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§ 50 SGB X: Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

04.09.2023

Änderung

Überarbeitung des Abschnitts 2.2, 2. Absatz, 3. Aufzählungspunkt - vergl. Ergänzung GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 11.

Dokumentdaten
Stand28.08.2023
Erstellungsgrundlage in der Fassung des HZvNG in Kraft getreten am 29.06.2002
Rechtsgrundlage

§ 50 SGB X

Version004.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 regelt, dass bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

Absatz 2 regelt, dass Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten sind. Dabei gelten die Regelungen der §§ 45 und 48 SGB X entsprechend.

Nach Absatz 2a ist der zu erstattende Betrag in bestimmten (außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden) Fällen zu verzinsen.

Absatz 3 bestimmt, dass die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen ist. Der Verwaltungsakt über die Festsetzung des Erstattungsanspruchs soll aber, sofern die zu erstattende Leistung aufgrund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsakts über die Leistungserbringung verbunden werden.

Absatz 4 regelt die Verjährung des Erstattungsanspruchs.

Nach Absatz 5 gilt § 50 SGB X bei der Berichtigung von offenbaren Unrichtigkeiten (§ 38 SGB X) entsprechend.

Allgemeines

§ 50 SGB X bildet die Rechtsgrundlage für die Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen im Verhältnis zwischen dem Sozialleistungsträger und dem Versicherten beziehungsweise Leistungsempfänger.

Zu den vom Rentenversicherungsträger zu erbringenden Leistungen gehören nach § 23 SGB I

  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  • andere Leistungen zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen,
  • Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Knappschaftsausgleichsleistung,
  • Renten wegen Todes,
  • Witwen- und Witwerrentenabfindungen sowie Beitragserstattungen,
  • Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung,
  • Leistungen für Kindererziehung.

Bei der Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X ist zu unterscheiden, ob der Leistung

zugrunde lag.

Zur Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen nach anderen Vorschriften vergleiche Abschnitt 2.3.

Erstattungsansprüche nach Absatz 1

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind zu Unrecht erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit nach §§ 45, 48 oder 49 SGB X aufgehoben oder nach § 47 SGB X widerrufen worden ist.

Die Rückforderung von Leistungen, die nach Erlass eines Korrekturbescheides zunächst aufgrund der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches (§ 86a SGG) weitergezahlt worden sind, richtet sich ebenfalls nach § 50 Abs. 1 SGB X. Denn aufgrund der aufschiebenden Wirkung entfaltet der Korrekturbescheid keine Wirksamkeit mit der Folge, dass den weitergezahlten Leistungen weiterhin ein Verwaltungsakt zugrunde lag.

Infolge der Aufhebung des Verwaltungsakts sind auf seiner Grundlage bereits erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Das Bestehen des Erstattungsanspruchs ist nicht von einem Verschulden des Rentenversicherungsträgers oder des Versicherten oder von dem Grad des beiderseitigen Verschuldens abhängig. Grundsätzlich spielen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen keine Rolle. Diese Fragen sind für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht erheblich. Eventuell durch die Rückforderung eintretenden Härten kann nur bei der Durchsetzung der Forderung im Rahmen von Stundung, Niederschlagung oder Erlass unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 SGB IV begegnet werden.

Überlegungen, inwieweit ein Vertrauensschutz des Leistungsempfängers anzuerkennen ist, sind nur bei der Prüfung von Bedeutung, ob und inwieweit ein rechtswidriger begünstigender Bescheid für die Vergangenheit nach den §§ 45 oder 48 SGB X aufgehoben werden kann. Alle Ermessenserwägungen müssen bereits bei der Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X beziehungsweise beim atypischen Fall bei der Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X angestellt worden sein. Wird der Bescheid aufgehoben, ist der Erstattungsanspruch nur noch von den in § 50 Abs. 1 SGB X genannten Voraussetzungen abhängig. Ein Ermessen besteht dann nicht mehr.

Erstattungsansprüche nach Absatz 2

Nach § 50 Abs. 2 SGB X sind zu Unrecht erbrachte Leistungen zu erstatten, wenn ihnen ein Verwaltungsakt nicht zugrunde lag oder die Korrektur eines bestehenden Verwaltungsakts nicht erforderlich ist.

Ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X kommt insbesondere in folgenden Fällen in Betracht:

  • Zahlung einer befristeten Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus.
  • Weiterzahlung einer Rente, obwohl der der Leistung zugrunde liegende Bescheid nach §§ 45, 48 oder 49 SGB X aufgehoben oder nach § 47 SGB X widerrufen worden ist.
  • Hinsichtlich der Beträge, die bei einer zu Unrecht nicht oder fehlerhaft zu niedrig berücksichtigten Abtretung oder Pfändung ab dem Zeitpunkt des Beginns der laufenden Zahlung erbracht wurden, ist § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X in Verbindung mit § 45 SGB X Rechtsgrundlage für die Rückforderung gegenüber der rentenberechtigten Person. Die fehlgeleiteten Zahlungen an die rentenberechtigte Person sind in diesen Fällen durch den Rentenbescheid nicht gedeckt (vergleiche GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 11.8.1). Das Gleiche gilt, wenn eine Nachzahlung direkt mit Bescheiderteilung an den Berechtigten ausgezahlt (also nicht vorläufig einbehalten) wurde, obwohl eine Abtretung (§ 53 SGB I), eine Pfändung (§ 54 SGB I) oder ein Erstattungsanspruch (§§ 102 ff. SGB X) zu berücksichtigen gewesen wäre.
    Wurde allerdings die Nachzahlung zunächst einbehalten und anschließend im Rahmen der Abrechnung einer Nachzahlung eine Abtretung (§ 53 SGB I), Pfändung (§ 54 SGB I) oder ein Erstattungsanspruch (§§ 102 ff. SGB X) zu Unrecht nicht oder fehlerhaft zu niedrig berücksichtigt, ist die Rücknahme des Bescheides über die Abrechnung der Rentennachzahlung nach § 45 SGB X zu prüfen. Der Rückforderungsanspruch gegenüber der rentenberechtigten Person richtet sich - unter Rücknahme des Abrechnungsbescheides - nach § 50 Abs. 1 SGB X. Denn bei der Mitteilung über die Abrechnung einer Rentennachzahlung handelt es sich um einen Verwaltungsakt über die rechtsverbindliche Festsetzung der Rentennachzahlung (BSG vom 07.04.2022, AZ: B 5 R 24/21 R; AGVR 3/2022, TOP 13 sowie GRA zu § 31 SGB X, Abschnitt 7; vergleiche GRA zu § 45 SGB X, Abschnitt 11.8.1).
    Es gelten darüber hinaus die Ausführungen in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 11.4 und in der GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 10.4.
  • Unrechtmäßige Zahlung an Dritte auf Grund eines mittelbar zustande gekommenen öffentlich-rechtlichen Verhältnisses. Ein mittelbares öffentlich-rechtliches Verhältnis wird begründet, sofern Dritte aus einem unmittelbaren Sozialversicherungsverhältnis Ansprüche des Leistungsempfängers aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften zulässigerweise abgeleitet (zum Beispiel durch Abtretung nach § 53 SGB I oder durch Pfändung nach § 54 SGB I) haben (in diesem Sinne Urteil des BSG vom 24.07.2001, AZ: B 4 RA 102/00 R).
    Beachte: jedoch die Ausführungen in der GRA zu § 53 SGB I, Abschnitt 10 beziehungsweise GRA zu § 54 SGB I, Abschnitt 10.
  • Über den Todesmonat hinaus gezahlte Geldleistungen mit der Folge eines Erstattungsanspruchs gegenüber den Erben nach der Regelung des § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI (vergleiche GRA zu § 118 SGB VI, Abschnitte 6.20 und 6.21).
  • Soweit Leistungen aufgrund der Ausführung eines später aufgehobenen Urteils zu Unrecht erbracht wurden, ist ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X geltend zu machen (Urteil des BSG vom 31.10.1991, AZ: 7 RAr 60/89). Denn die das Urteil ausführenden Verwaltungsakte erledigen sich mit der Aufhebung des Urteils durch eine höherinstanzliche Entscheidung auf andere Weise (§ 39 Abs. 2 SGB X).
  • Bei einer Leistung, der nur eine Rentenanpassungsmitteilung zugrunde liegt. Diese gilt nämlich als ohne Verwaltungsakt erbracht und ist daher nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückzufordern.
    Dies entspricht der Auffassung des BSG (Urteil des BSG vom 23.03.1999, AZ: B 4 RA 41/98 R). In dem hier entschiedenen Fall wurde nach vorheriger Aufhebung des Rentenbescheides weiterhin Waisenrente gezahlt, die regelmäßig nach Mitteilungen der Deutschen Bundespost angepasst wurde. Das BSG sah in diesen Rentenanpassungsmitteilungen zwar Verwaltungsakte, aber nur solche, die eine Regelung über die Anpassung einer zuvor durch Verwaltungsakt gewährten Leistung treffen. Keinesfalls handele es sich aber um Verwaltungsakte, die eine zuvor entzogene Leistung wieder bewilligten. Rentenanpassungsmitteilungen benötigten ein vollständig ausgestaltetes Rentenstammrecht. Liege - wie hier - die ursprüngliche Leistungsgewährung nicht mehr vor, gehe auch die Anpassungsregelung ins Leere und entfalte keine Rechtswirkungen. Die aufgrund der Anpassungsmitteilung erbrachten Leistungen seien in diesen Fällen daher ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden und nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückzufordern.
    Das Urteil des BSG vom 24.01.1995, AZ: 8 RKN 11/93, nach dem in einer Rentenanpassungsmitteilung des Rentenversicherungsträgers dann ein die Rente bewilligender Verwaltungsakt liegen könne, wenn eine Rente ohne bewilligenden Verwaltungsakt gezahlt werde, überzeugt nicht.

Nach § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X sind die §§ 45, 48 SGB X entsprechend anzuwenden. Das bedeutet, dass der Erstattungsanspruch davon abhängt, ob ein Verwaltungsakt, wenn er erlassen und die Leistung aufgrund dieses Verwaltungsakts erbracht worden wäre, nach den §§ 45 und 48 SGB X aufgehoben werden könnte. Eine entsprechende Anwendung des

  • § 45 SGB X ist angezeigt, wenn die Leistung bereits bei ihrer Zahlung ohne Rechtsgrund erbracht wurde, dies jedoch nur insoweit, als es allein auf die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit ankommt (Urteil des BSG vom 09.09.1986, AZ: 11a RA 2/85); eine Verpflichtung zur laufenden Weiterzahlung der unrechtmäßigen Leistung besteht nicht.
  • § 48 SGB X hat in der gesetzlichen Rentenversicherung keine praktische Bedeutung.

Im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 45 SGB X sind folgende Prüfungen vorzunehmen:

Eine Prüfung der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X ist nicht vorzunehmen (Urteil des BSG vom 09.09.1986, AZ: 11a RA 2/85).

Die auf die §§ 45 und 48 SGB X verweisende Regelung des § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X findet allerdings nur dann Anwendung, wenn dem Leistungsempfänger das Recht auf die Zahlung überhaupt wirksam durch Verwaltungsakt zuerkannt werden kann. Ist dies nicht der Fall - wie zum Beispiel dann, wenn ein Gläubiger Beträge im Rahmen einer Abtretung oder Pfändung erhält -, ist im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X lediglich eine dem Rechtsgedanken des § 45 Abs. 2 SGB X entsprechende Vertrauensschutzprüfung vorzunehmen (Urteil des BSG vom 24.07.2001, AZ: B 4 RA 102/00 R).

Ist also beispielsweise der an den Gläubiger gezahlte Betrag nicht von der Abtretung oder Pfändung gedeckt, etwa weil dessen Forderung übertilgt ist, sind keine dem § 45 Abs. 2 SGB X entsprechenden Ermessens- oder Vertrauensschutzerwägungen anzustellen, jedoch ist eine dem Rechtsgedanken des § 45 Abs. 2 SGB X entsprechende Vertrauensschutzprüfung vorzunehmen. Dies ergibt sich aus dem schon rechtsstaatlich unmittelbar gebotenen Vertrauensschutz eines Dritten, der als vermeintlich Empfangsberechtigter Sozialleistungen erhalten hat. Für den Fall, dass die Forderung eines - gutgläubigen - Pfändungsgläubigers beispielsweise übertilgt ist, ist dem Rechtsgedanken des § 45 Abs. 2 SGB X dadurch Rechnung zu tragen, dass Überlegungen zum Ausmaß eines schutzwürdigen Vertrauens ab dem Beginn der - augenfälligen - Überzahlung angestellt werden (Urteil des BSG vom 24.07.2001, AZ: B 4 RA 102/00 R).

Abgrenzung zu anderen Rückforderungsvorschriften

Als Rechtsgrundlage für die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen kommen neben § 50 SGB X noch folgende Vorschriften in Betracht:

  • Die Rücküberweisung beziehungsweise Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen richtet sich nach § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI, wenn Geldleistungen über den Tod des Berechtigten hinaus gezahlt wurden (vergleiche GRA zu § 118 SGB VI, Abschnitt 6). § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI findet auch Anwendung, wenn ein Hinterbliebener, der einen Sterbequartalsvorschuss (§ 7 RentSV) erhalten hat, vor Ablauf des Sterbevierteljahres verstorben ist. Zurückzufordern sind die für die Monate nach dem Tod des Hinterbliebenen bestimmten Rentenbeträge (vergleiche GRA zu § 118 SGB VI, Abschnitt 6.11).
  • Die Erstattung überzahlter Vorschüsse (§ 42 Abs. 1 SGB I) richtet sich nach § 42 Abs. 2 SGB I (vergleiche GRA zu § 42 SGB I, Abschnitt 5).
  • Die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen richtet sich nach § 112 SGB X, wenn die Ansprüche des Leistungsempfängers einem anderen Sozialleistungsträger im Rahmen eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X zu Unrecht ausgezahlt wurden (vergleiche unter anderem GRA zu § 103 SGB X, Abschnitt 1.2.3 und GRA zu § 104 SGB X, Abschnitt 1.2.3).
  • Die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen richtet sich nach §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung), wenn der erbrachten Leistung weder ein unmittelbares noch ein mittelbares öffentlich-rechtliches Verhältnis zugrunde liegt. Die Rückforderung nach bürgerlichem Recht beschränkt sich seit Inkrafttreten des § 118 Abs. 4 SGB VI am 01.01.1996 im Wesentlichen auf Fälle versehentlicher Zahlung auf ein falsches Konto.
    Die Verpflichtung zur Erstattung ist ausgeschlossen, soweit der gutgläubige Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Eine Entreicherung in diesem Sinne liegt vor, sofern weder die Leistung selbst noch deren Wert im Vermögen des Empfängers vorhanden ist. So ist ein Wegfall der Bereicherung nicht gegeben, wenn der Leistungsempfänger durch Verwendung des erlangten Betrages Ausgaben erspart hat, die er sonst ohnehin gehabt hätte. Zu einer Entreicherung kommt es vielmehr, wenn der Empfänger die Leistung für außergewöhnliche Dinge verbraucht hat, die er sich sonst nicht geleistet hätte. Gegen den „bösgläubigen“ Leistungsempfänger besteht ein Rückforderungsanspruch selbst dann, wenn dem Grunde nach die Bereicherung entfallen ist (§§ 819, 818 Abs. 4 BGB).
    Der Erstattungsanspruch kann nicht mit einem Bescheid gem. § 50 Abs. 3 SGB X geltend gemacht werden; er ist vielmehr durch Zahlungsaufforderung und gegebenenfalls durch Mahnverfahren, Klage und Titel (Urteile, Prozessvergleiche, Vollstreckungsbescheide) durchzusetzen.
  • Die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen richtet sich nach § 823 BGB (unerlaubte Handlung), wenn der erbrachten Leistung weder ein unmittelbares noch ein mittelbares öffentlich-rechtliches Verhältnis zugrunde liegt und der Schaden durch eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung herbeigeführt wurde.
    Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein sog. „Identitätsschwindler“ durch unerlaubte Handlung, zum Beispiel Erschleichen einer Rente unter dem Namen eines anderen, die Rechtsbeziehungen zum Versicherungsträger hergestellt hat. Öffentlich-rechtliche Beziehungen zum Zahlungsempfänger kommen dabei nicht zustande.
    Der Erstattungsanspruch kann nicht mit einem Bescheid gem. § 50 Abs. 3 SGB X geltend gemacht werden; er ist vielmehr durch Zahlungsaufforderung und gegebenenfalls Mahnverfahren, Klage und Titel (Urteile, Prozessvergleiche, Vollstreckungsbescheide) durchzusetzen.
  • § 50 SGB X ist auch nicht anwendbar, wenn bei der Rentenzahlung die Einbehaltung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner nach § 255 Abs. 1 SGB V unterblieben ist. Nach § 255 Abs. 2 SGB V sind die rückständigen Beiträge durch den Rentenversicherungsträger aus der weiterhin zu zahlenden Rente entsprechend den Regelungen über die Aufrechnung (§ 51 SGB I) einzubehalten.
  • Wenn eine abgetretene beziehungsweise gepfändete Geldleistung zu Unrecht erbracht wurde, weil die Rente zum Beispiel zu hoch oder zu Unrecht zuerkannt wurde, richtet sich die Rückforderung nach § 53 Abs. 6 SGB I beziehungsweise § 54 Abs. 6 SGB I. Danach sind sowohl Gläubiger als auch Schuldner der Abtretung beziehungsweise Pfändung als Gesamtschuldner erstattungspflichtig. Diese Regelung findet nach § 71 SGB I allerdings nur Anwendung für abgetretene beziehungsweise gepfändete Geldleistungen, die nach dem 30.03.2005 ganz oder teilweise zu Unrecht erbracht worden sind. Bei bis zu dem 30.03.2005 erbrachten Leistungen kann eine Rückforderung durch Bescheid nach § 50 Abs. 1 SGB X nur gegenüber dem Abtretungs- beziehungsweise Pfändungsschuldner erfolgen (Urteil des BSG vom 30.01.2002, AZ: B 5 RJ 26/01 R).
  • Die Erstattung wegen Hinzuverdienst überzahlter Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 96a Abs. 8 Satz 2 SGB VI (vergleiche GRA zu § 96a SGB VI, Abschnitt 4.6).

Feststellung der Überzahlungshöhe

Bei der Feststellung der Überzahlungshöhe ist von den tatsächlich zu viel ausgezahlten Beträgen auszugehen. Maßgeblich ist also beispielsweise die Nettorente (Bruttorente abzüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, sofern Versicherungspflicht vorlag).

Geltendmachung des Erstattungsanspruchs

Sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 oder 2 SGB X gegeben, ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt (vergleiche Abschnitt 3.1) gegenüber dem Erstattungspflichtigen (vergleiche Abschnitt 3.2) festzusetzen.

Form der Geltendmachung

Wurde ein Verwaltungsakt aufgehoben oder widerrufen (§§ 45, 48, 49 SGB X oder § 47 SGB X) oder wurden Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht, sind die erbrachten Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 oder 2 SGB X). Bei § 50 Abs. 1 und 2 SGB X handelt es sich um eine materiell-rechtliche Vorschrift. Der sich aus § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X ergebende (materielle) Erstattungsanspruch, das heißt die Erstattungspflicht des Betroffenen ist gegenüber diesem förmlich durch Verwaltungsakt festzustellen (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X). Ein solcher den Erstattungsanspruch feststellender Verwaltungsakt hat sinngemäß folgenden Inhalt:

Der überzahlte Betrag ist zu erstatten.

Für die Realisierung des Erstattungsanspruchs ist es jedoch nicht ausreichend, nur den Erstattungsanspruch gegenüber dem Betroffenen durch Verwaltungsakt förmlich festzustellen. Zusätzlich ist dem Betroffenen durch Verwaltungsakt auch die konkrete (Rück-)Zahlung des zu erstattenden Betrages zu gebieten (Zahlungsgebot). Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts über das Zahlungsgebot ist § 50 Abs. 3 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X. Ein solcher das Zahlungsgebot verlautbarender Verwaltungsakt hat sinngemäß folgenden Inhalt:

Wir bitten Sie, den Betrag spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides auf unser Konto bei der … (Konto Nr. …, BLZ …) zu überweisen.

Liegt einer zurückzufordernden Leistung ein Verwaltungsakt zugrunde, sind somit folgende Verwaltungsakte zu erteilen:

Nach § 50 Abs. 3 S. 2 SGB X sollen die vorgenannten Verwaltungsakte verbunden werden. Damit soll erreicht werden, dass alle Rechtsfolgen gleichzeitig abgewickelt werden.

Liegt einer zurückzufordernden Leistung kein Verwaltungsakt zugrunde, sind folgende Verwaltungsakte zu erteilen:

Vor Erteilung der Verwaltungsakte über die Feststellung des Erstattungsanspruchs und über das Zahlungsgebot ist der Betroffene - unabhängig davon, ob sich der Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 oder 2 SGB X richtet - grundsätzlich anzuhören (§ 24 SGB X); eine Anhörung kann jedoch unterbleiben, wenn der Erstattungspflichtige bereits im Rahmen der Korrektur des Leistungsbescheides zur Rückzahlung des überzahlten Betrages angehört wurde.

Erstattungspflichtiger Personenkreis

Der Erstattungsanspruch ist demjenigen gegenüber geltend zu machen, an den die Leistung im Sinne von § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X „erbracht“ wurde. Die Leistung wurde an denjenigen „erbracht“, dessen Vermögen vermehrt wurde.

In Fällen, in denen der zurückzufordernden Leistung ein Verwaltungsakt zugrunde liegt (§ 50 Abs. 1 SGB X), ist somit regelmäßig der durch den Bewilligungsbescheid Begünstigte (Anspruchsinhaber) erstattungspflichtig.

In Fällen, in denen der zurückzufordernden Leistung kein Verwaltungsakt zugrunde liegt (§ 50 Abs. 2 SGB X), ist regelmäßig derjenige erstattungspflichtig, der die Leistung tatsächlich erhalten hat.

Ein Erstattungsanspruch aufgrund einer überzahlten Waisenrente ist gegenüber der volljährigen Waise geltend zu machen, auch wenn der Erstattungsanspruch einen Zeitraum vor Eintritt der Volljährigkeit betrifft. Die Waise muss sich das Verhalten des gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (§ 164 BGB). Eine Rückabwicklung im Innenverhältnis gegenüber dem früheren gesetzlichen Vertreter bleibt der Waise überlassen.

Verstirbt ein Erstattungspflichtiger (Erbfall), geht dessen Erstattungspflicht nach den Bestimmungen des Erbrechts auf vorhandene Erben über. Bei einer solchen Erstattungspflicht handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit (Erblasserschuld) im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, für die die Erben nach den §§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB haften. Die Schuld verliert durch den Erbfall jedoch nicht ihre öffentlich-rechtliche Natur (Urteil des BSG vom 13.12.2005, AZ: B 2 U 16/05 R). Sind mehrere Erben vorhanden, haften diese gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB). Es besteht daher ein Wahlrecht, welcher Erbe in Anspruch genommen werden soll.

Waren die Verwaltungsakte über die Feststellung des Erstattungsanspruchs und über das Zahlungsgebot (vergleiche Abschnitt 3.1) zum Zeitpunkt des Todes des Leistungsempfängers

  • unanfechtbar, siehe Abschnitt 3.2.1 oder
  • noch nicht unanfechtbar, siehe Abschnitt 3.2.2 oder
  • noch nicht ergangen, siehe Abschnitt 3.2.3.

Können die Erben nach den Bestimmungen des Erbrechts nicht in Anspruch genommen werden, kommt eine Rückforderung des überzahlten Betrages von den Erben nicht in Betracht.

Verwaltungsakte nach § 50 SGB X waren unanfechtbar

In Fällen, in denen bei einer

zum Zeitpunkt des Todes des Leistungsempfängers unanfechtbar waren, bleiben bei der

  • Leistung mit Verwaltungsakt die Verwaltungsakte über die Bescheidaufhebung und über die Feststellung des Erstattungsanspruchs
  • Leistung ohne Verwaltungsakt der Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs

trotz des Todes des Leistungsempfängers weiterhin wirksam (§ 39 Abs. 1 SGB X).

Der in beiden Fällen (Leistung mit Verwaltungsakt und Leistung ohne Verwaltungsakt) gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot hat sich jedoch durch dessen Tod auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), da er dem Zahlungsgebot nicht mehr nachkommen kann.

Für die Realisierung des Erstattungsanspruchs gegenüber den Erben ist daher diesen gegenüber „nur“ der Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot zu erteilen, mit dem sie zur (Rück-)Zahlung des überzahlten Betrages aufgefordert werden.

Mit dem Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot ist den Erben - unter Hinweis auf den gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilten (Rücknahme-, Aufhebungs- oder Widerrufs- und) Rückforderungsbescheid (§§ 45, 48, 49, 47, 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) - darüber hinaus Folgendes mitzuteilen:

  • Aussage darüber, dass die Erben nach den §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden,
  • Art und Höhe der überzahlten Leistung,
  • Aussage darüber, dass die Leistung rechtswidrig erbracht wurde,
  • Aussage darüber, dass der Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) und gegebenenfalls der Aufhebungsbescheid (§§ 45, 48, 49 SGB X) bestandskräftig ist,
  • Aussage darüber, bis wann der überzahlte Betrag zurückzuzahlen ist und
  • Bankverbindung.

Vor Erteilung des Verwaltungsakts über das Zahlungsgebot sind die Erben entsprechend anzuhören (§ 24 SGB X).

Der gegenüber den Erben erteilte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot gilt in Verbindung mit dem gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilten Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) als vollstreckbarer Titel.

Verwaltungsakte nach § 50 SGB X waren nicht unanfechtbar

In Fällen, in denen zum Zeitpunkt des Todes des Leistungsempfängers die Verwaltungsakte nach § 50 SGB X (und in Fällen, in denen der Leistung ein Verwaltungsakt zugrunde lag, zusätzlich der Aufhebungsbescheid) nicht unanfechtbar waren, ist es Sache der Erben, ob sie das Verwaltungsverfahren weiterführen wollen.

Führen die Erben das Verfahren

Erben führen Verfahren fort

Führen die Erben das Verfahren fort, ist zur Realisierung des Erstattungsanspruchs nunmehr den Erben gegenüber der Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot zu erteilen, mit dem die Erben zur (Rück-)Zahlung des überzahlten Betrages aufgefordert werden. Denn der gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot hat sich durch dessen Tod auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X).

Mit dem Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot ist den Erben - unter Hinweis auf den gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilten (Rücknahme-, Aufhebungs-, Widerrufs- und) Rückforderungsbescheid (§§ 45, 48, 49, 47, 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) - darüber hinaus Folgendes mitzuteilen:

  • Aussage darüber, dass die Erben nach den §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden,
  • Art und Höhe der überzahlten Leistung,
  • Aussage darüber, dass die Leistung rechtswidrig erbracht wurde,
  • Aussage darüber, dass der gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilte Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) und gegebenenfalls der Verwaltungsakt über die Aufhebung (§§ 45, 48, 49 SGB X) erteilt worden ist,
  • Aussage darüber, bis wann der überzahlte Betrag zurückzuzahlen ist und
  • Bankverbindung.

Vor Erteilung des Bescheides über das Zahlungsgebot sind die Erben entsprechend anzuhören (§ 24 SGB X).

Der gegenüber den Erben erteilte Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot gilt in Verbindung mit dem gegenüber dem verstorbenen Leistungsempfänger erteilten Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) als vollstreckbarer Titel.

Erben führen Verfahren nicht fort

Führen die Erben das Verfahren nicht fort - davon ist auch auszugehen, wenn sie sich nicht äußern -, so können ihnen gegenüber aus den bisher erteilten Verwaltungsakten (§§ 45, 48, 49, 47, 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X) keine Rechte hergeleitet werden (BSGE 15, 14, 16).

Damit das Rückforderungsverfahren fortgesetzt werden kann, müssen vielmehr gegenüber den Erben neue Verwaltungsakte erteilt werden.

Liegt der zurückzufordernden Leistung ein Verwaltungsakt zugrunde, sind dies folgende Verwaltungsakte:

Liegt einer zurückzufordernden Leistung kein Verwaltungsakt zugrunde, sind dies folgende Verwaltungsakte:

Darüber hinaus ist die Aussage zu treffen, dass die Erben nach den §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden.

Die Voraussetzungen für die Aufhebung des maßgebenden Bescheides (§§ 45, 48 SGB X) oder für die Erstattung (§ 50 Abs. 2 SGB X) sind weiterhin im Verhältnis zum verstorbenen Leistungsempfänger zu prüfen.

Vor Erteilung der Verwaltungsakte sind die Erben entsprechend anzuhören (§ 24 SGB X).

Für das sozialgerichtliche Verfahren gilt jedoch § 202 SGG in Verbindung mit § 239 Abs. 5 ZPO (Urteil des BSG vom 25.03.1971, AZ: 5 RKn 75/67).

Verwaltungsakte nach § 50 SGB X waren noch nicht erteilt

In Fällen, in denen zum Zeitpunkt des Todes des Leistungsempfängers die Verwaltungsakte nach § 50 SGB X (und in Fällen, in denen der Leistung ein Verwaltungsakt zugrunde lag, zusätzlich der Verwaltungsakt über die Rücknahme, die Aufhebung, den Widerruf) noch nicht erteilt waren, sind diese gegenüber den Erben zu erteilen (vergleiche Abschnitt 3.1).

Die Voraussetzungen für die Rücknahme, die Aufhebung beziehungsweise den Widerruf des maßgebenden Bescheides (§§ 45, 47, 48, 49 SGB X) oder für die Erstattung (§ 50 Abs. 2 SGB X) sind dabei im Verhältnis zum verstorbenen Leistungsempfänger zu prüfen.

Verjährung der Erstattungspflicht

Der Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X oder § 50 Abs. 2 SGB X verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs (§ 50 Abs. 3 S. 1 SGB X) unanfechtbar geworden ist (§ 50 Abs. 4 S. 1 SGB X).

Ein Bescheid ist unanfechtbar, wenn

  • die Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen ist, ohne dass die betroffene Person Widerspruch oder Klage erhoben hat, oder wenn auf die Einlegung von Rechtsbehelfen verzichtet wurde,
  • der Widerspruchsbescheid bestandskräftig geworden ist,
  • die Klage durch rechtskräftiges Urteil abgewiesen worden ist.

Die Verjährungsfrist kann jedoch nach § 50 Abs. 4 S. 2 SGB X - in sinngemäßer Anwendung der BGB-Vorschriften - gehemmt werden oder neu beginnen:

  • Hemmung bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Hinsichtlich der Hemmungstatbestände siehe Abschnitt 4.1.
  • Neubeginn bedeutet, dass die Verjährungsfrist von vier Kalenderjahren erneut zu laufen beginnt. Hinsichtlich der Neubeginntatbestände siehe Abschnitt 4.2.

Beachte:

Die bisherige Auffassung, wonach dann, wenn mit dem Verwaltungsakt über die Feststellung des Erstattungsanspruchs gleichzeitig der Verwaltungsakt über das Zahlungsgebot ergeht, dieser Zahlungsgebots-Verwaltungsakt zugleich ein Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs im Sinne des § 52 SGB X ist und nach Unanfechtbarkeit zu einer 30-jährigen Verjährungsfrist führt, wird mit Blick auf das Urteil des BSG vom 04.03.2021, AZ: B 11 AL 5/20 R, aufgegeben (AGVR 2/2022, TOP 4).

Voraussetzung für eine wirksame Hemmung oder einen wirksamen Neubeginn ist, dass der Hemmungs- oder Neubeginntatbestand

  • nach Beginn der Verjährungsfrist und
  • vor Eintritt der Verjährung

verwirklicht wird.

Der Verjährungsablauf kann durch mehrere, sich anschließende Hemmungs- und Neubeginntatbestände hinausgeschoben werden.

Die Hemmung hat Vorrang vor dem Neubeginn. Wird während eines Hemmungszeitraums ein Neubeginntatbestand verwirklicht, beginnt die neue Verjährungsfrist erst nach dem Ende der Hemmung.

Die Verjährung ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede zu beachten.

Der Eintritt der Verjährung führt nicht zur Beseitigung der Forderung. Der Schuldner ist jedoch berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Hat der Schuldner nach Eintritt der Verjährung dennoch geleistet (auch in Unkenntnis des Verjährungseintritts), kann er das Geleistete jedoch nicht zurückfordern (§ 214 Abs. 2 S. 1 BGB).

Hinsichtlich der Hemmung der Verjährung durch einen Feststellungs- oder Durchsetzungsbescheid siehe GRA zu § 52 SGB X.

Hemmung und Hemmungstatbestände

Hemmung bedeutet, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB).

Die Hemmung beginnt mit dem Tag der Verwirklichung des Hemmungstatbestandes.

Die Hemmung endet am Tag des Wegfalls des Hemmungstatbestandes beziehungsweise am Ende des Tages, der ausdrücklich im Gesetz bezeichnet wird.

Der Tag, an dem der Hemmungsgrund entsteht, der Tag, an dem er entfällt und die Tage dazwischen werden nicht in die Verjährung eingerechnet (tagegenaue Bestimmung).

Die Hemmung kann unter anderem durch folgende Handlungen bewirkt werden:

  • Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren, siehe Abschnitt 4.1.1
  • Stundungsvereinbarung mit dem Schuldner, siehe Abschnitt 4.1.2

 Hemmung durch Insolvenzanmeldung

Die Verjährung wird gehemmt durch Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren beim Insolvenzverwalter (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).

Die Hemmung beginnt, wenn die Anmeldung der Insolvenzforderung (§ 174 InsO) im eröffneten Insolvenzverfahren beim Insolvenzverwalter eingegangen ist.

Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten (Insolvenz-)Verfahrens (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB).

Ein Insolvenzverfahren kann enden durch

Das Insolvenzverfahren endet sowohl im Fall der Aufhebung als auch im Fall der Einstellung mit Beschluss:

Die Hemmung endet demnach sechs Monate nach der Rechtskraft des entsprechenden Beschlusses.

 Hemmung durch Stundungsvereinbarung mit dem Schuldner

Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist (§ 205 BGB).

Von einer solchen Vereinbarung ist auszugehen bei einer förmlichen Stundung im Sinne des § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB IV (Urteil des BSG vom 04.03.2021, AZ: B 11 AL 5/20 R) oder bei einer freiwilligen Ratenzahlung seitens des Schuldners (Fälle, in denen die Stundungsvoraussetzungen nicht vorliegen, der Schuldner dennoch mit Zustimmung des Rentenversicherungsträgers die Forderung ratenweise tilgt).

Die Hemmung beginnt mit der Bekanntgabe des Stundungsbescheides gegenüber dem Schuldner beziehungsweise im Fall der freiwilligen Ratenzahlung an dem Tag, an dem das Schreiben beim Schuldner eingeht, mit dem die Zustimmung zur freiwilligen Ratenzahlung dokumentiert wird.

Die Hemmung endet an dem Tag, an dem der Stundungsbescheid unwirksam im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X wird (dies dürfte regelmäßig der Tag sein, an dem die im Stundungsbescheid getroffene Vereinbarung seitens des Schuldners nicht eingehalten wird) beziehungsweise im Fall der freiwilligen Ratenzahlung an dem Tag, an dem die vereinbarte Ratenzahlung nicht eingeht.

 Neubeginntatbestände

Neubeginn bedeutet, dass die Verjährungsfrist von vier Kalenderjahren erneut zu laufen beginnt.

Die Verjährungsfrist beginnt jedoch nicht (erst) wieder mit dem 1. Januar des Folgejahres zu laufen, sondern unmittelbar nach dem Tag des Ereignisses, das zum Neubeginn der Verjährung geführt hat. Der Neubeginn kann unter anderem durch folgende Handlungen bewirkt werden:

  • Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner, siehe Abschnitt 4.2.1.,
  • Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung, siehe Abschnitt 4.2.2.

 Neubeginn durch Anerkennung des Anspruchs

Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Schuldner den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Eine Anerkennung des Anspruchs durch Abschlagszahlung liegt vor, wenn der Schuldner eine Teilzahlung (Ratenzahlung) leistet. Von einer Anerkennung des Anspruchs durch Teilzahlung kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn diese „unter Vorbehalt“ oder „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erfolgte.

Eine Anerkennung des Anspruchs in anderer Weise liegt vor, wenn der Schuldner von sich aus um Stundung bittet, das heißt, einen Stundungsantrag stellt. Von einer Anerkennung des Anspruchs durch Stundungsantrag ist nicht auszugehen, wenn der Schuldner den Stundungsantrag auf ein Angebot oder auf Anregung des Rentenversicherungsträgers hin stellt. Im letztgenannten Fall liegt - sofern es zu einem Stundungsbescheid beziehungsweise zu einer Stundungsvereinbarung kommt - vielmehr ein Hemmungstatbestand nach § 205 BGB vor (vergleiche Abschnitt 4.1.2).

Eine Anerkennung des Anspruchs in anderer Weise liegt außerdem vor, wenn der Schuldner ein Abfindungsangebot macht, um sich von dem geltend gemachten Anspruch zu befreien.

Maßgebend ist der Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses und nicht der des Zugangs beim Rentenversicherungsträger. Das heißt, dass zum Beispiel bei einem Stundungsantrag dessen Datum maßgebend ist und nicht das Datum des Eingangs beim Rentenversicherungsträger.

Ein nach Eintritt der Verjährung abgegebenes Anerkenntnis führt zwar nicht zu einem Neubeginn, es kann aber im Einzelfall als Verzicht auf die Verjährungseinrede angesehen werden

 Neubeginn durch Vollstreckungshandlung

Die Verjährung beginnt erneut, wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Ein durch einen Antrag bewirkter Neubeginn führt nach Vornahme der Vollstreckungshandlung zu einem neuen Neubeginn.

Hinsichtlich der

  • Beantragung der Vollstreckungshandlung beim Vollstreckungsorgan siehe Abschnitt 4.2.2.1,
  • Vornahme der Vollstreckungshandlung durch das Vollstreckungsorgan siehe Abschnitt 4.2.2.2.

Liegen Antrag und Vollstreckungshandlung vor, beginnt die Verjährung nacheinander jeweils wieder neu. Das heißt, dass ein durch einen Antrag bewirkter Neubeginn nach Vornahme der Vollstreckungshandlung zu einem erneuten Neubeginn führt.

Vollstreckungsorgane für die bundesunmittelbaren Rentenversicherungsträger sind die Hauptzollämter (vergleiche GRA zu § 66 SGB X, Abschnitt 2.1.1.1.3) sowie je nach dem Gegenstand der Vollstreckung der Gerichtsvollzieher, das Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt (vergleiche GRA zu § 66 SGB X, Abschnitt 3.3). Bei den übrigen Behörden ergibt sich das zuständige Vollstreckungsorgan aus den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften (vergleiche GRA zu § 66 SGB X, Abschnitt 1).

 Beantragung der Vollstreckungshandlung

Die Verjährung beginnt erneut durch Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung beim Vollstreckungsorgan. Maßgeblich ist der Tag des Antragseingangs beim Vollstreckungsorgan.

Es ist nicht erforderlich, dass der Schuldner Kenntnis vom Vollstreckungsantrag erlangt hat.

Wird der Vollstreckungsantrag zurückgenommen, gilt der erneute Beginn der Verjährung als nicht eingetreten (§ 212 Abs. 3 BGB).

 Vornahme der Vollstreckungshandlung

Die Verjährung beginnt erneut durch Vornahme einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung durch ein Vollstreckungsorgan. Maßgeblich ist der Beginn der Vollstreckungshandlung; insoweit ist die Dauer der Vollstreckungshandlung ohne Bedeutung. Ebenso ist ohne Bedeutung, ob die Vollstreckung erfolgreich war.

Wird die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers aufgehoben, gilt der erneute Beginn der Verjährung als nicht eingetreten (§ 212 Abs. 2 BGB). Das Gleiche gilt, wenn die Vollstreckungshandlung mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Vollstreckungshandlung schlechthin fehlen.

Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 5 SGB X

Nach § 50 Abs. 5 SGB X besteht ein Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers auch dann, wenn Leistungen aufgrund offenbarer Unrichtigkeiten im Verwaltungsakt (§ 38 SGB X ) erbracht worden sind (siehe hierzu die GRA zu § 38 SGB X).

Bei Berichtigungen nach § 38 SGB X gelten nach § 50 Abs. 5 SGB X die Absätze 1 bis 4 des § 50 SGB X entsprechend.

Zuständigkeit für die Rückforderung nach § 50 SGB X

In § 50 SGB X ist nicht unmittelbar geregelt, welcher Leistungsträger für die Erteilung eines Rückforderungsbescheides zuständig ist. § 44 Abs. 3 SGB X wird daher entsprechend angewandt. Das heißt, dass der aktuell zuständige Rentenversicherungsträger den Rückforderungsbescheid zu erteilen hat.

Ist der Rückforderungsbescheid bereits erteilt worden und erfolgt anschließend ein Zuständigkeitswechsel, führt der abgebende Träger als Forderungsinhaber die Beitreibung der Forderung aus § 50 SGB X weiter; dies gilt auch im Zusammenhang mit einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren. Der abgebende Rentenversicherungsträger kann den neu zuständigen Rentenversicherungsträger gegebenenfalls zur Verrechnung (§ 52 SGB I) ermächtigen (AGFAVR 4/2013, TOP 7).

 

HZvNG vom 21.06.2002 (BGBl. I S. 2167)

Inkrafttreten: 01.01.2002 beziehungsweise 29.06.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/9442

Durch das „Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 21.06.2002 (BGBl. I S. 2167) wurden in § 50 Abs. 2a SGB X die Sätze 1 und 3 mit Wirkung ab 29.06.2002 geändert. Nach Satz 1 sind Forderungen danach mit fünf (bisher drei) Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

§ 50 Abs. 4 SGB X wurde im Hinblick auf die Neufassung der Verjährungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung vom 01.01.2002 geändert.

4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4375

Durch das „Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) wurde in § 50 Abs. 2a SGB X eine redaktionelle Anpassung vorgenommen.

Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 02.05.1996 (BGBl. I S. 656)

Inkrafttreten: 21.05.1996

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 13/1534, 13/3868

Durch das „Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften“ vom 02.05.1996 (BGBl. I S. 656) wurde § 50 Abs. 2a SGB X eingefügt.

Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885)
Inkrafttreten: 01.01.1991

Der Anwendungsbereich des § 50 SGB X wurde durch Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 2 des “Einigungsvertragsgesetzes“ vom 23.09.1990 (BGBl. II S. 885 ff., 1032) auf das Beitrittsgebiet ausgeweitet.

SGB X - Art. II - Übergangs- und Schlussvorschriften sowie Änderung von weiteren Gesetzen vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.01.1983 beziehungsweise 01.07.1983

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 9/1753

Durch das Gesetz „Sozialgesetzbuch - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -“ vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450) wurde § 50 Abs. 1 SGB X um den Satz 2 ergänzt; in Absatz 2 wurde ein Redaktionsversehen korrigiert.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 7/910

Durch das Gesetz “Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren -“ vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) wurde § 50 SGB X eingeführt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 50 SGB X