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7 RAr 112/74

Gründe

Die ... geborene Klägerin begann am 01.08.1971 eine dreijährige Berufsausbildung zur Friseuse im Salon I. - erstes Ausbildungsverhältnis -. Die Beklagte bewilligte ihr hierfür Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bis einschließlich Ende Juli 1972. Die Leistungsanträge sind jeweils von der Mutter der Klägerin als ihrer gesetzlichen Vertreterin mit unterzeichnet. An sie wurden auch die Bewilligungsbescheide gerichtet. Alle Bewilligungen erfolgten unter dem Vorbehalt, daß sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht änderten. Die Bescheide enthalten ferner den Hinweis, daß Änderungen, die für den „Anspruch auf die Berufsausbildungsbeihilfe und für deren Höhe von Bedeutung sind (z.B. vorzeitiges Ausscheiden aus der Ausbildung, vorzeitiger Abschluß oder Unterbrechung der Ausbildung, Wechsel der Ausbildungsstätte, Erkrankung, Schwangerschaft, Änderung der Unterbringung des/der Auszubildenden sowie Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung und der sonstigen Einkünfte des/der Auszubildenden)“ dem ArbA unaufgefordert und unverzüglich anzuzeigen sind.

Am 30.11.1971 löste die Klägerin das erste Ausbildungsverhältnis und ging zur Fortsetzung ihrer Berufsausbildung als Friseuse am 01.12.1971 ein zweites Ausbildungsverhältnis ein, für das die Regelungen des bisherigen Lehrvertrages bindend sein sollten. Die Beklagte erfuhr von dem Lehrstellenwechsel erst, als die Klägerin am 03.08.1972 auch für das zweite Ausbildungsverhältnis BAB beantragte. Die Beklagte bewilligte zwar hierfür erneut BAB ab Antragstellung, hob jedoch nunmehr die Bewilligungsentscheidung bezüglich des ersten Ausbildungsverhältnisses mit Wirkung vom 01.12.1971 auf und forderte die seitdem gezahlte BAB im Gesamtbetrag von 1278,00 DM von der Klägerin zurück. Der Widerspruch der durch ihre Mutter vertretenen Klägerin, mit dem sie vorbrachte, daß sie den Wechsel der Ausbildungsstätte bei der Kreishandwerkerschaft und der Handwerkskammer angezeigt und von dort die Auskunft erhalten habe, daß alles in Ordnung sei und nunmehr keine weiteren Schritte unternommen zu werden brauchten, blieb erfolglos.

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit die Beklagte darin BAB für die Zeit vom 01.12.1971 bis 31.07.1972 zurückforderte. Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch darauf, daß die Klägerin die ihr vom 01.12.1971 bis 31.07.1972 in Höhe von 1278,00 DM gewährte BAB zurückzahlt.

Nur dieser von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung ist Streitgegenstand des Revisionsverfahrens. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom ... die zugrundeliegenden Leistungsbewilligungen nach § 151 Abs. 1 AFG aufgehoben hat, ist die Klägerin mit ihrem Anfechtungsbegehren vor dem SG nicht durchgedrungen. Das SG hat zwar im Tenor seiner Entsch. nicht ausdrücklich die Klage insoweit abgewiesen. Aus den Gründen der Entsch. des SG ist jedoch ersichtlich, daß es die Aufhebung der Bewilligung von BAB durch die Beklagte für rechtens hielt und demzufolge der auch hiergegen gerichteten Klage nicht stattgeben wollte. Das Urteil des SG ist jedenfalls unter Heranziehung der Entscheidungsgründe entsprechend auszulegen (vgl. BSG 4, 121; 9, 17; 14, 99, 102; 37, 155, 157). Insoweit ist die Entsch. des SG rechtskräftig geworden; denn sie wurde nur von der Beklagten in dem Umfange mit der Berufung angegriffen, in dem diese noch - nämlich wegen ihres Rückforderungsanspruchs - beschwert war (§ 141 SGG; vgl. auch BSG 21, 27, 28; 22, 98; 37, 155, 158). Ebenso wie damit die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Aufhebung der Bewilligung von BAB schon der Beurteilung durch das Berufungsgericht entzogen war (vgl. BSG 11, 167, 170), ist diese Frage auch vom Revisionsgericht nicht mehr zu überprüfen (§§ 141, 153, 165 SGG; vgl. BSG 37, 155, 158).

Eine Rückzahlungspflicht der Klägerin (als Gegenstück zu dem von der Beklagten erhobenen Rückforderungsanspruch) ergibt sich nicht aus § 152 AFG. Bei der gegebenen Sachlage kommt hier allenfalls ein Tatbestand nach § 152 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 in Betracht. Danach ist die Leistung, soweit eine Entsch. aufgehoben (§ 151 Abs. 1 AFG) worden ist, insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger u.a. die Gewährung dadurch herbeigeführt hat, daß er eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG grob fahrlässig unterlassen hat oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß die Voraussetzungen für die Leistungen nicht (mehr) vorlagen.

Die Klägerin hätte nach dieser Vorschrift den Wechsel des Ausbildungsverhältnisses der Beklagten zwar unverzüglich anzeigen müssen. Die Weitergewährung der BAB für das erste Ausbildungsverhältnis über den 01.12.1971 hinaus ist darauf zurückzuführen, daß die Klägerin als Empfänger der Leistung im Sinne von § 152 Abs. 1 AFG (vgl. Hennig / Kühl / Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Anm. 6 zu § 152; Schönefelder / Kranz / Wanka, Komm. zum Arbeitsförderungsgesetz, Anm. 3 zu § 152) diese Anzeige unterlassen hat. Sie wäre hierzu nach § 148 Abs. 1 AFG verpflichtet gewesen. Nach dieser Vorschrift trifft den Bezieher einer laufenden Leistung die Pflicht, der Beklagten ohne Aufforderung jede Änderung in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf die Leistung erheblich ist, unverzüglich mitzuteilen. Eine laufende Leistung i.S. des § 148 Abs. 1 AFG ist jede Leistung, die über einen gewissen Zeitraum in - nicht notwendig regelmäßigen - Abständen wiederkehrend gezahlt wird. Hierzu zählt die BAB (ebenso Im Ergebnis Schönefelder / Kranz / Wanka a.a.O., Anm. 1 zu § 148 AFG). Die BAB ist zwar nicht in § 143 AFG aufgeführt, obwohl dort eine Reihe von Leistungen kraft Ges. als laufende Leistungen charakterisiert werden. Die Vorschrift des § 143 AFG enthält jedoch keine abschließende Legaldefinition dieses Begriffs für alle Bereiche des AFG, was schon daran deutlich wird, daß sie als Regelungsinhalt die Pflicht des Arbeitgebers zur Ausstellung der dort genannten Bescheinigungen betrifft. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber in § 143 AFG lediglich die nach § 175 des AVAVG ausdrücklich nur für Bezieher von Alg vorgeschriebene Bescheinigungspflicht des Arbeitgebers klarstellend auch auf Bezieher anderer laufender Leistungen erstrecken, während die Anzeigepflicht nach § 148 Abs. 1 AFG auf die früheren Regelungen in §§ 152 und 183 AVAVG zurückgeht und die dortigen Beschränkungen auf Bezieher von Alg oder Alhi allgemein beseitigen sollte (vgl. BT-Drucks. V 12291 S. 87 zu §§ 142 und 147). Damit wurde die Anzeigepflicht nach § 148 Abs. 1 AFG auch auf den Bezieher von BAB ausgedehnt.

Die Klägerin trifft weder wegen der unterlassenen Anzeige i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 1 AFG noch wegen fahrlässiger Unkenntnis über die Leistungsvoraussetzungen i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Hierbei ist vom Verhalten der Mutter der Klägerin auszugehen. Zum Zeitpunkt des Lehrstellenwechsels war die Klägerin noch minderjährig (§ 2 BGB a.F.) und wurde gesetzlich von ihrer Mutter vertreten. Infolgedessen war nur die Mutter berechtigt und verpflichtet, der Beklagten das Ende des ersten Ausbildungsverhältnisses mitzuteilen (§§ 166 Abs. 1, 1626, 1671 BGB). Für ein haftungsbegründendes Verschulden ihrer gesetzlichen Vertreterin hätte die Klägerin einzustehen.

Ein Verschulden i.S. einer groben Fahrlässigkeit nach § 152 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AFG liegt jedoch nicht vor; das LSG hat hier den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht verkannt. Dabei ist von den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) über das Verhalten der Mutter der Klägerin im Zusammenhang mit dem Lehrstellenwechsel ihrer Tochter und die dabei vorhandenen Umstände auszugehen. Für die Frage der groben Fahrlässigkeit kommt es auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und Verhalten des Leistungsempfängers, sowie auf die besonderen Umstände des Falles an (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. BSG in SozR 5870 Nr. 1 zu § 13; BSG 35, 108, 112 mit weiteren Nachweisen). Grobe Fahrlässigkeit setzt hiernach eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d.h. eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv schlechthin unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden (vgl. RGZ 163, 106), wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muß (vgl. Krebs, Komm. zum AFG, Anm. 11 zu § 8 AFG; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch 35. Aufl., Anm. 2 zu § 277). Diese Kriterien sind zur Best. des Begriffs der groben Fahrlässigkeit i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AFG gleichermaßen heranzuziehen (ebenso Krebs a.a.O., Anm. 13 zu § 152 AFG; vgl. auch Schönefelder / Kranz / Wanka a.a.O, Anm. 6 zu § 152).

Nach den mit dem Wechsel der Ausbildungsstelle verbundenen Umständen mußte es der Mutter der Klägerin nicht in dem dargestellten Sinne ohne jede weitere Überlegung und geradezu schlechthin klar sein, daß sie die Beendigung des ersten Ausbildungsverhältnisses ihrer Tochter dem Arbeitsamt sofort anzeigen müßte. Für ihr Verhalten, keine Anzeige zu erstatten, sprach zunächst, daß sich wirtschaftlich keine Veränderungen hinsichtlich Dauer und Höhe des BAB-Anspruchs ergaben; sie konnte sich in ihrem Verhalten durch die Antwort der Handwerkskammer bestärkt fühlen, sie brauche weiter nichts zu unternehmen.

Demgegenüber begründen auch die in den Antragsformularen und in den Bewilligungsbescheiden enthaltenen Belehrungen der Beklagten über die Anzeigepflicht nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei der Unterlassung der Anzeige. Dabei ist einmal zu berücksichtigen, daß nach der Lebenserfahrung solche Belehrungen dem Bürger nicht stets und täglich gegenwärtig sein können. Das enthebt ihn zwar grundsätzlich nicht der Pflicht, sie zu beachten und sich zu diesem Zweck ihres Inhalts im Einzelfall zu vergewissern. Er muß aber bei der Frage, ob er andernfalls grob fahrlässig handelt, nach denselben Kriterien, die allgemein den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, einen Anlaß sehen, sich mit ihnen (erneut) zu beschäftigen. Grob fahrlässig handelt er nur dann, wenn er in einer bestimmten Situation auch bei Anwendung der geringsten Sorgfalt erkennen muß, daß es notwendig ist, sich diese Belehrungen nunmehr nochmals durchzulesen. Dies kann aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf die oben angeführten tatsächlichen Verhältnisse nicht gesagt werden. Der Umstand, daß die bisherigen Bewilligungen (tatsächlich und rechtlich) nur auf das konkrete Ausbildungsverhältnis beim Salon I. beschränkt waren und die Beklagte - ebenfalls aus rechtlichen Gründen - beim Wechsel der Ausbildungsstelle die Bewilligung für das erste Ausbildungsverhältnis aufheben und für das zweite Ausbildungsverhältnis eine neue Bewilligungsentscheidung treffen werde, stellt jedenfalls nicht einen so einsichtigen Sachverhalt dar, daß er das Unterlassen einer nochmaligen Prüfung der Belehrungen durch die Mutter der Klägerin schlechthin unentschuldbar machte. Die Beachtlichkeit des vollzogenen Lehrstellenwechsels für den Anspruch auf BAB war im vorliegenden Fall auch für einen vergleichbaren Leistungsberechtigten weder ohne weiteres erkennbar, noch hat das LSG Umstände festgestellt, die auch bei jenem zwangsläufig Zweifel hätten wecken und ihn zu einer Rückfrage bei der Beklagten bewegen müssen.

Hinzu kommt, daß der Inhalt dieser Belehrungen nicht so eindeutig ist, daß der Leser sich über seinen Sinn - unter Berücksichtigung des für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit erforderlichen Maßstabes - schlechthin nicht im unklaren sein konnte. Die Belehrungen nennen zwar im Klammerzusatz als Beispielsfall für eine Anzeigepflicht u.a. den Wechsel der Ausbildungsstätte. Dieser Hinweis ist jedoch nicht isoliert zu sehen. Vor der Klammer und als Grundsatz (Obersatz) für die Anzeigepflicht führt die Beklagte an, daß „Änderungen“, die für den Anspruch auf die Berufsausbildungsbeihilfe und für deren Höhe von Bedeutung sind ... anzuzeigen sind. Diese Formulierung erweckt zumindest den Eindruck, daß dem Verpflichteten hier eine eigene Wertung eingeräumt wird in der Weise, daß er nur diejenigen Änderungen (einschließlich eines Wechsels der Ausbildungsstätte) anzuzeigen hätte, die für den Anspruch auf BAB und für deren Höhe von Bedeutung sind. Es kann dahinstehen, ob der Vorwurf grober Fahrlässigkeit immer schon dann entfällt, wenn der Verpflichtete bei denkbar mehrdeutigen Auslegungsmöglichkeiten einer ihm erteilten Belehrung nur eine Möglichkeit berücksichtigt, sofern diese nicht ganz abwegig ist (in diesem Sinn vgl. Urt. des BSG vom 19.06.1975 - 8/7 RKg 11/73 -). Jedenfalls kann eine von dem gemeinten Sinne abweichende, aber nicht abwegige Wertung einer solchen Belehrung den Vorwurf grober Fahrlässigkeit dann nicht begründen, wenn ein entsprechendes Verhalten des Belehrten auch nach den übrigen Umständen diesen Vorwurf nicht rechtfertigt, wie im Falle der Mutter der Klägerin.

Aus den gleichen Erwägungen ist dem LSG darin beizupflichten, daß die Mutter der Klägerin den Fortfall von Anspruchsvoraussetzungen nicht infolge grober Fahrlässigkeit i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG verkannt hat. Wenn die Mutter der Klägerin schon nicht grob fahrlässig handelte, als sie die Anzeige nach § 148 AFG unterließ, kann ihr erst recht nicht entgegengehalten werden, daß sie infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß die Leistungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorlagen. Hierfür kommt es nämlich nicht allein darauf an, ob der Irrtum des Leistungsempfängers vermeidbar war. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob der Irrtum durch Vorkehrungen vermieden werden konnte, die sich nach den Umständen des Einzelfalles jedenfalls unabweisbar aufdrängen mußten. Die Mutter der Klägerin mußte sich - wie dargelegt - wegen des Lehrstellenwechsels ihrer Tochter jedoch nicht unter allen Umständen zu einer Anzeige nach § 148 AFG und damit auch nicht zu einer informellen Anfrage bei der Beklagten gedrängt fühlen; denn wer wegen eines Irrtums die Vorschrift des § 148 Abs. 1 AFG außer acht läßt, handelt nur dann schuldhaft i.S. grober Fahrlässigkeit, wenn das Absehen von einer Rückfrage bei der Beklagten unter keinem Gesichtspunkt verständlich erscheint. Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil einmal die Beklagte ihre Belehrung so abgefaßt hat, daß sie Raum für den Irrtum bot, der Lehrstellenwechsel der Klägerin sei für den Leistungsanspruch unbeachtlich, zum anderen, weil die Mutter der Klägerin sich durch die Auskunft der Handwerkskammer als der für den Lehrstellenwechsel sachlich zuständigen Stelle in ihrer Meinung bestärkt fühlen durfte.

Die Beklagte kann ihre Rückforderungsbegehren auch nicht darauf stützen, daß sie die BAB unter dem Vorbehalt gleichbleibender persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse der Klägerin bewilligt hat. Dabei kann es dahinstehen, ob der in dem Bewilligungsbescheid enthaltene Vorbehalt sich überhaupt auf das Rückforderungsbegehren der Beklagten bezieht. Die Beklagte hat zwischen Bewilligung und Auszahlung der BAB in Satz 1 und Satz 2 ihrer Bewilligungsbescheide unterschieden und den Vorbehalt lediglich in die erstgenannte Regelung aufgenommen, der damit zumindest sowohl im Sinne eines Aufhebungs- als auch eines Rückforderungsvorbehalts ausgelegt werden kann. Das BSG hat bereits entschieden, daß Leistungen aufgrund eines bescheidmäßigen Vorbehalts nur dann zurückgefordert werden können, wenn die Verwaltung darin ihr Rückforderungsbegehren eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (so für die Pflegezulage nach dem BVG, vgl. Urt. des BSG vom 21.01.1965 - 8 RV 181/63 - BVBl. 1965, 122). Läßt ein Vorbehalt wie im vorliegenden Fall mehrere Auslegungen zu, so muß sich die Verwaltung diejenige Auslegung entgegenhalten lassen, die der Leistungsempfänger vernünftigerweise zugrundelegen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit des Bescheides willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen (BSG a.a.O.). Hiernach könnte sich die Klägerin bereits mit Erfolg darauf berufen, daß sich die Beklagte für den Fall einer Änderung der maßgebenden Verhältnisse nur die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung vorbehalten hat, eine Regelung, die wegen § 151 Abs. 1 AFG im übrigen überflüssig gewesen wäre (vgl. BSG 37,155, 158).

Letztlich kommt es aber auf die inhaltliche Qualifizierung des Vorbehalts nicht an; denn auch ein ausdrücklicher Vorbehalt der Rückforderung von Leistungen wäre hier rechtsunwirksam. Daß Bescheide über einen Leistungsanspruch weder allgemein mit einem Vorbehalt versehen werden dürfen noch unterstellt werden kann, daß sie stets unter Vorbehalt erteilt werden, hat das BSG für den Bereich der KOV bereits hervorgehoben (vgl. SozR Nr. 6 zu § 65 BVG). Entsprechendes gilt für die Ausbildungsförderung der Beklagten. Zwar hat der erkennende Senat durch Urt. vom 19.03.1974, auf das die Beklagte verwiesen hat, ausgeführt, daß die Erstattung von verauslagten Schlechtwettergeldbeträgen von dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall abhängig gemacht werden kann, daß die nachträgliche Überprüfung das Fehlen von Anspruchsvoraussetzungen ergeben sollte (vgl. BSG 37, 155 = SozR 4600 § 143 f Nr. 1). Die Beklagte übersieht jedoch, daß sich diese Rechtspr. des Senats nur auf solche Fälle bezieht, in denen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen bei der Entsch. über den Antrag noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ein Interesse des Berechtigten an alsbaldiger Entscheidung besteht und infolgedessen nur auf diese Weise künftig Ungewissen Umständen Rechnung getragen werden kann (vgl. BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen), Die Beklagte hat die Rechtspr. des Senats mißverstanden, wenn sie meint, bereits die bloße Möglichkeit einer denkbaren späteren Änderung der bei Bewilligung einer Leistung bereits vollständig vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen berechtige sie zum Vorbehalt einer Rückforderung. Dies würde dazu führen, daß sich die Beklagte praktisch die Rückforderung jeder Leistung vorbehalten dürfte; denn jeder Sachverhalt, der zu einem Leistungsanspruch gegen die Beklagte führt, kann sich in einer den Anspruch berührenden Weise verändern. Für die Regelung des § 152 AFG bliebe danach kein Raum mehr, sie wäre überflüssig. Würde nicht schon die vom Senat bereits bestätigte Auffassung von der grundsätzlichen Bedingungsfeindlichkeit begünstigender VerwAkte, die als Ausfluß einer generellen Pflicht der Verwaltung zum rechtsstaatlichen Handeln ergehen, der Rechtsansicht der Beklagten entgegenstehen (vgl. BSG 37, 155, 159) wäre sie allein durch die in § 152 AFG getroffene Regelung widerlegt. § 152 AFG ist das Korrektiv zu § 151 Abs. 1 AFG, der der Beklagten ein praktisch unbegrenztes Recht zum Eingriff in die Bestandskraft begünstigender Verwaltungsakte gibt. Die Vorschrift des § 152 AFG dient demgegenüber zur Sicherung des Vertrauensschutzes des Betroffenen In das Wirksambleiben von Regelungen der Verwaltung und grenzt abschließend den Bereich ein, in dem dieses Vertrauen nicht mehr geschützt ist. Diese Regelung ist deshalb eng auszulegen. Ein darüber hinausgehendes Rückforderungsrecht der Beklagten mit Hilfe eines entsprechenden Vorbehalts kann infolgedessen nur ausnahmsweise und nur dort anerkannt werden, wo die Anspruchsvoraussetzungen bei der Entsch. über den Anspruch eben noch nicht in der für eine abschließende Beurteilung ausreichenden Weise vorliegen, die dafür erforderlichen Tatsachen noch unvollkommen oder ungeprüft sind, die Verwaltung aber im wohlverstandenen Interesse des Begünstigten Leistungen bereits erbringen will und darf. Gerade einen solchen Sachverhalt hat der Senat für den Fall angenommen, daß die Beklagte dem Arbeitgeber von ihm verauslagte Schlechtwettergeldleistungen erstattet, bevor sie die Berechtigung des Anspruchs durch Überprüfung der betrieblichen Unterlagen feststellen konnte. Ein ähnlicher Fall mag - wie bei allen übrigen Leistungen der Beklagten - auch im Bereich der BAB denkbar sein. Er ist aber dann nicht gegeben, wenn im Zeitpunkt der Entsch. über einen Antrag alle für die gegenwärtige Leistung erforderlichen Sachumstände festgestellt sind, die den Anspruch begründen. Ob sich die Beklagte dann die Rückforderung vorbehalten darf, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung konkrete Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, daß sich an den Anspruchsvoraussetzungen später etwas ändern könnte, bleibt offen. Das LSG hat nichts dazu festgestellt, und die Beklagte hat dies nicht einmal behauptet, daß der von der Klägerin vorgenommene Lehrstellenwechsel bei Bewilligung oder Weiterbewilligung der BAB auch nur andeutungsweise bereits beabsichtigt war. Die bloße Möglichkeit einer Änderung der Verhältnisse, für die im Zeitpunkt der Entscheidung noch keine Anhaltspunkte erkennbar sind, läßt einen Vorbehalt der Rückforderung jedenfalls nicht zu.

Wenn die Beklagte demgegenüber einwendet, sie müßte ohne das Recht zum Vorbehalt der Rückforderung vom Leistungsempfänger monatlich den Nachweis des Fortbestehens der Anspruchsvoraussetzung verlangen, so ist das eine Entsch., die sie im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens bei der Ausgestaltung ihres Verwaltungsverfahrens unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu treffen hat. Für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsvorbehalts ist diese Erwägung jedenfalls nicht erheblich.

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