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§ 115 SGB VI: Beginn

Änderungsdienst
veröffentlicht am

12.09.2022

Änderung

Der Abschnitt 7.5. wurde ergänzt. Die Anlage 1 wurde aktualisiert.

Dokumentdaten
Stand06.09.2022
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben vom 08.12.2016 in Kraft getreten am 14.12.2016
Rechtsgrundlage

§ 115 SGB VI

Version005.00
Schlüsselwörter
  • 0270

  • 1939

Inhalt der Regelung

Die Vorschrift enthält Regelungen zum Verfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung.

  • Absatz 1 regelt, dass das Verfahren mit der Antragstellung beginnt, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Ist eine Rente wegen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten, bedarf es keines Antrages.
  • Absatz 2 bestimmt, dass Anträge von Witwen und Witwern auf Zahlung eines Vorschusses für das sogenannte ‘Sterbevierteljahr’ zugleich als Anträge auf Leistung einer Witwen- beziehungsweise Witwerrente gelten.
  • Absatz 3 legt fest, dass
    • für Versicherte, die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Erziehungsrente bezogen haben, eine Regelaltersrente zu leisten ist, sofern der Versicherte nichts anderes bestimmt,
    • bei Erreichen der Altersgrenze für eine große Witwen- oder große Witwerrente an Stelle einer kleinen Witwen- beziehungsweise Witwerrente eine große Witwen- beziehungsweise Witwerrente zu zahlen ist.
  • Absatz 4 bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe - vorbehaltlich der Zustimmung der Versicherten - von Amts wegen erbracht werden können. Als Antrag auf diese Leistungen gilt die Zustimmung.
  • Durch Absatz 5 wird der Rentenversicherungsträger ermächtigt, von Amts wegen Rentenauskünfte zu erteilen.
  • Absatz 6 regelt, dass die Rentenversicherungsträger
    • die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen,
    • in gemeinsamen Richtlinien bestimmen können, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.

Ergänzende Regelungen

§ 14 SGB I betrifft die Beratungspflicht auf Antrag und von Amts wegen bei naheliegender Gestaltungsmöglichkeit.

§ 16 SGB I regelt insbesondere die antragsaufnehmenden Stellen.

§ 19 SGB IV regelt als Grundnorm die Leistungen auf Antrag und von Amts wegen.

§ 109 SGB VI bestimmt das Nähere zur Renteninformation und Rentenauskunft.

§ 18 SGB X beschreibt den Verfahrensbeginn von Amts wegen oder auf Antrag.

§ 44 Abs. 4 SGB X begrenzt die rückwirkende Zahlungserbringung beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Antragsprinzip (Absatz 1)

Ein Verfahren beginnt nach Absatz 1 grundsätzlich mit einem Antrag (vergleiche hierzu auch § 19 SGB IV). Ausnahmen von diesem Antragsprinzip sind gesondert geregelt (zum Beispiel in den Absätzen 3 und 4). Die vorgeschriebene Eröffnung des Verfahrens von Amts wegen in Fällen, in denen nur noch eine niedrigere Rente als die bisher gezahlte Rente zusteht, ist zum Beispiel bei Altersrenten bedeutsam, wenn aufgrund eines schädlichen Hinzuverdienstes nur noch eine geringere Teilrente (vergleiche § 42 SGB VI) zu leisten ist.

Antrag auf Vorschuss für das Sterbevierteljahr (Absatz 2)

Absatz 2 schützt die Witwe beziehungsweise den Witwer vor eventuellen Nachteilen durch eine verspätete Antragstellung. Es ist sichergestellt, dass bereits der beim Renten Service der Deutschen Post AG gestellte Vorschussantrag als wirksamer Rentenantrag anzusehen ist. Der Vorschuss ist von der Witwe beziehungsweise dem Witwer des verstorbenen Rentenbeziehers innerhalb von 30 Tagen - gerechnet ab Todestag - beim Renten Service der Deutschen Post AG zu beantragen.

Mit dem Antrag auf Zahlung eines Vorschusses beim Renten Service der Deutschen Post AG liegt (unabhängig davon, ob dieser rechtzeitig innerhalb der 30 Tage gestellt wurde) ein rechtswirksamer Antrag auf eine Witwen- beziehungsweise Witwerrente vor, sofern die beziehungsweise der Verstorbene im Todesmonat Rente bezogen hat (RBRTN 1/2006, TOP 15).

Sendet die Witwe beziehungsweise der Witwer trotz Aufforderung die Rentenantragsvordrucke nicht ein, ist die Rente für die Zeit des Sterbevierteljahres festzustellen.

Beachte:

Der Renten Service der Deutschen Post AG ist kein Leistungsträger im Sinne des § 16 SGB I. Eine wirksame Antragstellung über § 115 Abs. 2 SGB VI hinaus ist damit beim Renten Service der Deutschen Post AG nicht möglich.

Von Amts wegen eingeleitete Rentenverfahren (Absatz 3)

Abweichend vom generellen Antragsprinzip bestimmt Absatz 3 für die dort genannten Fälle die Einleitung eines Rentenverfahrens von Amts wegen.

  • Renten wegen Erwerbsminderung und Erziehungsrenten
    Der Anspruch auf die Rente wegen Erwerbsminderung oder Erziehungsrente endet mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Rentenbezieher die Regelaltersgrenze (bis 31.12.2007: 65. Lebensjahr) erreichen (§§ 43, 47, 240 SGB VI). Die Regelaltersgrenze ist in §§ 35, 235 SGB VI definiert. Die bisherige Rente ist jedoch bis zur Feststellung der Regelaltersrente als Vorschuss gemäß § 42 SGB I weiterzuzahlen.
    Die Rentenversicherungsträger versenden in diesen Fällen etwa drei Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Antragsvordrucke, mit der Bitte, diese ausgefüllt zurückzusenden.
    Widerspricht der Versicherte der Leistung einer Regelaltersrente oder bestimmt er einen späteren Rentenbeginn, ist ihm ausführlich zu erläutern, dass der bisherige Rentenanspruch mit Erreichen der Regelaltersgrenze (bis 31.12.2007: 65. Lebensjahr) entfällt und dass für die Folgezeit nur ein Anspruch auf die Regelaltersrente besteht. Verbleibt der Versicherte bei seinem Widerspruch gegen die Leistung der Regelaltersrente, ist mit Bescheid die bisherige Rentenzahlung einzustellen; zugleich sind die gegebenenfalls überzahlten Rentenbeträge zurückzufordern.
    Beachte:
    In den Fällen, in denen der Versicherte den ihm übersandten Rentenantragsvordruck nicht zurücksendet oder keine Angaben zum Rentenbeginn macht, ist nicht von einem Widerspruch gegen die Zahlung der Regelaltersrente auszugehen. Bei dieser Sachlage ist die Regelaltersrente - gegebenenfalls nach Aktenlage - festzustellen.
  • Witwen- und Witwerrenten
    Der Anspruch auf die kleine Witwen- oder Witwerrente endet spätestens mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Hinterbliebenen die Altersgrenze für die große Witwen- oder Witwerrente erreichen. Die Altersgrenze für die große Witwen- oder Witwerrente ist in § 242a Abs. 4 und 5 SGB VI definiert. Die kleine Witwen- oder Witwerrente ist jedoch bis zur Feststellung der großen Witwen- oder Witwerrente als Vorschuss gemäß § 42 SGB I weiterzuzahlen.
    Befinden sich die Hinterbliebenen bei Erreichen der Altersgrenze für die große Witwen- oder Witwerrente in einem laufenden Anspruch auf kleine Witwen- oder Witwerrente, werden diese Fälle der Sachbearbeitung maschinell angezeigt. Die Sachbearbeitung leitet das Verfahren dann von Amts wegen ein. Zu den laufenden Ansprüchen in diesem Sinne gehören auch die Ansprüche, die zum Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze aufgrund der Anrechnung von Einkommen in voller Höhe ruhen.
    Sollte im Einzelfall eine Anzeige und damit eine Einleitung des Verfahrens von Amts wegen unterblieben sein und führt dies zu einer verspäteten Antragstellung durch die Berechtigten, ist zu beachten, dass weder für die Anwendung der Verjährung nach § 45 SGB I noch für die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X Raum ist.
    Beachte:
    Die Regelung findet keine Anwendung für die auf 24 Kalendermonate begrenzte kleine Witwen- und Witwerrente, wenn der Anspruch auf die kleine Witwen- und Witwerrente vor dem Erreichen der Altersgrenze für die große Witwen- und Witwerrente entfallen ist. In diesen Fällen ist auch kein ‚geeigneter Fall’ im Sinne des Absatzes 6 (vergleiche Abschnitt 7.1) gegeben. Der Beginn der großen Witwen- und Witwerrente ergibt sich bei einem derartigen Sachverhalt ausschließlich über die Antragstellung (§ 99 Abs. 2 S. 3 SGB VI).

Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsplatz (Absatz 4)

Vor Entscheidung über einen Rentenantrag wegen Erwerbsminderung hat der Rentenversicherungsträger nach § 8 Abs. 1 und 2 SGB IX zu prüfen, ob Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich erfolgreich sind. Nach § 9 Abs. 4 SGB IX ist die Zustimmung des Versicherten Voraussetzung für die Leistungen zur Teilhabe.

Eine Leistung zur Teilhabe kann sowohl vom Versicherten beantragt als auch beispielsweise vom behandelnden Arzt oder im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt vom Arzt im Krankenhaus beim Rentenversicherungsträger angeregt werden.

Der Rentenversicherungsträger kann das Verfahren aber auch von Amts wegen einleiten. Sind Leistungen zur Teilhabe nach entsprechender Prüfung durch den Rentenversicherungsträger voraussichtlich erfolgreich, ist der Versicherte zu befragen, ob er mit der Durchführung der vorgesehenen Leistung zur Teilhabe einverstanden ist.

Wird die Zustimmung gegeben, gilt der Tag, an dem der Versicherte zugestimmt hat, als Tag der Antragstellung. Dieser Zeitpunkt kann für die Frage der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von Bedeutung sein.

Rentenauskunft auch von Amts wegen (Absatz 5)

Nach Absatz 5 der Vorschrift werden Rentenauskünfte nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen erteilt. Die Mindestanforderungen an den Inhalt der Rentenauskünfte sind in § 109 Abs. 4 SGB VI geregelt (vergleiche auch GRA zu § 109 SGB VI, Abschnitt 3.4).

Versandanlass und Versandrhythmus der von Amts wegen zu erteilenden Rentenauskünfte ergeben sich aus § 109 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Danach erhalten Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres alle drei Jahre eine Rentenauskunft, die in den betreffenden Jahren die ab Vollendung des 27. Lebensjahres jährlich zu erteilenden Renteninformationen ersetzt.

Rentenauskünfte können auf Antrag auch jüngeren Versicherten oder in kürzeren Abständen erteilt werden, sofern die Versicherten ein berechtigtes Interesse geltend machen (§ 109 Abs. 1 Satz 3 SGB VI).

Anregung zur Rentenantragstellung (Absatz 6)

Gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI sollen die Rentenversicherungsträger die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Rentenversicherungsträger können in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen.

In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt weiterhin das Antragsprinzip. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 115 Abs. 6 SGB VI sollen die Rentenversicherungsträger die Leistungsberechtigten in solchen Fällen auf ihren Anspruch hinweisen, in denen es naheliegt, dass diese die Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Der Gesetzgeber sah insbesondere in dem Anspruch auf Regelaltersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres und auf Hinterbliebenenrente bei Tod des Versicherten einen geeigneten Fall, in dem die allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht zu einer konkreten Hinweispflicht ausgebaut werden kann.

Wegen der (zum Beispiel wegen unzureichender Unterlagen) nicht generell erfüllbaren Informationspflicht sind die Rentenversicherungsträger aufgerufen, selbst die betroffenen Personengruppen näher zu bestimmen. Die Einzelheiten sind inzwischen in den Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund zu § 115 Abs. 6 S. 2 SGB VI festgelegt worden (vergleiche Abschnitt 7.2 und AGFAVR 1/2012, TOP 4).

Darüber hinaus haben sich auch unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung weitere Fallgruppen herausgebildet, die für einen Hinweis ‘geeignete’ Fälle im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI darstellen (vergleiche Abschnitte 7.3 bis 7.5).

Hinweispflichten des Rentenversicherungsträgers

Die Hinweispflicht nach Absatz 6 tritt neben die Beratungspflicht aus § 14 SGB I und bezieht sich auf den speziellen Teilbereich der möglichen Leistungsbeantragung. Dem Berechtigten ist von Amts wegen (gegebenenfalls aus dem ‘Archiv’ heraus) in ‘geeigneten’ Fällen aufzuzeigen, dass

  • er auf Antrag eine bestimmte Leistung (Rente) erhalten kann, für die erkennbar die Leistungsvoraussetzungen vorliegen,
  • er nur bei rechtzeitiger Antragstellung ‘Verspätungsfolgen’ vermeiden kann.

Dem Berechtigten ist dies im konkreten Einzelfall - gegebenenfalls unter Hinweis auf einschlägiges Informationsmaterial des Rentenversicherungsträgers - zu erläutern.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 22.10.1996, AZ: 13 RJ 23/95) lassen sich aus den vom Gesetzgeber genannten Beispielen Kriterien für die Annahme der Geeignetheit einer Hinweispflicht entnehmen. Nach dieser Rechtsprechung sind dies Fälle, in denen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer Leistung vom Versicherungsträger generell aufgrund des maschinell geführten Versicherungskontos ohne Befragen des Versicherten und ohne weitere Ermittlungen festgestellt werden kann. Es muss sich um Leistungen handeln, die von Versicherten nicht nur in bestimmten Situationen, sondern im Regelfall von allen Versicherten in Anspruch genommen werden. Außerdem muss sich die anzuregende Antragstellung in der überwiegenden Zahl der Fälle (typischerweise) günstig auswirken, ohne dass im Einzelfall eine Probeberechnung erforderlich wäre (Urteile des BSG vom 22.10.1998, AZ: B 5 RJ 62/97 R, und BSG vom 09.12.1997, AZ: 8 RKn 1/97).

In allen anderen Fällen kann nur aus konkretem Anlass, wie zum Beispiel einem Beratungswunsch des Versicherten, eine Beratung im Einzelfall gemäß § 14 SGB I erfolgen. Damit geht die Regelung des Absatz 6 weiter als die Beratungspflichten aus § 14 SGB I, weil es nicht erforderlich ist, dass der Versicherte beziehungsweise Hinterbliebene konkret um Beratung wegen eines bestimmten Rentenanspruchs ersucht hat oder sich ein solcher etwa bei der Bearbeitung eines Geschäftsvorfalls als nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit aufdrängt.

Teilweise hat das BSG konkret das Vorliegen eines geeigneten Falles im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI bejaht, so bei der Regelaltersrente (als Erstrente) mit Urteil des BSG vom 22.10.1996, AZ: 13 RJ 23/95, SozR 3-2600 § 115 Nr. 1. Hierzu gilt Abschnitt 7.3.

Das BSG (5. und 13. Senat) sieht auch die vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte (als Erstrente) grundsätzlich als ‘geeigneten’ Fall an (Urteil des BSG vom 01.09.1999, AZ: B 13 RJ 73/98 R, SozR 3-2600 § 115 Nr. 5, und BSG vom 22.10.1998, AZ: B 5 RJ 56/97 R). Demgegenüber verpflichtet nach Meinung des 4. Senats bereits Art. 14 GG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 SGB I zur Erteilung eines Hinweises auf die Möglichkeit des Bezugs von vorzeitiger Altersrente (Urteil des BSG vom 06.03.2003, AZ: B 4 RA 38/02 R). Hierzu gilt Abschnitt 7.4.

Eine Verpflichtung zum Hinweis auf eine mögliche Leistung (einschließlich der Anregung zur rechtzeitigen Antragstellung) besteht jedoch nur, wenn im Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Leistungsantrag in Kenntnis der Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen vom Berechtigten auch tatsächlich gestellt wird; das kann regelmäßig unterstellt werden.

Die Verletzung der in § 115 Abs. 6 SGB VI beschriebenen Hinweispflicht kann im Einzelfall zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen. Voraussetzung hierfür ist, dass insbesondere die Pflichtverletzung in Form des unterbliebenen Hinweises ursächlich für den verspäteten Rentenantrag war (vergleiche GRA zu § 14 SGB I, Abschnitt 4.1.2). Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Herstellung des Zustands, wie er bei rechtzeitiger Stellung des Antrags bestanden hätte. Das bedeutet, der verspätet gestellte Rentenantrag ist im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprechend vorzuverlegen.

Wurde gegenüber einem Berechtigten eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt, steht damit jedoch nicht zwangsläufig fest, dass dieser im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen wäre, als habe er die Leistung rechtzeitig beantragt. Denn dieser setzt die Kausalität der Pflichtverletzung zum eingetretenen Schaden voraus, konkret also, dass der Berechtigte dann, wenn er den Hinweis erhalten hätte, rechtzeitig den Leistungsantrag gestellt hätte. War der Berechtigte jedoch zum Beispiel auch ohne Hinweisschreiben über die Möglichkeit einer entsprechenden Rentenantragstellung informiert, könnte dies dagegen sprechen, dass er auf ein Hinweisschreiben hin den Antrag tatsächlich gestellt hätte. Selbst wenn unmittelbar kein Grund dafür ersichtlich ist, warum dieser auf die Leistung zunächst bewusst hätte verzichten wollen, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass er hierzu Anlass hatte, zum Beispiel um den entsprechenden Vermögenswert, aus welchen Gründen auch immer, erst später erkennbar zu machen (Urteil des BSG vom 26.07.2007, AZ: B 13 R 4/06 R).

Über die Rentenantragstellung ist der Versicherte regelmäßig ausreichend informiert, wenn Rentenauskünfte im Sinne des § 109 SGB VI übersandt worden sind. Mit der Rentenauskunft erhalten die Versicherten einen Versicherungsverlauf, ein Anschreiben zu den einzelnen Rentenansprüchen und ihren Voraussetzungen und zusätzlich die Mitteilung über die Höhe der Regelaltersrente. Anhand der Rentenauskünfte sind die Versicherten über mögliche Rentenansprüche einer Altersrente hinreichend informiert. Auf das Erfordernis eines Rentenantrages wird in den Rentenauskünften ausdrücklich hingewiesen.

§ 44 Abs. 4 SGB X bewirkt einen Zahlungsausschluss, der entsprechend für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gilt (die Rente beginnt aber schon im Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahres beziehungsweise nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter Anwendung des Rechts, das zu diesem Zeitpunkt gilt). Der 13. Senat des BSG hat diese Auffassung der Rentenversicherungsträger wiederholt bestätigt (Urteil des BSG vom 24.04.2014, AZ: B 13 R 23/13 R; Urteil des BSG vom 27.03.2007, AZ: B 13 R 58/06 R); der bisherigen - gegenteiligen - Rechtsprechung des 4. Senats wird nicht mehr gefolgt.

Bei Regelaltersrenten, die bei Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit aufgrund einer Verletzung der Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI nicht in Anspruch genommen werden, besteht ein Wahlrecht zwischen einem bis zu vier Kalenderjahre rückwirkenden Rentenbeginn/Zahlungsbeginn der Regelaltersrente und einem Rentenbeginn im tatsächlichen Antragsmonat (vergleiche Abschnitt 7.3.1). Der Berechtigte kann auch einen zwischen diesen Zeitpunkten liegenden Zahlungsbeginn in entsprechender Anwendung der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X wählen. Der Zugangsfaktor für die Entgeltpunkte dieser Rente ist für die Zeit vom Folgemonat nach Erreichen der Regelaltersgrenze (Rentenbeginn nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI) bis zum Rentenbeginn im Antragsmonat (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) um 0,005 je Kalendermonat zu erhöhen. Dies folgt aus § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, der auch für die Zeiträume gilt, für die aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X keine Rentenzahlung erfolgt ist (Urteile des BSG vom 27.03.2007, AZ: B 13 R 58/06 R und AZ: B 13 R 34/06 R, FAVR 1/2008, TOP 4)

Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund zu § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI

Die Rentenversicherungsträger haben gemeinsamen Richtlinien erarbeitet, die im Wesentlichen am 01.07.1998 und neu gefasst am 01.09.2008 in Kraft getreten sind.

Im Rahmen der Änderung durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 wurden die Richtlinien erneut ergänzt. Der Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund hat im Rahmen einer verbindlichen Entscheidung nach § 138 SGB VI die Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund neu gefasst. Sie traten am 01.11.2012 in Kraft.

In den §§ 1 bis 4 der Richtlinien zu § 115 Abs. 6 S. 2 SGB VI ist geregelt, in welchen ‘geeigneten’ Fällen von Amts wegen der Hinweis zur Beantragung von Rente zu geben ist. Die Umsetzung der Richtlinien erfolgt grundsätzlich ohne Einschaltung der Sachbearbeitung, das heißt die Hinweise werden im Wesentlichen vollmaschinell erteilt.

Darüber hinaus sind unter Berücksichtigung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch weitere Fallgruppen als ‘geeignet’ im Sinne des Absatzes 6 anzusehen.

Regelaltersrente als Erstrente (ohne vorangegangene Rente)

Bei dieser Fallgruppe nach § 1 der Richtlinien handelt es sich um einen ‘geeigneten’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI, soweit es um den Erstanspruch auf Regelaltersrente ohne vorherigen Rentenbezug einer anderen Rentenart geht (Urteil des BSG vom 22.10.1996, AZ: 13 RJ 23/95, SozR 3-2600 § 115 Nr. 1) und die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren direkt aus dem Versicherungskonto - ohne vorherige Kontenklärung - ersichtlich ist. Ist die Wartezeit von 60 Monaten im Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze nicht erfüllt, liegt kein Fall des § 115 Abs. 6 SGB VI vor. Zu den Einzelheiten vergleiche Abschnitt 7.3.1.

Zusätzlich gilt:

In Einzelfällen wird die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten für die Regelaltersrente nur anhand der (noch) im Archiv liegenden (grünen) Versicherungskarten erfüllt, obwohl eine Versicherungsnummer bereits vergeben war oder hätte vergeben werden müssen. Die Tatsache, dass das Versicherungskonto des Versicherten noch nicht (vollständig) maschinell aufbereitet ist, darf nicht zu Lasten des Versicherten gehen. Denn der Rentenversicherungsträger ist verpflichtet, den Inhalt der ihr vorliegenden Versicherungsunterlagen maschinell zu speichern und dem Versicherten eine Aufstellung (Versicherungsverlauf) über den Inhalt der maschinell gespeicherten Versicherungsunterlagen zu übersenden sowie auf eine vollständige Kontenklärung hinzuwirken (§ 109 Abs. 1 SGB VI). Sofern dies im Einzelfall nicht geschehen ist, wird der Berechtigte im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt, als sei ihm vom Rentenversicherungsträger rechtzeitig zum 65. Lebensjahr (bis 31.12.2007) pflichtwidrig ein Hinweis zum Erstanspruch auf die Regelaltersrente nicht gegeben worden. Gleiches gilt für die Zeit ab 01.01.2008 zum Erreichen der Regelaltersgrenzen. Bei der rückwirkenden Zahlungserbringung gilt - sofern es um Rentenzahlungen für mehr als vier Kalenderjahre zurück geht - in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Ausschlussfrist von vier Jahren. Dabei ist der Rentenbeginn auf den Beginn des Vierjahreszeitraumes zu verlegen. Der Zugangsfaktor erhöht sich entsprechend (vergleiche Abschnitt 7.1, letzter Absatz).

Von einem geeigneten Fall für eine Hinweispflicht ist jedoch nicht auszugehen,

  • wenn die Versicherungsnummer erst nach Vollendung des 65. Lebensjahr beziehungsweise der Regelaltersgrenze zum Beispiel im Rahmen der verspäteten Antragstellung vergeben wurde. In diesen Fällen liegt kein ‘geeigneter’ Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI vor, weil die maßgeblichen Daten des Berechtigten beim Rentenversicherungsträger noch nicht gespeichert und aufgrund allgemeiner Kriterien abrufbar waren (vergleiche auch Urteil des BSG vom 14.11.2002, AZ: B 13 RJ 39/01 R, SozR 3-2600 § 115 Nr. 9); die Regelaltersrente beginnt mit dem Antragsmonat (§ 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI).
  • wenn das Anschreiben nach § 115 Abs. 6 SGB VI deshalb nicht versandt wurde, weil die aktuelle Anschrift des Versicherten bei Vollendung des 65. Lebensjahres nicht bekannt war und auch nicht ermittelt werden konnte. Es liegt kein sogenannter „geeigneter“ Fall vor, der einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch rechtfertigen würde.
  • für Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1947, die nach dem 31.12.1972 keine (weitere) rentenversicherungspflichtige Beschäftigung/Tätigkeit mehr ausübten und nach dem Ausscheiden aus dieser Beschäftigung/Tätigkeit keinen Kontakt mehr zum Rentenversicherungsträger aufgenommen haben. In diesen Fällen bestand keine gesetzliche Verpflichtung zur Vergabe einer Versicherungsnummer (Urteil des LSG Bayern vom 09.07.2008, AZ: L 16 R 694/07).

Beachte:

Selbst wenn gegenüber einem Berechtigten die Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt wurde, ist nicht zwangsläufig im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs von einem rechtzeitigen Regelaltersrentenantrag auszugehen. War der Berechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze bereits anderweitig über den Anspruch und die rechtzeitige Antragstellung informiert - zum Beispiel aufgrund einer zeitnahen Rentenauskunft -, dürfte es an der für die Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erforderlichen Kausalität fehlen, vergleiche Abschnitt 7.1.

Erreichen der Regelaltersgrenze

Ein entsprechender Hinweis zur Antragstellung wird bei Erfüllung der Wartezeit spätestens in dem Monat erteilt, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird (vergleiche Anlage 1). Die Absendung des Hinweises wird dokumentiert. Wird der Rentenantrag trotz des Hinweises nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht rechtzeitig (also verspätet) gestellt, treten grundsätzlich die Verspätungsfolgen des § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI ein.

Bestreitet der Versicherte den Zugang des Hinweisschreibens nach § 115 Abs. 6 SGB VI, obwohl laut Versicherungskonto eine Absendung dokumentiert wurde, hat im Zweifel der Rentenversicherungsträger den Zugang nachzuweisen. Eine Nichtaufklärbarkeit geht insoweit zu seinen Lasten. Es besteht weder eine Zugangsvermutung noch gelten die Grundsätze des Anscheinsbeweises. Ob aus der Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI bei Nichtnachweisbarkeit des (bestrittenen) Zugangs eines Hinweisschreibens auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch resultiert, ist abhängig von der Frage, ob diese Pflichtverletzung ursächlich für das Versäumnis der rechtzeitigen Antragstellung war. War der Berechtigte zum Beispiel vor Erreichen der Regelaltersgrenze bereits anderweitig über den Anspruch und die rechtzeitige Antragstellung informiert - zum Beispiel aufgrund einer zeitnahen Rentenauskunft -, dürfte es an der für die Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erforderlichen Kausalität fehlen (Urteil des BSG vom 26.07.2007, AZ: B 13 R 4/06 R), vergleiche Abschnitt 7.1.

Ist ein Hinweisschreiben an den Berechtigten (ausnahmsweise) maschinell nicht versandt worden (fehlende Dokumentation im Versicherungskonto), obwohl die Wartezeit erfüllt war und wurde der Rentenantrag verspätet gestellt, ist zu prüfen, ob im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der verspätet gestellte Rentenantrag so vorzuverlegen ist, dass die Antragstellung ‘rechtzeitig’ ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Versicherte vor Vollendung des 65. Lebensjahres beziehungsweise vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht bereits anderweitig über seinen Rentenanspruch und die rechtzeitige Antragstellung - zum Beispiel durch eine zeitnahe Rentenauskunft - informiert war (vergleiche Abschnitt 7.1). Bei einer rückwirkenden Zahlungserbringung im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gilt in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Ausschlussfrist von vier Jahren. Dabei wird dem Berechtigten ein Wahlrecht in Bezug auf den Rentenbeginn/Zahlungsbeginn eingeräumt. Der Zugangsfaktor ist entsprechend zu erhöhen (vergleiche Abschnitt 7.1, letzter Absatz).

Wurde die Hinweispflicht verletzt und dadurch (Kausalität! - vergleiche Abschnitt 7.1) ein Antrag auf Regelaltersrente verspätet gestellt, kann der Betroffene vor der Bescheiderteilung bestimmen (Wahlrecht!), ob er von dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Gebrauch macht oder ob er die Rente wählt, deren Beginn sich aus der tatsächlichen Antragstellung ergibt. Ein Versicherter, der aufgrund einer Verletzung der Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI durch einen Rentenversicherungsträger die Rente erst so spät beantragt, dass es zur entsprechenden Anwendung der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X kommt, hat die Wahl zwischen einem Rentenbeginn im tatsächlichen Antragsmonat und einem 4 Kalenderjahre rückwirkenden Rentenbeginn/Zahlungsbeginn bei entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X. In beiden Fällen wird der Zugangsfaktor für die Entgeltpunkte dieser Rente für die Zeit von dem Folgemonat nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum späteren Rentenbeginn um 0,005 je Kalendermonat erhöht (vergleiche Abschnitt 7.1).

Der Rentenbeginn ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung nach § 99 Abs. 1 SGB VI und dem Zeitpunkt der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Ist aufgrund einer Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI die Rente erst später beantragt worden, wird im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Rentenantragstellung für den Monat, in dem der Versicherte die Regelaltersgrenze erreicht hat, unterstellt (frühestmöglicher Rentenbeginn).

Bei entsprechender Anwendung der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X besteht auch ein Wahlrecht hinsichtlich eines frühestmöglichen Rentenbeginns und eines späteren Zahlungsbeginns. Dies ist der Fall, wenn ausgehend vom tatsächlichen Antragsmonat der frühestmögliche Rentenbeginn mehr als vier Kalenderjahre zurückliegt. Die Rechtsanwendung richtet sich nach dem frühestmöglichen Rentenbeginn.

Der Versicherte hat ein Wahlrecht. Dieses beinhaltet konkret folgende Optionen:

a)Bezug der Regelaltersrente ab dem Monat der verspäteten Antragstellung. Der Rentenbeginn ergibt sich aus dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rentenantragstellung. Der Zugangsfaktor erhöht sich vom Folgemonat des Erreichens der Regelaltersgrenze bis zum Vormonat des Rentenbeginns. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergibt sich nicht.
b)Bezug der Regelaltersrente ab dem Folgemonat nach Erreichen der Regelaltersgrenze (frühestmöglicher Rentenbeginn). Die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X kommt nicht zur Anwendung, weil der Antrag zwar verspätet gestellt worden ist, aber immer noch innerhalb des 4-Jahreszeitraums. Der Zugangsfaktor erhöht sich nicht.
c)Bezug der Regelaltersrente ab dem Zeitpunkt, der sich aus der Verschiebung des Rentenbeginns unter entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ergibt. Der Antrag ist so spät gestellt worden, dass die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung kommt. Hierbei bestimmt der Antragsteller als Rentenbeginn einen Zeitpunkt, der zwischen dem Beginn des 4-Jahreszeitraums (§ 44 Abs. 4 SGB X) und dem Rentenbeginn im Antragsmonat liegt. Der Zugangsfaktor erhöht sich vom Folgemonat nach Vollendung des 65. Lebensjahres beziehungsweise nach Erreichens der Regelaltersgrenze bis zum Vormonat des verschobenen Rentenbeginns (vergleiche Abschnitt 7.1, letzter Absatz). Die Rechtsanwendung richtet sich nach dem verschobenen Rentenbeginn.
d)

Zahlungsbeginn der Regelaltersrente ab dem Zeitpunkt, der sich aus der Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ergibt. Der Antrag ist so spät gestellt worden, dass die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X zur Anwendung kommt. Der Antragsteller entscheidet sich für den frühestmöglichen Rentenbeginn ab dem Folgemonat nach Vollendung des 65. Lebensjahres beziehungsweise Erreichen der Regelaltersgrenze. Der Zugangsfaktor ist für die Zeit der Nichtinanspruchnahme der Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum Zahlungsbeginn zu erhöhen. Bei der Zugrundelegung eines späteren Zahlungsbeginns handelt es sich um einen speziellen Sachverhalt der Berücksichtigung eines günstigeren Zugangsfaktors im Zusammenhang mit der Verletzung von Hinweispflichten aus § 115 Abs. 6 SGB VI und einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Ausnahmeregelung). Es ist dabei nicht auf eine unmittelbare Anwendung des § 77 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 SGB VI abzustellen, sondern lediglich von einer gewissen Vergleichbarkeit zu der für bestimmte Konstellationen gesetzlich vorgesehenen Anhebung von Zugangsfaktoren auszugehen. Eine Übertragung auf andere rechtliche Konstellationen ist ausgeschlossen (AGVR 1/2021, TOP 2).

Die Rechtsanwendung richtet sich nach dem frühestmöglichen Rentenbeginn.

Siehe Beispiel 2

Vollendung des 65. Lebensjahres nach dem 31.12.1991 (Anspruch auf Regelaltersrente vom 01.01.1992 bis 30.06.1998)

Versicherte, die im Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens der Richtlinien am 01.07.1998 das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatten und noch keine Rente bezogen, haben keinen Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI erhalten. Gleichwohl lag bei verspäteter Rentenantragstellung ein „geeigneter Fall“ im Gesetzessinne vor. In diesen Fällen ist von einem rechtzeitig gestellten Rentenantrag im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Versicherte nicht bereits über die Voraussetzungen seines Rentenanspruchs mit 65 Jahren durch eine Rentenauskunft informiert war. In diesem Zusammenhang hat die Sachbearbeitung keine Fälle von Amts wegen aus dem Archiv zu erforschen; die Betroffenen müssen von sich aus den Anstoß geben, indem sie die Regelaltersrente (verspätet) beantragen. Bei einer rückwirkenden Zahlungserbringung im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gilt in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Ausschlussfrist von vier Jahren.

Siehe Beispiel 1

Vorzeitige Altersrente als Erstrente (ohne vorangegangene andere Rente)

Wird eine Rentenleistung bisher nicht bezogen, sind nach Auffassung der Rentenversicherungsträger diese Fälle im Hinblick auf den Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente für Hinweise nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht geeignet.

Einige Senate des BSG bejahen hingegen eine Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers auch ohne konkreten Anlass mit der Begründung, dass für diesen Personenkreis anhand der im Versicherungskonto gespeicherten Daten die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sei. In der Regel würde die Leistung auch in Anspruch genommen; die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen müsse vor einem Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht geklärt werden (vergleiche zum Beispiel Urteil des BSG vom 01.09.1999, AZ: B 13 RJ 73/98 R).

Demgegenüber hat der 4. Senat in seinem Urteil BSG vom 06.03.2003, AZ: B 4 RA 38/02 R, nicht auf § 115 Abs. 6 SGB VI abgestellt. Danach müssen die Rentenversicherungsträger (bereits aus Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 SGB I heraus) die Versicherten rechtzeitig vor Vollendung des 60. Lebensjahres in die Lage versetzen, ihre grundrechtliche Freiheit, das Recht auf Altersrente schon vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch zu nehmen oder erst später in Rente zu gehen, verantwortlich wahrnehmen zu können. Gleiches gilt für die Zeit ab 01.01.2008 zum Erreichen der Regelaltersgrenzen.

Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Altersrente ist für den Versicherungsträger jedoch nicht lediglich aufgrund des Versicherungskontos des Versicherten ersichtlich. Zur Prüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente vor Vollendung der Regelaltersgrenze sind vielmehr weitere Ermittlungen durch die Sachbearbeitung, wie zum Beispiel die Nachfrage bestehender Arbeitslosigkeit, ausgeübter Altersteilzeitarbeit oder bestehender Behinderung, notwendig. Darüber hinaus kann bei diesen Rentenleistungen wegen der Heraufsetzung der Altersgrenzen für eine abschlagsfreie Rente künftig auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Regelfall alle Versicherten diesen Anspruch geltend machen wollen. Es ist daher eine Initiative des Versicherten und gegebenenfalls eine Beratung im Einzelfall erforderlich.

Im Übrigen werden Versicherte, die die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, ab dem 55. Lebensjahr alle 3 Jahre in Form einer Rentenauskunft auch über die Anspruchsvoraussetzungen verschiedener vorzeitiger Altersrenten in ausreichendem Maße informiert (einschließlich Prüfung der Wartezeiten).

Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung und Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren dürfte regelmäßig rein maschinell ermittelt werden können. Bei der Voraussetzung der „Anerkennung als schwerbehinderter Mensch“ ist das hingegen nicht der Fall, weil Angaben über eine Schwerbehinderung nicht regelmäßig im Versicherungskonto gespeichert sind. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger ist daher keine der genannten Fallgruppen als „geeigneter Fall“ im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI anzusehen und dementsprechend nicht in die „Gemeinsamen Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund“ aufzunehmen.

Gleichwohl wurden in der Vergangenheit Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen voller Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres beziehungsweise vor Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze im Rahmen einer Serviceleistung darauf hingewiesen, dass ihnen eine möglicherweise höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährt werden könnte.

Angesichts der geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen für den Bezug einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen durch Zeitablauf von Übergangs- beziehungsweise Vertrauensschutzregelungen sowie durch Anhebung von Altersgrenzen werden Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, bei Erreichen der Altersgrenze für den frühestmöglichen Bezug der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht mehr durch ein Hinweisschreiben darauf hingewiesen, dass sie eine solche Altersrente erhalten können.

Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die ausweislich des Versicherungskontos die Wartezeit von 35 Jahren erfüllen und eine Rente wegen Alters der Rentenversicherung noch nicht beantragt haben, werden rechtzeitig vor Erreichen der Altersgrenze für den frühestmöglichen Bezug der Altersrente für schwerbehinderte Menschen darauf hingewiesen, dass sie möglicherweise eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhalten können. Der Sachverhalt ist bei den allgemeinen Prüfungen zu § 115 SGB VI mit aufgenommen worden.

Auswirkungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auf Zuschuss zur Krankenversicherung und Zinsen

Wurde wegen Verletzung der Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der verspätet gestellte Rentenantrag vorverlegt, gilt das entsprechend auch für den Antrag auf Zuschuss zur Krankenversicherung gemäß § 106 SGB VI.

In den Fällen, in denen die Beantragung des Zuschusses zur Krankenversicherung zusammen mit dem Rentenantrag (zum Beispiel durch Ankreuzen im Rentenantragsformular) oder bis zum dritten Kalendermonat nach Ablauf des Kalendermonats der Aushändigung der Antragsvordrucke erfolgt ist, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die maßgebende Antragsfrist gewahrt ist (vergleiche auch GRA zu § 108 SGB VI, Abschnitt 2.1). Für die rückwirkende Leistungserbringung des Zuschusses zur Krankenversicherung im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs finden die Verspätungsfolgen des § 44 Abs. 4 SGB X (Zahlungserbringung mit bindendem Bescheid) beziehungsweise § 45 SGB I (Zahlungserbringung ohne bindenden Bescheid) entsprechend Anwendung.

Der Beginn der Verzinsung richtet sich nach § 44 Abs. 1 und 2 erster Halbs. SGB I. Maßgebend ist der Eingang des vollständigen, tatsächlichen Rentenantrages beziehungsweise des Antrages auf Zuschuss.

Keine Hinweispflicht nach Ablehnung der Kürzung gem. § 4 VAHRG auf den Antrag auf Anpassung wegen Todes nach §§ 37, 38 VersAusglG

Wurde nach dem Tod einer ausgleichsberechtigten Person ein Antrag des Ausgleichspflichtigen auf Aussetzung der Kürzung nach § 4 VAHRG in der Fassung bis 31.08.2009) abgelehnt, besteht keine Verpflichtung, den Ausgleichspflichtigen auf einen möglichen Antrag auf Anpassung nach §§ 37, 38 VersAusglG in der Fassung ab 01.09.2009) hinzuweisen (Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.01.2013, AZ: L 3 R 274/12 und Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.06.2017, AZ: L 18 R 1112/15). Denn ein solcher Anspruch kann aufgrund der im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen gespeicherten Daten nicht ermittelt werden. Nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht war auf die Gesamthöhe der aus den Anwartschaften erbrachten Leistungen und nicht auf die Dauer der Rentenleistung abzustellen. § 115 Abs. 6 SGB VI verlangt darüber hinaus auch nicht die Abfrage von Daten, die in dem Versicherungskonto eines Dritten gespeichert sind (keine Querverbindungen der Rentenkonten).

Weitergewährung befristeter Renten an Versicherte und Hinterbliebene

§ 2 der Richtlinien betrifft Bezieher einer befristeten Rente wegen Erwerbsminderung (§ 102 SGB VI) und Bezieher befristeter großer Witwen- und Witwerrenten wegen Erwerbsminderung (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI). Die Rentenbezieher werden bereits im Bewilligungsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie bei Fortdauer der Leistungsminderung über den bescheidmäßig festgelegten Zeitpunkt hinaus die Weitergewährung der Rente beantragen können.

Die Berechtigten erhalten zusätzlich circa 4 Monate vor Ablauf der Befristung einen maschinell erstellten schriftlichen Hinweis, falls zu diesem Zeitpunkt der Weitergewährungsantrag noch nicht gestellt ist.

Renten an Witwen, Witwer und Waisen

§ 3 der zum 01.11.2012 in Kraft getretenen Richtlinien betrifft die Hinweispflicht gegenüber Witwen und Witwer. Für einen entsprechenden Hinweis wurden in der 2. Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung die melderechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Erst durch die zusätzlich zur Sterbefallmitteilung von der Meldebehörde gemeldeten Personendaten des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners des Versicherten ist ein Hinweis möglich geworden.

Es gilt Folgendes:

  • Wird bei vorangegangener Zahlung von Versichertenrente durch die Witwe beziehungsweise den Witwer die 3-monatige Vorschusszahlung beantragt, liegt nach § 115 Abs. 2 SGB VI ein Rentenantrag vor. Der Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI entfällt.
  • Wurde bis zum Tod keine Versichertenrente gezahlt aber die Wartezeit erfüllt oder bei vorangegangener Zahlung von Versichertenrente bis zum Tod kein Antrag auf Vorschusszahlung durch die Witwe beziehungsweise den Witwer gestellt, wird regelmäßig ein Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI auf die Hinterbliebenenleistung gegeben. Der Hinweis wird erteilt, wenn innerhalb von 6 Monaten nach dem Tod des Ehegatten kein Rentenantrag gestellt wurde.

Aus den Hinweisen geht auch hervor, dass für den Erhalt von Waisenrente eine Antragstellung erforderlich ist.

Fälle mit Auslandsbezug

Eine ausländische Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz eines Berechtigten außerhalb Deutschlands befreien nicht von der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI. Auch wenn sich ein Rentenanspruch wegen der Vorschriften zur Zahlung der Renten in das Ausland möglicherweise später als nicht oder nicht in vollem Umfang in das Ausland zahlbar erweist, besteht die Verpflichtung, die Berechtigten auf nahe liegende Rentenansprüche rechtzeitig hinzuweisen.

Das Europarecht (VO (EG) Nr. 883/2004 sowie VO (EWG) Nr. 1408/71) und die Sozialversicherungsabkommen, die die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten geschlossen hat, schreiben für den Erwerb des Rentenanspruchs die Zusammenrechnung

  • der deutschen mit allen mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten und Wohnzeiten oder
  • der deutschen mit den jeweiligen vertragsstaatlichen Versicherungszeiten oder
  • der deutschen mit den jeweiligen vertragsstaatlichen Versicherungszeiten und allen mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten und Wohnzeiten

vor. Durch die Regeln zur Zusammenrechnung können alle Wartezeiten für den Rentenanspruch mit deutschen und den jeweiligen mitgliedstaatlichen und/oder vertragsstaatlichen Zeiten erfüllt werden. Bei der Prüfung, ob für die Hinweispflicht die allgemeine Wartezeit (vergleiche §§ 1 und 3 der Richtlinien) gegeben ist, werden die jeweils relevanten ausländischen Zeiten einbezogen (sofern das Abkommen zum Zeitpunkt der Hinweispflicht schon in Kraft war beziehungsweise das Europarecht im Verhältnis zu dem Staat, in dem die Zeiten zurückgelegt wurden, anzuwenden war).

Ist die Wartezeit zwar nicht allein mit den deutschen Zeiten, jedoch zusammen mit mitgliedstaatlichen und/oder vertragsstaatlichen Zeiten erfüllt, handelt es sich um einen ‘geeigneten’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI. Die Berechtigten erhalten nach Maßgabe der Ausführungen in Abschnitt 7.2 einen entsprechenden Hinweis. Dies setzt aber voraus, dass die ausländischen Zeiten im Versicherungskonto erfasst sind, damit der maschinell erzeugte Hinweis zutreffend erfolgen kann.

Eine Pflicht zur Ablage ausländischer Versicherungsdaten in einer elektronischen Datenbank ergibt sich aus dem Europarecht und den Sozialversicherungsabkommen selbst nicht. Allein der § 115 Abs. 6 SGB VI (in Verbindung mit den Regeln zur Zusammenrechnung der Zeiten im Europarecht und den Abkommen) beinhaltet jedoch seit seinem Inkrafttreten am 01.01.1992 die Verpflichtung, die vorhandenen Daten so vorzuhalten, dass der entsprechende Hinweis später erfolgen kann.

Ist ein (maschinell auszulösender) Hinweis unterblieben, liegt in folgenden Fällen ein ‘geeigneter’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI vor, der einen Herstellungsanspruch auslöst:

  • Die ausländischen Zeiten sind gespeichert, ein Hinweisschreiben wurde aber nicht versandt, weil die programmtechnischen Verfahren die zwischenstaatliche Anspruchsprüfung noch nicht zuließen.
  • Die ausländischen Zeiten wurden nicht gespeichert (gegebenenfalls war dies auch noch nicht möglich) und
    • die ausländischen Zeiten sind nach dem 31.12.1991 aktenkundig geworden (zum Beispiel im Rahmen einer Kontenklärung oder eines Versorgungsausgleichs) oder
    • der ausländische Versicherungsverlauf ist zwar vor dem 01.01.1992 eingegangen, jedoch war nach dem 31.12.1991 ein Vorgang anhängig (zum Beispiel Antrag auf Beitragserstattung oder Antrag auf Kontenklärung).

Kein ‘geeigneter’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI liegt vor, wenn

Beachte:

In Fällen, in denen die aktuelle Anschrift im Ausland unbekannt ist, fehlt es bei der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs an der Kausalität für den verspäteten Rentenbeginn (vergleiche GRA zu § 14 SGB I). Es liegt kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem unterbliebenen Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI und dem verspäteten Rentenbeginn vor (Urteil des LSG Berlin vom 06.12.2000, AZ: L 8 RA 148/98, Urteil des LSG Bayern vom 23.05.2006, AZ: L 6 R 6/04).

Siehe Beispiele 3, 4, 5 und 6

Beispiel 1: Regelaltersrente - 65. Lebensjahr nach 12/1991 vollendet

(Beispiel zu Abschnitt 7.3.2)
Vollendung des 65. Lebensjahres am 15.03.2005.
verspäteter Antrag auf Regelaltersrente vom 10.05.2012
Bescheid vom 03.07.2012 mit einem Rentenbeginn vom 01.05.2012.
Rentenhöhe: monatlich 1.500,00 EUR (durch erhöhten Zugangsfaktor)
Überprüfungsantrag vom 15.05.2014, begehrt wird rückwirkende Rentenzahlung ab 01.04.2005.
Lösung:
In Fällen, in denen ein bindender Bescheid vorliegt, besteht nur die Möglichkeit, diesen nach § 44 SGB X aufzuheben und die rückwirkende Leistungserbringung - ausgehend vom Überprüfungsantrag vom 15.05.2014 - nach § 44 Abs. 4 SGB X für 4 Jahre einzuschränken. Unter Berücksichtigung des Urteil des BSG vom 27.03.2007, AZ: B 13 R 58/06 R, ist der Zahlungsbeginn auf den Beginn des Vierjahreszeitraumes zu verschieben. Die (neu festgestellte) Regelaltersrente in Höhe von monatlich 1.400,00 EUR beginnt (ausgehend von Überprüfungsantrag) ab 01.01.2010 mit dem entsprechenden Erhöhungsfaktor. Für die Vergangenheit sind bereits (zeitgleich) gezahlte Rentenbeträge zu verrechnen; Überzahlungen sind nicht zurückzufordern, für die Zukunft ist die bisherige (‘zu hohe’) Rente weiterzuzahlen und die Beträge sind künftig auszusparen (§ 48 Abs. 3 SGB X):
  • 01.04.2005 bis 31.12.2009:
Nicht-Zahlung wegen § 44 Abs. 4 SGB X
  • 01.01.2010 bis 30.04.2012:
Nachzahlung 28 mal 1.400,00 EUR*
  • 01.05.2012 bis 30.06.2014:
Nachzahlung mit Verrechnung der ‘zeitgleich’ bereits gezahlten Rentenbeträge, wobei die Differenz von 1.400,00 EUR* zu 1.500,00 EUR* (monatlich 100,00 EUR) nicht zurückzufordern ist.
  • ab 01.10.2014 (laufende Zahlung):
monatlich 1.500,00 EUR* mit Aussparung
* Beträge ohne Rentenanpassung

Beispiel 2: Regelaltersrente und verspäteter Rentenantrag mit Wahlrecht

(Beispiel zu Abschnitt 7.3.1)
Fallgruppen:a) und b)c) und d)
Erreichen der Regelaltersgrenze12.03.201512.03.2013

verspäteter (Erst-)Antrag auf

Regelaltersrente

05.07.201805.07.2018
Lösungen:

Der Berechtigte kann (anhand von Probeberechnungen) wählen, ob er von dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Gebrauch machen will oder die Rente erhalten möchte, die sich aus der tatsächlichen Rentenantragstellung ergibt.

Im Fall a) begehrt der Berechtigte die Regelaltersrente ab dem Monat der verspäteten Antragstellung ab 01.07.2018 mit einem erhöhten Zugangsfaktor für die Zeit vom Folgemonat nach Erreichen der Regelaltersgrenze (04/2015) bis zum Vormonat des Rentenbeginns (06/2018).

Im Fall b) begehrt der Berechtigte die Regelaltersrente rückwirkend nach Erreichen der Regelaltersgrenze mit einem frühestmöglichen Rentenbeginn am 01.04.2015. Der Zugangsfaktor erhöht sich nicht.

Im Fall c) macht der Berechtigte von seinem Wahlrecht Gebrauch, in dem er in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X (ausgehend vom Antrag im Jahr 2018) den Rentenbeginn auf den 01.01.2014 oder einen späteren Termin verschiebt. Der Zugangsfaktor erhöht sich für die Zeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum Vormonat des Rentenbeginns.

Im Fall d) macht der Berechtigte von seinem Wahlrecht Gebrauch, indem er sich für den Zahlungsbeginn der Regelaltersrente entscheidet, der sich - ausgehend vom Antrag im Jahr 2018 - in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ergibt (01.01.2014). Rentenbeginn ist der Erste des Folgemonats nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Der Zugangsfaktor erhöht sich für die Zeit der Nichtinanspruchnahme der Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum Vormonat des Zahlungsbeginns.

Beispiel 3: Regelaltersrente mit deutschen und italienischen Versicherungszeiten

- Versicherungsverlauf im Auslandskonto gespeichert

(Beispiel zu Abschnitt 7.10)
Vollendung des 65. Lebensjahres25.05.1995
(verspäteter) Rentenantrag28.02.2015
Zustand des Versicherungskontos nach Kontenklärung im Jahr 1993:
01.12.1954 bis 31.03.1959 versicherte Beschäftigung52 Monate
01.01.1960 bis 31.12.1961 Versicherungszeit (Italien)79 Wochen
Lösung:

Es liegt ein ‘geeigneter’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI vor.

Allein aus dem maschinellen Versicherungskonto ist der Anspruch auf Regelaltersrente aus mindestens 60 Monaten deutscher und italienischer Versicherungszeit erfüllt. Weil die gemeinsamen Richtlinien noch nicht in Kraft waren und ein maschinelles Hinweisverfahren nicht existierte, erfolgte keine Benachrichtigung. Ein solcher Fall wird nachträglich im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geheilt (sofern sich nicht ein noch offenes Rentenverfahren im Rahmen der Antragsgleichstellung nach Art. 44 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 36 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 574/72 wegen eines italienischen Rentenantrages ergibt).

Beispiel 4: Regelaltersrente mit deutschen und spanischen Versicherungszeiten

- nach dem 31.12.1991 eingegangener Versicherungsverlauf

(Beispiel zu Abschnitt 7.10)
Vollendung des 65. Lebensjahres19.02.2000
(verspäteter) Rentenantrag14.03.2015
Zustand des Versicherungskontos:
01.12.1974 bis 31.03.1976 versicherte Beschäftigung16 Monate
Ausländische Zeiten sind nicht gespeichert. In der Akte befindet sich ein E 205 E des INSS Barcelona vom 17.09.1992, der anlässlich einer Kontenklärung angefordert wurde und 145 Monate spanische Versicherungszeit ausweist.
Lösung:

Es liegt ein ‘geeigneter’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI vor.

Allein aus dem maschinellen Versicherungskonto, das nur deutsche Versicherungszeiten enthält, ist der Anspruch auf Regelaltersrente aus mindestens 60 Monaten Versicherungszeit nicht erfüllt. Der Versicherte wurde deshalb im Rahmen des maschinellen Benachrichtigungsverfahrens nicht auf den notwendigen Rentenantrag hingewiesen.

Die Verspätung des Rentenantrages kann nachträglich im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geheilt werden (sofern sich nicht ein noch offenes Rentenverfahren im Rahmen der Antragsgleichstellung nach Art. 44 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 36 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 574/72 wegen eines spanischen Rentenantrages ergibt). Dass der nach dem 31.12.1991 eingegangene mitgliedstaatliche Versicherungsverlauf nicht gespeichert wurde und damit dem Benachrichtigungsverfahren zu § 115 Abs. 6 SGB VI nicht zur Verfügung stand, löst den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus.

Beispiel 5: Regelaltersrente mit deutschen und us-amerikanischen Versicherungszeiten

- vor dem 01.01.1992 eingegangener Versicherungsverlauf

(Beispiel zu Abschnitt 7.10)
Vollendung des 65. Lebensjahres19.02.2010
(verspäteter) Rentenantrag14.06.2015
Zustand des Versicherungskontos:
01.12.1954 bis 31.03.1957 versicherte Beschäftigung28 Monate
Ausländische Zeiten sind nicht gespeichert. In der Akte befindet sich ein US-amerikanischer Versicherungsverlauf vom 21.05.1990, der bei der Einleitung eines Rentenverfahrens wegen Erwerbsunfähigkeit von der SSA übersandt wurde und 257 Monate US-amerikanische Versicherungszeit ausweist. Nach der Ablehnung der Erwerbsunfähigkeitsrente am 10.09.1990 hatte die Versicherte keinen weiteren Kontakt zur Deutschen Rentenversicherung.
Lösung:

Es liegt kein ‘geeigneter’ Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI vor.

Allein aus dem maschinellen Versicherungskonto, das nur deutsche Versicherungszeiten enthält, ist der Anspruch auf Regelaltersrente aus mindestens 60 Monaten Versicherungszeit nicht erfüllt. Die Versicherte wurde deshalb im Rahmen des maschinellen Benachrichtigungsverfahrens nicht auf den notwendigen Rentenantrag hingewiesen.

Die Verspätung des Rentenantrages kann im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht geheilt werden, da der US-amerikanische Versicherungsverlauf vor dem Inkrafttreten des § 115 Abs. 6 SGB VI übersandt und nach dem 31.12.1991 kein weiterer Kontakt zur Deutschen Rentenversicherung aufgenommen wurde. Es bestand im Jahr 1990 keine Verpflichtung zur Speicherung der ausländischen Zeiten.

Beispiel 6: Aktuelle Anschrift im Ausland ist nicht bekannt und nicht ermittelbar

(Beispiel zu Abschnitt 7.10)
Vollendung des 65. Lebensjahres16.02.2010
(verspäteter) Rentenantrag20.03.2015
Zustand des Versicherungskontos:
01.10.1968 bis 31.03.1976 versicherte Beschäftigung90 Monate
Ausländische Zeiten sind nicht gespeichert. Der Versicherte lebt seit 1977 in den USA und hatte danach keinen weiteren Kontakt zur Deutschen Rentenversicherung.
Lösung:

Auch wenn sich hier bereits allein aus dem maschinellen Versicherungskonto, das nur deutsche Versicherungszeiten enthält, grundsätzlich ein Anspruch auf Regelaltersrente ergibt, konnte aufgrund der fehlenden aktuellen Anschrift im Ausland dem Versicherten kein Hinweis im Rahmen des § 115 Abs. 6 SGB VI gegeben werden. Diese Fälle sind für eine routinemäßige Mitteilung, die sich auf die elektronisch gespeicherten Daten stützt, nicht geeignet.

Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sind nicht erfüllt. Es fehlt an der Kausalität. Das Hinweisschreiben an die bekannte frühere deutsche Anschrift hätte den Versicherten nicht erreicht.

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 08.12.2016 (BGBl. I S. 2838)

Inkrafttreten: 14.12.2016

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9787

Durch Artikel 1 Nummer 24 des Flexirentengesetzes wird in Absatz 4 nur noch auf Leistungen zur Teilhabe abgestellt. Die Wörter „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ sind entfallen, sie werden als eigenständige Regelung im zweiten Kapitel, erster Abschnitt, zweiter Unterabschnitt, zweiter Titel aufgenommen.

Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024)

Inkrafttreten: 01.01.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksachen 16/6540, 16/6986

Mit Wirkung vom 01.01.2008 wurden durch Artikel 6 Nummer 4 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze in Absatz 3 Satz 2 die Wörter ‘zur Vollendung’ durch die Wörter ‘zum Erreichen’ der Altersgrenze ersetzt. Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Klarstellung zum neuen Begriff der Altersgrenze (siehe RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007), die nur ‘erreicht’, aber nicht ‘vollendet’ werden kann.

RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554)

Inkrafttreten: 01.01.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/3794

Durch Artikel 1 Nummer 37 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 wurden in Absatz 3 Satz 1 die Wörter ‘zur Vollendung des 65. Lebensjahres’ durch die Wörter ‘zum Erreichen der Regelaltersgrenze’ und in Satz 2 die Wörter ‘des 45. Lebensjahres’ durch die Wörter ‘der Altersgrenze für eine große Witwenrente oder große Witwerrente’ ersetzt. Die Anpassung stellt eine Folgeänderung zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre dar.

RVOrgG vom 09.12.2004 (BGBl. I S. 3242)

Inkrafttreten: 01.10.2005

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 15/3654

In Absatz 6 Satz 2 wurden mit Wirkung ab 01.01.2005 die Wörter ‘gemeinsame Richtlinien der Träger der Rentenversicherung’ durch die Wörter ‘Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund’ ersetzt. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund nunmehr Grundsatz- und Querschnittsaufgaben für alle Rentenversicherungsträger wahrnimmt.

SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046)

Inkrafttreten: 01.07.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/5074

In Absatz 4 wurde durch Artikel 6 Nummer 40 des SGB IX das Wort ‘Rehabilitation’ durch die Worte ‘medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben’ ersetzt.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124

§ 115 SGB VI ist durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung ab 01.01.1992 eingeführt worden. Die in Absatz 6 Satz 2 genannten gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung (vergleiche AGFAVR 1/2012, TOP 4) sind im Wesentlichen am 01.07.1998 in Kraft getreten.

Anlage 1Muster eines Hinweisschreibens zur Regelaltersrente gemäß § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 115 SGB VI