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Art. 2 SVA-Türkei: Sachlicher Geltungsbereich

Änderungsdienst
veröffentlicht am

24.02.2020

Änderung

Die GRA wurde im Nachgang zur VSB 2018 aktualisiert.

Dokumentdaten
Stand17.02.2020
Rechtsgrundlage

Art. 2 SVA-Türkei

Version002.00

Inhalt der Regelung

Der Art. 2 SVA-Türkei regelt, auf welche innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Abkommen in den beiden Vertragsstaaten anwendbar ist (sachlicher Geltungsbereich).

Absatz 1 führt die deutschen und türkischen Rechtsvorschriften (vergleiche Abschnitte 2 und 3) auf, die vom SVA-Türkei erfasst werden. Durch Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-Türkei wird der Anwendungsbereich des SVA-Türkei hinsichtlich der hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und der Alterssicherung der Landwirte eingeschränkt (vergleiche Abschnitt 2.1).

Absatz 2 enthält zusammen mit der Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Türkei den Grundsatz, dass bei Anwendung des Abkommens andere zwischenstaatliche oder überstaatliche Regelungen unberücksichtigt bleiben (Verbot der multilateralen Vertragsanwendung – vergleiche Abschnitt 4).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • Art. 1 Nr. 2 SVA-Türkei
    definiert den Begriff Rechtsvorschriften (vergleiche auch GRA zu Art. 1 SVA-Türkei);
  • Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-Türkei
    beschränkt den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens für die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte;
  • Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Türkei
    enthält das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung;
  • Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-Türkei
    bestimmt, dass das Verbot aus Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Türkei nicht für Versicherungslastregelungen aus anderen Abkommen gilt.

Deutsche Rechtsvorschriften

Das SVA-Türkei bezieht sich auf die deutschen Rechtsvorschriften über

  • die Krankenversicherung sowie den Schutz der erwerbstätigen Mutter, soweit sie die Gewährung von Geld- und Sachleistungen durch die Träger der Krankenversicherung zum Gegenstand haben (also die Regelungen des heutigen SGB V),
  • die Unfallversicherung (also die Regelungen des heutigen SGB Vll),
  • die Rentenversicherung (also die Regelungen des heutigen SGB Vl) und die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung (geregelt im HZvG),
  • die Alterssicherung der Landwirte (im SVA-Türkei noch Altershilfe für Landwirte genannt, geregelt im ALG),
  • das Kindergeld für Arbeitnehmer.

Die Pflegeversicherung (Regelungen des SGB Xl), die Arbeitslosenversicherung (SGB lll) sowie das Schwerbehindertenrecht (SGB lX) werden vom sachlichen Geltungsbereich des Abkommens nicht erfasst; eine Schwerbehinderung kann jedoch auch bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei vorliegen (siehe GRA zu Art. 4a SVA-Türkei, Abschnitt 2.1).

Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs

Nach Nr. 2 Buchst. a SP zum SVA-Türkei gilt Abschnitt V des Abkommens (hier: Art. 27 SVA-Türkei und Art. 28 SVA-Türkei) für die Rentenversicherung nicht für die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und für die Alterssicherung der Landwirte. Die Art. 27 SVA-Türkei und Art. 28 SVA-Türkei finden damit auf diese Zweige keine Anwendung, so dass keine Zusammenrechnung mit türkischen Versicherungszeiten erfolgt und die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen jeweils rein innerstaatlich erfüllt werden müssen.

Die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung (HZV) ist eine zusätzliche, öffentlich-rechtliche Rentenversicherung für Arbeitnehmer der Saarhütten und anderer Unternehmen der eisenerzeugenden, -verarbeitenden und –weiterverarbeitenden Industrie im Saarland auf der Grundlage des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Gesetzes (HZvG).

Die Alterssicherung der Landwirte ist die gesetzliche Altersversorgung für selbständige Landwirte sowie mitarbeitende Familienangehörige nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Die Einbeziehung dieser beiden Versicherungszweige in das SVA-Türkei ist von Bedeutung, da aufgrund Art. 4 SVA-Türkei Leistungen aus diesen Zweigen, soweit die jeweiligen innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind, auch an Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei zu zahlen sind.

Türkische Rechtsvorschriften

Im Hinblick darauf, dass das SVA-Türkei weit vor Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 5510 am 01.10.2008 (vergleiche GRA zu Organisation der Sozialversicherung Türkei, Abschnitt 2) vereinbart wurde, wird in Art. 2 SVA-Türkei in Bezug auf die Türkei auf die früheren Rechtsvorschriften abgestellt, die aber durchaus auch noch heute (teilweise) in Kraft sind und Anwendung finden.

Diese Gesetze wurden in der Vergangenheit durch unterschiedliche Versicherungsträger ausgeführt, sodass in Art. 2 Nr. 2 SVA-Türkei unter anderem auch explizit einzelne Träger genannt beziehungsweise abstrakt als Sozialversicherungsträger/-kassen aufgeführt werden. Das Abkommen bezieht sich danach auf die Rechtsvorschriften über

  • die Krankenversicherung, Mutterschaftsversicherung, Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten und die Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung für Arbeitnehmer,
  • die frühere Pensionskasse der Republik Türkei für Beamte und Angestellte des Staates,
  • die Pensionsversicherung der Handwerker und der in der gewerblichen Wirtschaft und Landwirtschaft selbständig Erwerbstätigen,
  • die Sozialversicherungskassen, die durch die Sozialversicherungsgesetzgebung in das Sozialversicherungssystem einbezogen worden sind,
  • andere Sozialversicherungsträger, wenn sie durch die Sozialversicherungsgesetzgebung errichtet und in das Sozialversicherungssystem einbezogen werden.

In den nachfolgenden Abschnitten werden die einzelnen Rechtsgrundlagen in Bezug auf die Rentenversicherung näher erläutert.

Rechtsgrundlagen der türkischen Rentenversicherung

Mit den Gesetzen Nr. 5502 und Nr. 5510 wurde mit Wirkung ab 01.10.2008 das System der Sozialversicherung in der Türkei neu organisiert (vergleiche GRA zu Organisation der Sozialversicherung Türkei, Abschnitt 2).

Nach Art. 4 Abs. 1 Gesetz Nr. 5510 sind heute versichert

  1. Personen mit einem Arbeitsvertrag,
  2. selbständig Beschäftigte und
  3. im öffentlichen Dienst Beschäftigte.

Für die vorgenannten Personengruppen sind (waren) unterschiedliche Rechtsgrundlagen maßgeblich:

  • Für lohnabhängige versicherte Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft und Industrie (Gesetz Nr. 506),
  • für selbständige Kaufleute und Gewerbetreibende (Gesetz Nr. 1479),
  • für Beschäftigte/Beamte im öffentlichen Dienst (Gesetz Nr. 5434).

Für die vorgenannten Gesetze ergab sich die Zuständigkeit folgender Träger vor dem 01.10.2008:

  • Die Sozialversicherungsanstalt (Sosyal Sigortalar Kurumu, frühere SSK), zuständig für das Gesetz Nr. 506 (vergleiche Abschnitt 3.2),
  • die frühere Pensionskasse der Republik Türkei (Türkiye Cumhuriyeti Emekli Sandigi, frühere TCES), zuständig für das Gesetz Nr. 5434 (vergleiche Abschnitt 3.3) und
  • die Rentenversicherung der Handwerker und der in der gewerblichen Wirtschaft und Landwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (frühere Bag-Kur), zuständig für das Gesetz Nr. 1479 (vergleiche Abschnitt 3.4).

Die vorgenannten Träger sind mit dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 5510 organisatorisch in die heutige SGK überführt worden.

Ehemalige SSK

Das wichtigste Sicherungssystem der Türkei ist die allgemeine Sozialversicherung, die auf dem Gesetz Nr. 506 beruht und früher von der SSK verwaltet wurde. Nach dem Gesetz Nr. 506 sind in erster Linie Arbeitnehmer pflichtversichert, wobei Lehrlinge nicht versicherungspflichtig sind. Seit 11.08.1977 sind auch landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Arbeiter in die Versicherungspflicht einbezogen.

Dieses allgemeine türkische System wurde zum 01.04.1950 geschaffen. Vor diesem Zeitpunkt können Beitragszeiten nur für die bei den staatlichen Eisenbahnen und Häfen Beschäftigten, für Arbeiter in den Betrieben zur Herstellung militärischer Ausrüstungen und für Kohlenbergbaubeschäftigte in Frage kommen.

Frühere TCES

Die Rechtsvorschriften über die frühere Pensionskasse der Republik Türkei (TCES) sind durch das Änderungsabkommen vom 28.05.1969 mit Wirkung vom 01.08.1972 in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens einbezogen worden.

Art. 53 SVA-Türkei bestimmt, dass das Abkommen auch für die vor seinem Inkrafttreten am 01.11.1965 zurückgelegten Versicherungszeiten und Versicherungsfälle gilt. Ansprüche unter Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem Abkommen können daher frühestens ab 01.08.1972 entstehen.

Frühere Bag-Kur

Die Einbeziehung der Pensionsversicherung der Handwerker und der in der gewerblichen Wirtschaft und Landwirtschaft selbständig Erwerbstätigen in den sachlichen Geltungsbereich des SVA-Türkei erfolgte durch das Zusatzabkommen vom 02.11.1984 mit Wirkung vom 01.04.1987.

Rechtsgrundlage für die frühere Bag-Kur war das Gesetz Nr. 1479, wonach die Selbständigen (zum Beispiel Handwerker, Kaufleute, Gemeindevorsteher – seit 1977, Architekten, Ingenieure, Apotheker) pflichtversichert waren. Die Versicherungspflicht der selbständigen Landwirte besteht seit 01.01.1984.

Ansprüche unter Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem Abkommen können daher nach Art. 53 SVA-Türkei frühestens ab 01.04.1987 entstehen.

Sondersystem für Banken und Versicherungsgesellschaften

Die früheren Pensionskassen der Banken und Versicherungsgesellschaften waren ein Sondersystem außerhalb der ehemaligen SSK. Sie sind bereits vor längerer Zeit in das allgemeine Sozialversicherungssystem im Sinne einer Wanderversicherung einbezogen worden.

Die bei der früheren türkischen Pensionskasse der Banken und Versicherungsgesellschaften zurückgelegten Versicherungszeiten wurden mit Wirkung ab 01.04.1987 in den sachlichen Geltungsbereich des SVA-Türkei einbezogen; Ansprüche unter Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem Abkommen konnten daher frühestens ab diese Zeitpunkt entstehen.

Verbindungsstelle war früher die ehemalige SSK (vergleiche Abschnitt 3.2), die heute Bestandteil der SGK ist.

Beachte:

Soweit Zeiten zu den Pensionskassen der Banken und Versicherungsgesellschaften geltend gemacht werden, ist der Schriftverkehr bei Wohnsitz des Antragsstellers in Istanbul mit der dortigen Zweigstelle „Unkapani“ zu führen; in allen Fällen ist die Hauptstelle in Ankara zuständig.

Verbot der multilateralen Vertragsanwendung

Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit Drittstaaten oder aus überstaatlichem Recht ergeben oder zu deren Ausführung dienen, finden im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei keine Anwendung (Art. 2 Abs. 2 SVA-Türkei in Verbindung mit Nr. 2 Buchst. b SP zum SVA-Türkei). Eine multilaterale Zusammenrechnung von deutschen und türkischen Versicherungszeiten mit Versicherungszeiten anderer Vertragsstaaten ist somit nicht zulässig.

Sind Versicherungszeiten in einem weiteren Vertragsstaat/Mitgliedstaat zurückgelegt und wird der Berechtigte vom persönlichen Anwendungsbereich nach Art. 3 SVA-Türkei (vgl. GRA zu Art. 3 SVA-Türkei) erfasst, so ist zu prüfen, welche Anspruchsgrundlage hinsichtlich eines deutschen Rentenanspruchs günstiger ist. Die höchste der sich nach den jeweiligen Abkommen zu berechnende Rentenleistung ist dem Berechtigten zu bewilligen.

Hinweis:

Die Anwendung abweichender über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften zur Erfüllung des Rentenanspruchs einerseits und zur Zahlung des Zuschusses nach § 106 SGB VI andererseits stellt jedoch keinen Verstoß gegen das Verbot der multilateralen Vertragsanwendung in den bilateralen Sozialversicherungsabkommen dar (Sitzung AGZWSR 1/2016, TOP 4; siehe auch GRA zu Art. 4a SVA-Türkei, Abschnitt 2.5).

Dies gilt aber nicht für die eigentliche Rentenzahlung, so dass hinsichtlich etwaiger Gleichstellungsregelungen die maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens Anwendung finden, wonach der Anspruch tatsächlich begründet wird.

Ausnahme: Versicherungslastregelungen

Der Ausschluss anderer über- und zwischenstaatlicher Regelungen bezieht sich gemäß Nr. 2 Buchst. c SP zum SVA-Türkei nicht auf Versicherungslastregelungen.

Versicherungslastregelungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und

  • Belgien,
  • Bosnien - Herzegowina,
  • Dänemark,
  • Frankreich,
  • Italien,
  • dem Kosovo,
  • Kroatien,
  • Luxemburg,
  • Nordmazedonien,
  • Montenegro,
  • den Niederlanden,
  • Österreich,
  • Serbien sowie
  • Slowenien

bestehen (vergleiche GRA zu Versicherungslastregelungen: EU/SVA -), gelten daher auch bei der Anwendung des SVA-Türkei.

Beachte:

Deutsche Zeiten, die in die Last eines anderen Vertragsstaats fallen, scheiden mit allen Konsequenzen aus der deutschen Rentenversicherung aus und stehen dann auch im Rahmen des SVA-Türkei nicht mehr zur Verfügung. Werden ausländische Zeiten über eine Versicherungslastregelung in die deutsche Rentenversicherung eingestellt, werden auch diese deutschen Zeiten im Formblatt TR 4 aufgeführt (vergleiche GRA zu Art. 1 SVA-Türkei, Abschnitt 5.1.1.1).

Gesetz zu dem Zusatzabkommen (ZA) vom 02.11.1984

Inkrafttreten: 20.12.1986 (Gesetz), 01.04.1987 (Abkommen)

Quellen: BGBl. 1986 II S. 1038 ff., BGBl. 1987 II S. 188

Durch Artikel 1 Nummer 2 des Zusatzabkommens wurde Art. 2 SVA-Türkei neu gefasst.

Gesetz zu dem Änderungsabkommen vom 28.05.1969

Inkrafttreten: 09.01.1972 (Gesetz), 01.08.1972 (Abkommen)

Quellen: BGBl. 1972 II S. 1 ff., BGBl. 1972 II S. 838

Durch das Abkommen wurden unter anderem Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe d neu gefasst und der Buchstabe e gestrichen.

Gesetz zu dem Abkommen vom 30.04.1964

Inkrafttreten: 22.09.1965 (Gesetz), 01.11.1965 (Abkommen)

Quellen: BGBl. 1965 II S. 1169 ff., BGBl. 1965 II S. 1588

Mit dem vorgenannten Gesetz wurde das Abkommen Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

Art. 2 SVA-Türkei