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Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009: Kindererziehungszeiten - Erziehung in einem anderen Mitgliedstaat der EU, des EWR oder der Schweiz

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.11.2019

Änderung

Die Überschrift zu Abschnitt 3.4 wurde um 'Bezug einer Geldleistung' erweitert

Dokumentdaten
Stand25.04.2018
Version001.01

Inhalt der Regelung

Absatz 1 definiert den Begriff Kindererziehungszeiten.

Absatz 2 bestimmt den für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten zuständigen Mitgliedstaat für den Fall, dass der Staat, in dem die Erziehung erfolgt, nach seinen Rechtsvorschriften keine Kindererziehungszeiten anrechnet.

Absatz 3 regelt, dass die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten durch den früheren Beschäftigungsstaat nicht in Betracht kommt oder endet, wenn aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gelten oder anwendbar werden.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

  • §§ 56, 57 und 249 SGB VI regeln die Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
  • Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass der zuständige Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Sachverhalte so zu berücksichtigen hat, als wären sie in seinem Hoheitsgebiet eingetreten (siehe Abschnitt 3).
  • Die Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004 legen fest, die Rechtsvorschriften welchen Mitgliedstaats der EU, des EWR oder der Schweiz für eine Person gelten.

Allgemeines

Beachte:

Soweit in dieser GRA der Begriff „Erziehungszeiten“ verwendet wird, umfasst dies sowohl Kindererziehungszeiten (§§ 56, 249 SGB VI) als auch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI).

Der Begriff „Erwerbstätigkeit“ umfasst sowohl eine abhängige Beschäftigung als auch eine selbständige Tätigkeit.

Soweit im Folgenden der Begriff „Mitgliedstaat" verwendet wird, beinhaltet dies auch die Schweiz und die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen.

Entwicklung des Europarechts

Der EuGH hatte in den Rechtssachen Elsen (Urteil vom 23.11.2000, C-135/99, Elsen) und Kauer (Urteil vom 07.02.2002, C-28/00, Kauer) entschieden, dass Kindererziehungszeiten in einem anderen EU-Mitgliedstaat "wie im Inland" angerechnet werden können, wenn eine hinreichend enge Verbindung zum ehemaligen Beschäftigungsstaat hergestellt werden kann. Die AGZWSR hatte darauf hin in ihrer Sitzung 1/2003 zu TOP 6 (AGZWSR 1/2003, TOP 6) die Grundsätze festgelegt, nach denen auf der Grundlage des § 56 SGB VI unter Berücksichtigung der vorstehend genannten EuGH-Urteile über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei Erziehung in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu entscheiden ist.

Die EuGH-Urteile Elsen und Kauer waren zudem mehrfach Gegenstand der Beratungen zum neuen EU-Koordinierungsrecht. So hatte die Europäische Kommission am 31.01.2006 den Entwurf für eine Verordnung zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (DVO-E) vorgelegt, der in Artikel 44 eine besondere Regelung zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in einem anderen EU-Mitgliedstaat enthielt.

Die AGZWSR hat in ihrer Sitzung 2/2007 zu TOP 2 (AGZWSR 2/2007, TOP 2) festgelegt, wie Art. 44 DVO-E auszulegen ist und gleichzeitig unter TOP 3 (AGZWSR 2/2007, TOP 3) beschlossen, dass diese Festlegungen im Wege der europarechtskonformen Auslegung der deutschen Rechtsvorschriften bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift anzuwenden sind.

Die einzelnen Rechtsauslegungen sind nachfolgend aufgeführt und gelten für alle Fälle (Renten, Kontenklärung, Versorgungsausgleich).

Durch das Inkrafttreten des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 zum 01.05.2010 ergaben sich daher deutscherseits materiell-rechtlich keine Änderungen gegenüber der seit 2007 praktizierten Rechtsanwendung. Änderungen ergeben sich nur bei der Überprüfung beziehungsweise Rücknahme früherer Entscheidungen (siehe Abschnitt 6).

Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat

Nach dem Grundprinzip des § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI können Erziehungszeiten nur während eines gewöhnlichen Aufenthalts von erziehendem Elternteil und Kind in der Bundesrepublik Deutschland angerechnet werden.

§ 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI regelt als Ausnahme von diesem Territorialitätsprinzip die Anrechnung von Erziehungszeiten während eines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland, sofern die erziehende Person oder ein sie begleitender Ehegatte/eingetragener Lebenspartner aufgrund einer dort (im Ausland) ausgeübten Beschäftigung (zum Beispiel im Rahmen einer Entsendung nach § 4 SGB IV) weiterhin in einer engen Beziehung zur Arbeitswelt und Erwerbswelt in Deutschland steht (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 6).

Das Europarecht (die VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009) sieht weitere Anrechnungsmöglichkeiten für Erziehungszeiten vor. Damit werden Nachteile ausgeglichen, die dadurch entstehen können, dass Personen von ihrem europarechtlich garantierten Recht Gebrauch machen, ihren Wohnsitz oder Tätigkeitsort in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, und sich das anwendbare Recht mit der Folge ändert, dass Erziehungszeiten nicht angerechnet werden.

Die Anrechnung von Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat kommt über die Regelungen des § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI hinaus nach

in Betracht. Diese drei Anrechnungsvarianten sind in der folgenden GRA unter dem Begriff „Erziehungszeiten nach Europarecht“ zusammengefasst.

Bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten ist daher zu unterscheiden, ob es sich um eine Erziehung im Inland, eine gleichgestellte Erziehung im Ausland, die allein nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen ist, oder aufgrund der Anwendung des Europarechts rechtssystematisch um eine Erziehung im Inland handelt, obwohl die tatsächliche Erziehung im Ausland erfolgt ist.

Der Umfang der anzurechnenden Kindererziehungszeit bestimmt sich für Geburten ab 01.01.1992 nach § 56 Abs. 5 SGB VI und für Geburten vor dem 01.01.1992 nach § 249 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 56 Abs. 5 S. 2 SGB VI. Der Umfang der anzurechnenden Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung bestimmt sich nach § 57 SGB VI.

Sind Erziehungszeiten nach Europarecht anzurechnen, gelten hinsichtlich des Erziehungssachverhaltes und der Zuordnung der Erziehungszeiten keine Besonderheiten. Es gelten die allgemeinen Grundsätze (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitte 2 bis 4).

Bei der Rechtskreiszuordnung (§ 254d SGB VI) von Erziehungszeiten, die nach dem Europarecht anzurechnen sind, treten Entgeltpunkte-Ost an die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte, wenn sich die für die Berücksichtigung der Erziehungszeit maßgebenden Tatbestände (zum Beispiel Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Erziehung oder am Stichtag) aus dem Beitrittsgebiet herleiten. Im Einzelnen wird auf die GRA zu § 254d SGB VI, Abschnitt 4.7) verwiesen.

Die Ausschlussgründe des § 56 Abs. 4 SGB VI sind auch bei der Anrechnung von Erziehungszeiten nach dem Europarecht zu beachten (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 7).

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Kindererziehungszeit müssen (nur) während der originären Erziehungszeit vorliegen. Auf die Verhältnisse während eines Verlängerungszeitraums nach § 56 Abs. 5 S. 2 SGB VI wegen gleichzeitiger Erziehung kommt es nicht an.

Dies gilt auch in den Fällen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009. Es ist daher unerheblich, wenn während der Verlängerungszeit eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen wird.

Beitragserstattungen vor dem 01.01.1986 stehen der Anrechnung von Erziehungszeiten im Inland nicht entgegen. Dies gilt auch für Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat, die nach dem Europarecht anzurechnen sind. Bei Erstattungen nach dem 31.12.1985 unterliegen die bis zur Erstattung zurückgelegten Erziehungszeiten jedoch der Verfallswirkung des § 210 SGB VI (beziehungsweise bis 31.12.1991 nach Maßgabe der jeweiligen Vorgängervorschriften), und zwar unabhängig davon, ob sie bereits festgestellt wurden oder nicht. Die Ausnahmen von der Verfallswirkung sind jedoch zu beachten (vergleiche GRA zu § 210 SGB VI, Abschnitt 10.4).

Persönlicher, räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich

Die Anrechnung von Erziehungszeiten nach Europarecht kommt zunächst für Staatsangehörige der EU, des EWR sowie der Schweiz in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Erziehungszeit in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder der Schweiz zurückgelegt wurde.

Dabei werden auch Erziehungszeiten erfasst, die vor dem Anwendungsbeginn des Europarechts im jeweiligen Staat zurückgelegt worden sind (EU-Staaten: 01.05.2010, Schweiz: 01.04.2012, EWR-Staaten: 01.06.2012).

Darüber hinaus sind Erziehungszeiten auch für alle übrigen Staatsangehörigen anzurechnen, sofern sie von der (Drittstaats-)VO (EG) Nr. 1231/2010 erfasst werden (vergleiche GRA zu Übersicht VO (EU) Nr. 1231/2010) und die Erziehung in einem Mitgliedstaat der EU erfolgt ist. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem Inkrafttreten der (Drittstaats-)VO (EG) Nr. 1231/2010 am 01.01.2011 (AGZWSR 2/2009, TOP 8). Keine Mitgliedstaaten der EU sind die Schweiz sowie die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen.

Verlegen Drittstaatsangehörige ihren Wohnsitz in einen Staat außerhalb der EU, hat dies auf zuvor zurückgelegte anrechenbare Erziehungszeiten keinen Einfluss.

Siehe Beispiel 1

Sachverhaltsgleichstellung nach Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004

Für Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen und dort Kinder erziehen und die in einem oder auch mehreren anderen Mitgliedstaaten eine (oder mehrere) Erwerbstätigkeit(en) ausüben, sind Erziehungszeiten nach den Rechtsvorschriften des „zuständigen Mitgliedstaats“ anzurechnen, sofern dessen Rechtsvorschriften Erziehungszeiten vorsehen.

Dies ergibt sich aus Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004. Danach hat der „zuständige Mitgliedstaat“ Sachverhalte, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind, so zu berücksichtigen, als wären sie in seinem eigenen Hoheitsgebiet eingetreten (sogenannte Sachverhaltsgleichstellung). Hiervon wird auch der Sachverhalt „Kindererziehung“ erfasst.

Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2004 (vergleiche Abschnitt 4) findet in diesen Fällen keine Anwendung, weil für die betreffende Person (vorrangig) die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gelten.

Welcher Mitgliedstaat im Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit für die Anrechnung von Erziehungszeiten der „zuständige Mitgliedstaat“ war/ist, bestimmt sich dabei nach Maßgabe der Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004, den sogenannten Kollisionsnormen. Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 883/2004 im jeweiligen Mitgliedstaat (vergleiche Abschnitt 2.1) richtet sich die kollisionsrechtliche Zuordnung ebenso nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 wie für Zeiträume vor deren Inkrafttreten.

Für Personen, die sich gewöhnlich mit dem Kind in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, kommt die Anrechnung von KEZ daher in Betracht, wenn und solange sie aufgrund einer Erwerbstätigkeit in Deutschland unter Berücksichtigung der überstaatlichen Koordinierungsvorschriften (Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004) den deutschen Rechtsvorschriften unterliegen.

Die Sachverhaltsgleichstellung ist nicht davon abhängig, ob die Erwerbstätigkeit nach deutschen Rechtsvorschriften (renten-)versichert ist. Auch versicherungsfreie oder nicht versicherungspflichtige Erwerbstätigkeiten können die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften bewirken.

In bestimmten Fällen gilt eine Erwerbstätigkeit, auch wenn sie tatsächlich nicht ausgeübt wird, als fortbestehend. Näheres hierzu ist dem Abschnitt 3.4 zu entnehmen.

Zu beachten ist, dass die kollisionsrechtliche Zuordnung aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur für die betreffende Person selbst gilt und nicht für deren Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner. Eine Ableitung der Voraussetzungen vom Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner ist - anders als bei § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI - im Europarecht nicht möglich.

Bei der Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung ist zu unterscheiden zwischen Personen, die

  • in Deutschland wohnen, hier ein Kind erziehen und eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben (Grenzgänger aus Deutschland), vergleiche Abschnitt 3.1,
  • in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, dort ein Kind erziehen und eine (oder mehrere) Erwerbstätigkeit(en) ausschließlich in Deutschland ausüben (Grenzgänger nach Deutschland), vergleiche Abschnitt 3.2, und
  • in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, dort ein Kind erziehen und gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten eine oder mehrere Erwerbstätigkeiten ausüben (Mehrfacherwerbstätige), vergleiche Abschnitt 3.3.

Andere Sachverhalte, wie zum Beispiel die nicht erwerbsmäßige Pflege (§ 3 Nr. 1a SGB VI), können die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung nicht bewirken, und zwar selbst dann nicht, wenn Versicherungspflicht nach deutschem Recht besteht. Dies gilt für Pflichtbeiträge aufgrund anrechenbarer Kindererziehungszeiten sowie freiwillige Beiträge gleichermaßen.

Grenzgänger aus Deutschland

Personen, die in Deutschland wohnen, hier (ein) Kind(er) erziehen und eine (oder mehrere) Erwerbstätigkeit(en) in (nur) einem anderen Mitgliedstaat ausüben, unterliegen den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004). Für Erziehungszeiten vor dem Anwendungsbeginn der VO (EG) Nr. 883/2004 in dem jeweiligen Mitgliedstaat gilt dies nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und b VO (EWG) Nr. 1408/71 entsprechend.

Obwohl die Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats gelten, sind diese (Inlands-)Erziehungszeiten - ohne Besonderheiten - anzurechnen, weil § 56 SGB VI für die Anrechnung von Erziehungszeiten allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland abstellt. Die Ausschlussgründe des § 56 Abs. 4 SGB VI sind zu beachten (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 7).

Dabei wird hingenommen, dass dies zu einer doppelten Anrechnung von Erziehungszeiten führt, wenn der kollisionsrechtlich zuständige Tätigkeitsstaat ebenfalls Erziehungszeiten anrechnet (AGZWSR 2/2007, TOP 4).

Siehe Beispiel 2

Grenzgänger nach Deutschland

Für Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, dort ein Kind erziehen und die eine (oder mehrere) Erwerbstätigkeit(en) ausschließlich in Deutschland (also nicht gleichzeitig auch in einem anderen Mitgliedstaat) ausüben, gelten grundsätzlich die deutschen Rechtsvorschriften (Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004). Dies gilt für Erwerbstätigkeiten vor dem Anwendungsbeginn der VO (EG) Nr. 883/2004 nach Maßgabe der in den jeweiligen Zeiträumen bestehenden überstaatlichen, zwischenstaatlichen beziehungsweise innerstaatlichen Regelungen gleichermaßen.

In diesem Fall sind die Erziehungszeiten - ohne Besonderheiten - so anzurechnen, als wäre die Erziehung in Deutschland erfolgt (§ 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Abs. 3 S. 1 SGB VI in Verbindung mit Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004). Dies gilt, solange die deutschen Rechtsvorschriften während der Erziehungszeit für die betreffende Person gelten (vergleiche Abschnitt 3.5).

Die Dauer oder der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit in Deutschland (beispielsweise nur zwei Monate oder halbtags) sind unbeachtlich und es wird auch nicht gefordert, dass die ausgeübte Erwerbstätigkeit zu einer Versicherung führt. Eine versicherungsfreie (geringfügige) Beschäftigung oder nicht versicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit in Deutschland kann deshalb die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung bewirken.

Siehe Beispiel 3

In bestimmten Fällen gilt eine Erwerbstätigkeit, auch wenn sie tatsächlich nicht ausgeübt wird, als fortbestehend. Näheres hierzu ist dem Abschnitt 3.4 zu entnehmen.

Die Ausschlussgründe des § 56 Abs. 4 SGB VI sind zu beachten (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 7).

Beachte:

Haben Erziehende ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz und wird das Kind dort erzogen, können Erziehungszeiten auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn der erziehende Elternteil oder der Ehegatte/eingetragene Lebenspartner eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausübt.

Mehrfacherwerbstätige

Auch für Personen, die für einen oder mehrere Arbeitgeber oder als Selbständige gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten eine (oder mehrere) Erwerbstätigkeit(en) ausüben (sogenannte Mehrfacherwerbstätige - beispielsweise Flugbegleiter oder Fernfahrer), gelten grundsätzlich die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats.

Für Mehrfacherwerbstätige, die ein Kind in einem anderen Mitgliedstaat erziehen/erzogen haben, sind deutscherseits Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung anzurechnen, wenn und solange die betreffende Person eine Erwerbstätigkeit ausübt, für die nach Maßgabe der Art. 11 Abs. 5 oder Art. 13 VO (EG) Nr. 883/2004 die deutschen Rechtsvorschriften gelten. In bestimmten Fällen gilt eine Erwerbstätigkeit, auch wenn sie tatsächlich nicht ausgeübt wird, als fortbestehend. Näheres hierzu ist dem Abschnitt 3.4 zu entnehmen.

Dies gilt für Erziehungszeiträume vor dem Anwendungsstart der VO (EG) Nr. 883/2004 nach Maßgabe der Art. 13 bis 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 entsprechend.

Ist Deutschland nach den vorstehenden Kollisionsnormen nicht zuständiger Staat, können Erziehungszeiten von deutscher Seite nicht angerechnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn in Deutschland eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (die aber nicht zur Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften führt).

Für Mehrfacherwerbstätigkeiten, die im Anwendungsbereich der

  • (vor dem Inkrafttreten der VO (EWG) Nr. 1408/71 in den jeweiligen Mitgliedstaaten nach Maßgabe der) früheren bilateralen Sozialversicherungsabkommen beziehungsweise
  • (vor dem Inkrafttreten der früheren bilateralen Sozialversicherungsabkommen) jeweils geltenden nationalen Rechtsvorschriften

ausgeübt worden sind, bestimmt sich der für die Sachverhaltsgleichstellung aufgrund der Ausübung einer Mehrfacherwerbstätigkeit zuständige Mitgliedstaat in entsprechender Anwendung der Art. 13 bis 17 VO (EWG) Nr. 1408/71.

Siehe Beispiel 4

Näheres zur Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats kann dem Abschnitt 3.6 entnommen werden.

Bezug einer Geldleistung/Ruhendes Beschäftigungsverhältnis

Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt eine Erwerbstätigkeit als ausgeübt, solange die betreffende Person aufgrund oder infolge dieser Erwerbstätigkeit eine Geldleistung bezieht (zum Beispiel Arbeitslosengeld, Krankengeld). Dies gilt nicht für den Bezug von Arbeitslosengeld II, weil hierfür eine vorausgehende Beschäftigung nicht erforderlich ist (§ 7 SGB II).

Im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung können Erziehungszeiten (weiterhin) angerechnet werden, solange die erziehende Person Geldleistungen von einem deutschen Träger aufgrund oder in Folge einer Erwerbstätigkeit bezieht, die den deutschen Rechtsvorschriften unterlag. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Geldleistung von einem deutschen Träger direkt oder von einem mitgliedstaatlichen Träger zulasten eines deutschen Trägers an den Berechtigten ausgezahlt wird.

Siehe Beispiel 5

Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, die aufgrund oder infolge einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit gezahlt werden, die den deutschen Rechtsvorschriften unterlag und die nicht zulasten eines deutschen Trägers gezahlt werden, führen nicht zur Fortgeltung der deutschen Rechtsvorschriften im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung.

Siehe Beispiel 6

Die Anrechnung von Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung des Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 ist darüber hinaus möglich, solange

  • das Beschäftigungsverhältnis in Deutschland ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat (§ 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV) oder
  • das Beschäftigungsverhältnis während
    • des Beschäftigungsverbots nach § 6 Abs. 1 MuSchG,
    • eines Mutterschaftsurlaubs (§ 8a MuSchG) oder
    • eines Erziehungsurlaubs/einer Elternzeit (§ 15 BerzGG/BEEG)

ruht.

Siehe Beispiel 7

Bei nachversicherten Beamtinnen/Beamten steht Mutterschaftsurlaub, Erziehungsurlaub oder Elternzeit nach entsprechenden beamtenrechtlichen Vorschriften den zuvor genannten Regelungen gleich. Zeiten der Beurlaubung ohne Dienstbezüge, die nicht in entsprechender Anwendung der zuvor genannten Regelungen gewährt werden, sind nicht gleichgestellt (beispielsweise familienbedingte Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zu 15 Jahren nach § 92 Abs. 1 BBG).

Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub, Erziehungsurlaub oder Elternzeit ist nachzuweisen.

Sofern Mutterschaftsurlaub, Erziehungsurlaub oder Elternzeit über die gesetzlichen Fristen hinaus vom Arbeitgeber nach tariflichen Vorschriften gewährt wurde, ist eine Anrechnung von Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung in diesen Zeiträumen nicht möglich.

Siehe Beispiel 8

Gesetzlicher Mutterschaftsurlaub, Erziehungsurlaub oder gesetzliche Elternzeit konnte/kann gerechnet vom Tag der Geburt des Kindes bis zum Ablauf des

  • 6. Lebensmonats (nicht Kalendermonat) des Kindes bei Mutterschaftsurlaub nach § 8a MuSchG für Geburten vom 01.07.1979 bis 31.12.1985,
  • 10. Lebensmonats des Kindes bei Geburten vom 01.01.1986 bis 31.12.1987,
  • 12. Lebensmonats des Kindes bei Geburten vom 01.01.1988 bis 30.06.1989,
  • 15. Lebensmonats des Kindes bei Geburten vom 01.07.1989 bis 30.06.1990,
  • 18. Lebensmonats des Kindes bei Geburten vom 01.07.1990 bis 31.12.1991 und
  • 3. Lebensjahres des Kindes bei Geburten ab 01.01.1992 bei Erziehungsurlaub nach § 15 BErzGG in der jeweiligen Fassung sowie Elternzeit nach § 15 BerzGG beziehungsweise § 15 BEEG

in Anspruch genommen werden.

Ende der Sachverhaltsgleichstellung

Die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung endet bei Grenzgängern nach Deutschland (vergleiche Abschnitt 3.2) mit dem Zeitpunkt, in dem die Erwerbstätigkeit beendet worden ist beziehungsweise ein ruhendes Beschäftigungsverhältnis (vergleiche Abschnitt 3.4) nicht mehr vorliegt. Ist dies im Laufe eines Monats der Fall, kann der bis dahin zurückgelegte Teilmonat noch als Erziehungszeit angerechnet werden.

Die Anrechnung von Erziehungszeiten für Mehrfacherwerbstätige (vergleiche Abschnitt 3.3) kommt nicht mehr in Betracht, sobald die Mehrfacherwerbstätigkeit beendet wird oder für die Mehrfacherwerbstätigkeit nicht mehr die deutschen, sondern die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gelten. Dies kann bei Beendigung eines Teils der Erwerbstätigkeit oder bei Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit der Fall sein.

Auf die Verhältnisse während eines Verlängerungszeitraums nach § 56 Abs. 5 SGB VI kommt es nicht an. Es ist daher unerheblich, wenn auf eine Erwerbstätigkeit während der Verlängerungszeit nicht mehr die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden sind.

Siehe Beispiel 9

Beachte:

Sind deutsche Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung des Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 nicht mehr anzurechnen, weil die Mehrfacherwerbstätigkeit beendet worden ist, ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 oder in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Betracht kommt (vergleiche Abschnitte 4 und 5).

Verfahren bei Anwendung des Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004

Liegen keine Hinweise vor, dass im maßgeblichen Erziehungszeitraum neben einer Erwerbstätigkeit in Deutschland auch eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt wurde, kann von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt, grundsätzlich ausgegangen werden, wenn und solange der deutsche Versicherungsverlauf Pflichtbeiträge aufgrund oder in Folge einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 3 SGB VI mit Leistungsbezug enthält oder eine geringfügige Beschäftigung dokumentiert ist. Dies gilt somit nicht für gespeicherte Pflichtbeiträge nach § 3 Nr. 3a SGB VI in der Fassung bis 31.12.2010 beziehungsweise Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB VI aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II, weil hierfür eine vorausgehende Beschäftigung nicht erforderlich ist (§ 7 SGB II).

Angaben über Versicherungszeiten beziehungsweise die Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat sind regelmäßig dem E 207 (künftig P 4000) beziehungsweise dem E 505/E 205 (künftig P 5000) des jeweiligen Mitgliedstaates oder dem Antrag auf Anerkennung von Erziehungszeiten (zum Beispiel Vordruck V0800) zu entnehmen.

Ist im Versicherungsverlauf eine Erwerbstätigkeit, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten, während der Erziehungszeit nicht dokumentiert, weil Beiträge nicht zu zahlen waren, ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch geeignete Unterlagen (zum Beispiel Arbeitsverträge, Gehaltsunterlagen, Steuerbescheide) nachzuweisen. Dies gilt auch für ruhende Beschäftigungsverhältnisse (vergleiche Abschnitt 3.4).

Nach Maßgabe der VO (EWG) Nr. 1408/71 beziehungsweise vor deren Inkrafttreten nach Maßgabe der früheren bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder für Zeiträume davor kann es dazu kommen, dass während der Erziehungszeit sowohl Pflichtbeiträge aufgrund einer Erwerbstätigkeit in Deutschland als auch Versicherungszeiten aufgrund einer weiteren Erwerbstätigkeit im Erziehungsstaat vorliegen. In diesem Fall sind deutsche Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung grundsätzlich nicht anzurechnen, weil nach der (gegebenenfalls entsprechend) anzuwendenden Grundregel der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf beide Erwerbstätigkeiten die Rechtsvorschriften des Wohnstaates anzuwenden sind. Erziehungszeiten sind in diesem Fall ausnahmsweise anzurechnen, wenn in Deutschland eine abhängige Beschäftigung neben einer selbständigen Tätigkeit im Erziehungsmitgliedstaat ausgeübt worden ist.

Können die rechtserheblichen Tatsachen (Bezug einer Geldleistung aufgrund oder infolge einer Erwerbstätigkeit, Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, Elternzeit nach gesetzlichen Vorschriften) nicht belegt werden, geht dies zulasten der Antragstellerin/des Antragstellers.

Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009

Gelten für eine Person aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, richtet sich die Anrechnung von Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung des Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 vorrangig nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats (vergleiche Abschnitt 3).

Übt die erziehende Person keine Erwerbstätigkeit mehr aus, kommt die Anrechnung von Erziehungszeiten über Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht. Dabei hat Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 lediglich kollisionsrechtlichen Charakter. Die Vorschrift regelt also nicht, welche Tatbestände zur Anrechnung von Erziehungszeiten führen und in welchem Umfang dies gegebenenfalls der Fall ist. Dies ergibt sich aus den Rechtsvorschriften des jeweils zuständigen Mitgliedstaats. Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt lediglich, welcher Mitgliedstaat für die Anrechnung von Erziehungszeiten zuständig ist, für den Fall, dass der Staat, in dem die Erziehung erfolgt, nach seinen Rechtsvorschriften Erziehungszeiten nicht berücksichtigt.

Damit sollen Nachteile ausgeglichen werden, die der erziehenden Person entstehen können, wenn sich während der Erziehung die für sie geltenden Rechtsvorschriften ändern (zum Beispiel durch die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat) und deshalb Erziehungszeiten nicht weiterhin angerechnet werden können. Werden nach den Rechtsvorschriften des (nunmehr) zuständigen Mitgliedstaats Erziehungszeiten berücksichtigt, ist dieser Nachteilsausgleich nicht erforderlich und Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 von vornherein nicht anwendbar.

Beachte:

Die Voraussetzungen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 und des § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI können während des gesamten Erziehungszeitraums oder auch nur in Teilzeiträumen nebeneinander vorliegen. Grundsätzlich ist dabei § 56 SGB VI vorrangig. Sind die Voraussetzungen nach § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI nicht mehr erfüllt, ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt und umgekehrt.

Es ist sinnvoll, Ermittlungen von vornherein auf die einfacher zu prüfende Variante zu beschränken, sofern der gesamte Erziehungszeitraum danach anrechenbar ist. Dies dürfte in vielen Fällen Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 sein, da hier - anders als bei § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI - weder Sachverhalte im Zusammenhang mit einem Rumpfarbeitsverhältnis oder einer Quasientsendung zu prüfen sind noch ein Ehegattenvorgang beizuziehen ist (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 6.3).

Voraussetzungen

Beachte:

Die Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 kommt nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 von vornherein nicht in Betracht, wenn zuletzt vor dem Beginn der maßgeblichen Erziehungszeit eine Erwerbstätigkeit in (irgend)einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt worden ist (Ausnahme: Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit, die im Rahmen zum Beispiel einer Entsendung weiterhin den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt).

Es kommt nicht darauf an, ob die in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte Erwerbstätigkeit dort zu einer Versicherung führt beziehungsweise geführt hat. Auch versicherungsfreie oder nicht versicherungspflichtige selbständige Tätigkeiten, die zuletzt vor dem Beginn der Erziehungszeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt worden sind, stehen der Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 entgegen.

Nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 können Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat angerechnet werden, wenn der Mitgliedstaat, in dem die Erziehung erfolgt, nach seinen Rechtsvorschriften keine Erziehungszeiten berücksichtigt (vergleiche Abschnitt 4.1.1). In diesem Fall soll der Mitgliedstaat, in dem unmittelbar vor der Erziehungszeit - am „Stichtag“ - (vergleiche Abschnitt 4.1.2) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (vergleiche Abschnitt 4.1.3), die Anrechnung dieser Erziehungszeit übernehmen.

Die Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 endet endgültig, sofern durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats für die erziehende Person vorrangig anwendbar werden (vergleiche Abschnitt 4.2).

Die Voraussetzungen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 sind für jedes Kind getrennt zu prüfen. Sind deutscherseits Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen und wird während dieser Zeit ein weiteres Kind geboren, kommt eine Anrechnung von Erziehungszeiten für ein danach geborenes Kind nur dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Erziehungszeit dieses Kindes ebenfalls eine Erwerbstätigkeit nach deutschen Rechtsvorschriften ausgeübt wurde beziehungsweise ein ruhendes Beschäftigungsverhältnis vorlag (vergleiche Abschnitt 4.1.3).

Eine bereits angerechnete Erziehungszeit führt somit nicht dazu, dass die deutschen Rechtsvorschriften auf die betreffende Person weiter anzuwenden sind und dass für weitere Kinder, die während dieser Zeiten geboren und im anderen Mitgliedstaat erzogen werden, ebenfalls Erziehungszeiten anzurechnen sind.

Damit wird die Bildung sogenannter "Erziehungsketten" vermieden.

Siehe Beispiel 10

Berücksichtigung von Erziehungszeiten im anderen Mitgliedstaat

Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 setzt zunächst voraus, dass der Mitgliedstaat, in dem das Kind erzogen wird, nach seinen Rechtsvorschriften keine Erziehungszeiten berücksichtigt. Damit wird die gleichzeitige Anrechnung von Erziehungszeiten für dasselbe Kind in mehreren Mitgliedstaaten grundsätzlich ausgeschlossen.

Bei der Frage, ob der Mitgliedstaat, in dem die Erziehung erfolgt, nach seinen Rechtsvorschriften keine Erziehungszeiten berücksichtigt, kommt es nach dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht darauf an, ob der erziehenden Person im Einzelfall (konkret) Erziehungszeiten durch diesen Mitgliedstaat nicht angerechnet (abgelehnt) werden.

Vielmehr stellt die Vorschrift darauf ab, ob nach „den Rechtsvorschriften“ (also nicht im Einzelfall) dieses Mitgliedstaats die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten als rentenrechtlich relevanter Sachverhalt überhaupt vorgesehen ist.

Daraus folgt, dass nicht zu prüfen ist, ob der erziehenden Person im Einzelfall vom ausländischen Träger Erziehungszeiten angerechnet werden/worden sind oder nicht. Es genügt vielmehr die pauschale Feststellung, dass das Kind in einem Mitgliedstaat erzogen worden ist, dessen Rechtsvorschriften die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsehen (sogenannte „abstrakte Betrachtungsweise“).

Da der Sachverhalt Kindererziehung nach derzeitigen Erkenntnissen bis auf Dänemark in sämtlichen Mitgliedstaaten rentenrechtlich relevant ist, kommt die Anrechnung von Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat nach Maßgabe des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 nur für Erziehungszeiten in Dänemark in Betracht, sofern die Stichtagsvoraussetzung erfüllt ist (vergleiche Abschnitt 4.1.2).

Für Erziehungszeiten in den übrigen Mitgliedstaaten ist zu prüfen, ob die Tatsache, dass die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats Erziehungszeiten berücksichtigen, der Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 im Einzelfall entgegensteht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die erziehende Person bis zum Erziehungsbeginn in keiner rentenrechtlichen Beziehung zum Erziehungsstaat gestanden hat (vergleiche Abschnitt 4.1.1.1).

Einschränkung der abstrakten Betrachtungsweise

Bei Erziehung in einem anderen Mitgliedstaat (außer Dänemark) ist zu prüfen, ob die erziehende Person zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Erziehungsbeginn (dem „Stichtag“, vergleiche Abschnitt 4.1.2) anrechenbare Versicherungszeiten (einschließlich Wohnzeiten) in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt hat („schädliche Vorversicherung“).

Siehe Beispiele 11 und 12

Wurde keine schädliche Vorversicherung zurückgelegt und stand die erziehende Person damit bis zum Stichtag in keiner rentenrechtlichen Beziehung zu dem Mitgliedstaat, in dem die Erziehung erfolgte, steht die Tatsache, dass die Rechtsvorschriften des Erziehungsstaats Erziehungszeiten vorsehen, der Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ausnahmsweise nicht entgegen.

In diesem Fall ist der Zugang zu Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 eröffnet und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob am Stichtag (vergleiche Abschnitt 4.1.2) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist, die den deutschen Rechtsvorschriften unterlag (vergleiche Abschnitt 4.1.3).

Dabei wird hingenommen, dass es durch diese Rechtsauslegung im Einzelfall ausnahmsweise zu einer doppelten Anrechnung von Erziehungszeiten kommen kann, wenn der Mitgliedstaat, in dem die Erziehung erfolgt, für dasselbe Kind ebenfalls Erziehungszeiten anrechnet.

Wurde eine Vorversicherung in dem Mitgliedstaat (außer Dänemark), in dem die Erziehung erfolgte, zurückgelegt, ist die Anwendung von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 in Bezug auf diesen Mitgliedstaat ausgeschlossen. Erziehungszeiten sind dann über Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht anrechenbar.

Folglich steht die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates im Sinne der abstrakten Betrachtungsweise nur dann der Anerkennung deutsche Erziehungszeiten entgegen, wenn die betreffende Person zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Stichtag (vergleiche Abschnitt 4.1.2) nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates anrechenbare Versicherungszeiten (einschließlich Wohnzeiten) zurückgelegt hat.

Stichtagsregelung

Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 stellt für die Bestimmung des für die Berücksichtigung der Erziehungszeit zuständigen Mitgliedstaats auf einen Stichtag ab, und zwar auf den „Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind nach diesen Rechtsvorschriften begann“.

„Stichtag“ ist deutscherseits damit der Beginn der Erziehung des betreffenden Kindes durch die maßgebliche Person, also der Zeitpunkt, zu dem nach den entsprechenden Vorschriften des SGB VI die Anrechnung von Erziehungszeiten möglich ist. Das ist in der Regel der Zeitpunkt der Geburt. Bei Adoptivkindern, Pflegekindern oder Stiefkindern kann das jedoch auch der Zeitpunkt der Begründung des Kindschaftsverhältnisses beziehungsweise die Haushaltsaufnahme sein.

Siehe Beispiel 13

Bei gemeinsamer Erziehung des betreffenden Kindes durch mehrere Elternteile kann es auch der Beginn der überwiegenden oder alleinigen Erziehung durch die betreffende Person sein. Maßgeblich ist hierbei die Person, der die Erziehungszeiten angerechnet werden sollen.

Es kommt dagegen nicht auf den Beginn der für das betreffende Kind anzurechnenden (Gesamt-)Erziehungszeit an. Durch den Stichtag soll eine enge Verbindung zwischen der Erziehungsleistung der betreffenden Person und der von ihr zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit gewährleistet werden. Bei einem Wechsel in der erziehenden Person stünde die bereits (bei einer anderen Person) angerechnete Erziehungszeit in keinem sachlichen Zusammenhang zu der Person, die später das Kind erzieht.

Siehe Beispiele 14 und 15

Die Stichtagsvoraussetzung ist erfüllt, wenn zwischen dem Ende der letzten Erwerbstätigkeit (vergleiche Abschnitt 4.1.3) und dem Zeitpunkt des Beginns der Erziehung kein voller Kalendermonat liegt. Sie liegt dagegen nicht vor, wenn die Erwerbstätigkeit erst nach dem Beginn der Erziehung aufgenommen wurde. In diesem Fall kann jedoch eine Anrechnung im Rahmen des Art. 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 beziehungsweise des § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI in Betracht kommen (vergleiche Abschnitt 3 und GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 6.3).

Wird das Kind nach Erfüllung der Stichtagsvoraussetzungen vorübergehend von einer anderen Person oder in einem Drittstatt (außerhalb der EU, des EWR oder der Schweiz) erzogen (Unterbrechung der Erziehung durch die maßgebliche Person), gehen die einmal erfüllten Stichtagsvoraussetzungen hierdurch nicht verloren. Wird das Kind von der maßgeblichen Person zu einem späteren Zeitpunkt erneut in einem anderen Mitgliedstaat erzogen, kann die Erziehungszeit wieder angerechnet werden.

Ausübung einer Erwerbstätigkeit am Stichtag

Die Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 erfolgt durch den Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften am Stichtag (vergleiche Abschnitt 4.1.2) aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit galten.

Galten am Stichtag die deutschen Rechtsvorschriften für eine Erwerbstätigkeit, sind Erziehungszeiten nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 so anzurechnen, als ob die Erziehung in Deutschland erfolgt wäre.

Es muss sich um eine Erwerbstätigkeit handeln, die den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt. Wurde diese Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt (zum Beispiel aufgrund einer Entsendung), ist eine Anrechnung von Erziehungszeiten vorrangig nach § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI zu prüfen. Liegen danach die Voraussetzungen bereits nach innerstaatlichem Recht vor, findet Europarecht (Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009) keine Anwendung.

Hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen am Stichtag eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, auf die die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, gelten die Ausführungen in den Abschnitten 3 bis 3.4 mit folgender Ausnahme entsprechend:

Wurde nach Maßgabe der VO (EWG) Nr. 1408/71 beziehungsweise vor deren Inkrafttreten nach Maßgabe der früheren bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder für Zeiträume davor am Stichtag sowohl eine Erwerbstätigkeit in Deutschland als auch eine Erwerbstätigkeit im Erziehungsstaat ausgeübt, waren also mehrere Staaten gleichzeitig zuständig, erfolgt die Rechtszuweisung nicht nach Maßgabe des nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 (eigentlich) zuständigen Mitgliedstaats (vergleiche Abschnitt 3.3). Da Deutschland in diesen Fällen am Stichtag „auch“ zuständiger Mitgliedstaat war, ist Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 deutscherseits grundsätzlich anwendbar. Allerdings dürfte dies nur im Verhältnis zu Dänemark zum Tragen kommen, da bei Erziehung in den übrigen Mitgliedstaaten die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit vorliegenden Versicherungszeiten bereits der Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 entgegenstehen (vergleiche Abschnitt 4.1.1.1).

Näheres zur Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats kann dem Abschnitt 4.3 entnommen werden.

Andere Sachverhalte am Stichtag, wie zum Beispiel Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung, nicht erwerbsmäßiger Pflege, die Zahlung freiwilliger Beiträge oder der Bezug von Arbeitslosengeld ohne vorangegangene Beschäftigung (Bezug von Arbeitslosengeld II), können die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten nicht bewirken.

Siehe Beispiel 16

Ende der Anrechnung deutscher Erziehungszeiten

Nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 endet die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten (endgültig), sobald eine Erwerbstätigkeit in (irgend)einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen wird (Ausnahme: Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit, die im Rahmen zum Beispiel einer Entsendung weiterhin den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt).

Es kommt nicht darauf an, ob die in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte Erwerbstätigkeit dort zu einer Versicherung führt beziehungsweise geführt hat. Auch versicherungsfreie oder nicht versicherungspflichtige selbständige Tätigkeiten beenden damit die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten.

Auch nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit im anderen Mitgliedstaat sind Erziehungszeiten nicht wieder anzurechnen.

Siehe Beispiel 17

Eine erneute Anrechnung von Erziehungszeiten kommt dann allenfalls im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung (vergleiche Abschnitt 3) oder im Rahmen des § 56 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI in Betracht (vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, Abschnitt 6.3).

Wird die Erwerbstätigkeit im Laufe eines Monats aufgenommen, kann der bis dahin zurückgelegte Teilmonat noch als Erziehungszeit angerechnet werden.

Andere Sachverhalte, wie zum Beispiel Wohnen oder Wohnzeiten, nicht erwerbsmäßige Pflege oder der Bezug von Arbeitslosengeld ohne vorangegangene Beschäftigung beenden die Anerkennung deutscher Erziehungszeiten nicht.

Unschädlich ist auch die Unterbrechung der Erziehungszeit, wenn das Kind in einem Drittstaat (außerhalb der Mitgliedstaaten) oder vorübergehend von einer anderen Person erzogen wird. Die einmal erfüllten Voraussetzungen gehen hierdurch nicht verloren. Wird das betreffende Kind von der maßgebenden Person im Anschluss an die Unterbrechung wieder in einem anderen Mitgliedstaat erzogen, kann die Erziehungszeit demnach weiter angerechnet werden.

Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Deutschland steht der Anrechnung der Erziehungszeit nicht entgegen.

Auf die Verhältnisse während eines Verlängerungszeitraums nach § 56 Abs. 5 SGB VI kommt es nicht an. Es ist daher unerheblich, wenn während der Verlängerungszeit eine Erwerbstätigkeit im anderen Mitgliedstaat aufgenommen wird.

Verfahren bei Anwendung des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009

Liegen keine Hinweise vor, dass Versicherungszeiten (einschließlich Wohnzeiten) im Erziehungsstaat zurückgelegt wurden, kann von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit am Stichtag, die den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt, grundsätzlich ausgegangen werden, wenn der deutsche Versicherungsverlauf Pflichtbeiträge aufgrund oder infolge einer Erwerbstätigkeit beziehungsweise Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 3 SGB VI mit Leistungsbezug enthält. Dies gilt somit nicht für gespeicherte Pflichtbeiträge nach § 3 Nr. 3a SGB VI in der Fassung bis 31.12.2010 beziehungsweise Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 SGB VI aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II, weil hierfür eine vorausgehende Beschäftigung nicht erforderlich ist (§ 7 SGB II).

Erwerbstätigkeiten am Stichtag, für die Beiträge nicht zu zahlen sind beziehungsweise waren, sind durch geeignete Unterlagen (zum Beispiel Arbeitsverträge, Gehaltsunterlagen, Steuerbescheide) nachzuweisen. Dies gilt auch für ruhende Beschäftigungsverhältnisse (vergleiche Abschnitt 3.4). Können die rechtserheblichen Tatsachen (Bezug einer Geldleistung aufgrund oder in Folge einer Erwerbstätigkeit, Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, Elternzeit nach gesetzlichen Vorschriften) nicht belegt werden, geht dies zulasten der Antragstellerin/des Antragstellers.

Sind Versicherungszeiten (einschließlich Wohnzeiten) am Stichtag oder zu irgendeinem Zeitpunkt davor im Erziehungsstaat dokumentiert, sind die Erziehungszeiten nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 abzulehnen (vergleiche Abschnitt 4.1.1.1, Ausnahme: Dänemark).

Angaben über Versicherungszeiten beziehungsweise die Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat sind regelmäßig dem E 207 (künftig P 4000) beziehungsweise dem E 505/E 205 (künftig P 5000) des jeweiligen Mitgliedstaats oder dem Antrag auf Anerkennung von Erziehungszeiten (zum Beispiel Vordruck V0800) zu entnehmen.

Erziehungszeiten im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert

Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 knüpft die Anrechnung von Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zum Zeitpunkt des Beginns der Erziehungszeit (vergleiche Abschnitte 4.1.2 und 4.1.3).

Wurde zum Zeitpunkt des Erziehungsbeginns keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die den deutschen Rechtsvorschriften unterlag, sind Erziehungszeiten über Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 deutscherseits nicht anrechenbar. Dies ist bereits der Fall, wenn zwischen dem Ende der Erwerbstätigkeit und dem Beginn der Erziehungszeit eine Lücke von mehr als einem Kalendermonat liegt (vergleiche Abschnitt 4.1.2).

Nach dem EuGH-Urteil vom 19.07.2012, Rechtssache C-522/10, Reichel-Albert, sind Erziehungszeiten durch den Beschäftigungsstaat jedoch auch anzurechnen, wenn zwar kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der letzten Erwerbstätigkeit und dem Erziehungsbeginn besteht, die erziehende Person aber wegen der Kindererziehung ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend eingestellt und Versicherungszeiten aufgrund beruflicher Tätigkeiten ausschließlich in einem Mitgliedstaat zurückgelegt hat.

Die deutschen Rentenversicherungsträger sind dem entsprechend übereingekommen (AGZWSR 2/2012, TOP 6), Erziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat „in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert“ anzurechnen, wenn für die erziehende Person

  • zum Zeitpunkt des Leistungsfalls (vergleiche Abschnitt 5.1),
  • vor und nach der Erziehung des Kindes/der Kinder jeweils mindestens ein Pflichtbeitrag im Sinne von § 55 Abs. 2 SGB VI zur deutschen Rentenversicherung anzurechnen ist oder Zeiten in der Alterssicherung der Landwirte, Beamtenversorgung oder berufsständischen Versorgung („vergleichbare Absicherung“) zu berücksichtigen sind (vergleiche Abschnitt 5.2) und
  • ausschließlich in Deutschland anrechenbare Versicherungszeiten erworben wurden (vergleiche Abschnitt 5.3).

Siehe Beispiel 18

Im Übrigen bleiben die Grundsätze zur Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 auch bei der Anrechnung von Erziehungszeiten im Rahmen der europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert unangetastet. Insbesondere sind

  • die Anspruchsvoraussetzungen für jedes Kind getrennt zu prüfen und
  • Erziehungszeiten nicht zu berücksichtigen, wenn im Einzelfall (konkret) bereits nach den Rechtsvorschriften des Erziehungsstaates Erziehungszeiten angerechnet werden.

Zeitpunkt des Leistungsfalles

Die Frage, ob die erziehende Person ausschließlich in Deutschland Versicherungszeiten zurückgelegt hat (vergleiche Abschnitt 5.3), kann erst bei Eintritt des Leistungsfalles abschließend beurteilt werden (AGZWSR 2/2012, TOP 6). Dabei bezieht sich der Begriff „Leistungsfall“ auf alle Renten im Sinne von § 33 SGB VI sowie Leistungen zur Teilhabe.

„Leistungsfall“ bezeichnet den Zeitpunkt, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt sind. In Fällen, in denen es zur Ablehnung der Leistung kommt, ist von einem „vorläufigen Leistungsfall“ auszugehen. In diesem Fall ist Abschnitt 5.1.1 zu beachten.

Außerhalb eines Leistungsverfahrens (beispielsweise in einem reinen Kontenklärungsverfahren) können Erziehungszeiten selbst dann nicht vorgemerkt werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die geltend gemachten Erziehungszeiten die Voraussetzungen der Abschnitte 5.2 und 5.3 vorliegen. Dies gilt beispielsweise auch bei der Prüfung der Mindestversicherungszeit (18 Jahre Pflichtbeiträge) bei der Befreiung von der Handwerkerversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI).

Außerhalb eines Leistungsverfahrens geltend gemachte Erziehungszeiten sind zunächst mit der Begründung abzulehnen, dass das betreffende Kind in einem anderen Mitgliedstaat erzogen worden ist und im Zeitpunkt des Erziehungsbeginns keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, auf die die deutschen Rechtsvorschriften anwendbar waren. Im Ablehnungsbescheid ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Leistungsfall geprüft wird, ob eine Anrechnung der Erziehungszeiten unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 19.07.2012 in der Rechtssache C-522/10, Reichel-Albert, in Betracht kommt.

Vorläufiger Leistungsfall

Bei „vorläufigen Leistungsfällen“ sind Erziehungszeiten anzurechnen, sofern die Voraussetzungen der Abschnitte 5.2 und 5.3 zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung erfüllt sind. Im Vormerkungsbescheid ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die vorgemerkte Erziehungszeit im Leistungsfall (vergleiche Abschnitt 5.1) nur berücksichtigt werden kann, wenn keine anrechenbaren Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurden (vergleiche Abschnitt 5.3). Anschließend verbleiben die unter Vorbehalt anerkannten Erziehungszeiten so lange im betreffenden Versicherungskonto, bis ein entsprechender Rücknahmegrund bekannt wird (AGZWSR 2/2013, TOP 3).

Vorläufige Leistungsfälle sind

  • Versorgungsausgleichsverfahren,
  • Splittingverfahren nach § 120a SGB VI und
  • abgelehnte Leistungsanträge (§ 33 SGB VI oder Leistungen zur Teilhabe).

Beachte:

Ein Zuschlag zur Witwenrente oder Witwerrente nach § 78a SGB VI ist auch dann zu gewähren, wenn die Voraussetzungen der Abschnitte 5.2 und 5.3 vorliegen, ein Leistungsfall in der Versicherung der/des Hinterbliebenen jedoch noch nicht eingetreten ist. In diesem Fall ist der Zuschlag ohne Vorbehalt zu leisten. Eine Rücknahme (etwa wegen anschließend in der Versicherung der/des Hinterbliebenen zu berücksichtigender mitgliedstaatlicher Zeiten) kommt nicht in Betracht (AGZWSR 1/2014, TOP 6).

Pflichtbeitrag/vergleichbare Absicherung vor und nach der Erziehung

Die Anrechnung von Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert setzt voraus, dass sowohl vor als auch nach der Erziehungszeit jeweils mindestens ein Pflichtbeitrag zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden ist.

Dabei sind nur Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und die in § 55 Abs. 2 SGB VI aufgeführten Versicherungstatbestände (vergleiche GRA zu § 55 SGB VI, Abschnitt 5) sowie Zeiten in der deutschen Alterssicherung der Landwirte, Beamtenversorgung oder berufsständischen Versorgung („vergleichbare Absicherung“) zu berücksichtigen.

Beachte:

Die bisherige Rechtsauslegung, nach der ausschließlich Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund beruflicher Tätigkeit heranzuziehen sind, ist aufgegeben worden (AGZWSR 1/2014, TOP 6).

Insbesondere können damit nunmehr auch

die Anrechnung von Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert nach sich ziehen.

Auf die Dauer der Pflichtbeitragszahlung/vergleichbaren Absicherung und ob diese auf einem nur vorübergehenden Inlandsaufenthalt (unter Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthaltes in einem anderen Mitgliedstaat) beruht, kommt es nicht an.

Es muss kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erziehung und dem Pflichtbeitrag/der vergleichbaren Absicherung gegeben sein. Dies gilt sowohl für den Zeitraum vor als auch nach der betreffenden Erziehungszeit. Auch mehrjährige Lücken zwischen Pflichtbeitrag/vergleichbarer Absicherung und Erziehungszeit oder umgekehrt Erziehungszeit und Pflichtbeitrag/vergleichbarer Absicherung sind unschädlich.

(Teil-)Erziehungszeiträume, die vor dem ersten oder nach dem letzten Pflichtbeitrag oder der vergleichbaren Absicherung liegen, können nicht angerechnet werden.

Siehe Beispiel 19

Auch deutsche Beiträge, die beispielsweise im Rahmen einer Entsendung (Art. 14 Abs. 1 und 14a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1 1408/71 oder Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004) während einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt worden sind, können die Anrechnung von Erziehungszeiten nach sich ziehen.

Eine Beitragserstattung vor dem 01.01.1986 steht auch bei der Berücksichtigung von Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert der Anrechnung nicht entgegen (vergleiche Abschnitt 2, dort letzter Absatz).

Versicherungszeiten ausschließlich in Deutschland

Neben der Voraussetzung, dass Pflichtbeiträge oder eine vergleichbare Absicherung vor und nach der Erziehung des Kindes/der Kinder in Deutschland zu berücksichtigen sind (vergleiche Abschnitt 5.2), setzt die Anrechnung von Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert voraus, dass die erziehende Person Versicherungszeiten ausschließlich in Deutschland zurückgelegt hat. Versicherungszeiten sind Beitragszeiten, gleichgestellte Zeiten und Wohnzeiten.

Anders als bei der Anrechnung nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 (Ausnahme hier: Dänemark) stehen damit nicht nur Versicherungszeiten, die zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Erziehungszeit im Erziehungsstaat zurückgelegt worden sind, der Anrechnung deutscher Erziehungszeiten entgegen, sondern auch Versicherungszeiten, die zu irgendeinem Zeitpunkt vor oder nach der Erziehung in irgendeinem anderen Mitgliedstaat (einschließlich Dänemark) zurückgelegt worden sind. Dies gilt für Zeiten während der Erziehungszeit gleichermaßen.

Auf den Zeitpunkt der Entstehung der mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten kommt es nicht an. Auch nachträglich von einem mitgliedstaatlichen Träger gutgeschriebene Versicherungszeiten stehen damit der Anrechnung von Erziehungszeiten entgegen.

Im Leistungsverfahren sind Angaben über in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Versicherungszeiten regelmäßig dem E 207 (künftig P 4000) beziehungsweise dem E 505/E 205 (künftig P 5000) des jeweiligen Mitgliedstaates oder dem Antrag auf Anerkennung von Erziehungszeiten (zum Beispiel Vordruck V0800) zu entnehmen.

Beachte:

Wurden Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert in Leistungsfällen und vorläufigen Leistungsfällen (vergleiche Abschnitte 5.1 und 5.1.1) zunächst anerkannt, ist bei Folgeleistungsfällen erneut zu prüfen, ob zwischenzeitlich Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind. Ist dies der Fall, können Erziehungszeiten nicht mehr berücksichtigt werden. Bei Folgeleistungsfällen ist jedoch § 88 SGB VI zu beachten.

Überprüfung früherer Entscheidungen

In den Fällen des Abschnitts 3 (Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004) und des Abschnitts 4 (Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009) ist mit dem Anwendungsbeginn des Europarechts (01.05.2010 für die EU-Mitgliedstaaten, 01.04.2012 für die Schweiz und 01.06.2012 für die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen) nach Erlass von Bescheiden, die noch nach vor diesem Zeitpunkt liegenden Vorschriften erteilt worden sind, eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten.

Die Anrechnungsvoraussetzungen nach Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 beziehungsweise Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 können gegenüber diesen früheren Regelungen sowohl günstiger als auch ungünstiger sein.

Für die Überprüfung und gegebenenfalls Rücknahme von Entscheidungen, die nach vor Anwendungsbeginn des Europarechts liegenden Regelungen ergangen sind, ist § 48 SGB X beziehungsweise § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI einschlägig.

In den Fällen des Abschnitts 5 (europarechtskonforme Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert) hat sich gegenüber bisherigen Entscheidungen lediglich die Rechtsauffassung geändert. Für die Überprüfung der betreffenden Entscheidungen und gegebenenfalls die rückwirkende Leistungserbringung ist daher § 44 SGB X einschlägig. Im Hinblick auf die Regelung des § 306 Abs. 1 SGB VI, die eine Neufeststellung von Renten allein aus Gründen einer nach Rentenbeginn in Kraft tretenden Rechtsänderung ausschließt, kommt § 48 SGB X nicht zum Tragen.

Eine Überprüfung früherer Entscheidungen von Amts wegen findet nicht statt. Eine solche ist aufgrund der Beschlusslage (AGZWSR 2/2007, TOP 3) jedoch notwendig, wenn der Vorgang in den Geschäftsgang gelangt.

Zuständigkeit einer Verbindungsstelle

Haben Versicherte ausschließlich deutsche rentenrechtliche Zeiten und Erziehungszeiten nach §§ 56/57 SGB VI in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt, ist sowohl für die Feststellung und Zahlung von Renten als auch für die Kontoklärung und Erteilung von Rentenauskünften innerhalb der Regionalträger die Verbindungsstelle zu dem Mitgliedstaat zuständig, in dem das Kind erzogen wurde (PGAGZWSR 2/2003, TOP 8). Das gilt auch in den Fällen, in denen das Kind in Dänemark erzogen worden ist, obwohl die dänischen Rechtsvorschriften die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung nicht vorsehen (vergleiche Abschnitt 4.1.1). Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger ist es auch in diesen Fällen sinnvoll und zweckmäßig, die Zuständigkeit auf die Verbindungsstellen zu übertragen.

Die Zuständigkeit der Verbindungsstellen erstreckt sich auf die Prüfung, ob für die Erziehung im Ausland Zeiten nach den jeweiligen ausländischen Rechtsvorschriften existieren und/oder gegebenenfalls über die Regelung des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 Erziehungszeiten in der deutschen Rentenversicherung anrechenbar sind. Dies gilt auch für die Berücksichtigung von Erziehungszeiten im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert. Auf die Ausführungen in Abschnitt 4 wird verwiesen. Stellt die (zunächst zuständige) Verbindungsstelle fest, dass weder Versicherungszeiten nach ausländischen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind noch für die Erziehung im anderen Mitgliedstaat deutsche Erziehungszeiten über Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 angerechnet werden können, liegen keine Zeiten vor, die die (endgültige) Zuständigkeit der (zunächst zuständigen) Verbindungsstelle begründen. Die (endgültige) Zuständigkeit richtet sich dann nach den Regelungen des § 128 Abs. 1 SGB VI.

Beispiel 1: Anwendungsbereich der (Drittstaats-)VO (EG) Nr. 1231/2010

(Beispiel zu Abschnitt 2.1)

Eine Thailänderin war bis zur Geburt ihres Kindes am 15.06.1997 in Deutschland beschäftigt. Vom 29.06.1997 bis zum 31.12.2002 hielt sie sich in Belgien auf. Vom 01.01.2003 bis 15.08.2006 wohnte sie in der Schweiz. Seit dem 16.08.2006 lebt sie wieder in Belgien. In Belgien bestand keine Vorversicherung und nach der Geburt wurde dort auch keine weitere Erwerbstätigkeit aufgenommen.

Lösung:

Bis zum 31.12.2002 liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der (Drittstaats-)VO (EG) Nr. 1231/2010 vor, weil Versicherungszeiten in Deutschland zurückgelegt wurden und ein rechtmäßiger Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats bestand (grenzüberschreitendes Element). Die (Drittstaats-)VO (EG) Nr. 1231/2010 erfasst auch Sachverhalte, die vor dem 01.01.2011 liegen. Bis zum 31.12.2002 sind daher deutsche Erziehungszeiten anzurechnen. Die Zeit der Erziehung in der Schweiz kann nicht angerechnet werden, weil die Schweiz die Drittstaatsverordnung nicht angenommen hat. Ab dem 16.08.2006 sind deutsche Erziehungszeiten wieder anrechenbar, weil durch den Wohnsitz in Belgien das Europarecht über die Drittstaatsverordnung wieder anwendbar ist. Die zwischenzeitliche Erziehung in einem Drittstaat (außerhalb der EU) ist für die anschließende Anwendung des Europarechts insoweit unschädlich.

Beispiel 2: Inlandserziehung, Grenzgänger aus Deutschland

(Beispiel zu Abschnitt 3.1)

Wohnsitz ohne Beschäftigung in Aachen. Geburt des Kindes am 10.06.1992. Am 01.01.1993 nimmt die Mutter eine Beschäftigung in Belgien auf, die nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO (EWG) 1408/71 den belgischen Rechtsvorschriften unterliegt.

Lösung:

Erziehungszeiten können deutscherseits ohne Einschränkungen auch nach Aufnahme der Beschäftigung in Belgien weiterhin angerechnet werden. Die Tatsache, dass für die in Belgien ausgeübte Beschäftigung die belgischen Rechtsvorschriften gelten, ist bei Inlandserziehungen unbeachtlich. Auch eine gleichzeitige Berücksichtigung der Erziehungszeiten nach belgischen Rechtsvorschriften, stünde der Anrechnung deutscher Erziehungszeiten nicht entgegen.

Beispiel 3: Sachverhaltsgleichstellung, Grenzgänger nach Deutschland

(Beispiel zu Abschnitt 3.2)

Die Versicherte wohnt in Frankreich und erzieht dort ihr am 15.06.1992 geborenes Kind. Vom 01.01.1993 bis 31.12.1994 übt sie in Deutschland eine Beschäftigung aus (Grenzgängerin). Anschließend keine Erwerbstätigkeit.

Lösung:

Erziehungszeiten sind deutscherseits im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung vom 01.01.1993 bis 31.12.1994 anzurechnen. Mit dem Ende der Erwerbstätigkeit in Deutschland am 31.12.1994 endet auch die Anrechnung der deutschen Erziehungszeiten.

Allerdings ist zu prüfen, ob ab dem 01.01.1995 eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach anderen Vorschriften in Betracht kommt. Dies ist nicht der Fall. Da es sich um eine im Inland ausgeübte Erwerbstätigkeit handelt, scheidet die Anwendung des § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI von vornherein aus. Die Voraussetzungen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 sind ebenfalls nicht erfüllt, da zum Zeitpunkt des Erziehungsbeginns (15.06.1992) keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten.

Beispiel 4: Zuständiger Staat bei Mehrfacherwerbstätigkeit

(Beispiel zu Abschnitt 3.3)

Geburt des Kindes am 10.08.1996. Vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 übt die Mutter sowohl eine selbständige Erwerbstätigkeit in Dänemark als auch eine abhängige Beschäftigung in Deutschland aus. Sowohl im deutschen als auch im dänischen Versicherungsverlauf sind für diesen Zeitraum Pflichtbeiträge dokumentiert.

Wohnsitz und Erziehung in Dänemark.

Lösung:

Erziehungszeiten sind deutscherseits während der Erziehung in Dänemark vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 anzurechnen. Zwar galten für die selbständige Tätigkeit in Dänemark die dänischen Rechtsvorschriften (Art. 14c Buchst. b in Verbindung mit Anhang VII Nr. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71). Nach der Grundregel des Art. 14c Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 sind jedoch auf beide Erwerbstätigkeiten die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem die abhängige Beschäftigung ausgeübt wird. Im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung sind demnach die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden. Die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung endet mit der Aufgabe der deutschen Beschäftigung am 31.12.2000.

Allerdings ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach anderen Vorschriften in Betracht kommt. Dies ist nicht der Fall. Die Voraussetzungen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 sind nicht erfüllt, da zum Zeitpunkt des Erziehungsbeginns (10.08.1996) keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten.

Beispiel 5: Ruhendes Beschäftigungsverhältnis, Arbeitslosengeldbezug

(Beispiel zu Abschnitt 3.4)

Wohnsitz und Erziehung des am 10.08.2010 geborenen Kindes in Aachen. Vom 01.01.2010 bis 30.11.2012 Beschäftigung in Deutschland. Am 01.12.2012 meldet sich die Mutter in Deutschland arbeitslos. Am 01.01.2013 begibt sie sich mit dem Kind zur Arbeitssuche nach Belgien. Vom 01.12.2012 bis 31.03.2013 bezieht sie Arbeitslosengeld von einem belgischen Träger zulasten der deutschen Agentur für Arbeit. In Belgien hat sie keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Lösung:

Erziehungszeiten sind deutscherseits bis zum 31.12.2012 nach § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI in Verbindung mit § 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI als „normale“ Inlandserziehungszeiten anzurechnen. Im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung sind auch während der Erziehung in Belgien vom 01.01.2013 bis 31.03.2013 Erziehungszeiten anzurechnen, da die Mutter aufgrund der in Deutschland ausgeübten Beschäftigung Arbeitslosengeld zulasten eines deutschen Trägers bezogen hat. Die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung endet mit der Zahlung des Arbeitslosengeldes zulasten des deutschen Trägers am 31.03.2013.

Für die Zeit ab 01.04.2013 ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt. Dies ist der Fall, da die Mutter am Stichtag (10.08.2010) eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten. Die Tatsache, dass die belgischen Rechtsvorschriften Kindererziehungszeiten berücksichtigen, ist unbeachtlich, da die Mutter vor dem Stichtag in Belgien keine Versicherungszeiten zurückgelegt hat.

Beispiel 6: Arbeitslosengeldzahlung durch mitgliedstaatlichen Träger

(Beispiel zu Abschnitt 3.4)

Wohnsitz und Erziehung des am 10.08.2009 geborenen Kindes in Dänemark. Vom 01.01.2010 bis 30.11.2011 Beschäftigung als Grenzgängerin in Deutschland. Am 01.12.2011 meldet sich die Mutter in Dänemark arbeitslos und bezieht Leistungen vom dänischen Träger (Art. 65 VO (EG) Nr. 883/2004).

Lösung:

Die Erziehungszeiten sind deutscherseits im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung während der Beschäftigung in Deutschland vom 01.01.2010 bis 30.11.2011 anzurechnen, da für die erziehende Person aufgrund der in Deutschland ausgeübten Beschäftigung die deutschen Rechtsvorschriften galten. Die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung endet mit der Aufgabe der deutschen Beschäftigung am 30.11.2011. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes durch den dänischen Träger führt nicht zur Fortgeltung der deutschen Rechtsvorschriften im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung.

Für die Zeit ab 01.12.2011 ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt. Dies ist nicht der Fall, weil am Stichtag (10.08.2009) keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten.

Beispiel 7: Ruhendes Beschäftigungsverhältnis, Elternzeit

(Beispiel zu Abschnitt 3.4)
Wohnsitz und Beschäftigung in Deutschland vom01.01.2000 bis 20.05.2010
Schutzfrist (§ 6 MuSchG) vom21.05.2010 bis 01.07.2010
Geburt des 1. Kindes02.07.2010
Schutzfrist (§ 6 MuSchG) vom03.07.2010 bis 27.08.2010
Elternzeit (§ 15 BerzGG) vom28.08.2010 bis 01.07.2013
Wohnsitzverlegung in die Schweiz am30.09.2012
Geburt des 2. Kindes am15.02.2013
Lösung:

Für die Zeit vom 02.07.2010 bis zur Wohnsitzverlegung in die Schweiz am 30.09.2012 sind Erziehungszeiten deutscherseits nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 S. 1 SGB VI anzurechnen, weil es sich um eine „normale“ Inlandserziehung handelt.

Für die Zeit vom 01.10.2012 bis 01.07.2013 sind deutscherseits Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung anzurechnen, weil während der Elternzeit nach § 15 BErzGG ein ruhendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Auch für das 2. Kind sind aus diesem Grund Erziehungszeiten anzurechnen.

Die Sachverhaltsgleichstellung endet mit Ablauf der gesetzlichen Elternzeit am 01.07.2013 (der Teilmonat ist anzurechnen).

Für die Zeit ab 02.07.2013 ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt. Da an den Stichtagen (02.07.2010 und 15.02.2013) eine Beschäftigung ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten beziehungsweise ein ruhendes Beschäftigungsverhältnis, sind Erziehungszeiten in der Schweiz für beide Kinder in vollem Umfang auch ab dem 02.07.2013 anzurechnen.

Beispiel 8: Ruhendes Beschäftigungsverhältnis, Elternzeit nach tariflichen Regelungen

(Beispiel zu Abschnitt 3.4)
Wohnsitz und Beschäftigung in Deutschland vom01.01.2000 bis 20.05.2010
Schutzfrist (§ 6 MuSchG) vom21.05.2010 bis 01.07.2010
Geburt des 1. Kindes02.07.2010
Schutzfrist (§ 6 MuSchG) vom03.07.2010 bis 27.08.2010
Elternzeit (§ 15 BErzGG) vom28.08.2010 bis 01.07.2013
Wohnsitzverlegung in die Schweiz am30.09.2012
Elternzeit nach tariflichen Regelungen für ein weiteres Jahr vom02.07.2013 bis 01.07.2014
Geburt des 2. Kindes am15.02.2014
Lösung:

Für die Zeit vom 02.07.2010 bis zur Wohnsitzverlegung in die Schweiz am 30.09.2012 sind Erziehungszeiten deutscherseits nach § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI anzurechnen, weil es sich um eine „normale“ Inlandserziehung handelt.

Für die Zeit vom 01.10.2012 bis 01.07.2013 sind deutscherseits Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung anzurechnen, weil während der Elternzeit nach § 15 BErzGG ein ruhendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Die Sachverhaltsgleichstellung endet mit Ablauf der gesetzlichen Elternzeit am 01.07.2013 (der Teilmonat ist anzurechnen).

Für die Zeit ab 02.07.2013 ist zu prüfen, ob eine weitere Anrechnung von Erziehungszeiten nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt. Da am Stichtag (02.07.2010) eine Beschäftigung ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten, sind Erziehungszeiten in der Schweiz für das 1. Kind in vollem Umfang auch ab dem 02.07.2013 anzurechnen.

Für das 2. Kind können Erziehungszeiten weder im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung noch über Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 angerechnet werden, weil die Elternzeit nach tariflichen Regelungen nicht die Fortgeltung der deutschen Rechtsvorschriften bewirkt. Die Tatsache, dass das 2. Kind während einer anrechenbaren Berücksichtigungszeit für das 1. Kind geboren wurde, ist unbeachtlich.

Beispiel 9: Verlängerungszeitraum

(Beispiel zu Abschnitt 3.5)

Wohnsitz und Erziehung der am

geborenen Zwillinge in Frankreich.

10.10.2006
Beschäftigung in Deutschland als Grenzgängerin vom01.01.2005 bis 31.10.2009
Beschäftigung in Frankreich vom01.11.2009 bis 31.12.2012
Lösung:

Für die Zeit vom 10.10.2006 bis 31.10.2009 sind deutscherseits Erziehungszeiten im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung anzurechnen, weil während dieser Zeit eine Beschäftigung ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten.

Auch im Zeitraum vom 01.11.2009 bis 31.10.2012 (Verlängerungszeitraum nach § 56 Abs. 5 SGB VI) sind Erziehungszeiten deutscherseits anzurechnen, weil es auf die Verhältnisse im Verlängerungszeitraum nicht ankommt. Die in diesem Zeitraum ausgeübte Beschäftigung in Frankreich steht der Anrechnung von Erziehungszeiten nicht entgegen.

Für die Zeit ab 01.11.2012 ist zu prüfen, ob die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 in Betracht kommt. Zwar wurde am Stichtag (10.10.2006) eine Beschäftigung ausgeübt, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten. Durch die Aufnahme der Beschäftigung in Frankreich am 01.11.2009 ist nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 die Anwendung von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen, sodass die Anrechnung deutscher Erziehungszeiten mit dem Ende des Verlängerungszeitraums am 31.10.2012 endet.

Beispiel 10: Keine "Erziehungsketten"

(Beispiel zu Abschnitt 4.1)

Die Mutter ist bis zur Geburt des Kindes am 08.06.1992 ausschließlich in Deutschland beschäftigt. Am 10.05.1994 Geburt des zweiten Kindes. Am 30.09.1994 verzieht die Mutter mit den Kindern nach Spanien.

Lösung:

Für das erste Kind sind Erziehungszeiten vom 08.06.1992 bis 30.09.1994 im Inland anzurechnen, sowie vom 01.10.1994 bis 07.06.2002 in Spanien, weil die Mutter zum Zeitpunkt des Beginns der Erziehung in Deutschland beschäftigt war und keine Versicherungszeiten in Spanien vor dem Stichtag vorliegen.

Für das zweite Kind liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung von Erziehungszeiten während der Erziehung in Spanien nicht vor, weil die Mutter zum Beginn der Erziehung des zweiten Kindes am 10.05.1994 nicht (mehr) in Deutschland beschäftigt war. Die für das erste Kind anzurechnenden Erziehungszeiten erfüllen das Kriterium „Ausübung einer Erwerbstätigkeit am Stichtag“ nicht.

Die als Kindererziehungszeit zu berücksichtigende Inlandserziehung des zweiten Kindes während der Erziehung des ersten Kindes vom 01.06.1994 bis 30.09.1994 (vier Kalendermonate) ist als Verlängerungszeitraum vom 01.07.1995 bis 31.10.1995 dennoch anzurechnen. Abzustellen ist allein auf die Verhältnisse während der anrechenbaren (gleichzeitigen) Erziehungszeiten im Inland.

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sind für das zweite Kind nur in der Zeit vom 10.05.1994 bis 30.09.1994 anzurechnen.

Beispiel 11: Schädliche Vorversicherung

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.1.1)
Die Mutter wohnt in Frankreich und war wie folgt versicherungspflichtig beschäftigt:
in Frankreich vom01.01.1997 bis 30.04.1998
in Deutschland vom01.05.1998 bis 31.12.2000
Geburt des Kindes in Frankreich am30.06.1999
Es wird die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt.
Beide Staaten bewilligen eine entsprechende Leistung. Erziehungszeiten werden in Frankreich erst im Altersrentenverfahren angerechnet, bei der Invaliditätsrente erfolgt keine Anrechnung.
Lösung:
Erziehungszeiten in Frankreich sind deutscherseits während der Beschäftigung in Deutschland im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung vom 30.06.1999 bis 31.12.2000 anzurechnen. Nach Beendigung der deutschen Erwerbstätigkeit sind Erziehungszeiten nicht weiter anzurechnen. Da die französischen Rechtsvorschriften die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsehen und in Frankreich vor dem Stichtag (30.06.1999) Versicherungszeiten zurückgelegt wurden, ist die Grundvoraussetzung für die Anwendung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht erfüllt. Die Beschränkung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf einen bestimmten Leistungsfall ist für die abstrakte Betrachtungsweise unbeachtlich.

Beispiel 12: Keine (schädliche) Vorversicherung

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.1.1)

Die Mutter wohnt in Frankreich und war vom 01.05.1998 bis 31.12.2000 in Deutschland beschäftigt. Geburt des Kindes am 15.01.2001, die Erziehung erfolgt in Frankreich. In Frankreich wurden keine Versicherungszeiten zurückgelegt.

Lösung:

Erziehungszeiten sind auf deutscher Seite in vollem Umfang anzurechnen. Zwar sehen die französischen Rechtsvorschriften die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vor, die Mutter hat aber vor dem Erziehungsbeginn keine Versicherungszeiten in Frankreich zurückgelegt.

Zum Zeitpunkt des Beginns der Erziehungszeit (am „Stichtag“) wurde eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt (zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Kindererziehung am 15.01.2001 liegt kein voller Kalendermonat). Die Voraussetzungen für die Anrechnung von Erziehungszeiten in einem nachrangig zuständigen Staat (hier: Deutschland) nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 sind daher erfüllt.

Beispiel 13: Zeitpunkt des Beginns der Erziehungszeit

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.2)

Die Mutter ist bis zur Geburt des Kindes am 10.06.1992 in Deutschland beschäftigt. Zur Geburt des Kindes reist sie nach Belgien und hält sich bis zum 31.07.1992 dort auf. Anschließend wird das Kind von den Großeltern in Belgien erzogen. Am 20.07.1994 verzieht die Versicherte nach Belgien und nimmt die Erziehung des Kindes wieder auf.

Lösung:

Während des vorübergehenden Aufenthaltes in Belgien vom 10.06.1992 bis 31.07.1992 sind der Mutter Erziehungszeiten nach § 56 SGB VI und für den Zeitraum der erneuten Erziehung des Kindes ab 20.07.1994 nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 anzurechnen.

Die Unterbrechung der Erziehung durch die betreffende Person ist für das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 unschädlich. Für die Anrechnung der Erziehungszeit ist nur auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Erziehung begann (hier: 10.06.1992). Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt. Ein Verweis auf den Wohnstaat Belgien erfolgt nicht, weil im Beispielfall vor dem Stichtag keine belgischen Versicherungszeiten zurückgelegt wurden.

Für die Großeltern sind Erziehungszeiten nicht anzurechnen, weil weder am Stichtag (10.06.1992) noch während der Erziehung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten.

Beispiel 14: Zeitpunkt des Beginns der Kindererziehungszeit

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.2)

Geburt des Kindes am 09.04.2003 in Deutschland. Tod der Mutter am 10.05.2004. Zuordnung der Kindererziehungszeiten wie folgt:

a) Mutter 01.05.2003 bis 31.05.2004

b) Vater ab 01.06.2004

Der Vater hat in der Zeit vom 01.10.2003 bis 30.06.2005 eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt. Am 07.07.2005 Verzug in die Niederlande.

Lösung:

In der Versicherung der Mutter sind Erziehungszeiten bis zum 31.05.2004 anzurechnen (Inlandserziehung).

Für den Vater sind Kindererziehungszeiten auch für die Zeit der Erziehung in den Niederlanden nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 anzurechnen. An dem für ihn maßgeblichen Stichtag (dem Beginn der alleinigen Erziehung des Kindes am 11.05.2004) unterlag er aufgrund einer Beschäftigung den deutschen Rechtsvorschriften. Auf die Verhältnisse zu Beginn der für das Kind (insgesamt) anzurechnenden Erziehungszeiten am 09.04.2003 kommt es bei der Beurteilung der für den Vater anzurechnenden Erziehungszeit nicht an.

Beispiel 15: Zeitpunkt des Beginns der Kindererziehungszeit

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.2)

Das Kind ist am 15.05.1986 geboren. Das Kind wird von der Mutter bis zum 31.05.1993 in Deutschland erzogen. Ab 01.06.1993 wird das Kind von der Stiefmutter in Dänemark erzogen. Die Stiefmutter war vom 01.07.1992 bis zum 31.05.1993 in Deutschland beschäftigt.

Lösung:

Der Stiefmutter sind für das betreffende Kind Erziehungszeiten in Dänemark nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 vom 01.06.1993 bis zum 14.05.1996 anzurechnen, weil sie am Stichtag (dem Beginn der Erziehung des Kindes am 01.06.1993) aufgrund einer Beschäftigung den deutschen Rechtsvorschriften unterlag.

Beispiel 16: Ausübung einer Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit am Stichtag

(Beispiel zu Abschnitt 4.1.3)

Eine Versicherte erzieht drei am 21.11.1992, 10.05.1995 und 19.02.1999 geborene Kinder in Deutschland.

Am 15.09.1999 Verzug in die Niederlande.

Ende der Beschäftigung in Deutschland am 31.08.1990.

Beschäftigung in den Niederlanden ab 01.01.2013.

Lösung:

Kindererziehungszeiten sind nach innerstaatlichem Recht (Erziehung im Inland) bis zum 15.09.1999 anzurechnen. Erziehungszeiten in den Niederlanden können nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht angerechnet werden, weil die Mutter an keinem der für die Kinder jeweils geltenden Stichtage aufgrund einer Erwerbstätigkeit den deutschen Rechtsvorschriften unterlag. Die Versicherungspflicht wegen Kindererziehung nach § 3 Nr. 1 SGB VI steht einer Erwerbstätigkeit bei Anwendung des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht gleich.

Beispiel 17: Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat

(Beispiel zu Abschnitt 4.2)

Die Mutter wohnt in Deutschland und ist dort bis zur Geburt des Kindes am 08.06.1992 geringfügig beschäftigt. Am 01.06.1994 verzieht sie mit dem Kind nach Malta. Vom 01.10.1994 bis 31.03.1995 übt sie eine geringfügige selbständige Tätigkeit in Malta aus, für die Beiträge zum dortigen System nicht gezahlt werden.

Lösung:

Kindererziehungszeiten sind für die Mutter nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 auch während der Erziehung in Malta bis zum 30.09.1994 anzurechnen, da sie am Stichtag (08.06.1992) aufgrund einer Beschäftigung den deutschen Rechtsvorschriften unterlag.

Durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in Malta endet die Anrechnung der Kindererziehungszeit nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 endgültig. Dass die selbständige Tätigkeit nicht zur Anrechnung von maltesischen Versicherungszeiten führt, ist unerheblich.

Auch nach Beendigung der selbständigen Tätigkeit in Malta kommt eine erneute Anrechnung deutscher Erziehungszeiten nicht in Betracht.

Beispiel 18: Europarechtskonforme Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert

(Beispiel zu Abschnitt 5)
Wohnsitz und versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vom01.01.2000 bis 31.12.2005
Wohnsitzverlegung nach Belgien am01.01.2007
Geburt des Kindes01.10.2008
Wohnsitzverlegung nach Deutschland am30.09.2012
Erneute versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vom01.01.2013 bis 31.12.2013
Lösung:
Die Erziehungszeiten in Belgien sind deutscherseits in vollem Umfang anzurechnen. Zwar sind die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 nicht erfüllt (am Stichtag wurde keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, für die die deutschen Rechtsvorschriften galten), und die Erziehungszeiten sind auch nicht über § 56 SGB VI oder Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 anrechenbar. Da Versicherungszeiten aber ausschließlich in Deutschland zurückgelegt wurden, sind die Erziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert anzurechnen. Im Leistungsfall ist zu prüfen, ob die Anrechnungsvoraussetzung (Versicherungszeiten in keinem anderen Mitgliedstaat) noch erfüllt ist.

Beispiel 19: Pflichtbeitrag/vergleichbare Absicherung vor und nach der Erziehungszeit

(Beispiel zu Abschnitt 5.2)
Die Versicherte war bis 31.12.1988 in Deutschland als Ärztin beschäftigt und als Mitglied der berufsständischen Versorgung von der Versicherungspflicht in der GRV befreit.
Wohnsitzverlegung nach Italien (ohne Beschäftigung) am01.01.1989
Geburt des Kindes am15.01.1991
Vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vom01.07.1994 bis 30.09.1994
Es wurden keine Versicherungszeiten in einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz zurückgelegt.
Lösung:

§ 56 Abs. 3 SGB VI kann von vornherein keine Anwendung finden, weil keine deutschen Pflichtbeiträge aufgrund einer im Ausland ausgeübten Erwerbstätigkeit vorliegen. Die Voraussetzungen des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 sind ebenfalls nicht erfüllt, weil am Stichtag (15.01.1991) keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, auf die die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden waren.

Die Erziehungszeiten vom 15.01.1991 bis 30.06.1994 sind jedoch in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil Reichel-Albert anzurechnen, weil Versicherungszeiten ausschließlich in Deutschland und vor dem Erziehungsbeginn (bis zum 31.12.1988) Zeiten in der berufsständischen Versorgung zurückgelegt wurden („vergleichbare Absicherung“). Die ab 01.07.1994 gezahlten Pflichtbeiträge sind Anschlussversicherung für die Zeit bis 30.06.1994.

Vom 01.07.1994 bis 30.09.1994 erfolgt die Anrechnung der Erziehungszeiten über Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 im Rahmen der Sachverhaltsgleichstellung.

Der Teilzeitraum vom 01.10.1994 bis 14.01.2001 kann jedoch nicht angerechnet werden, weil nach diesen Zeitraum kein Anschlussbeitrag/keine vergleichbare Absicherung liegt.

VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009

Inkrafttreten: 01.05.2010

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 284/1 vom 30.10.2009

Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 ist mit der VO (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 am 01.05.2010 in Kraft getreten (Art. 97 VO (EG) Nr. 987/2009).

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