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Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004: Doppelleistungsbestimmungen - Zusammentreffen von Leistungen - Allgemeine Vorschriften

Änderungsdienst
veröffentlicht am

04.01.2021

Änderung

Abschnitt 5: Ergänzung zu § 97a SGB VI - Grundrentenzuschlag Abschnitt 6.3: Klarstellung zu Leistungen aus freiwilligen Beiträgen

Dokumentdaten
Stand22.12.2020
Version003.00

Inhalt der Regelung

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 beeinflusst zusammen mit Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 die deutschen Anrechnungsvorschriften. Alle drei Normen beinhalten selbst keine Regelungen über das Ruhen, Kürzen oder Entziehen von Leistungen beim Zusammentreffen von Leistungen und sonstigen Einkünften (Doppelleistungsbestimmungen), sondern geben ausschließlich den koordinierenden Rahmen für das nationale Recht vor.

Absatz 1 definiert den Begriff der „Leistungen gleicher Art“, Absatz 2 den Begriff „Leistungen unterschiedlicher Art“ und Absatz 3 den Begriff „Doppelleistungsbestimmungen“ als die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates, die das Zusammentreffen von Leistungen mit anderen Leistungen oder Einkünften regeln. Die Folgen des Zusammentreffens solcher Leistungen sind in Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 für Leistungen gleicher Art und in Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 für Leistungen unterschiedlicher Art geregelt.

Nach Absatz 3 Buchstabe a ist es für die Anwendung von nationalen Doppelleistungsbestimmungen notwendig, dass das innerstaatliche Recht des jeweiligen Mitgliedstaates die Berücksichtigung von Leistungen oder Einkommen, die in einem anderen Mitgliedstaat erzielt werden, ausdrücklich vorsieht.

Nach Absatz 3 Buchstabe b sind bei der Anwendung nationaler Doppelleistungsbestimmungen ausländische Leistungen mit dem Betrag, der sich vor Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und anderen individuellen Abgaben oder Abzügen ergibt, zu berücksichtigen, sofern die nationalen Vorschriften die Anwendung der Doppelleistungsbestimmungen nicht ausdrücklich nach den Abzügen vorsehen.

Absatz 3 Buchstabe c sieht vor, dass die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates erworbenen Rentenbeträge, die auf Zeiten freiwilliger Versicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bei der Anwendung von nationalen Doppelleistungsbestimmungen nicht zu berücksichtigen sind.

Absatz 3 Buchstabe d begrenzt die Minderung aus einer nationalen Anrechnung auf die Höhe der anzurechnenden Einkünfte (Leistung oder Einkommen) aus anderen Mitgliedstaaten, wenn kein weiterer Mitgliedstaat eine Anrechnung vornimmt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Allgemeines

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 enthält die allgemeinen Grundlagen für die Anwendung der nationalen Doppelleistungsbestimmungen, die das Zusammentreffen von Renten wegen Invalidität, Alter und Tod mit Leistungen oder sonstigen Einkünften vorsehen. Regelmäßig kommt es hierbei zur Kürzung, zum Ruhen oder zum Entzug einer Leistung. Als Bestimmung in diesem Sinn ist jede nationale Vorschrift anzusehen, die mit der von ihr vorgeschriebenen Berechnung bewirkt, dass der Rentenbetrag, auf den ein Anspruch besteht, deshalb gekürzt wird, weil aus einem anderen Mitgliedstaat eine Leistung oder entsprechend sonstige Einkünfte bezogen werden (vergleiche EuGH-Urteil vom 07.03.2002, Rechtssache C-107/00, Insalaca, und EuGH-Urteil vom 07.03.2013, Rechtssache C-127/11, van den Booren).

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 gibt nur den koordinierenden Rahmen für das nationale Recht beim Zusammentreffen von Leistungen mit Leistungen oder sonstigen Einkünften vor. Ergänzend regelt der Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 die Folgen des Zusammentreffens von Leistungen gleicher Art und der Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 die Folgen des Zusammentreffens von Leistungen unterschiedlicher Art.

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt - wie Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 auch - nur für die Versichertenrenten und die Hinterbliebenenrenten im Sinne des Titels III, Kapitel 5, der VO (EG) Nr. 883/2004 bei einem Rentenbeginn vom 01.05.2010 an.

Für Renten mit einem Rentenbeginn vor Anwendungsbeginn der VO (EG) Nr. 883/2004, für die bisher Art. 46c VO (EWG) Nr. 1408/71 galt, bestimmt Art. 87 Abs. 9 VO (EG) Nr. 883/2004, dass Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht anzuwenden ist (vergleiche auch GRA zu Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 3, und GRA zu Art. 87 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 14).

Leistungen gleicher Art

Nach Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 sind Leistungen gleicher Art Leistungen bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene, die auf der Grundlage der von ein und derselben Person zurückgelegten Versicherungszeiten und/oder Wohnzeiten gewährt oder berechnet werden.

Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des EuGH Leistungen dann als Leistungen gleicher Art zu betrachten, wenn ihr Gegenstand und Zweck sowie ihre Berechnungsgrundlage und die Voraussetzungen für die Gewährung identisch sind (vergleiche EuGH-Urteil vom 06.10.1987, Rechtssache 197/85, Stefanutti, vom 11.08.1995, Rechtssache C-98/94, Schmidt, EuGH-Urteil vom 12.02.1998, Rechtssache C-366/96, Cordelle, EuGH-Urteil vom 07.03.2002, Rechtssache C-107/00, Insalaca, und EuGH-Urteil vom 07.03.2013, Rechtssache C-127/11, van den Booren, jeweils zum inhaltlich identischen Art. 46a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71). Leistungen gleicher Art beziehen sich daher nicht nur auf Leistungen für dasselbe versicherte Risiko. Es kommt nicht auf die Bezeichnung der bezogenen Rentenart an, sondern darauf, dass die Leistung auf der Grundlage von ein und derselben Person zurückgelegten Versicherungszeiten und/oder Wohnzeiten berechnet und gewährt wird. So sind die Rente wegen Alters in dem einen und die Rente wegen Invalidität in dem anderen Mitgliedstaat (zum Beispiel weil die Umwandlung nicht vorgesehen ist oder das entsprechende Lebensalter noch nicht erreicht ist) Leistungen gleicher Art, weil sie aus der Versicherungsbiographie ein und derselben Person stammen.

Dies gilt auch, wenn anstelle einer Hinterbliebenenrente eine Altersrente an eine hinterbliebene Person erbracht wird, die ausschließlich auf den Versicherungszeiten des verstorbenen Ehepartners oder Lebenspartners beruht (zum Beispiel in Belgien oder im Vereinigten Königreich). Trotz der Bezeichnung als Altersrente entspricht sie einer Hinterbliebenenrente und ist zu einer Hinterbliebenenrente in einem anderen Mitgliedstaat eine Leistung gleicher Art. Sieht das nationale Recht die Mischung der Versicherungsbiographien des verstorbenen Ehepartners mit den eigenen Zeiten des überlebenden Ehepartners vor (zum Beispiel in Belgien, Dänemark oder im Vereinigten Königreich), ist der Teil der Leistung, der auf den Versicherungszeiten des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners beruht, im Verhältnis zur Witwenrente oder Witwerrente im anderen Mitgliedstaat eine gleichartige Leistung. Der Teil der Leistung, der auf den eigenen Zeiten des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners stammt, ist gleichartige Leistung zu einer Versichertenrente im anderen Mitgliedstaat. Gegebenenfalls muss über den jeweiligen ausländischen Träger geklärt werden, wessen Versicherungszeiten und/oder Wohnzeiten zu welchem Anteil der Leistung zugrunde liegen.

Sofern Leistungen gleicher Art zusammentreffen und die Voraussetzungen für die Anwendung der Art. 53 ff. VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegen (vergleiche Abschnitt 5 und 6), ist Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden (vergleiche zu den Auswirkungen GRA zu Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004).

Leistungen unterschiedlicher Art

Leistungen unterschiedlicher Art sind nach Art. 53 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 alle Leistungen, die nicht als Leistungen gleicher Art im Sinne von Art. 53 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 angesehen werden können.

Es handelt sich daher um

  • Renten bei Invalidität, Alter oder Tod, die sich aus den Versicherungszeiten und/oder Wohnzeiten verschiedener Personen ergeben (zum Beispiel Zusammentreffen einer deutschen Witwenrente mit einer Altersrente eines anderen Mitgliedstaates), sowie
  • Leistungen verschiedener Versicherungszweige der sozialen Sicherheit, unabhängig davon, auf wessen Versicherungsbiographie sie beruhen (zum Beispiel Zusammentreffen von Leistungen aus der deutschen Rentenversicherung mit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung oder der Unfallversicherung eines anderen Mitgliedstaates).

Die Doppelleistungsbestimmungen des SGB VI beziehen sich, mit Ausnahme der Einkommensanrechnung bei Erziehungsrenten, ausschließlich auf das Zusammentreffen von Leistungen unterschiedlicher Art.

Enthält eine Leistung zugleich Anteile aus Versicherungsbiographien zweier Personen (zum Beispiel in Belgien, Dänemark oder im Vereinigten Königreich), ist nur der Anteil der Leistung, der auf den eigenen Zeiten des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners beruht, gegenüber einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners Leistung unterschiedlicher Art im Sinne von Art. 53 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 (vergleiche auch Abschnitt 3). Nur dieser Teil wird zum Beispiel bei der Anrechnung von Einkommen nach § 97 SGB VI als eigene Versichertenrente im Rahmen von § 18a Abs. 3 SGB IV bei einer Hinterbliebenenrente berücksichtigt.

Sofern Leistungen ungleicher Art zusammentreffen und die Voraussetzungen für die Anwendung der Art. 53 ff. VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegen (vergleiche Abschnitt 5 und 6), ist Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden (vergleiche zu den Auswirkungen GRA zu Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004).

Voraussetzung für die Anwendung der Art. 53, 54 und 55 VO (EG) Nr. 883/2004

Die Art. 53, 54 und 55 VO (EG) Nr. 883/2004 können nur auf Doppelleistungsbestimmungen angewendet werden. Doppelleistungsbestimmungen im Sinne des Art. 53 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 sind nationale Rechtsvorschriften, die Fälle des Zusammentreffens von Leistungen bei Invalidität, bei Alter oder an Hinterbliebene mit Leistungen gleicher Art oder Leistungen unterschiedlicher Art oder mit sonstigen Einkünften regeln. Zusammentreffen bedeutet hier das Kürzen, Ruhen oder Entziehen von Leistungen unter Fortbestehen des grundsätzlichen Anspruchs.

Doppelleistungsbestimmungen nach dieser Definition sind folgende Vorschriften im deutschen Recht:

Darüber hinaus existieren Vorschriften, die in die Anspruchsprüfung eingreifen, aber kein Zusammentreffen (Kürzen, Ruhen oder Entziehen) im Sinne von Art. 53 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 bewirken. Bei § 34 Abs. 2 und 3 SGB VI sowie § 243 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB VI handelt es sich nicht um Doppelleistungsbestimmungen im Sinne des Art. 53 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004, weil der Bezug von Leistungen oder sonstigen Einkünften tatbestandsmäßig als (negative) Anspruchsvoraussetzung definiert wurde. Auch § 97a SGB VI ist nicht als eine Regelung zur Anrechnung von Einkommen, sondern als Anspruchsvoraussetzung für den Grundrentenzuschlag zu werten, auf welche die Doppelleistungsbestimmungen der Art. 53 ff. VO (EG) Nr. 883/2004 nicht anzuwenden sind. Die originäre Rentenleistung wird zudem weder gekürzt noch ruhend gestellt und bleibt insoweit unberührt. Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen sind aber bei allen drei Normen ohne die Einschränkungen des Art. 53 Abs. 3 Buchst. a bis d VO (EG) Nr. 883/2004 gleichgestellt (vergleiche GRA zu Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004, Abschnitt 7.3), so dass entsprechende Einkünfte oder Tatbestände in einem anderen Mitgliedstaat so wie deutsche Einkünfte zu berücksichtigen sind. Die Art. 54 und 55 VO (EG) Nr. 883/2004 finden auf solche Vorschriften zur Anspruchsprüfung keine Anwendung.

Anwendungsgrundsätze für Doppelleistungsbestimmungen

In den Buchstaben a, b, c und d des Art. 53 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 sind die allgemeinen Grundsätze für das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art, das Art. 54 VO (EG) Nr. 883/2004 regelt, als auch für das Zusammentreffen von Leistungen unterschiedlicher Art, für das Art. 55 VO (EG) Nr. 883/2004 maßgeblich ist, festgelegt.

Die Grundsätze gelten sowohl für die autonome als auch für die anteilige Leistung.

Grundvoraussetzungen für eine Anrechnung von ausländischen Einkommen

Art. 53 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 sieht vor, dass bei der Anwendung von Doppelleistungsbestimmungen nur dann Leistungen anderer Mitgliedstaaten und Einkommen, das in einem anderen Mitgliedstaat erzielt wird, berücksichtigt werden dürfen, wenn sie gebietsneutral gefasst sind oder ausländische Sachverhalte ausdrücklich berücksichtigen (externer Tatbestand). Damit schränkt Art. 53 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 die generelle Gleichstellung von Leistungen und Einkünften in Art. 5 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 für Doppelleistungsbestimmungen im Sinne des Art. 53 Abs. 3 erster Teilsatz VO (EG) Nr. 883/2004 ein.

Die Vorschrift folgt dem durch die Rechtsprechung des EuGH zur VO (EWG) Nr. 1408/71 bekräftigten Grundsatz, dass das koordinierende Europarecht keine eigenen Doppelleistungsbestimmungen vorsehen darf (vergleiche auch Erwägungsgründe 30 und 31). Dies ist Aufgabe der nationalen Gesetzgeber. Das Europarecht legt lediglich die Grenzen fest, innerhalb derer die nationalen Vorschriften über das Kürzen, das Ruhen oder das Entziehen von Leistungen Anwendung finden können.

Deutsche Vorschriften, die ausländisches Einkommen erfassen

Folgende deutsche Doppelleistungsbestimmungen erfüllen die Voraussetzung des Art. 53 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004, weil sie eine Anrechnung von im Ausland gewährten Leistungen oder dort erzielten Einkünften vorzusehen, indem sie gebietsneutral gefasst sind oder diesen externen Tatbestand ausdrücklich erfassen:

  • § 90 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI (Anrechnung neuer Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenansprüche auf die Rente nach dem vorletzten Ehegatten oder Lebenspartner)
    Die genannten anzurechnenden Ansprüche sind gebietsneutral, sie sind nicht auf einen nationalen Sachverhalt beschränkt.
  • § 93 SGB VI (Rente und Leistung aus der Unfallversicherung)
    Nach § 93 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB VI werden ausländische Unfallrenten ausdrücklich erfasst, und nach § 93 Abs. 4 S. 3 und S. 4 SGB VI wird ein fiktiver Jahresarbeitsverdienst für ausländische Unfallrenten festgelegt.
  • § 96a Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 SGB VI (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst)
    Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbare Einkommen sind nicht auf einen nationalen Sachverhalt beschränkt und gebietsneutral formuliert. Die vergleichbaren kurzfristigen Lohnersatzleistungen von einer Stelle mit Sitz im Ausland, die Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld, Arbeitslosengeld I oder Insolvenzgeld entsprechen, stehen nach § 96a Abs. 4 SGB VI ausdrücklich gleich.
  • § 97 SGB VI (Einkommen bei Renten wegen Todes)
    Jede Art von ausländischem Erwerbseinkommen und Vermögenseinkommen oder Erwerbsersatzeinkommen wird wegen § 18a Abs. 1 S. 3 SGB IV in eine Anrechnung eingeschlossen.
  • § 31 Abs. 1 FRG (FRG-Zeiten und Rente aus einem Mitgliedstaat)
    Die Vorschrift regelt ausdrücklich die Anrechnung einer ausländischen Rente auf eine deutsche Rente, wenn gleichzeitig Versicherungszeiten sowohl nach innerstaatlichem Recht (FRG) in der deutschen Rente als auch in der fremden Leistung berücksichtigt werden.

Deutsche Vorschriften, die ausländisches Einkommen nicht erfassen

Folgende deutsche Doppelleistungsbestimmungen erfassen nicht das Zusammentreffen mit ausländischen Leistungen oder sonstigen ausländischen Einkünften und sind wegen Art. 53 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 daher nicht auf ausländische Sachverhalte anwendbar:

  • § 89 SGB VI (gleichzeitiger Anspruch auf mehrere Renten)
    Mangels gebietsneutraler Wirkung und wegen fehlender ausdrücklicher Berücksichtigung ausländischer Sachverhalte ist § 89 Abs. 1 SGB VI auf ausländische Renten nicht anwendbar, der Bezug einer ausländischen Rente aus der Rentenversicherung beeinflusst eine deutsche Rente nicht.
  • § 92 SGB VI (Waisenrenten und andere Leistungen an Waisen)
    Mangels gebietsneutraler Wirkung und wegen fehlender ausdrücklicher Berücksichtigung ausländischer Sachverhalte ist § 92 SGB VI auf ausländisches Waisengeld nicht anwendbar, der Bezug eines ausländischen Waisengeldes, das entweder nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen gezahlt wird, beeinflusst den Zuschlag zur Waisenrente nicht.
  • § 96 SGB VI (Zusammentreffen von Rente und Versorgungsbezügen)
    Die Vorschrift bezieht sich auf deutsche Versorgungsbezüge von nachversicherten Personen, so dass Leistungen aus einer öffentlich-rechtlichen Versorgung im Ausland nicht gleichstehen.

Höhe der zu berücksichtigenden Beträge

In einigen Mitgliedstaaten wird die geschuldete Leistung vom Leistungsträger um Steuern, Sozialversicherungsbeiträge oder sonstige individuelle Abgaben und Abzüge gemindert. In anderen Mitgliedstaaten kommen solche Abzüge gar nicht oder erst später nach einer individuellen Steuererklärung gegenüber den Steuerbehörden in Betracht. Im Interesse einer einheitlichen Verfahrensweise und zur Vermeidung einer Abwälzung nationaler Abzüge zu Lasten der Träger anderer Mitgliedstaaten sieht Art. 53 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 vor, dass für die Anwendung von Doppelleistungsbestimmungen grundsätzlich die ungeminderten Bruttobeträge der jeweils anzurechnenden Leistungen anderer Mitgliedstaaten herangezogen werden.

Diese Regelung steht nach Art. 53 Abs. 3 Buchst. b 2. Halbs. VO (EG) Nr. 883/2004 jedoch unter dem Vorbehalt des nationalen Rechts. Sofern die nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass die Anrechnungsvorschriften nach den entsprechenden Abzügen anzuwenden sind, werden dann die geminderten Nettobeträge angerechnet. Solche Regelungen existieren im deutschen Recht mit § 18b Abs. 5 und Abs. 5a SGB IV sowie § 114 Abs. 4 und 5 SGB IV bei Anwendung des § 97 SGB VI beziehungsweise mit § 93 Abs. 2 SGB VI.

Die Leistungen eines anderen Mitgliedstaates sind daher bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Betrages für die Anrechnung auf die deutsche Rente genauso zu behandeln, wie entsprechende deutsche Leistungen nach den jeweiligen deutschen Anrechnungsvorschriften (vergleiche hierzu GRA zu § 90 SGB VI, Abschnitt 2, GRA zu § 93 SGB VI, Abschnitt 4.2 und 6.2.2, GRA zu § 18b SGB IV und GRA zu § 31 FRG Abschnitt 4.1). Sieht die deutsche Rechtsvorschrift keinen Abzug vor (zum Beispiel weil die anzurechnende deutsche Leistung regelmäßig keine Abzüge erfährt), wird auch eine entsprechende Leistung eines anderen Mitgliedstaates mit ihrem Bruttobetrag berücksichtigt, selbst wenn im anderen Mitgliedsstaat Steuern oder andere Beträge abgezogen werden.

Art. 53 Abs. 3 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst ausschließlich Leistungen anderer Mitgliedstaaten, aber nicht Arbeitseinkommen oder sonstige Einkünfte. Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Betrages erfolgt ohne Einschränkungen nach den entsprechenden deutschen Vorschriften (vergleiche hierzu GRA zu § 90 SGB VI, Abschnitt 2, GRA zu § 96a SGB VI, Abschnitt 3.4, GRA zu § 18b SGB IV, Anlagen 1 bis 3). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Abzüge in den Mitgliedstaaten deutlich von den deutschen Abzügen unterscheiden.

Leistungsanteil für freiwillige Beiträge

Der Anteil einer Leistung eines anderen Mitgliedstaates, der auf einer freiwilligen Versicherung oder einer freiwilligen Weiterversicherung beruht, bleibt nach Art. 53 Abs. 3 Buchst. c VO (EG) Nr. 883/2004 bei der Anwendung nationaler Antikumulierungsvorschriften unberücksichtigt. Dabei ist es unbeachtlich, dass die freiwilligen Beiträge gegebenenfalls zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (Wartezeit) erforderlich sind oder den Wert der Gesamtleistungsbewertung positiv beeinflussen.

Leistungen eines anderen Mitgliedstaats, die gänzlich auf Grundlage einer freiwilligen Versicherung oder einer freiwilligen Weiterversicherung gewährt werden, bleiben von einer Anrechnung vollständig ausgenommen.

Art. 53 Abs. 3 Buchst. c VO (EG) Nr. 883/2004 gilt nicht nur für Rentenleistungen, sondern auch für sämtliche vom Europarecht erfassten anderen Leistungen anderer Mitgliedstaaten, die auf freiwilligen Beiträgen beruhen. Dies kann zum Beispiel eine dem deutschen Krankengeld vergleichbare Leistung sein, die auf einer freiwilligen Versicherung basiert (vergleiche auch GRA zu § 18a SGB IV Dänemark, Abschnitt 3, und GRA zu § 18a SGB IV Portugal, Abschnitt 3).

Unberührt von der Vorschrift bleibt die Anrechnung einer deutschen Leistung oder einer Leistung aus einem Drittstaat, die einschließlich der Leistungsanteile aus der freiwilligen Versicherung berücksichtigt werden.

Die Berechnung des Anteils aus den freiwilligen Beiträgen richtet sich nach Art. 43 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009 nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaates, der die Leistung aus diesen Zeiten schuldet (vergleiche GRA zu Art. 43 VO (EG) Nr. 987/2009, Abschnitt 4).

Art. 53 Abs. 3 Buchst. c VO (EG) Nr. 883/2004 nimmt Einfluss auf die deutschen Anrechnungsvorschriften des § 90 SGB VI (Anrechnung von Ansprüchen aus der letzten Ehe beziehungsweise eingetragenen Lebenspartnerschaft auf die Überlebensrente nach dem vorletzten Ehegatten oder Lebenspartner) und § 97 SGB VI (Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes). Leistungen anderer Mitgliedstaaten werden bei diesen Anrechnungen ohne den Anteil aus freiwilligen Beiträgen berücksichtigt.

Begrenzung der Minderung

Wendet nur ein einziger Mitgliedstaat Doppelleistungsbestimmungen an, darf nach Art. 53 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004 als Obergrenze die Minderung nicht höher sein, als die anzurechnende Leistung des anderen Mitgliedstaates beziehungsweise das Einkommen, das in dem Mitgliedstaat erzielt wurde. Diese Vorschrift beschränkt also die nationalen Anrechnungsvorschriften, wodurch Fälle vermieden werden sollen, in denen der Bezug von Bagatelleinkünften in einem Mitgliedstaat zum gänzlichen Fortfall der (hohen) Rentenleistung im anderen Mitgliedstaat führen könnte.

Die Regelung des Art. 53 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004 ist für den Bereich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nahezu bedeutungslos. Ihre Anwendung könnte allenfalls noch in (Alt)Fällen eine Rolle spielen, in denen auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein Hinzuverdienst nach § 313 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 oder § 313 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 angerechnet wird. Im Hinblick auf die Gestaltung der abgestuften Hinzuverdienstgrenzen sind entsprechende Begrenzungsfälle jedoch eher sehr selten.

Bei Anwendung des Art. 53 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004 wird die aus § 313 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 96a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 oder § 313 SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 resultierende Minderung der Rente (weiterhin) auf die Höhe des anzurechnenden Einkommens aus dem anderen Mitgliedstaat oder der anzurechnenden Leistung aus dem anderen Mitgliedstaat begrenzt. Die Minderung erfolgt gleichermaßen bei der Berechnung einer autonomen wie auch bei der Berechnung einer anteiligen Leistung und nur unter der Voraussetzung, dass kein weiterer Mitgliedstaat eine Anrechnung vornimmt (in einem solchen Fall gilt Art. 55 Abs. 1 Buchst. a und b VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 53 Abs. 3 Buchst. d VO (EG) Nr. 883/2004 findet nur Anwendung auf Leistungen und Einkommen, die in einem anderen Mitgliedstaat erzielt werden, nicht auf deutsche oder sonstige ausländische Einkünfte aus Drittstaaten.

Zu meldende Beträge

Für die Anwendung von Doppelleistungsbestimmungen in einem anderen Mitgliedstaat werden den Versicherungsträgern der anderen Mitgliedstaaten die deutschen Rentenbeträge in der Höhe des Bruttobetrages und des Nettobetrages mitgeteilt (vergleiche auch Art. 47 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009). Der Bruttobetrag ist die Rente vor Abzug des Beitrages zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung und ohne den Zuschuss des Rentenversicherungsträgers zum Krankenversicherungsbeitrag, der Nettobetrag die ausgezahlte Rente.

Für die gegenseitige Mitteilung der mitgliedstaatlichen Versicherungsträger über die Höhe der bewilligten Renten in Höhe des Bruttobetrages und des Nettobetrages steht das SED P 6000 zur Verfügung. In der Übergangszeit kann noch mit dem Formblatt E 210, Ziffern 6.8 und 6.9, die Bruttorente und die Nettorente mitgeteilt werden.

Alle mitgliedstaatlichen Träger informieren nur auf Anforderung des Trägers, der eine Anrechnung vornehmen möchte, über den Anteil am Rentenbetrag, der aus einer freiwilligen Versicherung resultiert. Mit dem SED P 6000 wird auf einen Anteil aus freiwilligen Beiträgen hingewiesen (nachzuvollziehen auch aus dem SED P 5000). Seine Höhe kann mit dem SED P 8000 erfragt und mit dem SED P 9000 beziffert werden. Solange übergangsweise das Formblatt E 210 verwendet wird, kann der Leistungsanteil aus einer freiwilligen Versicherung auf Anforderung unter der Ziffer 6.7 mitgeteilt werden.

Der Träger des anderen Mitgliedstaates wird darauf hingewiesen, dass freiwillige Beiträge die Höhe der Rente beeinflusst haben. Der genaue Anteil freiwilliger Beiträge in einer deutschen Rente wird gleichsam nur auf ausdrückliche Anfrage mitgeteilt. Die Auskunftspflicht ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 und Art. 47 Abs. 6 VO (EG) Nr. 987/2009.

Beachte:

Die schwedischen Rentenversicherungsträger haben erklärt, dass sie den auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Leistungsanteil der deutschen Rente immer benötigen. Daher wird der Leistungsanteil aus einer freiwilligen Versicherung den schwedischen Versicherungsträgern immer mitgeteilt.

VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004

Inkrafttreten: 20.05.2004

Quelle: Amtsblatt (EU) Nr. L 200/1 vom 07.06.2004

Anzuwenden ab: 01.05.2010

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 ist mit der VO (EG) Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 am 20.05.2004 in Kraft getreten und ab 01.05.2010 anwendbar (Art. 91 S. 2 VO (EG) Nr. 883/2004).

Art. 53 VO (EG) Nr. 883/2004 entspricht inhaltlich Art. 46a VO (EWG) Nr. 1408/71 mit folgenden Abweichungen:

Anstelle von nationalen „Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsvorschriften“ (vergleiche Art. 46a VO (EG) Nr. 1408/71 bis Art. 46c VO (EWG) Nr. 1408/71) oder den inzwischen auch gebräuchlichen „Antikumulierungsvorschriften“ heißt es nunmehr nationale „Doppelleistungsbestimmungen“.

Der Absatz 3 Buchstabe b wurde um einen Vorbehalt auf das nationale Recht ergänzt: Wenn die nationalen Rechtsvorschriften dies vorsehen, sind die Doppelleistungsbestimmungen, abweichend von der Grundregel, nach dem Abzug von Steuern, Beiträgen oder individuellen Abgaben und Abzügen anzuwenden. Bisher wurden bereits günstigere nationale Regelungen berücksichtigt, sodass die Ergänzung der bisherigen Rechtsauslegung entspricht.

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