5434 erfolgen nur auf Antrag. Beiträge, deren Abfindung beziehungsweise Erstattung nicht innerhalb von 5 Jahren beantragt wird, gelten als verjährt (Art. 117 Gesetz Nr. 5434). Die Wirkung der Verjährung tritt jedoch dann nicht ein, wenn innerhalb von 5 Jahren seit Aufgabe der pensionskassenpflichtigen Beschäftigung der erneute Eintritt in eine türkische (Beschäftigter im Öffentlichen Dienst oder Arbeitnehmer) oder deutsche versicherungspflichtige Beschäftigung erfolgt. Für die Zeit vor dem 01.08.1972 (= Inkrafttreten des Änderungsabkommens vom 28.05.1969) ist die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach deutschem Recht dagegen ohne Einfluss auf die Verjährung. Allerdings kommt es in einem derartigen Fall dennoch zur Unterbrechung der Verjährung, wenn der nach dem 31.07.1972 entrichtete erste Pflichtbeitrag noch innerhalb der 5-Jahresfrist liegt.
Siehe Beispiel 3
Folgen der Beitragserstattung bei türkischer Wanderversicherung
Die Regelungen der türkischen Wanderversicherung (Gesetz Nr. 228) gelten im Übrigen nicht für türkische Beitragserstattungen. War ein Versicherter zum Beispiel zunächst 2 Jahre bei der früheren SSK und danach 6 Jahre bei der Pensionskasse versichert, so hat er nach seiner Beschäftigungsaufgabe einen Anspruch auf Erstattung gegenüber der TCES. Für die Berechnung der Versicherungsdauer werden die SSK-Beiträge nicht mitgerechnet. Beantragt der Versicherte bei der TCES die Erstattung, bleiben die Beiträge zur SSK stehen, da dieser Versicherungsträger keine dem Art. 87 Gesetz Nr. 5434 entsprechende Vorschrift kennt.
Dienstzeiten von weniger als 5 oder mindestens 10 Jahren
Personen, die bei Aufgabe der Beschäftigung eine aktive Dienstzeit von weniger als 5 Jahren zurückgelegt haben, besitzen keinen Anspruch auf Beitragserstattung nach Art. 87 Gesetz Nr. 5434. Die Beiträge verjähren deshalb auch nicht und können später mit weiteren türkischen aber auch im Rahmen des SVA-Türkei mit deutschen Beiträgen zusammengerechnet werden.
Personen, die mindestens 10 Jahre einen Dienst geleistet haben, besitzen spätestens mit Vollendung ihres 60. Lebensjahres einen Anspruch auf Rente. Für diesen Personenkreis scheiden Erstattungen ebenfalls aus (Art. 88 Gesetz Nr. 5434).
Wiederbelebung von Beiträgen
Personen, deren Beiträge tatsächlich abgefunden beziehungsweise erstattet wurden oder deren Beiträge verjährt sind, können diese nach erneuter Beschäftigungsaufnahme gemäß Art. 102 Gesetz Nr. 5434 wieder einzahlen.
Die Wiederbelebung der Beiträge ist auch nach dem Tod des Versicherten durch die Witwe beziehungsweise Waise möglich, wenn der entsprechende Antrag innerhalb von 6 Monaten nach der Beendigung des letzten Dienstverhältnisses gestellt wird.
Siehe Beispiel 4
Umrechnung der türkischen Beitragstage
Die maßgebende Zeiteinheit nach türkischem Recht ist grundsätzlich der Beitragstag (Ausnahme ehemalige TCES). Art. 38 SVA-Türkei regelt die Umrechnung der türkischen Beitragstage in die deutsche Zeiteinheit. Auf die GRA zu Art. 38 SVA-Türkei wird verwiesen.
Geldleistungen und Renten
In Art. 1 Nr. 13 und Nr. 14 SVA-Türkei wird definiert, was als Geldleistung und als Rente im Sinne des SVA-Türkei zu verstehen ist.
Nach deutschem Verständnis ist dabei der Begriff „Geldleistung“ als Oberbegriff zu verstehen, unter den letztlich auch eine Rente subsummiert werden kann. Im SVA-Türkei wird der Begriff Geldleistung regelmäßig immer dann in Abkommensregelungen verwandt, wenn es um Bestimmungen geht, die für alle Versicherungszweige, die vom sachlichen Geltungsbereich in Art. 2 SVA-Türkei erfasst werden, geht (zum Beispiel Art. 4a SVA-Türkei und Art. 49 SVA-Türkei).
Hinweis:
In Bezug auf die Anwendung von Art. 49 Abs. 3 SVA-Türkei vertritt die SGK gegenwärtig die Auffassung, dass sie Erstattungsansprüche von deutschen Fürsorgeträgern (zum Beispiel Sozialhilfe-/Grundsicherungsträgern) nicht berücksichtigen könne, da die SGK keine „Geldleistungen“, sondern „Renten“ auszahlt (was nach deutscher Lesart durchaus „Geldleistungen“ sind). Auch diese Problematik soll auf der Ebene der zuständigen Behörden geklärt werden. Vergleiche auch GRA zu Art. 49 SVA-Türkei.
- Beispiel 1: Nachzahlung für den türkischen Militärdienst
- Beispiel 2: Nachzahlung für den türkischen Militärdienst
- Beispiel 3: Recht der TCES - Verjährung von Beiträgen
- Beispiel 4: Recht der TCES - Wiederbelebung abgefundener, erstatteter beziehungsweise verjährter Beiträge
Beispiel 1: Nachzahlung für den türkischen Militärdienst
(Beispiel zu Abschnitt 5.3.3)
Versicherter verstorben am 04.09.2017
Antragstellung Hinterbliebenenrente am 08.11.2017
Deutsche Versicherungszeiten gleich 46 Kalendermonate,
Nachzahlung für türkischen Wehrdienst (Februar 1979 bis September 1980) gleich 20 Beitragsmonate durch die Hinterbliebenen mit Beitragszahlung am 06.10.2018.
Lösung:
Durch die Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei ist die deutsche Wartezeit für die Hinterbliebenenrenten erfüllt.
Leistungsfall: 04.09.2017
Rentenbeginn gleich 01.11.2018 (Nachmonat der Beitragszahlung).
Beispiel 2: Nachzahlung für den türkischen Militärdienst
(Beispiel zu Abschnitt 5.3.3)
Versicherter erwerbsgemindert ab 03.09.2017
Antragstellung auf Versichertenrente am 04.01.2018
Deutsche Versicherungszeiten gleich 46 Kalendermonate,
Nachzahlung für türkischen Militärdienst (Februar 1979 bis September 1980) gleich 20 Beitragsmonate, Einzahlung am 06.07.2018.
Lösung:
Durch die Zusammenrechnung nach Art. 27 SVA-Türkei ist die deutsche Wartezeit für die Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt.
Leistungsfall: 03.09.2017
Rentenbeginn: 01.08.2018
Beispiel 3: Recht der TCES - Verjährung von Beiträgen
(Beispiel zu Abschnitt 5.5.2) | |
Türkische Pflichtbeiträge vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 | 74 Monate |
Deutsche Pflichtbeiträge vom 01.04.2000 bis 30.09.2000 | 6 Monate |
Türkische Pflichtbeiträge vom 15.12.2011 bis 07.01.2014 | 25 Monate |
Tod des Versicherten am 07.01.2014 | |
Antrag auf Witwenrente am 17.02.2015 | |
Lösung: | |
Nach Auskunft der TCES ist in diesem Fall durch die Aufnahme der deutschen versicherungspflichtigen Beschäftigung am 01.04.2000 eine Verjährung der türkischen Beiträge für die Zeit vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 nicht eingetreten. Unter Berücksichtigung der türkischen Beitragszeiten nach Art. 27 SVA-Türkei ist die Wartezeit erfüllt. Die Witwenrente beginnt nach § 99 Abs. 2 SGB VI am 01.02.2014. |
Beispiel 4: Recht der TCES - Wiederbelebung abgefundener, erstatteter beziehungsweise verjährter Beiträge
(Beispiel zu Abschnitt 5.5.2.2) | |
Türkische Militärdienstzeit vom 26.11.1988 bis 26.05.1990 | |
Deutsche Beitragszeit vom 01.04.1993 bis 30.09.1993 | 6 Monate |
Türkische Beitragszeit vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 | 74 Monate |
Türkische Beitragszeit aufgrund erneuter versicherungspflichtiger Beschäftigung | 25 Monate |
vom 15.12.2011 bis 07.01.2014 | |
Tod des Versicherten am 07.01.2014 | |
Lösung: | |
Die Beitragszeit vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 war erstattungsfähig. Der Versicherte beantragte jedoch nicht innerhalb von 5 Jahren die Beitragserstattung; er übte innerhalb dieser Frist auch keine erneute versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Die Beiträge sind deshalb nach Art. 117 Gesetz Nr. 5434 verjährt. | |
Anrechnungsfähige türkische Beiträge demnach | 25 Monate |
Nach Aufklärung durch die Pensionskasse Antragstellung auf Wiederbelebung der Beiträge vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 und auf Beitragsnachentrichtung für die Militärdienstzeit vom 26.11.1988 bis 26.05.1990 | |
durch die Witwe am | 20.05.2014 |
Durch die Wiederbelebung der Beiträge vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 und die Nachentrichtung für die Militärdienstzeit sind nunmehr an türkischen Beiträgen zu berücksichtigen | 117 Monate |
Antrag auf Witwenrente am | 17.05.2014 |
Beginn der deutschen Witwenrente: Durch die Wiederbelebung der Pflichtbeitragszeit vom 01.02.1994 bis 01.03.2000 gelten diese Pflichtbeiträge als wirksame Beiträge nach türkischem Recht. Die Wartezeit für die deutsche Witwenrente ist unter Berücksichtigung der türkischen Pflichtbeitragszeiten erfüllt. Der Beginn der Witwenrente ist dann nicht vom Zeitpunkt der Einzahlung der Beiträge abhängig, wenn die nach Eintritt des Leistungsfalles wieder eingezahlten Pflichtbeiträge als rechtzeitig geleistete Pflichtbeiträge gelten. In diesem Falle würde der Anspruch auf Witwenrente nach § 99 Abs. 2 SGB VI bereits ab 07.01.2014 bestehen. Wird der Rentenanspruch nach türkischem Recht erst mit dem der Wiedereinzahlung der Beiträge folgenden Monatsersten erworben, dann wirkt sich diese Anspruchsbegründung auch auf die deutsche Witwenrente aus. Die Rechtswirksamkeit der wieder eingezahlten Pflichtbeiträge ist deshalb im Einzelfall mit der Pensionskasse abzuklären. |
Gesetz zu dem Zusatzabkommen (ZA) vom 02.11.1984 |
Inkrafttreten: 20.12.1986 (Gesetz), 01.04.1987 (Abkommen) Quellen: BGBl. 1986 II S. 1038 ff., BGBl. 1987 II S. 188 |
Durch Artikel 1 Nummer 1 des Zusatzabkommens wurde Art. 1 Nr. 3 SVA-Türkei neu gefasst.
Gesetz zu dem Abkommen vom 30.04.1964 |
Inkrafttreten: 22.09.1965 (Gesetz), 01.11.1965 (Abkommen) Quellen: BGBl. 1965 II S. 1169 ff., BGBl. 1965 II S. 1588 |
Mit dem vorgenannten Gesetz wurde das Abkommen Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.