Navigation und Service

Logo der Deutschen Rentenversicherung (Link zur Startseite rvRecht)

rvRecht® - Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung

L 16 R 694/07

Tenor

I.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. März 2008 aufgehoben.
II. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2005 wird abgewiesen.
III.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Beginn der dem Kläger gewährten Regelaltersrente.

Der 1934, nach eigenen Angaben 1934, geborene Kläger bezieht ab dem 01.08.2004 Regelaltersrente. Am 04.08.2004 wandte sich der Kläger mit der Frage an die Beklagte, ob ihm eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zustehe. Falls ja, würde er hiermit einen Antrag stellen. Im anschließenden Rentenverfahren stellte die Beklagte für den Zeitraum vom 01.06.1950 bis zum 31.12.1955 insgesamt 67 Kalendermonate Pflichtbeiträge fest, die vom Kläger entrichtet wurden. Mit Bescheid vom 31.08.2004 gewährte die Beklagte ab dem 01.08.2004 Regelaltersrente in Höhe von 233,56 Euro monatlich.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass er von 1950 bis 1959 als Arbeiter bei der B. beschäftigt gewesen sei. Vom 01.12.1959 bis zum 10.10.1960 sei er Forstwartanwärter (Beamter auf Probe) gewesen und sei am 17.10.1960 zur B. gewechselt, bei der er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994 beschäftigt gewesen sei. Er habe bei seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis im Jahr 1961 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder einen Antrag auf Beitragsrückerstattung gestellt. Diese Beiträge seien ihm ausbezahlt worden. Er sei der Meinung gewesen, dass damit alle Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt erloschen seien. Aus diesem Grund habe er keinen Rentenantrag mit Erreichung des 65. Lebensjahres gestellt. Außerdem habe er darauf vertraut, dass er benachrichtigt werden würde, wenn ihm eine Rente zustehe. Nun würde die Bezirksfinanzdirektion R., Bezügestelle Versorgung, für vier Jahre wegen der verspäteten Antragstellung Rückforderungen geltend machen. Er müsse deshalb mit erheblichen Einbußen bei seinen Ruhestandsbezügen rechnen. Daher müsse ihm die Altersrente ab dem 65. Lebensjahr gewährt werden.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es sich bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und der ehemaligen Landesversicherungsanstalt um zwei verschiedene Sicherungssysteme handle. Die Beiträge, die er als Arbeiter im öffentlichen Dienst zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gezahlt habe beziehungsweise erstattet bekommen habe, würden sich nicht auf die Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beklagten auswirken. Dies bedeute, dass die an die Beklagte gezahlten Beiträge rechtswirksam entrichtet worden seien. Außerdem sei für ihn erstmals am 09.08.2004 aufgrund seines Anrufes eine Versicherungsnummer vergeben worden. Daher sei bei einem maschinellen Benachrichtigungslauf aufgrund des Erreichens des 65. Lebensjahres eine Benachrichtigung an ihn nicht erfolgt. Ein Rentenverfahren beginne grundsätzlich erst ab Antragstellung, bei verspäteter Antragstellung sei die Rente ab dem Monat zu leisten, in dem die Rente beantragt werde (§ 99 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, SGB VI). Daher sei der Rentenbeginn der Altersrente des Klägers der 01.08.2004.

Daraufhin trug der Bevollmächtigte des Klägers vor, dass dieser einen Anspruch auf richtige Beratung und Information habe. Widersprüche hätte die Beklagte aufklären müssen und nicht einfach Informationen unterlassen dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass aufgrund einer Anfrage der Bezirksfinanzdirektion R., Bezügestelle Versorgung vom 30.06.2004 im Kartenarchiv der Landesversicherungsanstalt Oberbayern hinsichtlich vorhandener Versicherungsunterlagen ermittelt worden sei. Im Kartenarchiv hätten sich drei Versicherungskarten für den Kläger befunden. In den vorliegenden Karten seien widersprüchliche Angaben hinsichtlich des Geburtsdatums gemacht worden (Geburtsdatum 17.12.1934 beziehungsweise 20.12.1934). Daraufhin sei der Widerspruchsführer mit Schreiben vom 02.08.2004 gebeten worden, eine Geburtsurkunde zu übersenden. Mit Eingang der Geburtsurkunde am 06.08.2004 sei gleichzeitig formlos Altersrente beantragt worden. Anschließend sei erstmals eine Versicherungsnummer mit dem tatsächlichen Geburtsdatum 1934 vergeben worden. Da bei einer verspäteten Antragstellung die Rente von dem Kalendermonat an geleistet werde, in dem die Rente beantragt werde, sei der Widerspruch zurückzuweisen gewesen, da weder nach § 115 Abs. 6 SGB VI eine Hinweispflicht bestanden habe, noch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu einem früheren Rentenbeginn führen würde. Eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI würde nur dann bestehen, wenn der Rentenversicherungsträger über entsprechende Daten verfüge, die erforderlich seien, einen eventuellen Anspruch auf Rente zu überprüfen. Diese Anforderungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine Nachforschungspflicht würde nicht existieren.

Am 17.02.2005 wurde gegen den Widerspruchbescheid Klage zum Sozialgericht München erhoben. Zur Begründung erklärte der Klägerbevollmächtigte, dass die Beklagte den Kläger -entgegen ihrer Pflicht- nicht auf eine rechtzeitige Rentenantragstellung hingewiesen habe. Die Begründung der Beklagten, dass der Kläger keine Versicherungsnummer habe und sie auch kein Versicherungskonto angelegt habe, sei so nicht haltbar. Sie hätte Versicherungsnummern für ihr Kartenarchiv vergeben müssen und entsprechende Nachforschungen bei divergierenden Angaben auf den Karten machen müssen. Der Kläger habe nicht das Risiko eines internen Fehlbuchungsvorgangs bei der Beklagten zu tragen. Vielmehr sei die Beklagte verpflichtet, ihr Kartenarchiv so zu führen, dass alle denkbaren Anspruchssteller eine Versicherungsnummer und ein Versicherungskonto erhielten. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass er einen Rentenanspruch gegen die Beklagte habe. Dieser Umstand sei ihm erst durch einen Hinweis der Bezirksfinanzdirektion R. bekannt geworden. Da die Bezirksfinanzdirektion R. diese relevanten Daten habe feststellen können, hätte diese die Beklagte erst recht feststellen müssen. Daher liege der Fehler, der zur verspäteten Rentenantragstellung geführt habe, nicht beim Kläger, sondern bei der Beklagten.

Das Sozialgericht München gab mit Urteil vom 08.03.2007 der Klage statt und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Altersrente ab Erreichung des 65. Lebensjahres zu zahlen. Zur Begründung führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, dass die Beklagte den Kläger nach § 115 SGB VI auf eine rechtzeitige Rentenantragstellung hätte hinweisen müssen. Zwar hätte sicherlich die Durchsicht des Kartenarchivs viel Verwaltungsaufwand bedeutet, andererseits hätte die Beklagte durchaus bei unterschiedlichen Geburtsdaten eine Anfrage an den Kläger richten können. Die Beklagte hätte in den zurückliegenden Jahren eine generelle Durchsicht der Versicherungskarten vornehmen müssen mit der Folge, dass entsprechende Fälle erfasst und geklärt worden wären. Daher handele es sich um einen im Sinne des § 115 SGB VI „geeigneten Fall“.

Die Beklagte hat gegen das Urteil des Sozialgerichts am 10.09.2007 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, dass der Kläger sechs Jahre lang sowohl Beiträge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder als auch Beiträge zur früheren Landesversicherungsanstalt gezahlt habe. Er habe daher wissen müssen, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Systeme handle. Doch selbst wenn dem Kläger aus dieser Unwissenheit kein Vorwurf gemacht werden sollte, so könne dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Es habe für die Beklagte keine Pflicht bestanden, Versicherungsnummern zu vergeben. Die Versicherungsnummern seien erstmals 1964 vergeben worden. Nach § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Versicherungsnummern in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 27.12.1967 war an jeden Versicherten, der im Zeitpunkt der Vergabe der Versicherungsnummern versichert war oder erstmalig versichert wurde, eine Versicherungsnummer zu vergeben. An alle anderen Personen konnte eine Versicherungsnummer vergeben werden, wenn dies der Aufgabenerfüllung der Rentenversicherung diente. Die Pflicht zur Vergabe einer Versicherungsnummer sei daher lediglich für alle aktuell Versicherten vorgegeben gewesen. Sogenannte latent versicherte Personen, wie der Kläger, hätten eine Versicherungsnummer nur erhalten, wenn sie sich mit einem Anliegen an den Rentenversicherungsträger gewandt hätten. Der Kläger sei 1934 geboren und habe seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung 1959 beendet. Er habe demnach nicht zu dem Personenkreis gehört, für den nach diesen Verwaltungsvorschriften eine Versicherungsnummer zu vergeben gewesen sei. Aber selbst dann, wenn man meine, dass die frühere LVA Oberbayern die Versicherungskarten des Klägers in ein maschinell geführtes Konto hätte überführen müssen, wäre dem Kläger zum 01.12.1999 im Rahmen des § 115 Abs. 6 SGB VI kein Hinweis erteilt worden, da dessen aktuelle Anschrift nicht bekannt gewesen sei. Die letzte Anschrift stamme aus dem Jahr 1953 aus der Versicherungskarte Nr. 2, mit dem alleinigen Eintrag „O.“. Ginge man davon aus, dass eine Pflicht zur Vergabe einer Versicherungsnummer und Speicherung der Daten von den Versicherungskarten vorhanden gewesen wäre, so wäre eine solche Erfassung nicht ohne Nachfrage beim Kläger möglich gewesen, da zwei verschiedene Geburtsdaten vorgelegen hätten. Ohne Befragung des Klägers wäre die Beklagte von zwei Versicherten ausgegangen und beide Versicherte hätten, getrennt von einander betrachtet, die allgemeine Wartzeit von 60 Monaten nicht erfüllt, somit hätte sich keine Hinweispflicht ergeben. Eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI habe nicht bestanden, da kein „geeigneter Fall“ vorliege. Es habe kein maschinell geführtes Konto gegeben, aus dem hervorgehe, dass die allgemeine Wartezeit erfüllt sei, da keine Versicherungsnummern vergeben worden seien. Hierzu verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 14.11.2002, SozR 3-2600 § 115 Nr. 9 sowie Nrn. 1 bis 5.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

  • das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.03.2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 31.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2005 abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

  • die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.03.2007 zurückzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung seines Antrags hat er vorgetragen, dass es nicht auf die Frage des Verschuldens oder Nichtverschuldens des Klägers ankomme, sondern lediglich darauf, dass die Beklagte ihre Pflichten verletzt habe und somit ein sozialrechtlicher „Restitutionsanspruch“ bestehen würde. Nach über 40 Jahren habe der Kläger nicht mehr wissen können, wo er überall versichert gewesen sei. Der Kläger hätte einen Rentenantrag gestellt, wäre er pflichtgemäß darüber informiert worden, dass er Rentenansprüche habe. Dass die Versicherungskarten Nr. 1 und Nr. 2 falsche Angaben enthielten, könne nicht dem Kläger zugeordnet werden, sondern der ausführenden Person, die offensichtlich die Beklagte gestellt habe. Daher seien die Fehler auf der Versicherungskarte der Beklagten zuzurechnen. Sie hätte bei richtiger und ordnungsgemäßer Verwaltung die Versicherungskarte mit den richtigen Daten anlegen müssen und eine Versicherungsnummer vergeben müssen. Der Kläger habe diese Fehler nicht zu verantworten. Außerdem habe eine aktuelle Anschrift des Klägers nicht vorliegen müssen. Das Bundessozialgericht leite die Verpflichtung der Beklagten zum Hinwies auf die Rentenantragstellung in geeigneten Fällen daraus her, dass die Verwaltung alle Unterlagen kennen müsse, die zur Rentenantragstellung berechtigten. Sie hätte diese Unterlagen kennen können und müssen und daher sei eine Hinweispflicht der Beklagten gegeben. Diese Hinweispflicht würde unabhängig vom Verwaltungsaufwand bestehen. Fehler der Datenerfassung würden die Beklagte nicht entschuldigen oder rechtfertigen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Dienstherr des Klägers diesen wegen des bestehenden, aber nicht ausgezahlten Rentenanspruchs auf Rückzahlung der Pension unabhängig von der Zahlung der Rente in Anspruch genommen habe. Dem Kläger sei schwer zu vermitteln, dass er Pensionsbezüge an den Dienstherren zurückführen müsse und gleichzeitig die Rentenzahlungen nicht erhalte.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2004 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 21.01.2005 sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Altersrente vor dem 01.08.2003 hat. Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts München vom 08.03.2008 aufzuheben.

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie

1.das 65. Lebensjahr vollendet und
2.die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

Diese Voraussetzungen nach § 35 SGB VI sind bei dem Kläger unstreitig bereits seit dem 01.01.2000 erfüllt. Da der Rentenantrag jedoch erst am 04.08.2004 gestellt wurde, also mehr als drei Monate nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, beginnt die Rente erst ab dem 01.08.2004 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist demnach nicht zu beanstanden. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. zum Beispiel BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn. 1 und 2). Voraussetzung ist, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht eingeräumt hat. Die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung muss zumindest ursächlich für den beim Versicherten bewirkten Nachteil sein und schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (sogenannter Schutzzusammenhang).

Die Beklagte hat weder ihre spezielle Hinweispflicht zur Rentenantragstellung nach § 115 Abs. 6 SGB VI, noch ihre allgemeinen Beratungs- und Hinweispflichten aus §§ 14, 15 SGB I verletzt.

§ 115 Abs. 6 SGB VI verpflichtet die Träger der Rentenversicherung Versicherte in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Durch diese Vorschrift werden die allgemeinen Informations- und Beratungspflichten der Rentenversicherungsträger zur konkreten Informationspflicht verstärkt (vgl. Kass. Kommentar, Niesel, §115 RdNr.  24). Diese Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 zugleich mit der Vorschrift des § 99 SGB VI eingeführt, der die Auswirkungen des Antragszeitpunktes für den Rentenbeginn regelt. Die gemeinsame Einführung dieser beiden Vorschriften zeigt ihre Verknüpfung. § 115 Abs. 6 SGB VI wurde als Korrektiv zu den durch § 99 SGB VI eingeführten Folgen einer verspäteten Antragstellung vorgesehen. In gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen. Grundsätzlich muss der Rentenversicherungsträger einen Hinweis zur Antragstellung geben, wenn es für ihn ohne eine einzelfallbezogene Sachaufklärung möglich ist zu erkennen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt sind (vgl. Kass. Kommentar, a.a.O: RdNr. 25). Daher ist ein Fall wie der vorliegende, in dem ein Versicherter das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) erfüllt hat, regelmäßig ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, in dem die Hinweispflicht der gesetzlichen Rentenversicherung zu bejahen ist. Auch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung haben dies in § 1 ihrer Gemeinsamen Richtlinie gemäß § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI ausdrücklich festgelegt. Versicherte, die ausweislich ihres Versicherungskontos die allgemeine Wartzeit erfüllen und eine Rente der Rentenversicherung weder beziehen noch beantragt haben, sind spätestens im Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres darauf hinzuweisen, dass sie die Regelaltersrente rechtzeitig erhalten können, wenn sie diese bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragen, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden.

Da § 115 Abs. 6 SGB VI eine besondere Ausprägung der in den §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) genannten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger darstellt, begründet die Vorschrift eine Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers ohne ein konkretes Beratungsersuchen. Voraussetzung für diese Informationspflicht ist allerdings, dass es dem Rentenversicherungsträger möglich ist, allein aufgrund der gespeicherten Daten des Versicherten auf für den Versicherten naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten in typischen Fallkonstellationen hinzuweisen. Die nach bestimmten leistungsrechtlichen Kriterien abrufbaren Daten in den jeweiligen Versicherungskonten erlauben die Prüfung und Feststellung, ob von einem Versicherten für einen möglichen Leistungsbezug bereits der entsprechende Antrag gestellt worden ist, oder dies aus einer dann zu vermutenden Unkenntnis des Berechtigten unterblieben ist. Aus diesen Umständen ergibt sich aufgrund des § 115 Abs. 6 SGB VI, dass für den Versicherungsträger nur dann eine Pflicht bestehen kann, ihre Versicherte auf Leistungen hinzuweisen, wenn die maßgeblichen Daten wie Geburtsdatum, Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und insbesondere das Erfüllen der allgemeinen Wartezeit aus dem vorhandenen Datenbestand zu erkennen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wurden Hinweispflichten immer nur dann bejaht, wenn die maßgeblichen Daten der Versicherten beim Rentenversicherungsträger gespeichert und aufgrund allgemeiner Kriterien abrufbar waren (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn. 1, 2, 3, 4, 5).

Eine Verletzung der in § 115 Abs. 6 SGB VI bestimmten Hinweispflicht kann hingegen nicht angenommen werden, wenn ein Versicherter noch nicht datenmäßig von dem zuständigen Versicherungsträger erfasst worden ist. In einem solchen Fall würde vom Rentenversicherungsträger andernfalls verlangt werden, ohne abrufbaren Datenbestand, das heißt ohne Prüfung, ob objektiv alle Voraussetzungen für eine Leistung vorliegen und ohne konkreten Anlass, Mitteilungen an Versicherte zu übersenden (vgl. hierzu BSG vom 14.11.2002, B 13 RJ 39/01 R). Eine Hinweispflicht besteht nach Ansicht des Bundessozialgerichts (a.a.O.) nicht, wenn ein Versicherter noch nicht datenmäßig erfasst worden ist, da vom Rentenversicherungsträger sonst etwas Unmögliches verlangt werde, nämlich ohne konkrete Sachbearbeitung beziehungsweise ohne konkreten Anlass fristgerechte Mitteilungen an die Versicherten zu übersenden.

Nach den Ausführungen der Beklagten und auch des Klägers war die Anfrage der Bezirksfinanzdirektion R. vom 30.06.2004 der Anlass für die Beklagte, in ihrem Kartenarchiv Nachforschungen zum Versicherungsverhältnis des Klägers anzustellen. Aufgrund dieser Nachforschungen wurden die Versicherungskarten mit den Nrn. 1 und 2 des Klägers mit den unterschiedlichen Geburtsdaten 20.12.1934 und 17.12.1934 gefunden. Erstmals kam es auch zur Vergabe einer Versicherungsnummer durch die Beklagte. Dies bedeutet, dass die Beklagte aus ihrem Datenbestand heraus nicht feststellen konnte, ob der Kläger einen Anspruch auf Altersrente hatte oder nicht. Sie hatte im Jahr 2000 weder eine Versicherungsnummer noch einen Versicherungsverlauf gespeichert. Insoweit liegt auch kein der Beklagten zurechenbares Organisationsverschulden vor, weil die Vergabe von Versicherungsnummern weit nach der Entrichtung des letzten Beitrags des Klägers 1959 erst im Jahr 1964 eingeführt worden ist und der Kläger danach keinen Kontakt mehr zu Beklagten hatte. Die Beklagte war nicht verpflichtet, ihr gesamtes Kartenarchiv datenmäßig zu erfassen. Unter diesen Umständen war es der Beklagten objektiv nicht möglich, den Kläger auf die Möglichkeit eines Rentenbezugs hinzuweisen. Für eine routinemäßige Mitteilung, gestützt auf elektronisch gespeicherte Daten, bestand kein Hinweis, so dass eine Aufforderung zur Rentenantragstellung an den Kläger nicht erfolgen musste. Somit besteht keine Pflichtverletzung der Beklagten. Ein auf die aus § 115 Abs. 6 SGB VI bestehende Hinweispflicht gestützter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet somit schon aus diesem Grund aus.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte selbst bei Bestehen einer (hier nur unterstellten) Hinweispflicht diese auch deswegen nicht erfüllen konnte, da sie keine aktuelle Anschrift des Klägers gespeichert hatte. Der Kläger hatte letztmals im Jahr 1954 Kontakt zur Beklagten. Aus dieser Zeit stammt auch seine letzte Adresse mit der Angabe: O.. Eine aktuelle Adresse mit Straße und Postleitzahl hatte die Beklagte nicht. In Fällen, in denen der derzeitige Aufenthaltsort eines Versicherten nicht bekannt ist, seit Jahren kein Kontakt zum Rentenversicherungsträger besteht und auch keine Beiträge mehr geleistet wurden, ist eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI auch aus diesem Grunde nicht anzunehmen. Die Beklagte hätte erst den aktuellen Aufenthaltsort des Klägers ermitteln müssen. Ein Hinweis kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann in Betracht, wenn die Adressaten des Hinweises ohne weitere Nachforschungen bestimmbar sind (vgl BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 3). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall gewesen, seine Adresse und die Geburtsdaten waren ungeklärt.

Darüber hinaus war der Beklagten das korrekte Geburtsdatum des Klägers nicht bekannt, was dazu führte, dass die Beklagte von zwei Versicherten auszugehen hatte, die jeweils die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hatten, weswegen eine Aufforderung zur Rentenantragstellung ebenfalls nicht erfolgt wäre beziehungsweise erfolgen musste.

Daher steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich hier nicht um einen „geeigneten Fall“ im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI handelt. Ein solcher liegt nämlich nur dann vor, wenn zum einen die Adresse des Versicherten ohne weitere Nachforschungen aus dem Datenbestand des Versicherungsträgers bestimmbar ist und zum anderen keine einzelfallbezogene Sachaufklärung erforderlich ist, sich also der Rentenanspruch unmittelbar aus dem gespeicherten Datenbestand der Beklagen ergibt. All dies war hier nicht der Fall, daher scheidet ein Herstellungsanspruch wegen Verletzung des § 115 Abs. 6 SGB VI aus.

Die Beklagte hat den Rentenbeginn zutreffend festgestellt, das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München vom 08.03.2007 konnte daher keinen Bestand haben und war aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 182 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Zusatzinformationen