§ 2 KSVG: Personenkreis
veröffentlicht am |
12.11.2019 |
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Änderung | Präzisierungen in Abschnitt 3ff. |
Stand | 24.07.2019 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 in Kraft getreten am 01.01.2012 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 002.01 |
Inhalt der Regelung
In § 2 KSVG wird definiert, welche Personen Künstler und Publizisten im Sinne des KSVG sind.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
Im KSVG sind verschiedene Rechtsfolgen an die Eigenschaft als Künstler oder Publizist geknüpft. So wird diesem Personenkreis insbesondere der Zugang zur Sozialversicherung eröffnet (§ 1 KSVG). Die Versicherung dieses Personenkreises wird durch die Künstlersozialkasse durchgeführt, die auch die Beiträge einzieht. Finanziert wird die Künstlersozialversicherung zur einen Hälfte durch Beitragsanteile der Versicherten selbst (§§ 14, 15 KSVG) und zur anderen Hälfte aus der Künstlersozialabgabe (§ 23 KSVG) und einem Zuschuss des Bundes (§ 34 KSVG).
Gemäß §§ 23, 24 KSVG wird die Künstlersozialabgabe in Form einer Umlage von den abgabepflichtigen Unternehmen erhoben. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die typischerweise und entsprechend dem Zweck des Unternehmens künstlerische und publizistische Werke und Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten in Anspruch nehmen.
§ 25 KSVG bestimmt, welche an selbständige Künstler oder Publizisten gezahlten Entgelte zur Berechnung der Künstlersozialabgabe heranzuziehen sind.
Um die Finanzierungsgrundlagen der Künstlersozialversicherung zu stärken, hat die Deutsche Rentenversicherung im Laufe des Jahres 2007 damit begonnen, die potentiell zur Zahlung der Künstlersozialabgabe verpflichteten Arbeitgeber zu prüfen (vergleiche § 28p Abs. 1a SGB IV).
Um diese Aufgaben durchführen zu können, sind regelmäßig Feststellungen darüber zu treffen, welche Personen als Künstler oder Publizisten anzusehen sind.
Allgemeines
§ 2 KSVG enthält die grundsätzlichen Bestimmungen über die Abgrenzung des vom Gesetz erfassten Personenkreises. Auf die Aufzählung von Berufsbezeichnungen wird verzichtet, da die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer und publizistischer Berufstätigkeit einer solchen Aufzählung entgegensteht.
Die Vorschrift definiert in Form von Generalklauseln, wer Künstler beziehungsweise Publizist im Sinne des KSVG ist. Erfasst werden als Tätigkeiten das Schaffen, Ausüben und Lehren in den vier Bereichen (Sparten)
- Musik,
- Darstellende Kunst,
- Bildende Kunst,
- Publizistik (auch: Wort).
Wie das BSG - auch in Abgrenzung zu seiner früheren Rechtsprechung - klargestellt hat, ist die gesetzliche Gleichstellung der Lehre von Kunst mit der Schaffung und Ausübung von Darbietungen und Werken der Kunst nur gerechtfertigt, wenn die Lehre, also der praktische und theoretische Unterricht, darauf gerichtet ist, dem Lernenden die Fähigkeiten und Fertigkeiten beizubringen, die erforderlich sind, um selbst zur Schaffung und Ausübung künstlerischer Darbietungen und Werke in der Lage zu sein (BSG vom 01.10.2009, AZ: B 3 KS 2/08 R).
Die Differenzierung der Künstler und Publizisten in vier Bereiche hatte bis 1999 Bedeutung für die Finanzierung der KSK, da der Finanzbedarf nach dem bis 31.12.1999 geltenden § 26 KSVG getrennt nach den Bereichen festgesetzt und erhoben wurde. Für die Klärung der Frage, ob eine Person Künstler oder Publizist im Sinne des § 2 KSVG ist, hat die Unterscheidung nach Bereichen dagegen keine Bedeutung.
Diese Gemeinsame Rechtliche Anweisung stellt dar, welche Berufe und welche Tätigkeiten von § 2 KSVG erfasst werden.
Begriff des Künstlers/Publizisten
Das KSVG nimmt eine an der Typologie der Ausübungsformen orientierte Einteilung in Kunstgattungen vor. Durch die Generalklauseln werden künstlerische und publizistische Berufe in umfassender Weise berücksichtigt.
Künstler/Publizist ist danach, wer künstlerische/publizistische Leistungen erbringt. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des BSG die Künstler- oder Publizisteneigenschaft nur solchen Personen zu, die Kunst nicht nur einmalig, sondern so nachhaltig ausüben, dass sie als Wesensmerkmal der Person angesehen werden kann (BSG vom 28.08.1997, AZ: 3 RK 13/96, BSG vom 16.07.2014, AZ: B 3 KS 3/13 R und BSG vom 28.09.2017, AZ: B 3 KS 3/15 R). Eine erwerbsmäßige Kunstausübung ist - anders als für den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 1 KSVG - nicht erforderlich. Auch Personen, die nur nebenberuflich oder in ihrer Freizeit oder nur vorübergehend künstlerisch oder publizistisch tätig sind, können daher von § 2 KSVG erfasst werden. Allenfalls wenn der Tätigkeit jedwede Nachhaltigkeit fehlt und sie nur einmalig ausgeübt wird, kann eine Zuordnung zu den Künstlern oder Publizisten im Sinne des KSVG unterbleiben (BSG vom 28.09.2017, AZ: B 3 KS 3/15 R).
Trotz des Inlandsbezuges des KSVG ist es für die Frage, ob es sich um Kunst/Publizistik handelt, unbeachtlich, ob die zu beurteilende Kunstgattung Ursprünge im Ausland oder fremdländische Wurzeln hat, ob die Leistung von einem Deutschen oder einem Ausländer dargeboten wird und ob die ausländischen Bezüge stärker sind als die inländischen (BSG vom 15.11.2007, AZ: B 3 KS 3/07 R).
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person Künstler oder Publizist im Sinne des KSVG ist, kommt es nicht auf die künstlerische oder publizistische Qualität einer Leistung an. Es ist daher auch nicht Aufgabe des Rentenversicherungsträgers, den künstlerischen Wert einer Tätigkeit oder einer Leistung zu beurteilen. Stattdessen ist darauf abzustellen, ob in einer Leistung eine freie schöpferische Gestaltung zu erkennen ist, wobei die Anforderungen an die freie schöpferische Gestaltung niedrig zu bemessen sind (BSG vom 25.10.1995, AZ: 3 RK 24/94). Ob ein bestimmter Beruf oder eine bestimmte Tätigkeit als künstlerisch oder publizistisch angesehen werden kann, ist unter Berücksichtigung des Regelungszweckes des Gesetzes, der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen. Da jedoch gerade jene Künstler sozial schutzbedürftig sind, denen die allgemeine Anerkennung (noch) verwehrt ist (sogenannte Avantgarde), kann es zumindest in Zweifelsfällen nicht auf die allgemeine Verkehrsauffassung oder die Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise ankommen. Auch die in der Bevölkerung vorherrschende Auffassung über Kunst kann nicht als Maßstab herangezogen werden (Urteil des BSG vom 25.10.1995, AZ: 3 RK 24/94). Es erscheint vielmehr sinnvoll, in diesen Zweifelsfällen nicht allgemein auf die Tätigkeit abzustellen, sondern auf die konkrete Person. Danach ist Künstler oder Publizist, wer in den einschlägigen fachkundigen Kreisen als solcher anerkannt und behandelt wird (Urteile des BSG vom 20.03.1997, AZ: 3 RK 15/96 und BSG vom 24.06.1998, AZ: B 3 KR 13/97 R).
Auch eine Personengesellschaft (zum Beispiel GbR, Partnerschaftsgesellschaft) ist als ‘selbständiger Künstler/Publizist’ zu qualifizieren, wenn sie künstlerische/publizistische Leistungen erbringt (vergleiche BSG vom 16.07.2014, AZ: B 3 KS 3/13 R). Der oder die persönlich verantwortlichen Gesellschafter sind unabhängig davon, ob sie persönlich eine künstlerische/publizistische Leistung erbringen, als Künstler/Publizist anzusehen, wenn sie für die Erstellung der künstlerischen/publizistischen Leistung die Gesamtverantwortung tragen. Selbst eine vollständige Übertragung der künstlerischen/publizistischen Aufgaben an Mitarbeiter steht dem nicht entgegen (siehe BSG vom 24.07.2003, AZ: B 3 KR 37/02 R). Ist umgekehrt die Personengesellschaft „nichtkünstlerisch/nichtpublizistisch“ tätig, so sind deren Gesellschafter nicht als Künstler/Publizisten anzusehen, auch wenn sie gesellschaftsintern für künstlerische/publizistische Bereiche zuständig sind (vergleiche BSG vom 21.06.2012, AZ: B 3 KS 1/11 R). Nicht als „selbständiger Künstler/Publizist“ ist hingegen eine Kommanditgesellschaft (KG) und eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) zu qualifizieren (vergleiche GRA zu § 25 KSVG, Abschnitte 2.4.3.2 und 2.4.3.3).
Der Begriff des „Publizisten“ hat durch das 4. SGB-IV-Änderungsgesetz mit Wirkung ab 01.01.2012 eine Einschränkung erfahren (siehe Abschnitt 1.1). Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rechtslage bis 31.12.2011:
Der Begriff des Publizisten ist weit auszulegen (Urteile des BSG vom 15.02.1989, AZ: 12 RK 67/87, und BSG vom 27.03.1996, AZ: 3 RK 10/95). Er beschränkt sich nicht auf die „eigenschöpferische Wortgestaltung“ sowie auf die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und sogenannten Kommunikationsmitteln (zum Beispiel Zeitschriften, Zeitungen). Der Begriff Publizistik geht zurück auf das lateinische Wort „publicare“, was mit „veröffentlichen“ zu übersetzen ist. Von daher versteht man unter einem Publizisten regelmäßig jeden im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden. Der Publizistik ist eigen, dass die erstellten Werke für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Der Begriff „Öffentlichkeit“ lässt sich zahlenmäßig nicht näher eingrenzen. Die Öffentlichkeit kann einerseits, wie zum Beispiel bei Boulevardblättern, sehr breit sein, andererseits aber auch nur einen sehr engen Kreis von Interessenten betreffen, wie zum Beispiel bei hochspezialisierten Fachzeitschriften und Lehrbüchern. Die Öffentlichkeit ist aber nicht gegeben, wenn der Adressatenkreis bestimmt abgegrenzt ist und die Adressaten durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich miteinander verbunden sind (vergleiche Urteile des BSG vom 30.01.2001, AZ: B 3 KR 7/00 R und BSG vom 23.03.2006, AZ: B 3 R 9/05 R).
Rechtslage ab 01.01.2012:
Eine an die Öffentlichkeit gerichtete Aussage (zum Beispiel Tätigkeit wie beim Personenkreis der Trauerredner) reicht ab dem 01.01.2012 nicht mehr aus, um eine publizistische Tätigkeit im Sinne des § 2 S. 2 KSVG auszuüben. § 2 S. 2 KSVG wurde dahingehend geändert, dass nur noch diejenigen Personenkreise zu den Publizisten gehören, deren Berufsbild und Tätigkeitsfeld sich mit den in § 2 S. 2 KSVG genannten Leitberufen des Schriftstellers und des Journalisten gleichsetzen lassen. Die Gesetzesänderung ist ausschließlich für Tätigkeiten ab 01.01.2012 anzuwenden (vergleiche BSG vom 16.07.2014, AZ: B 3 KS 3/13 R).
Unterschiedliche Tätigkeitsbereiche
Ist eine Person sowohl künstlerisch/publizistisch als auch auf einem anderen Gebiet tätig, so ist zu unterscheiden zwischen der Ausübung einer zusammenhängenden Tätigkeit, die durch verschiedene Tätigkeitselemente geprägt ist oder der Ausübung zweier beziehungsweise mehrerer klar abgrenzbarer Tätigkeiten.
Bei einem aus unterschiedlichen Tätigkeiten zusammengesetzten Berufsbild (sogenannte Mischtätigkeit) kann von einem künstlerischen/publizistischen Beruf nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen/publizistischen Elemente das Gesamtbild prägen, Kunst oder Publizistik also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (BSG vom 07.12.2006, AZ: B 3 KR 11/06 R). Im Bereich der Lehre von Kunst muss der Schwerpunkt der Lehrtätigkeit darin bestehen, dem Lernenden die Fähigkeiten und Fertigkeiten beizubringen, die erforderlich sind, um selbst zur Schaffung und Ausübung künstlerischer Darbietungen und Werke in der Lage zu sein (vergleiche BSG vom 01.10.2009, AZ: B 3 KS 2/08 R).
Bei der Prüfung des Schwerpunktes beziehungsweise der Prägung der Tätigkeit kommt es nicht allein auf die Zeitanteile beziehungsweise die Vergütung der einzelnen Tätigkeitselemente an. Es bedarf stattdessen einen Gesamtwürdigung anhand von beispielsweise Verträgen und Aufgabenbeschreibungen (BSG vom 23.03.2006, AZ: B 3 KR 13/05 R).
Überträgt man diesen Grundsatz auf Personengesellschaften, wie eine GbR oder Partnerschaftsgesellschaft, nicht aber eine KG oder OHG (siehe Abschnitt 3), so kommt es darauf an, ob die Personengesellschaft im Rahmen ihres Unternehmenszweckes ihren Schwerpunkt in der Erbringung künstlerischer oder publizistischer Leistungen hat.
Regelmäßig sind die Leistungen eines Künstlers/Publizisten das Ergebnis verschiedener Tätigkeiten (Planung, Entwicklung, Ausführung). Eine Trennung der kreativen von den eher technisch geprägten Tätigkeiten ist jedoch nicht vorzunehmen, sofern auch die eher technisch geprägten Tätigkeiten der Schaffung des künstlerischen oder publizistischen Werkes dienen. So gehört zum Beispiel zum Designerberuf, dass der (rein künstlerische) Entwurf in eine praktisch verwertbare, das heißt vom Kunden produzierbare Form gebracht und die zur Umsetzung erforderlichen (technischen) Werkzeichnungen gefertigt werden (vergleiche Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15.08.1997, AZ: L 4 Kr 1911/95.
Die Kunstausübung darf nicht nur ein Annex (‘Anhängsel’) zur eigentlichen Berufsausübung sein. Ist die Kunstausübung lediglich ein Annex zur eigentlichen nicht-künstlerischen Berufsausübung, so ist die die Kunst ausübende Person nicht Künstler/Publizist im Sinne des KSVG (BSG vom 24.01.2008, AZ: B 3 KS 1/07 R).
Wird eine künstlerische/publizistische Tätigkeit parallel zu einer oder mehreren nicht künstlerischen/nicht publizistischen Tätigkeiten oder Beschäftigungen ausgeübt - ist also eine klare Trennung der Tätigkeitsbereiche gegeben -, so ist die künstlerische/publizistische Tätigkeit einer eigenständigen Betrachtung zu unterziehen. Die entsprechende Person ist dann als (nebenberuflich tätiger) Künstler oder Publizist anzusehen.
Künstlerische/publizistische Berufe
Ob ein bestimmter Beruf als künstlerisch oder publizistisch angesehen werden kann, ist unter Berücksichtigung des Regelungszweckes des Gesetzes, der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen. Aus den Materialien zum KSVG kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben hat. Anhand der bereits bestehenden BSG-Rechtsprechung kann folgende Klassifikation vorgenommen werden:
- Katalogberufe (Abschnitt 3.2.1),
- vergleichbare Berufe (Abschnitt 3.2.2),
- (Kunst-)Handwerker (Abschnitt 3.2.3),
- Tätigkeiten im Bereich Traditions- und Brauchtumspflege (Abschnitt 3.2.4).
Katalogberufe
Bei den sogenannten Katalogberufen handelt es sich um künstlerische und publizistische Berufe, die in dem Künstlerbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1975 sowie dem Autorenreport aus dem Jahre 1972 enthalten waren. Die Katalogberufe geben insoweit die (damalige) allgemeine Verkehrsauffassung wieder. Diese Berufe sind grundsätzlich ohne weitere Prüfung als künstlerisch oder publizistisch anzusehen. Denn bei ihnen bildet in der Regel der eigenschöpferisch-kreative Charakter des Schaffens den Schwerpunkt. Einige dieser Berufe können jedoch ihren Schwerpunkt im (Kunst-)Handwerklichen oder Technischen haben, sodass eine nähere Prüfung erforderlich ist (vergleiche Abschnitt 3.2.3).
Vergleichbare Berufe
Die Nichterwähnung im Künstlerbericht und im Autorenreport (vergleiche Abschnitt 3.2.1) steht der Einordnung der Tätigkeit als künstlerisch/publizistisch nicht entgegen, wenn es die Tätigkeit zur Zeit seiner Abfassung noch nicht gegeben hat. Gleiches gilt, wenn sich nach der Erstellung des Künstlerberichts oder des Autorenreports die Verkehrsauffassung hinsichtlich einer früher bereits bekannten Tätigkeit grundlegend gewandelt hat oder wenn der betreffende Kunsttyp von einer so kleinen Gruppe von Kunstschaffenden ausgeübt wird, dass er im Künstlerbericht/Autorenreport unberücksichtigt bleiben konnte (BSG vom 15.11.2007, AZ: B 3 KS 3/07 R).
Die Katalogberufe stellen in ihrem jeweiligen Bereich (Musik, Darstellende Kunst, Bildende Kunst, Publizistik) Leitberufe dar. Nicht im Künstlerkatalog enthaltene Berufe sind daraufhin zu prüfen, ob sie einem Katalogberuf vergleichbar sind. Katalogberufe sind insoweit als ‘Einordnungshilfe’ heranzuziehen.
Zu prüfen ist nach der Rechtsprechung des BSG, ob das erforderliche Mindestmaß an eigenschöpferischer Leistung erreicht wird (Urteil BSG vom 30.01.2001, AZ: B 3 KR 11/00 R) und ob eine allgemeine Verkehrsauffassung feststellbar ist, wonach es sich um eine künstlerische Tätigkeit handelt (Urteil BSG vom 07.12.2006, AZ: KR 11/06 R). Werden die Leistungen und Werke überwiegend in derselben Weise erstellt sowie verbreitet beziehungsweise dargeboten wie die Leistungen und Werke von Künstlern/Publizisten, die einen Katalogberuf ausüben, so bewegt sich die jeweilige Person im ‘Wirkbereich der Kunst’ mit der Folge, dass sie als Künstler/Publizist im Sinne des KSVG anzusehen ist.
Personen, deren Leistungen und Werke von Unternehmen genutzt werden, die als typische Verwerter von Kunst und Publizistik von § 24 Abs. 1 S. 1 KSVG (siehe GRA zu § 24 KSVG) erfasst werden, sind regelmäßig im ‘Wirkbereich der Kunst’ tätig (BSG vom 26.11.1998, AZ: B 3 KR 12/97 R und BSG vom 30.01.2001, AZ: B 3 KR 11/00 R). Bei diesen Berufsfeldern kann - wie bei den Katalogberufen - das soziale Schutzbedürfnis unterstellt werden (vergleiche BSG vom 24.01.2008, AZ: B 3 KS 1/07 R).
(Kunst-)Handwerker
Problematisch ist die in der Praxis häufig vorzunehmende Abgrenzung zwischen künstlerischer und (kunst-)handwerklicher Tätigkeit. Hierbei ist Folgendes zu beachten: Grundsätzlich geht es darum, ob dem Schaffen eine schöpferische Leistung zugrunde liegt, die über den Bereich des Handwerklichen hinausgeht. Personen, die eine handwerkliche Tätigkeit im Sinne der Handwerksordnung ausüben, können insofern nicht als Künstler angesehen werden. Dies ergibt sich aus dem Zweck des KSVG, vornehmlich solche Personengruppen zu schützen, die vor der Einführung des KSVG gegen die sozialen Risiken nicht abgesichert waren. Auf (Kunst-)Handwerker trifft dies nicht zu. Dennoch kann eine handwerkliche Tätigkeit künstlerischen Charakter haben. Die für die Abgrenzung maßgebende Feststellung einer eigenschöpferischen Leistung ergibt sich noch nicht daraus, dass nach eigener Planung individuelle Stücke entsprechend den Vorstellungen der Auftraggeber gefertigt werden. Denn individuelle Fertigung zeichnet auch das Handwerk aus und unterscheidet es insoweit von der industriellen Produktion. Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum Künstler im Sinne des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird (vergleiche BSG vom 25.11.2010, AZ: B 3 KS 1/10 R). Ein Indiz dafür ist zum Beispiel das Ausstellen in Kunstgalerien, auf Kunstausstellungen, die Mitgliedschaft in Künstlervereinen, die Aufnahme in Künstlerlexika, die Mitwirkung an Musikveranstaltungen und Konzertaufnahmen sowie die Erwähnung in Programmheften oder Tonträgeraufschriften (vergleiche BSG vom 15.11.2007, AZ: B 3 KS 3/07 R).
Etwas anderes gilt zum Beispiel für Werbefotografen. Ihre Tätigkeit ist pauschal, das heißt ohne Prüfung im Einzelfall, ob das handwerkliche Berufsfeld verlassen wird, ob ein eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, ob die Fotografien tatsächlich eine künstlerische Qualität besitzen und ob in fachkundigen Kreisen eine Anerkennung als Künstler besteht, dem Bereich der bildenden Kunst zuzuordnen. Denn Fotografie zu Werbezwecken ist Kunst. Dies gilt auch dann, wenn der Werbefotograf in die Handwerksrolle eingetragen ist (vergleiche BSG vom 12.11.2003, AZ: B 3 KR 10/03 R, und BSG vom 25.11.2010, AZ: B 3 KS 1/10 R).
Die von den Finanzgerichten entwickelten Abgrenzungskriterien bei Leistungen mit gewerblichem Verwendungszweck (zum Beispiel Werbung, Marketing) sind für die Abgrenzung zwischen bildender Kunst im Sinne des § 2 KSVG und davon grundsätzlich nicht erfasstem Kunsthandwerk beziehungsweise Kunstgewerbe nicht maßgebend (Beschluss des BSG vom 14.05.2014, AZ: B 3 KS 1/14 B mit Verweis auf BSG vom 24.06.1998, AZ: B 3 KR 13/97 R).
Traditions- und Brauchtumspflege
Berufe und Tätigkeiten, die der Traditions- und Brauchtumspflege zuzuordnen sind, sind nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keine Kunst und daher auch nicht künstlerisch im Sinne des KSVG (vergleiche BSG vom 12.05.2005, AZ: B 3 KR 13/04 R).
Einzelfälle
Durch den Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis sind in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Berufen und Tätigkeiten entsprechende Entscheidungen ergangen. In der Anlage 1 zu dieser Gemeinsamen Rechtlichen Anweisung werden die von § 2 KSVG erfassten Berufe und Tätigkeiten in Gruppen dargestellt: die sogenannten Katalogberufe sowie weitere Berufe und Tätigkeiten. Hinzu kommt in der Anlage 2 ein sogenannter Negativkatalog von nicht vom KSVG erfassten Berufen und Tätigkeiten.
Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I Seite 3057) |
Inkrafttreten: 01.01.2012 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/7000, 17/7991 |
Mit Artikel 14a des oben genannten Gesetzes wurden in § 2 S. 2 KSVG die Wörter „in anderer Weise“ durch die Wörter „in ähnlicher Weise“ ersetzt.
Zweites Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.06.2001 (BGBl. I Seite 1027) |
Inkrafttreten: 01.07.2001 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5066 |
Mit Artikel 1 Nummer 1 des oben genannten Gesetzes wurden in § 2 S. 2 KSVG nach den Wörtern ‘tätig ist’ die Wörter ‘oder Publizistik lehrt’ angefügt.
Einigungsvertragsgesetz vom 23.09.1990 (BGBl. II Seite 885) |
Inkrafttreten: 01.01.1992 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/7760 |
Aufgrund des Artikels 1 des Einigungsvertragsgesetzes in Verbindung mit Artikel 8 Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nummer 5 Buchstabe a des Einigungsvertrages vom 18.09.1990 ist § 2 KSVG ab 01.01.1992 auch in den neuen Bundesländern anzuwenden.
Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl. I Seite 2606) |
Inkrafttreten: 01.01.1989 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/2964 |
Mit Artikel 1 Nummer 1 des oben genannten Gesetzes wurde das in Absatz 1 enthaltene Tatbestandsmerkmal der selbständigen Tätigkeit gestrichen, da es bereits in § 1 KSVG enthalten ist. Das Tatbestandsmerkmal der nicht nur vorübergehenden Erwerbstätigkeit und die Regelungen des Absatz 2 Nummer 1 KSVG wurden in den neu gefassten § 1 KSVG aufgenommen.
Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 KSVG wurde in § 4 Nr. 3 KSVG aufgenommen.
§ 2 KSVG hatte damit folgende Fassung:
‘Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist.’
Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG) vom 27.07.1981 (BGBl. I Seite 705) |
Inkrafttreten: 01.01.1983 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 9/26 |
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens hatte § 2 KSVG folgende Fassung:
‘(1) Künstler oder Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer nicht nur vorübergehend selbständig erwerbstätig Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt oder als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. | ||
(2) Als Künstler oder Publizist im Sinne dieses Gesetzes gilt nicht, wer | ||
1. | einen künstlerisch oder publizistisch tätigen Arbeitnehmer ständig beschäftigt oder | |
2. | als Handwerker in die Handwerksrolle eingetragen ist, es sei denn, dass er nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 des Handwerkerversicherungsgesetzes versicherungsfrei ist.’ |
Die Vorschrift enthält die grundsätzlichen Bestimmungen über die Abgrenzung des vom Gesetz erfassten Personenkreises.
Hauptabgrenzungskriterium ist nach Absatz 1 die auf Dauer ausgeübte selbständige künstlerische oder publizistische Erwerbstätigkeit.
Absatz 2 enthält zwei Einschränkungen. Personen, die bestimmte Tatbestände erfüllen, gelten danach nicht als Künstler oder Publizisten im Sinne des Gesetzes.