Rechtsgrundlagen Belgien
veröffentlicht am |
04.11.2024 |
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Änderung | Ergänzung HKA (Abschnitte 2, 3, 4) |
Stand | 17.10.2024 |
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Version | 002.00 |
- Mögliche Rechtsgrundlagen
- VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009
- VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72
- KSS-HKA und KSSD-HKA (KSS-HKA Anhang 7)
- Vorläufiges Europäisches Abkommen
- Rheinschifferübereinkommen
- SVA-Belgien
Mögliche Rechtsgrundlagen
Zwischen dem Königreich Belgien und der Bundesrepublik Deutschland bestehen diverse Rechtsgrundlagen, die die Beziehungen beider Staaten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung regeln.
So kommen als Rechtsgrundlage im Hinblick auf die gesetzliche Rentenversicherung
- die VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009 (vergleiche Abschnitt 2),
- die VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72 (vergleiche Abschnitt 3),
- das KSS-HKA und das KSSD-HKA bei Beteiligung des Vereinigten Königreichs (vergleiche Abschnitt 4),
- das Vorläufige Europäische Abkommen (vergleiche Abschnitt 5),
- das Rheinschifferübereinkommen (vergleiche Abschnitt 6) und
- das SVA-Belgien vom 07.12.1957 (vergleiche Abschnitt 7)
in Betracht.
Diese Gemeinsame Rechtliche Anweisung soll einen Überblick über den Anwendungsbereich dieser Rechtsgrundlagen und deren Verhältnis zueinander geben.
VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009
Im Verhältnis zu Belgien sind die VO (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009
- ab 01.05.2010 für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU),
- ab 01.04.2012 für die Schweiz und
- ab 01.06.2012 für die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen
anwendbar.
Sie haben damit die seit dem 01.10.1972 geltenden VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72 ersetzt, sofern nicht Art. 90 Abs. 1 S. 2 Buchst. a bis c VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 96 Abs. 1 S. 2 Buchst. a bis c VO (EG) Nr. 987/2009 zu deren weiterer Anwendung zwingen (vergleiche auch Abschnitt 3).
Seit dem 01.01.2011 gelten auch für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen, die VO (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 im Rahmen der VO (EU) Nr. 1231/2010 - außer bei Beteiligung des Vereinigten Königreiches - (vergleiche GRA zu Übersicht VO (EU) Nr. 1231/2010).
Die VO (EG) Nr. 883/2004 und die VO (EG) Nr. 987/2009 bleiben auch bei Beteiligung des aus der EU ausgetretenen Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) über den 31.12.2020 hinaus anwendbar, sofern die betreffende Person unter den Anwendungsbereich des Austrittsabkommens fällt (vergleiche GRA zu Erfasste Personen und Sonderfälle Austrittsabkommen EU und VK).
Die VO (EG) Nr. 883/2004 und die VO (EG) Nr. 987/2009 regeln die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen der EU-Mitgliedstaaten, der EWR-Staaten und der Schweiz umfassend. Ihr persönlicher Geltungsbereich ergibt sich aus Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 (vergleiche GRA zu Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004) sowie für Drittstaatsangehörige aus der VO (EU) Nr. 1231/2010 (vergleiche GRA zu Übersicht VO (EU) Nr. 1231/2010).
Der sachliche Geltungsbereich ist in Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 definiert. Die versicherungsrechtlichen Regelungen befinden sich in den Art. 11 ff. VO (EG) Nr. 883/2004, die rentenrechtlichen Regelungen in den Art. 50 ff. VO (EG) Nr. 883/2004. Weitere Regelungen existieren für den Bereich der KVdR in den Art. 23 ff. VO (EG) Nr. 883/2004.
Einzelheiten zu den Regelungen können der GRA zu Übersicht VO (EG) Nr. 883/2004, sowie den Rechtshandbüchern zu den jeweiligen Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 entnommen werden.
VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72
Im Verhältnis zu Belgien sind die VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72 am 01.10.1972 in Kraft getreten und haben damit die seit dem 01.01.1959 geltenden vorherigen Verordnungen (EWG) Nr. 3 und Nr. 4 ersetzt.
Sie werden am 01.05.2010 durch die VO (EG) Nr. 883/2004 und die VO (EG) Nr. 987/2009 ersetzt (vergleiche Abschnitt 2), bleiben jedoch nach Art. 90 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 96 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 weiterhin in Kraft
- für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen und unter die VO (EG) Nr. 859/2003 fallen (die VO (EG) Nr. 859/2003 gilt generell bis 31.12.2010; nur bei Beteiligung des Vereinigten Königreiches ohne zeitliche Beschränkung),
- für Grönland (Zeiten vom 01.04.1973 bis zum 31.01.1985),
- im Verhältnis zu den EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) bis zum 31.05.2012 und
- im Verhältnis zur Schweiz bis zum 31.03.2012.
Daher sind im Verhältnis zu Belgien die VO (EWG) Nr. 1408/71 und die VO (EWG) Nr. 574/72 maßgebliche Rechtsgrundlage, wenn die VO (EG) Nr. 859/2003 anzuwenden ist, entsprechende Zeiten auch in Grönland zurückgelegt wurden oder neben Belgien bis zum 31.05.2012 noch ein EWR-Staat oder bis zum 31.03.2012 die Schweiz beteiligt ist. Einzelheiten können der GRA zu Art. 90 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitte 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 entnommen werden.
Die VO (EWG) Nr. 1408/71 und die VO (EWG) Nr. 574/72 bleiben bei Beteiligung des aus der EU ausgetretenen Vereinigten Königreichs über den 31.12.2020 hinaus anwendbar, sofern die betreffende Person als Drittstaatsangehörige unter den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 859/2003 und des Austrittsabkommens fällt (vergleiche GRA zu Erfasste Personen und Sonderfälle Austrittsabkommen EU und VK).
Der persönliche Geltungsbereich ergibt sich aus Art. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 sowie für Drittstaatsangehörige aus der VO (EG) Nr. 859/2003. Der sachliche Geltungsbereich ist in Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 definiert. Die versicherungsrechtlichen Regelungen befinden sich in den Art. 13 ff. VO (EWG) Nr. 1408/71, die rentenrechtlichen Regelungen in den Art. 44 ff. VO (EWG) Nr. 1408/71. Weitere Regelungen existieren für den Bereich der KVdR in den Art. 26 ff. VO (EWG) Nr. 1408/71.
KSS-HKA und KSSD-HKA (KSS-HKA Anhang 7)
Neben der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 findet auf Belgien sowie alle anderen Mitgliedstaaten der EU und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit (HKA; vielfach auch Trade and Cooperation Agreement, TCA) Anwendung. Hierfür ist es erforderlich, dass sozialversicherungsrechtliche Beziehungen zwischen Deutschland, Belgien und dem Vereinigten Königreich (und möglicherweise weiteren Mitgliedstaaten) bestehen, auf die nicht das vorrangig anzuwendende Austrittsabkommen (Art. 775 HKA) anzuwenden ist (siehe Abschnitt 2).
Das HKA wurde ab 01.01.2021 vorläufig angewendet (Art. 783 Abs. 2 HKA), und ist formell am 01.05.2021 in Kraft getreten (Art. 783 Abs. 1 HKA).
Die Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen den Mitgliedstaaten der EU (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) und dem Vereinigten Königreich (ohne Gibraltar) erfolgt mit dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit (KSS-HKA), ergänzt durch dessen Durchführungsteil im Anhang 7 zum Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit (KSSD-HKA).
Die Vorschriften des KSS-HKA und des KSSD-HKA regeln nicht alle von der VO (EG) Nr. 883/2004 erfassten Bereiche der sozialen Sicherheit, sind aber in den allgemeinen Bestimmungen, den Bestimmungen zum anwendbaren Recht und den Bestimmungen für die gesetzliche Rentenversicherung in großen Teilen spiegelgleich zu den Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009.
Einzelheiten können der GRA zu Übersicht HKA, der GRA zu Übersicht KSS-HKA und der GRA zu Übersicht KSSD-HKA entnommen werden.
Vorläufiges Europäisches Abkommen
Das Vorläufige Europäische Abkommen über die Systeme der Sozialen Sicherheit für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 (VEA) ist für Belgien am 01.05.1957 in Kraft getreten. Es gilt nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b VO (EWG) Nr. 1408/71 parallel zur VO (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72. Im Rahmen der VO (EG) Nr. 883/2004 wird es aufgrund von Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 und des fehlenden Eintrags im Anhang II VO (EG) Nr. 883/2004 für vom Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 erfasste Personen nicht mehr angewendet.
Die Regelungen des VEA sind auch im Zusammenhang mit der VO (EWG) Nr. 1408/71, soweit sie die Gleichstellung der Staatsangehörigen der Unterzeichnerstaaten und der Flüchtlinge bei Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften betreffen, die die Leistungsgewährung von der Staatsangehörigkeit abhängig machen, nicht mehr von Bedeutung.
Die Regelung des Art. 3 VEA (sogenannte Meistbegünstigung), die die Staatsangehörigen der Unterzeichnerstaaten und Flüchtlinge für die Anwendung eines zwischen den Unterzeichnerstaaten bestehenden Sozialversicherungsabkommens einander gleichstellt, kann dagegen im Einzelfall noch von Bedeutung sein. So kann beispielsweise über Art. 3 VEA das SVA-Belgien (vergleiche Abschnitt 6) auch für einen türkischen Staatsangehörigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat, Anwendung finden.
Rheinschifferübereinkommen
Das Übereinkommen über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer vom 30.11.1979 ist für Belgien am 01.12.1987 in Kraft getreten. Es gilt nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 parallel nur zur VO (EWG) Nr. 1408/71.
Für Anwendungsfälle der VO (EG) Nr. 883/2004 steht es aufgrund von Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 und des fehlenden Eintrags im Anhang II VO (EG) Nr. 883/2004 nicht mehr zur Verfügung.
- Anzuwendendes Recht
Zeiträume bis zum 30.04.2010 (in Bezug auf die Schweiz bis zum 31.03.2012):
Es galten die Bestimmungen des Rheinschifferübereinkommens.
Zeiträume ab 01.05.2010:
Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande haben auf der Grundlage von Art. 16 VO (EG) Nr. 883/2004 eine Ausnahmevereinbarung unterzeichnet, die am 11.02.2011 in Kraft getreten ist und in den Unterzeichnerstaaten rückwirkend zum 01.05.2010 angewendet wird. Danach unterliegt das auf dem Rhein arbeitende fahrende Personal innerhalb der vertragsschließenden Staaten grundsätzlich dem System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Unternehmen oder die Gesellschaft ansässig ist, das beziehungsweise die das Schiff tatsächlich betreibt, an Bord dessen das Personal beschäftigt ist.
Dies gilt seit dem 01.04.2012 im Verhältnis zur Schweiz gleichermaßen.
Besonderheiten für die Schweiz:
Für Drittstaatsangehörige, die als Rheinschiffer in der Schweiz beschäftigt sind, gelten weiterhin die Regelungen des Rheinschifferübereinkommens. - Rentenzahlungen
Leistungszeiträume bis zum 30.04.2010:
Im Hinblick darauf, dass- die VO (EWG) Nr. 1408/71 seit 01.06.2002 im Verhältnis zu allen Vertragsstaaten des Rheinschifferübereinkommens (neben Deutschland auch Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz) galt und
- der persönliche Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 und der des Rheinschifferübereinkommens identisch sind (Ausnahme: Drittstaatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz),
SVA-Belgien
Das SVA-Belgien vom 07.12.1957 ist zusammen mit dem Schlussprotokoll, der Ersten, Zweiten und Dritten Zusatzvereinbarung sowie dem Zusatzprotokoll vom 10.11.1960 mit Wirkung vom 01.01.1959 (Bekanntmachung vom 19.11.1963) in Kraft getreten. Es hat jedoch nie besondere Bedeutung erlangt, da das Europarecht ab 01.01.1959 durch die Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4, ab 01.10.1972 durch die VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 beziehungsweise ab 01.05.2010 durch die VO (EG) Nr. 883/2004 und die VO (EG) Nr. 987/2009 an die Stelle des Abkommens getreten ist. Damit ist das Abkommen zwar nicht außer Kraft getreten, seine Anwendung ist jedoch im Allgemeinen für vom Europarecht erfasste Personen entfallen, wenn das Europarecht einen Sachverhalt (günstiger) regelt. Unabhängig davon gelten über Art. 7 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Anhang III VO (EWG) Nr. 1408/71 und Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Anhang II VO (EG) Nr. 883/2004 jedoch auch bei Anwendung des Europarecht die Art. 3 und Art. 4 des Schlussprotokolls zum Abkommen in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 10.11.1960 weiter (Versicherungslastregelungen).
Erfüllen Berechtigte im Einzelfall die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Europarechts nicht, kann gegebenenfalls eine Anwendung des SVA-Belgien in Betracht kommen. Dies ist im Allgemeinen jedoch nur über die Regelung des Art. 3 VEA möglich, da es sich beim SVA-Belgien um ein geschlossenes Abkommen handelt, das (abgesehen von einigen Regelungen zur Versicherungspflicht - Art. 5 SVA-Belgien, Art. 6 SVA-Belgien und Art. 7 SVA-Belgien) nur für Deutsche, Belgier und Hinterbliebene dieser Personen hinsichtlich der Ansprüche auf Hinterbliebenenrenten Anwendung findet.