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Übersicht VO (EU) Nr. 1231/2010

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Abschnitt 9 wurden redaktionell neu gegliedert

Dokumentdaten
Stand29.01.2019
Version001.00

Inhalt der Regelung

Die VO (EU) Nr. 1231/2010 hebt ab 01.01.2011 die VO (EG) Nr. 859/2003 mit der inhaltlichen Maßgabe auf, die VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 durch die VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 zu ersetzen.

Somit erweitert die VO (EU) Nr. 1231/2010 ab 01.01.2011 die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene, die

  • ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Europarechts fallen,
  • wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und
  • ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweist.

Das Vereinigte Königreich und Dänemark haben sich nicht an der Annahme der VO (EU) Nr. 1231/2010 beteiligt und sind deshalb durch sie nicht gebunden und nicht zu ihrer Anwendung verpflichtet (vergleiche Abschnitte 6 und 7).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Über die VO (EU) Nr. 1231/2010 finden die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.

Erfasster Personenkreis

Von der VO (EU) Nr. 1231/2010 erfasst werden nur die Drittstaatsangehörigen, die bisher ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht unter den persönlichen Geltungsbereich gemäß Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 fallen sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Drittstaatsangehöriger im Sinne der VO (EU) Nr. 1231/2010 ist daher der Staatsangehörige, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. Staatsangehörige eines EWR-Staates (Island, Liechtenstein, Norwegen) oder der Schweiz sind generell keine Drittstaatsangehörigen im Sinne der VO (EU) Nr. 1231/2010.

Bestimmte Staatsangehörige aus Drittstaaten (Flüchtlinge sowie nichtmitgliedstaatliche Familienangehörige und Hinterbliebene von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates) sowie Staatenlose fallen bereits unter Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 (vergleiche GRA zu Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004). Für diese Personen gelten die VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 schon ohne die VO (EU) Nr. 1231/2010.

Rechtmäßiger Wohnsitz in einem Mitgliedstaat

Nach Artikel 1 ist Voraussetzung für die Anwendung der VO (EU) Nr. 1231/2010, dass die Drittstaatsangehörigen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz; vergleiche Abschnitt 11) haben.

Rechtmäßiger Wohnsitz bedeutet, dass sich die Staatsangehörigen aus Drittländern legal im Territorium eines EU-Mitgliedstaates (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) aufhalten und folglich ein vorübergehendes oder ständiges Aufenthaltsrecht besitzen. Die Rechtmäßigkeit des Wohnsitzes bestimmt sich nach dem jeweils geltenden nationalen Recht des betreffenden EU-Mitgliedstaates.

Hinweis:

Bei Verfahren, die durch den (Kontakt-)Träger eines anderen EU-Mitgliedstaates eingeleitet werden, wird vorausgesetzt, dass dieser Träger die Rechtmäßigkeit des dortigen Wohnsitzes geprüft hat.

Für den Erwerb von deutschen Versicherungszeiten auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 (vergleiche Abschnitt 8) ist die Voraussetzung „rechtmäßiger Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat“ (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) uneingeschränkt maßgebend.

Für den Bezug einer deutschen Rentenleistung ist hinsichtlich des Begriffes „rechtmäßiger Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat“ dagegen zu unterscheiden in Leistungszeiträume bis 30.09.2013 und Leistungszeiträume ab 01.10.2013 (vergleiche Abschnitte 9 und 11).

Rechtmäßiger Wohnsitz in Deutschland

Der Begriff „rechtmäßiger Wohnsitz“ im Sinne der VO (EU) Nr. 1231/2010 ist weiter zu verstehen als der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Sinne von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I.

Ein rechtmäßiger Wohnsitz in Deutschland im Sinne der VO (EU) Nr. 1231/2010 liegt vor, wenn der Drittstaatsangehörige einen der folgenden, im aktuell geltenden Aufenthaltsgesetz (AufenthG: seit 01.08.2015 Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015; seit 01.01.2005 Art. 1 Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004; seit 01.08.2012 Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012), genannten Aufenthaltstitel besitzt:

Nachgewiesen wird der rechtmäßige Wohnsitz in Deutschland wie folgt:

a)Bei Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen und in Deutschland eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben beziehungsweise ausgeübt haben, ist für den Zeitraum dieser Beschäftigung/Tätigkeit grundsätzlich von einem rechtmäßigen Wohnsitz auszugehen. Beschäftigungen und Tätigkeiten von Personen aus Drittstaaten unterliegen der ausdrücklichen Genehmigung der Arbeitsverwaltung vor deren Aufnahme, sodass Grundvoraussetzung für den erlaubten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ein bestehendes Aufenthaltsrecht ist.
b)Für die Leistungsgewährung (betrifft nur Leistungszeiträume bis 30.09.2013, vergleiche Abschnitt 9) wird der rechtmäßige Wohnsitz in Deutschland durch Vorlage der genannten Aufenthaltstitel (zum Beispiel Passeintrag, Bescheinigung der Ausländerbehörde) nachgewiesen. Zweifelsfragen hinsichtlich des rechtmäßigen Wohnsitzes können bei der für den Antragsteller zuständigen Ausländerbehörde geklärt werden.

Verbindungen zu mindestens zwei Mitgliedstaaten

Die VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 finden über die VO (EU) Nr. 1231/2010 für die Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) nur dann Anwendung, wenn deren Situation mit einem Element über die Grenzen eines EU-Mitgliedstaates (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) hinausweist. Erfüllt wird diese Voraussetzung dann, wenn Versicherungszeiten in mehr als einem EU-Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) zurückgelegt sind oder Versicherungszeiten in einem und ein Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) vorliegen.

Ausgeschlossen ist die Anwendung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 dagegen dann, wenn die Situation des Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem einzigen EU-Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) und zu einem Drittstaat aufweist.

Siehe Beispiele 1 und 2

Besonderheit bei der Beteiligung des Vereinigten Königreichs

Das Vereinigte Königreich hat sich nicht an der Annahme der VO (EU) Nr. 1231/2010 beteiligt; es ist deshalb durch sie nicht gebunden und nicht zu ihrer Anwendung verpflichtet. Folglich bleibt für das Vereinigte Königreich die vor dem 01.01.2011 geltende Rechtslage (VO (EG) Nr. 859/2003) auch ab 01.01.2011 weiter bestehen.

Das hat bei Beteiligung des Vereinigten Königreichs (dortiger Wohnsitz und/oder dortige Versicherungszeiten) folgende Auswirkungen:

nach Art. 2 VO (EU) Nr. 1231/2010 wird die VO (EG) Nr. 859/2003 nur zwischen den Mitgliedstaaten aufgehoben, die durch die VO (EU) Nr. 1231/2010 gebunden sind. Die VO (EG) Nr. 859/2003 bleibt (für alle im Einzelfall beteiligten Mitgliedstaaten) maßgebend. Das bedeutet, dass bei einer Beteiligung des Vereinigten Königreichs auch im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten weiterhin die VO (EG) Nr. 859/2003 anzuwenden ist. Da die VO (EG) Nr. 859/2003 in die VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 verweist, behalten diese auch ab 01.01.2011 ihre Rechtswirkung und bleiben in Kraft.

Siehe Beispiel 3

Besonderheit bei der Beteiligung Dänemarks

Dänemark hat sich nicht an der Annahme der VO (EU) Nr. 1231/2010 beteiligt; Dänemark ist deshalb durch sie nicht gebunden und nicht zu ihrer Anwendung verpflichtet. Nach der vor dem 01.01.2011 geltenden Rechtslage (VO (EG) Nr. 859/2003) war Dänemark auch durch die VO (EG) Nr. 859/2003 nicht gebunden. Deutschland hatte allerdings für Drittstaatsangehörige das Europarecht bei Beteiligung Dänemarks auf Grundlage der VO (EG) Nr. 859/2003 (einseitig) angewendet.

Das hat bei Beteiligung Dänemarks (dortiger Wohnsitz und/oder dortige Versicherungszeiten) folgende Auswirkungen:

Deutschland wendet auch ab 01.01.2011 für Drittstaatsangehörige das Europarecht bei Beteiligung Dänemarks (einseitig) an. Dies geschieht auf Grundlage des aktuellen Rechts (VO (EU) Nr. 1231/2010), das in die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 verweist. Folglich wird bei Vorliegen dänischer und deutscher Versicherungszeiten und/oder eines Wohnsitzes in Dänemark das zwischenstaatliche Verfahren durchgeführt.

Siehe Beispiele 4 und 5

Rechtsfolgen im Versicherungsbereich

Über die Drittstaatsverordnung finden die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung. Da der Verweis auf diese Rechtsbestimmungen dynamisch ist, kann das Europarecht in der zum jeweils maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung einschließlich späterer Änderungen auf die berechtigten Personen angewendet werden.

Für Drittstaatsangehörige, die vom persönlichen Geltungsbereich der VO (EU) Nr. 1231/2010 nach Maßgabe der Abschnitte 2 bis 5 erfasst werden, sind im Versicherungsbereich (freiwillige Versicherung, Beitragserstattung und Kollisionsrecht) ab 01.01.2011 die Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden, sofern sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Deutschland haben (vergleiche Abschnitt 4) und sich darüber hinaus territorial ausschließlich in den EU-Mitgliedstaaten bewegen, beispielsweise im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung von Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat.

Daher dürfen bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nur dann freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt werden, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt vorher in der deutschen Rentenversicherung eine Pflicht- oder freiwillige Versicherung bestanden hat. Eine Beitragserstattung gemäß § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist daher an Drittstaatsangehörige mit Wohnsitz in den EU-Mitgliedstaaten nicht möglich.

Bei Aufenthalt außerhalb der EU-Mitgliedstaaten ergibt sich aufgrund der VO (EU) Nr. 1231/2010 keine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung. Hiervon unberührt bleibt die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nach deutschem Recht oder nach dem Recht eines SV-Abkommens.

Für das Vereinigte Königreich und Dänemark sind allerdings folgende Besonderheiten zu beachten:

  • Bei territorialer Beteiligung des Vereinigten Königreichs gelten für Drittstaatsangehörige die VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 auch ab 01.01.2011 weiter.
  • Da Dänemark sich an der Annahme weder der VO (EU) Nr. 1231/2010 noch der VO (EG) Nr. 859/2003 beteiligt hat (vergleiche Abschnitt 7), sind bei territorialer Beteiligung Dänemarks, beispielsweise im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung von Deutschland nach Dänemark, die VOen (EG) Nr. 883/2004 und (EWG) Nr. 1408/71 für Drittstaatsangehörige nicht anwendbar. Versicherungsrechtlich kommt hier allenfalls die Anwendung bilateraler SVA in Betracht.

Näheres zu den versicherungsrechtlichen Besonderheiten für Drittstaatsangehörige bei territorialer Beteiligung des Vereinigten Königreichs, Dänemarks sowie Staaten außerhalb der EU ist der GRA zu Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004 (bei Entsendung) beziehungsweise der GRA zu Art. 13 VO (EG) Nr. 883/2004 (bei Mehrfacherwerbstätigkeit) zu entnehmen.

Rechtsfolgen bei der deutschen Leistungsfeststellung

Aufgrund der Erweiterung der Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und der VO (EG) Nr. 987/2009 durch die VO (EU) Nr. 1231/2010 ergeben sich Rechtsfolgen bei der deutschen Leistungsfeststellung, die in den Abschnitten 9.1 bis 9.5 näher erläutert werden.

Beginn der Leistungsgewährung

Die VO (EU) Nr. 1231/2010 begründet keinen Leistungsanspruch für einen Zeitraum vor dem 01.01.2011.

Ereignisse/Versicherungszeiten

Es werden alle anspruchsbegründenden Ereignisse sowie Versicherungszeiten berücksichtigt, das heißt auch solche, die vor dem 01.01.2011 eingetreten/zurückgelegt worden sind.

Bei einer Leistungsfeststellung werden ausschließlich die nach den Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) relevanten Versicherungszeiten berücksichtigt. Da die VO (EU) Nr. 1231/2010 nicht im Verhältnis zu den EWR-Staaten und der Schweiz Anwendung findet (Abschnitt 11), erfolgt keine Zusammenrechnung mit isländischen, liechtensteinischen, norwegischen und schweizerischen Versicherungszeiten.

Auch die in einem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht berücksichtigt werden (keine multilaterale Zusammenrechnung). Allerdings gelten in einem Drittstaat zurückgelegte Versicherungszeiten, die aufgrund von Versicherungslastregelungen auf die deutsche Rentenversicherung übergegangen sind, uneingeschränkt als deutsche Zeiten.

Bilaterale Abkommen mit einem Drittstaat

Die Anwendung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige berührt nicht die Verpflichtungen, die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus bilateralen Abkommen mit einem Drittstaat ergeben. Das bedeutet, dass bei einer Leistungsfeststellung eine getrennte Anwendung von Europarecht einerseits und von Abkommensrecht andererseits erfolgt. Neuere Abkommen (zum Beispiel mit Brasilien) sehen dabei für die Anspruchsprüfung die Berücksichtigung auch von Versicherungszeiten in EU-/EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz vor.

Siehe Beispiel 6

Ende der Leistungsgewährung bei Leistungszeiträumen vor dem 01.10.2013

Die Leistungsgewährung auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 endet

  • bei einem befristeten Aufenthaltstitel, der nicht verlängert wurde, mit Ablauf des Monats der Befristung,
  • bei Verzug in einen Drittstaat (hierzu zählen bei Anwendung der VO (EG) Nr. 1231/2010 auch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) mit Ablauf des Umzugsmonats.

Gegebenenfalls ergibt sich jedoch ein Leistungsanspruch aus einem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Staat geschlossenen bilateralen SVA (wobei „neuere“ Abkommen - zum Beispiel mit Brasilien - dabei für die Anspruchsprüfung die Berücksichtigung auch von Versicherungszeiten in EU-/EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz vorsehen) oder es finden rein innerstaatliche Regelungen Anwendung.

Leistungsgewährung für Leistungszeiträume ab dem 01.10.2013

Seit Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 1231/2010 haben diverse EU-Richtlinien die Rechte von Drittstaatsangehörigen im Bereich der sozialen Sicherheit verfestigt. So erhalten Drittstaats-Arbeitnehmer, die in einen Drittstaat umziehen, oder ihre sich in einem Drittstaat aufhaltenden Hinterbliebenen, die ihre Ansprüche von ihnen herleiten, nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2011/98/EU die gesetzlichen Alters-/Invaliditäts- oder Hinterbliebenenrenten, die im früheren Beschäftigungsverhältnis begründet sind und auf die sie gemäß den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 Anspruch erworben haben, zu denselben Bedingungen und in derselben Höhe wie die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats bei einem Umzug in einen Drittstaat. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29.08.2013“ (BGBl. I, Nr. 54, Seite 3484) wurden unter anderem die in der Richtlinien 2011/98/EU verankerten sozialen Rechte ab 01.10.2013 in das deutsche Recht (SGB VI) umgesetzt.

Deutsche Renten an Drittstaatsangehörige werden daher für Leistungszeiträume ab 01.10.2013 auch dann auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 unter Berücksichtigung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 festgestellt, wenn die Anspruchsberechtigten in Staaten außerhalb der Europäischen Union wohnen oder dorthin umziehen.

(Neu-)Feststellung von Leistungen

Zwar enthält die VO (EU) Nr. 1231/2010 keine Übergangsbestimmungen; bei Anwendung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 gelten deren Übergangsbestimmungen jedoch direkt. Alle dazugehörigen Festlegungen gelten somit entsprechend (vergleiche GRA zu Art. 87 VO (EG) Nr. 883/2004 sowie Art. 94 VO (EG) Nr. 987/2009).

Wurde für Leistungszeiträume vor dem 01.10.2013 die Zahlung einer deutschen Rente nach der VO (EU) Nr. 1231/2010 eingestellt/abgelehnt, weil sich die betreffende Person außerhalb eines EU-Mitgliedstaates aufhielt oder dorthin umgezogen war, gilt für eine Neufeststellung für Leistungszeiträume ab 01.10.2013 (vergleiche Abschnitt 9 Buchstabe e) § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Nichtanwendung bei Beteiligung der EWR-Staaten und der Schweiz

Nach Art. 90 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 883/2004/Art. 96 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 galten bei Beteiligung der EWR-Staaten (bis 31.05.2012) und der Schweiz (bis 31.03.2012) weiterhin die VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72, weil die entsprechenden Beschlüsse zur Übernahme des aktuellen Europarechts (VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009) nicht gefasst waren. Die VO (EU) Nr. 1231/2010 konnte daher schon deshalb in diesen Fällen nicht angewendet werden.

Ab 01.04.2012/01.06.2012 gilt darüber hinaus, dass die VO (EU) Nr. 1231/2010 nicht die Rechte und Pflichten aus den mit Drittstaaten geschlossenen internationalen Übereinkünften berührt, bei denen die Europäische Union Vertragspartei ist und in denen Leistungen der sozialen Sicherheit vorgesehen sind (hier: EWR-Abkommen sowie Abkommen über Freizügigkeit). Die VO (EU) Nr. 1231/2010 aktualisiert nicht die VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009, auf die seit 01.04.2012/01.06.2012 im Rahmen des EWR-Abkommens sowie des AüF Bezug genommen wird, sondern ist ein eigenständiger Rechtsakt, der die Anwendung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 erweitert. Mit den Begriffen

  • rechtmäßiger Wohnsitz in einem „Mitgliedstaat“ (vergleiche Abschnitt 3) sowie
  • Situation, die mit einem Element über die Grenzen eines „Mitgliedstaates“ hinausweist (vergleiche Abschnitt 5),

nimmt die VO (EU) Nr. 1231/2010 nicht Bezug auf den Begriff „Mitgliedstaat“ im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004, wie er durch das EWR- und Freizügigkeitsabkommen erweitert wird. Die Voraussetzung „rechtmäßiger Wohnsitz auf dem Territorium eines Mitgliedstaates“ ist daher bei einem Wohnsitz in den EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz nicht erfüllt. Ebenso stellen Versicherungszeiten in den EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz keine Verbindung zu einem Mitgliedstaat im Sinne der VO (EU) Nr. 1231/2010 dar.

Die VO (EU) Nr. 1231/2010 kann erst dann im Verhältnis zu den EWR-Staaten beziehungsweise zur Schweiz angewendet werden, wenn der gemeinsame EWR-Ausschuss beziehungsweise der Gemischte Ausschuss eine Übernahme beschlossen hat.

Die Rechtsfolgen im Versicherungsbereich bei territorialer Beteiligung beziehungsweise Staatsangehörigen der EWR-Staaten und der Schweiz sind in Abschnitt 8 beschrieben.

Bei der Leistungsfeststellung werden deutsche Renten an Drittstaatsangehörige für Leistungszeiträume ab 01.10.2013 auch dann auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 unter Berücksichtigung der VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 festgestellt, wenn die Anspruchsberechtigten in den EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz wohnen oder dorthin umziehen (vergleiche Abschnitt 9 Buchstabe e). Eine Zusammenrechnung mit in diesen Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten ist jedoch ausgeschlossen (vergleiche Abschnitt 9 Buchstabe b).

Wurde für Leistungszeiträume vor dem 01.10.2013 die Zahlung einer deutschen Rente nach der VO (EU) Nr. 1231/2010 eingestellt/abgelehnt, weil sich die betreffende Person in den EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz aufhielt oder dorthin umgezogen war, gilt für eine Neufeststellung für Leistungszeiträume ab 01.10.2013 § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X (vergleiche Abschnitt 10).

Beispiel 1: Verbindungen ausschließlich zu einem einzigen Mitgliedstaat (ohne Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) und zu einem Drittstaat

(Beispiel zu Abschnitt 5)

Ein Monegasse hat seinen rechtmäßigen Wohnsitz in Deutschland und ist hier beschäftigt/versichert. Er beabsichtigt, eine Zweitbeschäftigung in Liechtenstein aufzunehmen.

Lösung:

Der Monegasse hat als Drittstaatsangehöriger Verbindungen nur zu einem Mitgliedstaat (Deutschland) und einem Drittstaat (Liechtenstein), sodass die VO (EG) Nr. 883/2004 und deren kollisionsrechtlichen Normen über die VO (EU) Nr. 1231/2010 keine Anwendung finden.

Beispiel 2: Leistungsantrag zum Sachverhalt aus Nummer 1

(Beispiel zu Abschnitt 5)

Der Monegasse stellt einen Leistungsantrag.

Lösung:

An seiner Situation hat sich nichts geändert, denn er hat weiterhin Verbindungen nur zu einem Mitgliedstaat (Deutschland) und (aufgrund der Versicherungszeiten in Liechtenstein) zu einem Drittstaat.

Beispiel 3: Anwendung bei Beteiligung des Vereinigten Königreichs

(Beispiel zu Abschnitt 6)

Ein us-amerikanischer Staatsangehöriger hat seinen rechtmäßigen Wohnsitz in Deutschland sowie deutsche, britische und belgische Versicherungszeiten und stellt einen Antrag auf eine deutsche Rente.

Lösung:

Die Leistungsfeststellung erfolgt wegen der britischen Versicherungszeiten auf Grundlage der VO (EG) Nr. 859/2003 nach den VOen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 unter Berücksichtigung der deutschen, britischen und belgischen Versicherungszeiten.

Beispiel 4: Anwendung bei Beteiligung Dänemarks

(Beispiel zu Abschnitt 7)

Ein iranischer Staatsangehöriger mit ausschließlich deutscher Versicherungsbiographie verzieht als Bezieher einer deutschen Rente nach Dänemark.

Lösung:

Die deutsche Rente ist auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 nach den VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 nach Dänemark zu zahlen.

Beispiel 5: Anwendung bei Beteiligung Dänemarks

(Beispiel zu Abschnitt 7)

Ein indischer Staatsangehöriger mit deutschen, dänischen und französischen Versicherungszeiten wohnt in Dänemark und stellt einen Antrag auf eine deutsche Rente.

Lösung:

Alle Versicherungszeiten sind auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 nach den VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 für den deutschen Anspruch und die Rentenberechnung zu berücksichtigen.

Beispiel 6: Verpflichtungen aus bilateralen Abkommen

(Beispiel zu Abschnitt 9)

Ein us-amerikanischer Staatsangehöriger hat seinen rechtmäßigen Wohnsitz in Deutschland sowie deutsche, belgische und us-amerikanische Versicherungszeiten und stellt einen Antrag auf eine deutsche Rente.

Lösung:

Die Leistungsfeststellung erfolgt auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1231/2010 nach den VOen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 unter Berücksichtigung der deutschen und belgischen Versicherungszeiten sowie nach dem deutsch-us-amerikanischen SVA unter Einbeziehung der deutschen und us-amerikanischen Versicherungszeiten; die günstigere Leistung steht zu.

Die VO (EU) Nr. 1231/2010 (ABl. Nr. L 344/1 vom 29.12.2010) ist am 01.01.2011 in Kraft getreten (Art. 3 VO (EU) Nr. 1231/2010).

Bis 31.12.2010 galten für Drittstaatsangehörige über die VO (EG) Nr. 859/2003 die VO (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 (Art. 90 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 sowie Art. 96 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009).

Bei Beteiligung des Vereinigten Königreichs behält die VO (EG) Nr. 859/2003 auch ab 01.01.2011 ihre Rechtswirkung und bleibt in Kraft.

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