Organisation der Sozialversicherung Türkei
veröffentlicht am |
25.01.2020 |
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Änderung | Schreibfehler berichtigt |
Stand | 22.10.2019 |
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Version | 003.00 |
- Organisation der gesetzlichen Sozialversicherung
- Die gesetzliche Rentenversicherung
- Krankenversicherung
Organisation der gesetzlichen Sozialversicherung
Das türkische Gesetz Nr. 5510 über die Sozialversicherung und Allgemeine Krankenversicherung (Sosyal Sigortalar ve Genel Saglik Sigortasi Kanunu) ist am 31.05.2006 verkündet worden und trat grundsätzlich am 01.10.2008 in Kraft.
Folgende Versicherungszweige fallen unter das Gesetz Nr. 5510:
- Die Allgemeine Krankenversicherung,
- die Rentenversicherung,
- die Unfallversicherung und
- die Mutterschaftsversicherung.
Die vorgenannten Versicherungszweige werden für die türkische Seite auch vom sachlichen Geltungsbereich des SVA-Türkei erfasst (vergleiche auch GRA zu Art. 2 SVA-Türkei). In der Türkei gibt es keine Pflegeversicherung.
Die Arbeitslosenversicherung wird in einem besonderen System von der türkischen Arbeitsanstalt (Iskur) durchgeführt und hat mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (Gesetz Nr. 4447 - Issizlik Sigortasi Kanunu) eine eigene Rechtsgrundlage, wobei die Beiträge von der Sozialversicherungsanstalt eingezogen werden.
Nähere Informationen über die Ausgestaltung der türkischen Sozialversicherung stehen in deutscher Sprache auf der Website der Anstalt für Soziale Sicherheit (SGK) unter „Das Soziale Sicherheitssystem“ zur Verfügung www.sgk.gov.tr).
Die Anstalt für Soziale Sicherheit
Träger für die im Abschnitt 1 genannten Versicherungszweige (Ausnahme: Arbeitslosenversicherung) ist die Anstalt für Soziale Sicherheit - Sosyal Güvenlik Kurumu - (kurz: SGK).
Die Leistungen, die von der SGK erbracht werden, unterteilen sich in Geldleistungen
- der Kurzzeitversicherung (Leistungen bei Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Krankheit und Mutterschaft),
- der Langzeitversicherung (Leistungen bei Alter, Invalidität und an Hinterbliebene), sowie
- Sachleistungen der Krankenversicherung (vergleiche auch Abschnitt 3).
Die SGK ist somit Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträger in einer Funktion. Sie ist im Rahmen des SVA-Türkei auf türkischer Seite die Verbindungsstelle für die drei vorgenannten Versicherungszweige.
Die Organisationsstruktur der SGK ist im Sozialversicherungsanstaltsgesetz (Sosyal Güvenlik Kurumu Kanunu) geregelt. Die SGK besteht aus drei Organen:
- Generalversammlung,
- Vorstand (wobei der Vorstandsvorsitzende zugleich Präsident der SGK ist) und
- Präsidium.
Dem Präsidium als Exekutivorgan sind vier Generaldirektionen und zwei weitere Bereiche angegliedert:
- Generaldirektion für Rentenversicherung,
- Generaldirektion für Versicherungsbeiträge,
- Generaldirektion für die Allgemeine Krankenversicherung,
- Generaldirektion für Dienstleistungen,
- Aufsichtsabteilung und
- Fondsverwaltungsabteilung.
Sitz der Hauptverwaltung der SGK ist Ankara.
Die gesetzliche Rentenversicherung
Die türkische Rentenversicherung ist Versicherungszweig im Sinne des Gesetzes Nr. 5510 und wird seit 01.10.2008 von der SGK verwaltet.
Die Rentenversicherung in der Türkei ist beitragsfinanziert. Alle Arbeitnehmer, inklusive der Staatsbediensteten, und die Selbständigen sind grundsätzlich pflichtversichert. Der Beitragssatz für die Rentenversicherung beträgt 20%, wovon regelmäßig 11 % vom Arbeitgeber und 9 % vom Arbeitnehmer getragen werden. Selbständige tragen die Beiträge alleine. Beiträge werden bis zu einer festgelegten Beitragsbemessungsgrenze vom Bruttoentgelt abgeführt. Eine freiwillige Versicherung ist möglich und insbesondere die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem Gesetz Nr. 3201 (vergleiche GRA zu Art. 1 SVA-Türkei) spielt eine große Rolle bei der Anwendung des SVA-Türkei. Neben den Beiträgen wird ein Staatszuschuss zur Rentenversicherung geleistet.
Eine wichtige Zielsetzung des Gesetzes Nr. 5510 war der Aufbau einer neuen Organisationsstruktur. Ziel war die Schaffung eines einheitlichen Trägers für die Versicherungszweige, die vom Gesetz Nr. 5510 erfasst werden. Die bisherigen Träger wurden daher mit Wirkung vom 01.10.2008 zu einem gemeinsamen Träger - SGK - zusammengelegt und die vorherigen unterschiedlichen Rechtsgrundlagen sind nunmehr im Gesetz Nr. 5510 als einheitliche Rechtsgrundlage zusammengefasst worden. Davor gab es in der Türkei verschiedene Rentenversicherungsträger (vergleiche Abschnitt 2.1), was sich heute noch in der Darstellung der türkischen Versicherungszeiten wiederspiegelt (vergleiche GRA zu Art. 1 SVA-Türkei, Abschnitt 4.2).
Nähere Informationen zu den Leistungen der türkischen Rentenversicherung enthält die GRA zu Leistungen der Rentenversicherung Türkei.
Rentenversicherung vor dem 01.10.2008
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 5510 am 01.10.2008 wurde die Rentenversicherung für bestimmte Berufsgruppen in eigenen Gesetzen unterschiedlich geregelt (vergleiche GRA zu Art. 2 SVA-Türkei, Abschnitt 3.1) und von eigenständigen Trägern durchgeführt. Dies waren die
- Sosyal Sigortalar Kurumu (kurz: SSK): Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmer in der Landwirtschaft,
- Bag-Kur Esnaf ve Sanatkarlar ve Diger Bagimsiz Calisanlar Sosyal Sigortalar Kurumu (kurz: Bag-Kur): Pensionsversicherungsanstalt für Selbständige und Handwerker, Freiberufler und Künstler,
- Tükiye Cumhuriyeti Emekli Sandigi (kurz: TCES): Pensionsversicherungsanstalt der Beamten und Angestellten des Staates) und
- die Pensionskassen der Banken und Versicherungsgesellschaften als Sondersysteme außerhalb der SSK für die dort Beschäftigten. Sie sind seit 01.04.1987 in das SVA-Türkei einbezogen und wurden von der SSK als Verbindungsstelle vertreten.
Die bei den ehemaligen Trägern zurückgelegten Zeiten haben bis heute noch Bedeutung bei der Darstellung der türkischen Versicherungszeiten im Vordruck TR 4 (vergleiche zu GRA zu Art. 1 SVA-Türkei, Abschnitt 4.2).
Zuständigkeit im zwischenstaatlichen Verfahren
Verbindungsstelle für die Rentenversicherung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 SVA-Türkei ist heute die SGK und alle Verfahrensabsprachen zur Umsetzung des SVA-Türkei erfolgen mit der Generaldirektion für Rentenversicherung in Ankara (vergleiche auch Abschnitt 1.1). Dort wird unter anderem auch das Sonderzahlverfahren (vergleiche GRA zu Art. 40 SVA-Türkei) für Rentenzahlungen der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern an Berechtigte mit Wohnsitz in der Türkei sowie das Listenzahlverfahren für türkische Rentenbezieher mit deutscher Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Deutschland betreut. Die eigentliche Rentensachbearbeitung wurde auf die Zweigstellen in den 81 Provinzen und über 400 Dienstleistungszentren (SGK merkezi) der SGK verteilt, wo auch die zwischenstaatlichen Rentenverfahren bearbeitet werden, soweit die Hauptverwaltung nicht zuständig geblieben ist. Nicht alle Dienstleistungszentren sind dabei für die Bearbeitung von Auslandsfällen zuständig; dort können zwar immer die Anträge gestellt werden, diese müssen dann aber an die zuständige (Zweig-)Dienststelle der SGK weitergeleitet werden.
Zuständig für das zwischenstaatliche Verfahren ist danach grundsätzlich die Zweigstelle des letzten Beschäftigungsortes in der Türkei. Auf den (innerstaatlichen) türkischen Versicherungsverläufen befinden sich neben den Angaben zu den Versicherungszeiten (Beschäftigungstage, Jahre) auch die Kennziffern des Beschäftigungsortes der betreffenden Provinzdirektion beziehungsweise Sozialversicherungszentren (IL/SUBE ist gleich Ort/Zweigstelle). Wird seitens der Versicherten ein türkischer Versicherungsverlauf vorgelegt, ist es grundsätzlich möglich, durch die Ortskennzahl den letzten Beschäftigungsort und somit die zuständige Provinzdirektion festzustellen. Das Verzeichnis der Provinzdirektionen/Sozialversicherungszentren steht in rvDialog zur Verfügung; dort ist auch die Anschrift der Hauptverwaltung in Ankara hinterlegt. Wichtig ist, dass den SGK-Dienststellen immer die KIMLIK-Nummer der Person, ihr letztes Aktenzeichen und – falls es schon einmal Schriftwechsel gab – eventuell eine Kopie des letzten SGK-Schreibens mitgesandt wird, damit dort eine problemlose Zuordnung erfolgen kann.
Hinweis:
Sofern die zuständige Zweigstelle in der Türkei nicht bekannt ist, kann das Verfahren über die Generaldirektion in Ankara eingeleitet werden. Wenn sich im weiteren Verfahrensverlauf die Zuständigkeit einer bestimmten Zweigestelle der SGK ergibt, ist das Verfahren dann mit dieser Stelle zu führen.
Krankenversicherung
Grundlage für das neue Krankenversicherungssystem sind die Bestimmungen in den Artikeln 60 - 78 des Gesetzes Nr. 5510 über Sozialversicherungen und die Allgemeine Krankenversicherung. Die Regelungen über die Allgemeine Krankenversicherung wurden erst zum 01.01.2012 in Kraft gesetzt.
Die Einführung von einheitlichen Leistungen war eines der wichtigsten Ziele der Reformen aus dem Gesetz Nr. 5510, da diese zuvor bei den unterschiedlichen Trägern unterschiedlich ausgestaltet waren. Die obligatorische Krankenversicherung erbringt heute unter anderem Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Unter bestimmten Voraus-setzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich.
Die türkische Krankenversicherung ist als beitragsfinanzierte Pflichtversicherung konzipiert. Grundsätzlich sind alle Einwohner der Türkei, inklusive ausländischer Staatsangehöriger, die länger als ein Jahr ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei haben, pflichtversichert.
Die Versichertengruppen kann man dabei wie folgt differenzieren:
- Beschäftigte (Arbeitnehmer/Beamte) und Selbständige, die Beiträge von ihrem Entgelt/Einkommen abführen müssen:
Die Beitragshöhe von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen liegt bei 12,5 % des Bruttolohns, wovon 5 % von Arbeitnehmer- und 7,5 % von Arbeitgeberseite beglichen werden. Bei einem Einkommen von weniger als einem Drittel des Mindestlohns können entsprechende Geringverdiener von der Beitragspflicht befreit werden.
Für Kinder bis zum Alter von 18 beziehungsweise 25 Jahren, Ehepartner und (Schwieger-) Elternteile ohne eigenes Einkommen besteht die Möglichkeit einer Familienversicherung. - Personen, die (freiwillig) Beiträge zahlen:
Zu dieser Personengruppe gehören freiwillig Versicherte und unter anderem Ausländer, die nicht in ihren Heimatstaaten versichert sind. - Personen, für die Beiträge unmittelbar vom Staat gezahlt werden:
Dazu gehören Sozialhilfebedürftige, Geringverdiener, Asylsuchende et cetera. Für bedürftige türkische Staatsbürger gab es in der Vergangenheit eine kostenlose Krankenversicherung und als Nachweis dienten sogenannte "Grüne Karten". Auch dieser Personenkreis unterliegt seit 2012 der Krankenversicherungspflicht.
Ausnahmen von der Versicherungspflicht gelten lediglich für das Parlament, das Verfassungsgericht, Soldaten/Wehrdienstleistende sowie Häftlinge. Ferner sind Ausländer, die in ihren Heimatstaaten über einen Krankenversicherungsschutz verfügen oder sich kürzer als ein Jahr in der Türkei aufhalten, nicht versicherungspflichtig.
Besondere Beitragsregelungen gelten schließlich auch für Bezieher von Alters- und Erwerbsminderungsrenten.
Hinweis:
Bezüglich der Versicherungszugehörigkeit von Rentenberechtigten zur deutschen oder türkischen Krankenversicherung ist auch Art. 14 SVA-Türkei zu beachten (vergleiche GRA zu Art. 14 SVA-Türkei).